Auf Anhieb überzeugend: Chrysler Roadster von 1925/26

Als überzeugter Marktwirtschaftler erwarte ich von jedem Produkt, dass es ganz von alleine den Test am Kunden bestehen muss – sonst taugt es auf Dauer nichts.

Was von Subventionen, Schutzzöllen oder sonstigen staatlichen Gehhilfen begleitet wird, kann nicht dem Käuferbedarf entsprechen. Die naiven „Nur noch elektrisch!“-Gläubigen erfahren das gerade schmerzhaft – wer noch selber denkt, kann kaum überrascht sein.

Dabei gab und gibt es natürlich auch für Batteriefahrzeuge ganz wunderbare Anwendungen, die sich ganz von allein etabliert haben: Gabelstapler, Golf-Caddies, Carrera-Wagen usw.

Ich besitze sogar selbst etwas in der Richtung: Einen China-Roller, der aussieht wie eine Vespa (ok, ich habe etwas nachgeholfen…) und mit zwei einfach austauschbaren Akkus auf 80 km Reichweite kommt.

Nichts passt perfekter zu einem eleganten Stadtroller als die laut- und stufenlose Beschleunigung auf ca. 55 km/h – das ganze mit 50ccm-Mopedkennzeichen und zum Drittel des Preises, den Piaggio für etwas Vergleichbares aufruft. So funktioniert der Markt und ich liebe das Teil für Fahrten im schönen Bad Nauheim.

Die Geschichte der Vorkriegswagen ist ebenfalls ein Musterbeispiel für das, was der Markt ganz von alleine zustandebekommt, wenn keine Bürokraten mitzureden haben. Die sollen sich auf die Bedingungen für fairen Wettbewerb und Einhaltung einiger allgemeiner Vorschriften beschränken, auf welche die Mehrheit pocht – damit haben sie genug zu tun.

Nun werden Sie bei der US-Marke Chrysler vielleicht nicht gerade an ein Meisterwerk des Marktes denken – doch dann machen Sie den Fehler, vom Ende des Lebenszyklus einer Marke auszugehen. Der Niedergang gehört ebenso dazu wie der Aufstieg und beides sollte sich möglichst ungestört vollziehen dürfen.

Nach dieser Vorrede geht es nun 100 Jahre zurück ins Jahr 1924 zu einem Musterbeispiel dafür, wie geschäftstüchtige Zeitgenossen, die ihr Handwerk verstehen, ganz ohne Schützenhilfe ein Produkt lancieren, das auf Anhieb zu überzeugen weiß.

Urheber war Walter Chrysler, dessen atemberaubende persönliche Geschichte bereits eine eigene Betrachtung wert wäre, wenn dafür Zeit und Raum wäre.

Vom Hilfsarbeiter auf einem Bauernhof arbeitete er sich über etliche Stationen bis zum Geschäftsführer von Buick hoch. Seinen Abschied ließ er sich vergolden, indem er seine Aktienbeteiligung 1919 für damals unglaubliche 10 Mio. Dollar an William Durant abgab.

Mit diesem hübschen Polster ausgestattet startete Chrysler nach einem Sanierungsjob bei Willys 1924 seine eigene Automobilproduktion.

Der neue „Chrysler Six“ war ein Mittelklassewagen mit für US-Verhältnisse kleinem Hubraum und hoher Verdichtung, was knapp 70 PS Leistung ermöglichte. Schmankerl waren Aluminiumkolben, Druckumlaufschmierung und hydraulische (!) Vierradbremsen, als deutsche Premiummarken noch einen Aufpreis für mechanische Vorderradbremsen verlangten.

Über 30.000 Wagen brachte Chrysler im ersten Jahr an den Mann – nicht etwa weil Mangel an Alternativen herrschte, sondern weil das Gesamtpaket zum Preis von unter 1.500 Dollar auf Anhieb überzeugte.

Kurze Zeit später tauchte der Chrysler auch am deutschen Markt auf (es gab auch eine.Vierzylinderversion mit kürzerem Radstand). Mit dem Auto konnte man sich sehen lassen und posierte entsprechend für Mit- und Nachwelt:

Chrysler von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wenn Sie den Wagen jetzt auf Anhieb nicht so überzeugend finden, kann das daran liegen, dass die Frontpartie unscharf wiedergegeben ist und das Auto wie ein ordinärer Tourer aussieht.

Doch warten Sie ab, wir kommen gleich zu einer zweiten Ansicht, bei der alles auf Anhieb überzeugend ist. Bei der Identifikation hilft der Schriftzug „Chrysler“ auf dem Kühler natürlich.

