Heute unternehme ich mit Ihnen einen Ausflug in eine Welt, in der sich Masse und Klasse keineswegs ausschließen.
Beginnen wir mit dem Lob der Masse – jedenfalls was industrielle Produktionsweise betrifft. Man muss sich ab und zu bewusst machen, was dadurch möglich geworden ist, ohne das unser Alltag kaum noch denkbar wäre.
Heute stellte ich bei der Schreibtischarbeit fest, dass meine Funkmaus den Dienst quittiert hatte. Da schnell Ersatz her musste, fuhr ich ins nächste Gewerbegebiet mit Elektronikladen und griff dort kurzerhand zum billigsten Gerät, das zu bekommen war. Schwarz wie die bisherige, aber angenehmer vom Handling war sie, so fiel die Entscheidung leicht.
Beim Auspacken und Anschließen – eine Sache von einer halben Minute – dachte ich, wie unglaublich das alles ist: Das ganze Teil mit Verpackung, Sender, Batterie und Anleitung hatte inkl. Steuer und Gewinnmargen gerade einmal 9,99 EUR gekostet.
Nur präzises Durchdenken von Konstruktion, Materialbeschaffung und Fertigungsschritten – gefolgt von massivem Skalieren und perfekter Logistik – machen so etwas möglich.
Was heute der Chinamann beherrscht wie kein anderer, das wurde in den USA erfunden und ab etwa 1920 zu einer Meisterschaft entwickelt, die in Europa zeitweise Volkswagen in den 1960er Jahren erreichte und dann in fast allen Bereichen die Japaner.
Dass die US-Massenfabrikate der 20er Jahre nicht nur unschlaggbar günstig waren, sondern auch ausgezeichnete Qualität für den harten Alltag boten, das ist ebenso ein Dauerthema in meinem Blog wie die hilfosen Versuche deutscher Hersteller, die überlegene Konkurrenz aus Übersee schlechtzureden.
Die US-Großserienwagen verkauften sich auf der ganzen Welt gut und besonders gut in Deutschland, wo es im gehobenen Segment ausschließlich Manufakturfabrikate gab.
Die von offizieller Seite geschmähten Amerikanerwagen machten tatsächlich überall gute Figur von Schottland bis Ägypten.
Eine typische US-Limousine um 1925 wurde selbst von Briten gefahren, etwa wie hier bei einem Ausflug an die Reste des römischen Hadrianswalls in Nordengland:

Ist doch schick, wie sich hier Masse und Klasse zum Stelldichein einfinden, oder?
So ein klassischer Wagen wirkt überhaupt nicht störend in der Landschaft oder vor historischer Kulisse, meine ich.
Auf der folgenden Aufnahme haben wir ein fast identisches Exemplar vor der Kulisse des griechischen Poseidontempels in Paestum in Süditalien.
Bei meinem ersten Besuch dort vor rund 30 Jahren hatte ich die Anlage fast für mich allein, aber so ein Wagen nebst stilvoll gekleideten Reisenden hätte mich schon damals abgelenkt:
Wollen Sie noch ein weiteres Beispiel aus dieser Kategorie sehen?
Nun, dann folgen Sie mir noch weiter in den Süden zu den Pyramiden von Gizeh am Rand der ägyptischen Hauptstadt Kairo.
Die folgende Aufnahme zeigt den gleichen Wagentyp wiederum mit zeitgenössischen Reisenden aus einer Zeit, in der man sich merkwürdigerweise bei Sonnenschein noch nicht zwanghaft und oft zum Nachteil wehrloser Mitmenschen entblättern musste:
„Jaja, alles schön und gut“, mögen Sie jetzt denken. „Aber das sind doch ausgewählte Idealfotos, mit denen unser Blogwart seine These von Masse trifft Klasse illustrieren will.“
Stimmt, und vermutlich werden Sie den Braten bereits gerochen haben. Denn keines der bislang gezeigten Fotos ist authentisch. Ich habe diese Bilder mir heute binnen kurzem von „GROK“ zaubern lassen.
Dabei handelt es sich um die neue KI-Plattform von Bürger- und Bürokratenschreck Elon Musk – für mich ein genial-besessener Charakter vom Format eines Isambard K. Brunel.
Die Gesinnungs-Gouvernanten hierzulande werden einiges an ihm auszusetzen haben, aber solche Typen gedeihen nun einmal nur in den Staaten – und in China, doch darüber berichten hiesige Medien ungern, weil man auf dem Sektor selbst null zu bieten hat.
Aber wir wollen die deutsche Heimat dennoch mit Wohlwollen betrachten, das hat sie zumindest im Hinblick auf die vielen großartigen Hinterlassenschaften der letzten Jahrhunderte bis zum 1. Weltkrieg durchaus verdient.
Jedenfalls beneidet uns die Welt außerhalb Europas um die zahllosen historischen Orte, die trotz der Verheerungen des 30-jährigen Kriegs, der Feldzüge Napoleons, der allierten Flächenbombardements und des Abrisswahns der Nachkriegszeit noch vorhanden sind.
