Als überzeugter Marktwirtschaftler erwarte ich von jedem Produkt, dass es ganz von alleine den Test am Kunden bestehen muss – sonst taugt es auf Dauer nichts.
Was von Subventionen, Schutzzöllen oder sonstigen staatlichen Gehhilfen begleitet wird, kann nicht dem Käuferbedarf entsprechen. Die naiven „Nur noch elektrisch!“-Gläubigen erfahren das gerade schmerzhaft – wer noch selber denkt, kann kaum überrascht sein.
Dabei gab und gibt es natürlich auch für Batteriefahrzeuge ganz wunderbare Anwendungen, die sich ganz von allein etabliert haben: Gabelstapler, Golf-Caddies, Carrera-Wagen usw.
Ich besitze sogar selbst etwas in der Richtung: Einen China-Roller, der aussieht wie eine Vespa (ok, ich habe etwas nachgeholfen…) und mit zwei einfach austauschbaren Akkus auf 80 km Reichweite kommt.
Nichts passt perfekter zu einem eleganten Stadtroller als die laut- und stufenlose Beschleunigung auf ca. 55 km/h – das ganze mit 50ccm-Mopedkennzeichen und zum Drittel des Preises, den Piaggio für etwas Vergleichbares aufruft. So funktioniert der Markt und ich liebe das Teil für Fahrten im schönen Bad Nauheim.
Die Geschichte der Vorkriegswagen ist ebenfalls ein Musterbeispiel für das, was der Markt ganz von alleine zustandebekommt, wenn keine Bürokraten mitzureden haben. Die sollen sich auf die Bedingungen für fairen Wettbewerb und Einhaltung einiger allgemeiner Vorschriften beschränken, auf welche die Mehrheit pocht – damit haben sie genug zu tun.
Nun werden Sie bei der US-Marke Chrysler vielleicht nicht gerade an ein Meisterwerk des Marktes denken – doch dann machen Sie den Fehler, vom Ende des Lebenszyklus einer Marke auszugehen. Der Niedergang gehört ebenso dazu wie der Aufstieg und beides sollte sich möglichst ungestört vollziehen dürfen.
Nach dieser Vorrede geht es nun 100 Jahre zurück ins Jahr 1924 zu einem Musterbeispiel dafür, wie geschäftstüchtige Zeitgenossen, die ihr Handwerk verstehen, ganz ohne Schützenhilfe ein Produkt lancieren, das auf Anhieb zu überzeugen weiß.
Urheber war Walter Chrysler, dessen atemberaubende persönliche Geschichte bereits eine eigene Betrachtung wert wäre, wenn dafür Zeit und Raum wäre.
Vom Hilfsarbeiter auf einem Bauernhof arbeitete er sich über etliche Stationen bis zum Geschäftsführer von Buick hoch. Seinen Abschied ließ er sich vergolden, indem er seine Aktienbeteiligung 1919 für damals unglaubliche 10 Mio. Dollar an William Durant abgab.
Mit diesem hübschen Polster ausgestattet startete Chrysler nach einem Sanierungsjob bei Willys 1924 seine eigene Automobilproduktion.
Der neue „Chrysler Six“ war ein Mittelklassewagen mit für US-Verhältnisse kleinem Hubraum und hoher Verdichtung, was knapp 70 PS Leistung ermöglichte. Schmankerl waren Aluminiumkolben, Druckumlaufschmierung und hydraulische (!) Vierradbremsen, als deutsche Premiummarken noch einen Aufpreis für mechanische Vorderradbremsen verlangten.
Über 30.000 Wagen brachte Chrysler im ersten Jahr an den Mann – nicht etwa weil Mangel an Alternativen herrschte, sondern weil das Gesamtpaket zum Preis von unter 1.500 Dollar auf Anhieb überzeugte.
Kurze Zeit später tauchte der Chrysler auch am deutschen Markt auf (es gab auch eine.Vierzylinderversion mit kürzerem Radstand). Mit dem Auto konnte man sich sehen lassen und posierte entsprechend für Mit- und Nachwelt:
![](https://i0.wp.com/vorkriegs-klassiker-rundschau.blog/wp-content/uploads/2024/04/Chrysler_1925_Roadster_2_Galerie.jpg?resize=584%2C371&ssl=1)
Wenn Sie den Wagen jetzt auf Anhieb nicht so überzeugend finden, kann das daran liegen, dass die Frontpartie unscharf wiedergegeben ist und das Auto wie ein ordinärer Tourer aussieht.
Doch warten Sie ab, wir kommen gleich zu einer zweiten Ansicht, bei der alles auf Anhieb überzeugend ist. Bei der Identifikation hilft der Schriftzug „Chrysler“ auf dem Kühler natürlich.
Die durchgehende Frontscheibe verrät, dass es sich nicht mehr um das Startmodell von 1924 handelt – ansonsten halten sich die optischen Anpassungen in Grenzen. Der geflügelte Helm auf dem Kühler findet sich offiziell ab dem Modelljahr 1926, das Ende 1925 eingeführt wurde.
Der eigentliche Charme entfaltet sich , wenn man feststellt, dass man es in Wahrheit mit einem zweisitzigen Cabriolet mit Notsitzen im Heck zu tun hat – nach US-Konvention ein „Rumbleseat-Roadster“.
Nur damit waren solche auf Anhieb überzeugenden Posen möglich:
Unser Paar aus dem Raum Dresden – dort war der Chrysler zugelassen – war offenbar zufrieden mit der Entscheidung für den „Amerikanerwagen“, auch wenn es sich vielleicht dumme Bemerkungen anhören musste, dass diese Massenfabrikate nichts taugten.
So konnte man sich irren – die große Zeit der US-Automobile am deutschen Markt hatte damals gerade erst begonnen und die einheimischen Hersteller hatten der Konkurrenz aus Übersee nichts entgegenzusetzen. Erst ab 1930 bekamen sie allmählich die Kurve.
Was damals auf Anhieb überzeugte, sollte auch heute das Leitbild sein: Mehr Risikobereitschaft und Unternehmertum, weniger Hemmnisse für Investitionen, mehr Anerkennung für geschäftlichen Erfolg und natürlich: null Unterstützung durch die Allgemeinheit, wenn man sich verkalkuliert hat.
Angesichts der immer größer werdenden wirtschaftlichen Probleme in unserem Land ist man frei nach Willy Brandt geneigt zu sagen: „Mehr Markt wagen!“ Mich würde ein solches schlichtes politisches Programm auf Anhieb überzeugen – viel mehr braucht es erst einmal nicht, um aus der Misere herauszukommen.
Hilfreich waren freilich auch erfolgshungrige und risikobereite Aufsteigertypen wie Walter Chrysler statt nur nach Subventionen und persönlicher Sicherheit schielenden Verwaltertypen in den Teppichetagen der Industrie…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.