Die durchgehende Frontscheibe verrät, dass es sich nicht mehr um das Startmodell von 1924 handelt – ansonsten halten sich die optischen Anpassungen in Grenzen. Der geflügelte Helm auf dem Kühler findet sich offiziell ab dem Modelljahr 1926, das Ende 1925 eingeführt wurde.

Der eigentliche Charme entfaltet sich , wenn man feststellt, dass man es in Wahrheit mit einem zweisitzigen Cabriolet mit Notsitzen im Heck zu tun hat – nach US-Konvention ein „Rumbleseat-Roadster“.

Nur damit waren solche auf Anhieb überzeugenden Posen möglich:

Chrysler von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Unser Paar aus dem Raum Dresden – dort war der Chrysler zugelassen – war offenbar zufrieden mit der Entscheidung für den „Amerikanerwagen“, auch wenn es sich vielleicht dumme Bemerkungen anhören musste, dass diese Massenfabrikate nichts taugten.

So konnte man sich irren – die große Zeit der US-Automobile am deutschen Markt hatte damals gerade erst begonnen und die einheimischen Hersteller hatten der Konkurrenz aus Übersee nichts entgegenzusetzen. Erst ab 1930 bekamen sie allmählich die Kurve.

Was damals auf Anhieb überzeugte, sollte auch heute das Leitbild sein: Mehr Risikobereitschaft und Unternehmertum, weniger Hemmnisse für Investitionen, mehr Anerkennung für geschäftlichen Erfolg und natürlich: null Unterstützung durch die Allgemeinheit, wenn man sich verkalkuliert hat.

Angesichts der immer größer werdenden wirtschaftlichen Probleme in unserem Land ist man frei nach Willy Brandt geneigt zu sagen: „Mehr Markt wagen!“ Mich würde ein solches schlichtes politisches Programm auf Anhieb überzeugen – viel mehr braucht es erst einmal nicht, um aus der Misere herauszukommen.

Hilfreich waren freilich auch erfolgshungrige und risikobereite Aufsteigertypen wie Walter Chrysler statt nur nach Subventionen und persönlicher Sicherheit schielenden Verwaltertypen in den Teppichetagen der Industrie…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Mit Lilo in die Neue Welt: Chrysler von 1924/25

Heute folgen wir den Spuren eines Mädchens namens Lilo und landen in der Neuen Welt.

Dazu müssen wir jedoch die heimatliche Scholle nicht verlassen, denn die Neue Welt manifestierte sich ab Mitte der 1920er Jahren auch in deutschen Landen eindrucksvoll, jedenfalls was Automobile betrifft.

Diesmal befassen wir uns mit einem recht frühen Vertreter der später massenhaft in Deutschland abgesetzten US-Wagen – jedenfalls lässt sich das abgebildete Auto bis ins Jahr 1924 zurückverfolgen.

Damals wurde in New York ein völlig neues Fahrzeug präsentiert, von einer Firma, die gerade erst gegründet worden war – von einem Mann, der als Hilfsarbeiter auf einer Farm begonnen hatte: Walter Chrysler.

Er hatte sich in der Automobilbranche hochgearbeitet, war Manager bei Buick, dann bei Willys gewesen, zuletzt übernahm er das Kommando bei Maxwell-Chalmers. Auf Umwegen konnte er dort drei Konstrukteure verpflichten, deren Prototyp ihm bereits bei Willys aufgefallen war.

Dieses Fahrzeug wurde dann als erster Chrysler präsentiert und noch im gleichen Jahr in über 30.000 Exemplaren abgesetzt.

1925 sah der Chrysler noch ziemlich genauso aus wie der Erstling von anno 1924, sodass wir nicht sicher sagen können, um welches Modelljahr genau es sich bei diesem Fahrzeug handelte:

Chrysler von 1924/25; Originalfoto mit freundlicher Genehmigung von Angelika und Werner Thieme.

Da haben wir die kleine Lilo auf dem Kühler des Chrysler sitzen! Dass wir ihren Namen kennen, das verdanken wir Angelika und Werner Thieme. Frau Thieme weiß auch etwas zum einstigen Besitzer des Autos, denn er war ihr Großvater!

So gehörte der Chrysler einem Stuttgarter Großhändler aus dem Schmuck- und Edelmetallgeschäft namens Erich Oberheidtmann, der damit Einzelhändler in Südwestdeutschland besuchte.