Wie die klassischen Monumente auf den eingangs gezeigten mit KI generierten Fotos gaben und geben sie Kulissen ab, vor denen sich eine US-Limousine von der Mitte der 1920er Jahre ebenfalls sehr gut macht:
Dieses Foto hatte ich bereits anno 2019 präsentiert und damals auch die Meriten des abgebildeten Wagens gewürdigt (siehe hier).
Es handelt sich nämlich um einen Sechszylinderwagen von 1925, der von der erst ein Jahr zuvor gegründeten Marke Chrysler in über 75.000 Exemplaren gebaut wurde.
Dass sich diese Masse durchaus mit Klasse verbinden ließ, das lassen schon die serienmäßigen Hydraulikbremsen zu einer Zeit erkennen, als deutsche Automarken gerade von Hinterradbremse auf mechanische Vierradbremse umstellten.
Auch die gut 65 PS PS des 3,3 Liter-Motors sind Kennzeichen eines Wagens, der am deutschen Markt weit in der Oberklasse angesiedelt war. Hier sehen wir ihn vor der bis heute kaum veränderten Kulisse von Kloster Bebenhausen in Baden-Württemberg.
„Jaaaa“, höre ich jetzt die Verfechter der deutschen Werkmannsarbeit grummeln, „diese Fließbandschöpfungen boten doch nicht die großartige Vielfalt an Aufbauten, wie sie bei einheimischen Manufakturwagen möglich waren.“
Weit gefehlt – auch industrielle Produktion erlaubt Differenzierung, sofern die Stückzahlen stimmen. Und das war bei einer Chrysler-Produktion von über 75.000 Autos pro Jahr problemlos möglich.
Anno 1925 wurden ab Werk zehn verschiedene Karosserievarianten angeboten – darunter zweisitzige Roadster, fünfsitzige Tourer, viersitzige Coupes und vier Limousinen-Versionen.
Stellvertretend dafür zeige ich heute eine erst kürzlich mit Hilfe des Antique Automobile Club of America identifizierte spezielle Ausführung als „Brougham“:
Man versuche erst gar nicht, der Bezeichnung „Brougham“, die ursprünglich aus dem Kutschbau stammt und mannigfaltige Bedeutungsveränderungen erlebte, irgendeinen tieferen Sinn abzugewinnen.
So wie die Amis Aufbauten als „Roadster“ bezeichnen, bei denen ihre früheren Kolonialherren in Britannien mindestens eine Augenbraue nach oben ziehen, so hat auch ein „Brougham“ in den Staaten wenig mit den Gepflogenheiten im alten Europa zu tun.
Das ist gerade das Problem, das bis heute für so viele Verständigungsprobleme sorgt. Viele in Europa meinen, die US-Amerikaner, die doch eine Art Englisch sprechen und zu 80 % von Europäern abstammen, mit europäischen Maßstäben bewerten zu müssen.
Das funktioniert nicht und gerade die Millionen von Deutschen, die aus blanker Not, Verfolgung oder Abenteuerlust nach Amerika gingen, sind ein Beispiel dafür. Außer dem Namen und vager Erinnerung an die Vorfahren verbindet sie nichts mehr mit der Alten Welt.
Der junge Mann, der einst mit dem heute vorgestellten Foto den deutschen Verwandten seinen Chrysler präsentierte, schrieb auf der Rückseite noch in der Muttersprache, aber er war bereits ein Amerikaner geworden.
Seine Welt war eine, in der das Alte rapide vom Neuen abgelöst wurde und dieses Neue hatte nichts mehr mit Europa zu tun – das Originalfoto ist ein Zeugnis davon:
In dieser Neuen Welt trafen Masse und Klasse auf eine Weise aufeinander, die für europäische Augen irritierend war und in unseren Tagen immer noch ist.
Man muss das, was daraus wurde, nicht alles mögen, aber dass Europa in praktisch keiner Kategorie mehr tonangebend ist außer im Spucken großer Töne, das war schon vor 100 Jahren annähernd so – man wollte es bloß nicht wahrhaben…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Alles richtig beobachtet – diese KI-generierten Fotos lassen sich (noch) leicht entlarven. Doch der Stil eines US-Wagens um 1925 und die Darstellung in einem historischen Umfeld ist bereits ziemlich genau getroffen (das war der Auftrag). Ich sehe hier bereits deutliche Fortschritte gegenüber den Fähigkeiten dieser Systeme noch vor einem Jahr. Mich interessiert diese Entwicklung, ohne dass sie deswegen die Originale entwertet.
Bitte nicht !
Diese sog. KI kann vielleicht eine Kulisse ausrechnen, die sich in Jahrtausenden nicht signifikant verändert hat – aber bei den vergleichsweise dynamischen Veränderungsprozessen der hier besprochenen technischen Zeit- zeugen gibt’s hilflose Verwirrung,
Wenn die angeblich gleichen Modelle mal hinten ‚ ne schmale Tür haben, mal vorn – und zur endgültigen Verwirrung vor den Pyramiden eine Limousine mit vollends abstruser Aufteilung der rechten Seitenwand zeigt, die sich offensichtlich auch nicht auf der Gegenseite spiegelt !