Zumindest zeitweise gingen die Geschäfte gut, denn mit dem Chrysler von 1924/25 gönnte sich der Besitzer eines der modernsten Fahrzeug seiner Klasse überhaupt. Dieses kam nicht nur aus der Neuen Welt, es repräsentierte auch die neue Welt des Autobaus.

Der 3,3 Liter messende Sechszylindermotor des Chrysler war hochverdichtet und bot so eine ungewöhnlich hohe Leistung von knapp 70 PS. Zum Vergleich: Stoewers 6-Zylindertyp D12V bot 1925 bei 3,4 Litern gerade einmal 55 PS, bei Mercedes und Horch sah es selbst nach Mitte der 1920er Jahre nicht besser aus.

Ein Spitzentempo von über 110 km/h war mit dem Chrysler drin, während deutsche Fabrikate meist kaum über 80 km/h hinauskamen. Der amerikanische Hersteller hatte dem Auto konsequenterweise auch gleich hydraulische Vierradbremsen spendiert.

Das war in einem Mittelklassewagen 1924 sensationell, denn selbst Oberklassefahrzeuge deutscher Hersteller besaßen damals oft noch nicht einmal serienmäßige Trommelbremsen an der Vorderachse – trotz oft kolossaler Gewichte.

Kein Wunder, dass Chrysler seinen Absatz schon 1925 mehr als verdoppeln konnte. Im Skalieren der Produktion waren und sind die Amis Meister, weshalb sich deutsche Mittelständler unserer Tage lieber an US-Konzerne verkaufen, anstatt selbst ganz groß ins Geschäft einzusteigen – „German Angst“ bremst auch heute noch zuverlässig.

Das war die neue Autowelt, in der die kleine Lilo ihre ersten Jahre zubrachte. Viel später sollte sie die Mutter von Angelika Thieme werden, der wir die Informationen zu dem Chrysler und seinem einstigen Besitzer verdanken.

Hier haben wir sie noch einmal und nun kann man auch die Kühlerplakette lesen:

Nicht völlig auszuschließen ist, dass der Chrysler, auf dem die kleine Lilo saß, ein Vierzylindermodell des Jahres 1926 war.

Dieses besaß nämlich noch eine dem Sechszylindertyp von 1924/25 ähnelnde Frontpartie, während der Sechszylinder 1926 ein anders gestaltetes Kühlergehäuse erhielt.

Das würde aber nichts daran ändern, dass der Wagen eine Neue Welt repräsentiert, welcher die Hersteller auf dem europäischen Kontinent bis Anfang der 1930er Jahre wenig entgegenzusetzen hatten.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Für die Frau mit Doktor und Charakter: Chrysler von 1929

Aus dem Kurzurlaub in Italien zurückgekehrt, finde ich neben einem gegenstandslosen Schreiben vom unersättlichen Fiskus auch eine erfreuliche Nachricht vor:

Ich darf das Foto eines Automobils zur Besprechung vorstellen, das sich im Besitz des Heimatvereins Ostbevern im nördlichen Münsterland befindet und das mir zur Identifikation des abgebildeten Wagens vorgelegt wurde.

Das ist mir deshalb ein Vergnügen, weil es dabei in zweierlei Hinsicht um einen „starken Typen“ geht – um einen eindrucksvollen US-Wagen und eine bemerkenswerte Frau, die diesen einst in deutschen Landen fuhr.

Viele meiner Leser wissen, dass mir die Dokumentation der heute undenkbaren Dominanz amerikanischer Wagen in Deutschland gegen Ende der 1920er Jahre am Herzen liegt. Diese ist weder den Markenenthusiasten in den Staaten bewusst, noch spiegelt sie sich auf einschlägigen Klassikerveranstaltungen hierzulande wider.

Dabei begegnete man den leistungsfähigen, attraktiv gezeichneten, gut ausgestatteten und (vergleichsweise) günstigen „Amerikanerwagen“, wie man sie einst herablassend titulierte, bis in die 1930er Jahre auf Schritt und Tritt.

Im heutigen Fall geht es um die Marke Chrysler, die insofern interessant ist, als sie sehr spät gegründet wurde (1924) und lange ihre Eigenständigkeit im Wettbewerbern gegenüber den Giganten General Motors und Ford wahren konnte.

Bereits kurz nach der Gründung gelangen Chrysler die ersten Verkaufserfolge auch am deutschen Markt. Hier haben wir ein Modell „Imperial“ des Modelljahrs 1926/27:

Chrysler „Imperial“, Modelljahr: 1926/27; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Es waren Wagen wie diese mächtige Limousine mit 80 PS starkem Sechszylinder, die den trägen deutschen Herstellern ihre Rückständigkeit gnadenlos vorführten.

Neben solchen repräsentativen Ausführungen, die in der Regel von einem Chauffeur gesteuert wurden, bot Chrysler auch sportlich anmutende Karosserien an, die eine vollkommen andere Klientel ansprachen, welche selbst fahren wollte.

Ein Beispiel dafür kann ich heute präsentieren. Doch zuvor sind einige Worte zu der einstigen Besitzerin angebracht.

Sie wurde als Frieda Bahl im Westerwald geboren und wollte der Enge der Heimat dadurch entkommen, dass sie eine Karriere als Schauspielerin in den USA anstrebte. Dort verbrachte sie zwar einige Jahre, doch aus dem Traum wurde – wie so oft – nichts.

Nach Deutschland zurückgekehrt wandte sie sich einer nüchternen Profession zu, den Rechtswissenschaften. Nach Studium und Promotion ließ sie sich in Berlin als Anwältin nieder.

Verheiratet findet man sie etwas später als Dr. Frieda Schwarz im Münsterland wieder. Ihre juristische Tätigkeit und die ihres Mannes ermöglichten offenbar den Erwerb eines starken Wagens mit viel Charakter – hier posiert sie am Volant:

Chrysler „Rumble-Seat Roadster“ von 1929; Originalfoto aus dem Archiv des Heimatvereins Ostbevern

Auf dieser Aufnahme, die in einem deutschen Seebad entstanden sein könnte, sehen wir einen typischen Vertreter des amerikanischen „Rumble-Seat Roadsters“ – also eines zweisitzigen Cabriolets mit im Heck befindlichem ausklappbarem „Schwiegermuttersitz“.

Ist ein derart großes Automobil auf (in der Regel) bloß zwei Insassen – hier die Fahrerin nebst Hund – zugeschnitten, darf man das Resultat getrost als Luxuswagen bezeichnen, selbst wenn es ein Serienfahrzeug war.

So etwas musste man sich leisten können und um so etwas im ärmlichen Alltag der Vorkriegszeit zu fahren, musste man über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügen. Auch wenn die meisten Zeitgenossen im Münsterländischen nicht einmal ein Fahrrad besaßen, werden sie wohl gewusst haben, dass die „Frau Doktor“ einen US-Wagen fuhr.

Dass es sich um einen Chrysler vom Ende der 1920er Jahre handelte, das verraten dann Einzelheiten wie die von vorne nach hinten zunächst länger, dann wieder kürzer werdenden Luftschlitze in der Motorhaube:

Auch die Gestaltung der Speichenräder, der Doppelstoßstange und der Scheinwerfer sowie die Lufteinlassklappen in der Partie zwischen Motorhaube und Tür finden sich genau so beim 1928er Chrysler Typ „75“ wieder. Auf die als Zubehör erhältlichen seitlich montierten Ersatzräder hatten Frieda Schwarz und ihr Mann August verzichtet.

Wann und wo genau diese Aufnahme entstand, ist unbekannt. Vielleicht erkennt ein Leser den Bau im Hintergrund wieder, der mich an Seebäder-Architektur im Jugendstil erinnert.

Was wurde nun aus der Frau Doktor und ihrem Wagen mit Charakter?

Nun, was Frieda Schwarz angeht, gibt es hier ein kurzes Porträt. Demnach gelang es ihr bei Kriegsende dank ihrer Englischkenntnisse sowie mit Mut und Intelligenz gewalttätige Übergriffe von US-Soldateska in Ostbevern zu verhindern.

Sie erwies sich in einer Extremsituation als das, was man heute gern als „starke Frau“ bezeichnet, bloß dass ihr Doktor im Unterschied zu modernen Blendern (m/w/d) echt war und sie sich ihre prominente Position in einem denkbar ungünstigen Umfeld erarbeitet hatte.

Einer solchen Frau mit Doktor und Charakter gönnt man gern den starken Auftritt im selbst erworbenen Luxus-Automobil. Leider dürfte ihr schöner Wagen nur noch auf dieser Aufnahme erhalten sein.

Wer nun wissen will, wie der Chrysler von Frieda und August Schwarz in Wirklichkeit aussah, mag dieses Rundumporträt eines überlebenden Exemplars genießen:

Videoquelle: YouTube; hochgeladen von GR Auto Gallery

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Drei Männer im Schnee: Chrysler „Four“ von 1926/27

Heute habe ich nichts Außerordentliches zu bieten: vier Zylinder, drei Männer im Schnee, zwei Fotos und einen alten Bekannten – den ich vor längerem hier vorgestellt habe.

Der mittlerweile 95-jährige alte Bekannte begegnete uns auf einem Jugendporträt. So sah ein Chrysler der Modelljahre 1926/27 in der Vierzylinderversion einst aus:

Chrysler „Four“ Series 50 (bzw. 58); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch ohne den Markenschriftzug auf dem Kühlergrill ließe sich diese klassische Limousine als Chrysler identifizieren. Typisch ist nämlich der geflügelte „Wikinger“helm auf dem Kühlerverschlussdeckel.

Da dieser in Niedersachsen zugelassene Chrysler einen oben abgerundeten Kühler und trommelförmige Scheinwerfer besitzt, kann man die beiden Sechsyzlindertypen mit 68 bzw. gut 90 PS ausschließen. Ein Beispiel dafür zeige ich bei anderer Gelegenheit.

So wird es sich um die Basisversion „Four“ gehandelt haben, die äußerlich kaum verändert 1926 und 1927 gebaut wurde und als Series 58 bzw. 50 bezeichnet wurde. Zwar mussten sich Käufer des „Four“ mit 38 PS begnügen, konnten aber bereits Hydraulikbremsen ordern – in dieser Klasse bei deutschen Fabrikaten erst ab 1928 verfügbar (Adler „Favorit“).

Die modern gestalteten und preisgünstigen Chrysler-Vierzylinder verkauften sich auch am deutschen Markt gut, weshalb man ihnen immer wieder auf zeitgenössischen Fotos begegnet. Hier haben wir ein in Thüringen zugelassenes Exemplar:

Chrysler „Four“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei der Identifikation hilft uns der erwähnte Helm auf dem Kühlerdeckel, ansonsten entspricht die Karosserie vollkommen derjenigen auf dem eingangs gezeigten Foto. Auch die Gestaltung der Scheinwerfer passt zu den Modelljahren 1926/27.

Zusätzliche Gewissheit verschafft uns der Umstand, dass der Originalabzug von alter Hand auf 19. Februar 1928 datiert ist. Wenn jetzt noch jemand das Restaurant bzw. Hotel im Hintergrund wiedererkennen würde, wäre das Glück vollkommen.

„Restauration, Pension – S…..der“ steht dort über der Tür geschrieben, in der zweiten Zeile dann „Bes. Jos. Heid…“, in der dritten Zeile schließlich „Binding Bier“. Mit etwas Glück sollte sich die Lokalität doch ausfindig machen lassen.

Unterdessen werfen wir noch einen näheren Blick auf den Chrysler:

Außer dem Suchscheinwerfer am linken Holm der Windschutzscheibe ist hier nur ein ebenfalls runder Fahrtrichtungsanzeiger auf dem linken Vorderkotflügel sowie eine ADAC-Plakette auf der Querstange zwischen den Frontscheinwerfern zu entdecken.

Wie der Chrysler aus Niedersachsen ist auch diese Limousine in einer Zweifarblackierung gehalten, bei der der Karosseriekörper eher hell gehalten ist und Rahmenpartie sowie Kotflügel dunkel abgesetzt sind – alles vollkommen serienmäßig.

Das i-Tüpfelchen auf dieser Aufnahme ist tatsächlich etwas anderes – die drei Männer im Schnee, die hier zusammen mit ihrem Chrysler posieren:

Der Mittlere der drei balanciert auf einem Stein im Boden und wird von seinen Kameraden gestützt. Ihm wird irgendeine herausgehobene Rolle zugekommen sein, sei es im Ernst, sei es im Spaß – jedenfalls eine hübsche Situation.

Viel mehr vermag ich dem Chrysler „Four“ heute kaum abzuringen, jedenfalls nicht, wenn man dieses Foto zugrundelegt. Doch das Motiv der „Drei Männer im Schnee“ führt einen auf reizende Abwege.

So erinnerte ich mich an einen gleichnamigen Unterhaltungsroman von Erich Kästner aus den 1930er Jahren und stellte bei einer kurzen Recherche fest, dass die darin wiedergegebene Verwechslungsgeschichte gleich mehrfach verfilmt wurde.

Da unsere drei Männer im Schnee mit einem US-Automobil unterwegs waren, habe ich mich zum Ausklang für eine hübsche Szene aus der amerikanischen Verfilmung „Paradise for Three“ von 1938 entschieden:

Videoquelle: YouTube.com; hochgeladen von LampyMeier2007

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Ein 1931er Chrysler „Eight“ mit „Drauz“-Aufbau

Der Wagen, den ich heute anhand eines historischen Originalfotos vorstelle, kommt dem „Fund des Jahres“ schon recht nahe – allerdings muss dieser noch ein wenig warten.

Dennoch handelt es sich um eine schöne Entdeckung, wenngleich von europäischen Automobilen sehr eingenommene Zeitgenossen denken mögen, dass es sich ja „nur“ um ein US-Fabrikat handelt.

So mögen am Ende auch die Verächter amerikanischer Großserienautos zufrieden mit dem Gebotenen sein. Beginnen wir mit einer Rückblende:

Chrysler „Eight“ von 1931; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese einst in Österreich (Region „Oberdonau“ nach 1938) zugelassene Sechsfenster-Limousine habe ich vor längerer Zeit (hier) ausführlich besprochen. Sie ließ sich als Chrysler „Eight“ des Modelljahrs 1931 identifizieren, bei dem erstmals ein schräggestellter, v-förmiger Kühler verbaut wurde.

Nicht serienmäßig ist auf obigem Foto die durchgehende Frontscheibe – sie war bei Werksausführungen dieses Modells mittig unterteilt.

Doch am europäischen Markt war der Chrysler „Eight“ auch mit lokal gebauten Aufbauten verfügbar – eine besonders seltene stelle ich heute vor. Konventionell ist auf jeden Fall die Gestaltung der Motorhaube mit schmalen senkrechten Luftschlitzen.

Darunter verbarg sich je nach Ausführung ein Achtzylindermotor mit 80 bis 88 PS (Series CD) oder 125 PS (Series CG). Technisch war dies ein simples Triebwerk, doch dank des Hubraums und neun Kurbelwellenlagern von großer Souveränität und Haltbarkeit.

Mit seinen für amerikanische Verhältnisse günstigen Achtzylindern gewann Chrysler – Ende der 1920er Jahre drittgrößter Hersteller in den USA – nun auch Prestige.

In Europa war ein Chrysler dieser Kategorie ein Luxuswagen, wozu nicht zuletzt beitrug, dass die US-Autoindustrie damals stilistisch international den Ton angab.

Doch machem Käufer in der Alten Welt genügte das nicht. Der Besitzer des folgenden Wagens zumindest wollte, dass sein Chrysler etwas ganz Besonderes darstellt – und das ist ihm zweifellos gelungen:

Das ist ein hinreißender Entwurf, der alles in den Schatten stellt, was Chrysler in den USA als „custom bodies“ anbot – also für anspruchsvolle Kunden gedachte Spezialaufbauten.

Die schräggestellten Entlüftungsklappen – die es bei Werksausführungen nicht gab – passen perfekt zur sportlichen Linie des Wagens mit der extrem niedrigen Frontscheibe.

Hier wurde auf die serienmäßige mittige Unterteilung verzichtet, die ohnehin nur bei einer v-förmigen Scheibe optisch wirkungsvoll ist. Bei einer flachen Scheibe wirkt sie meist so dröge wie bei einem LKW.

Zu beanstanden ist allenfalls die verunglückte Gestaltung der Doppelstoßstange, die an das Werk eines Hinterhofschmieds erinnert – doch das Teil wurde so ab Werk geliefert

Der Karosseriebauer hingegen hat hier einen meisterhaften Aufbau geschaffen – ein zweitüriges Cabriolet mit kühnem vorderen Türabschluss und beinahe roadstermäßig geschwungener Linie des Seitenfensters:

Mit der Hilfe von Kennern aus der amerikanischen Facebook-Gruppe für Autos der 1900er-bis 1930er Jahre gelang es, den Hersteller dieser fabelhaften Karosserie zu identifizieren.

Es handelt sich um einen Sonderaufbau der Drauz-Werke aus Heilbronn, die sich nach dem Ersten Weltkrieg auf Cabriolets spezialisiert hatten. Eine Abbildung derselben Karosserie findet sich im Netz im „Coachbuild-Forum“ (hier).

Tatsächlich ist nur ein Exemplar dieses Aufbaus auf Chrysler „Eight“ Chassis bekannt. Das muss nicht bedeuten, dass es keine weiteren gab, doch dokumentiert ist bislang nur dieses (siehe auch „Standard Catalog of American Cars“ von Kimes/Clark).

Überhaupt gab es nur 99 Autos, für die Chrysler lediglich das Chassis eines „Imperial Eight Series CG“ lieferte.

Wie der dokumentierte Chrysler „Eight“ mit Aufbau als Zweifenster-Cabriolet von Drauz wurde auch der heute vorgestellte Wagen einst in die Schweiz ausgeliefert. Sollte es sich um dasselbe Auto handeln?

Das Nummernschild scheint auf Zürich in der Schweiz zu verweisen – wenngleich das Fehlen des schweizerischen Nationalwappens irritiert.

Kann ein Kennzeichen-Spezialist mehr hierzu sagen? Ich habe den Eindruck, dass der im Detail gebraucht aussehende Chrysler mit seinen winterlichen Stollenreifen kurz nach dem Krieg aufgenommen wurde und damals vielleicht ein neues Kennzeichen erhielt.

Auf jeden Fall ist dies ein außergewöhnlicher Fund, doch da US-Wagen der 1930er Jahre wenig Prestige hierzulande haben, wollte ich dieses Foto nicht in der Spitzenkategorie präsentieren. Es würde mich allerdings freuen, wenn es den einen oder anderen dazu veranlasst, amerikanischen Vorkriegsautos künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken…

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1925: Ein früher Chrysler „Six“ in Deutschland

Chrysler – wer denkt da nicht mit Grausen an die gescheiterte Fusion mit Daimler-Benz vor über 20 Jahren? Kaum weniger gruselig, was heute unter dem gemeinsamen Dach von Fiat-Chrysler auf den Markt kommt.

Dass ehedem große Namen der Automobilindustrie ihre besten Tage hinter sich haben, wird noch deutlicher, vergegenwärtigt man sich deren Rang in der Vorkriegszeit .

Vermutlich ist kaum jemandem heute bewusst, was Walter Chrysler mit seiner 1924 aus dem Nichts geschaffenen Marke für ein unternehmerisches Husarenstück gelang.

Nach diversen Stationen in der US-Automobilindustrie ließ Chrysler von ehemaligen Willys-Ingenieuren einen 6-Zylindertyp entwickeln, der am damaligen Markt seinesgleichen suchte.

Aus 3,3 Liter Hubraum gewann der Chrysler Six eine für amerikanische Verhältnisse sehr hohe Leistung von fast 70 PS. Zum Vergleich: Das erst ab 1927 gebaute Model A von Ford bot bei identischem Hubraum lediglich 40 PS.

Auch die hydraulischen Vierradbremsen am Chrysler waren 1924 bei einem Serienwagen außergewöhnlich – damals besaßen viele deutsche Autos noch nicht einmal mechanische Vorderradbremsen.

Kein Wunder, dass Chrysler von dem nur 1.500 Dollar kostenden Wagen noch im ersten Modelljahr über 30.000 Stück absetzte. Mit amerikanischer Geschäftstüchtigkeit erschloss Chrysler in Windeseile auch den internationalen Markt.

So fand schon 1925 – ein Jahr nach Firmengründung – sogar am darniederliegenden deutschen Automarkt ein Chrysler „Six“ einen Käufer, und zwar dieser:

Chrysler „Six“ von 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme ist ein gutes Beispiel dafür, welche Aussagekraft eine auf den ersten Blick belanglose Privataufnahme haben kann.

Wer sich fragt, weshalb im Wachstumsmarkt des 21. Jahrhunderts – der Informations- und Kommunikationstechnik – amerikanische Anbieter die Nase vorn haben, obwohl es auch vielversprechende Ansätze hierzulande gab, findet hier einen Vorläufer.

Die US-Firmen fackelten schon in den 1920er Jahren nicht lange und gingen sofort zum Angriff auf ungesättigte Märkte über, an denen einheimische Hersteller die inländische Nachfrage nicht stillen konnten.

Die Geschwindigkeit, mit der eine neugeschaffene Automarke wie Chrysler vor fast 100 Jahren ausgerechnet auf dem entlegenen deutschen Markt Fuß fasste, nötigt dem heutigen Betrachter Respekt ab.

Zugleich wirft es ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der einheimischen Autobauer, wenn Kunden auf Tradition und „deutsche Wertarbeit“ pfiffen und stattdessen das Produkt eines amerikanischen Newcomers bevorzugten.

Dabei reden wir nicht von einem banalen Konsumgegenstand, bei dem man sich auch einmal einen Fehlgriff leisten kann, sondern von einem damals hochexklusiven Fortbewegungsmittel, das für die meisten einen unerreichbaren Luxus darstellte.

Woran erkennt man aber nun so einen frühen Chrysler? Nun, das verrät das heute vorgestellte Foto trotz einiger technischer Mängel:

Dass wir es mit einem Chrysler der 1920er Jahre zu tun haben, verrät schon einmal die Kühlerfigur – ein geflügelter Helm.

Die Trommelscheinwerfer, die Positionsleuchten vor der Frontscheibe, die Trittschutzbleche am Schweller unterhalb der Türen und die Ausführung der seitlichen Zierleisten und Türgriffe finden sich präzise so wieder auf dem Foto einer 1925er Chrysler „Six“ Limousine im Standard Catalog of American Cars von Kimes/Clark (Ausgabe von 1985, S. 307).

Die Holzspeichenräder mit abnehmbaren Felgen passen ebenfalls (nur der Tourer besaß Scheibenräder).

Aufpreispflichtiges Zubehör wie Doppelstoßstangen, Weißwandreifen und seitlich montiertes Ersatzrad sparte sich der Besitzer dieser Chrysler Limousine des Typs B-70 offenbar, abgesehen von den erwähnten „Step Plates“.

Angesichts des technischen Befunds lässt dieser Chrysler „Six“ von 1925 wenig zu wünschen übrig. Der damalige Käufer wusste, dass er damit ein auf dem deutschen Markt in dieser Klasse konkurrenzloses Auto erhielt.

Nur eine Sache würde ich gern noch wissen: Wo ist die Aufnahme mit der Chrysler-Limousine von 1925 einst entstanden?

Der Gebäudekomplex mit mittelalterlicher Befestigung im Vordergrund und hochaufragendem gotischem Kirchturm dahinter müsste doch identifizierbar sein:

Nachtrag: Dank eines Leserhinweises ließ sich die anlage als Kloster Bebenhausen in Bade-Württemberg identifizieren – heute sieht es dort noch genauso aus: https://www.luftbildsuche.de/info/luftbilder/das-kloster-bebenhausen-thuebingen-baden-wuerttemberg-163697.html?fbclid=IwAR2kzM_ZAqiW4JtCjzrxXHZzF4lv4KnrEaFYVBmLcl385h_SWNZnWy58hNk

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Pannenhilfe für den Klassenfeind: Chrysler von 1927

Es gibt Freunde von Vorkriegsautos, die mit US-Fabrikaten wenig anfangen können. Dabei spielt eine Rolle, dass praktisch alle bekannten amerikanischen Hersteller Massenware produzierten – was soll dabei schon Interessantes herauskommen?

Doch wird bei dieser Sichtweise folgendes übersehen:

  • Es war das Vorbild der amerikanischen Industrie, das nach dem 1. Weltkrieg in Europa zur Konstruktion von Fahrzeugen führte, die kein Luxus mehr waren.
  • Zudem waren die Amerikanerwagen, wie sie damals in Deutschland genannt wurden, auch in gestalterischer Hinsicht absolut tonangebend.
  • Schließlich ermöglichte die Massenproduktion eine Vielzahl an Karosserievarianten ohne Inanspruchnahme von Manufakturbetrieben.

Kein Wunder, dass die ab Mitte der 1920er Jahre von den wenigen deutschen Großserienherstellern – Adler, Brennabor und Opel – angebotenen Mittelklassewagen, formal bis ins Detail zeitgenössischen US-Modellen folgten.

Dass die damals lange Zeit selbstzufriedene und auf Nischenfahrzeuge konzentrierte deutsche Autoindustrie doch noch die Kurve bekam, ist letztlich der Konkurrenz der ausgereiften, robusten und modernen US-Importmodelle zu verdanken.

Deren enorme Präsenz im deutschen Straßenbild können wir uns heute kaum noch vorstellen. Umso bedeutender für das Verständnis der Rolle der amerikanischen Großserienwagen sind die erhaltenen historischen Aufnahmen.

Hier haben wir erst einmal ein sehr typisches Beispiel aus Niedersachsen:

Chrysler „Four“ von 1926/27; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese sechsfenstrige Limousine von Chrysler mag banal wirken – genau so sah der typische Wagen der späten 1920er Jahre aus. Ohne den Kühler wäre der Hersteller kaum zu identifizieren.

Anhand einiger Details lässt sich dieser Chrysler als Vierzylindertyp F-58 bzw. F-50 „Four“ ansprechen, wie er 1926/27 mit nur wenigen Änderungen zehntausendfach produziert wurde.

Faktisch handelte es sich bei dem Modell um einen überarbeiteten Maxwell – neben Chalmers eine der Keimzellen der 1924 neu am Markt auftretenden Marke Chrysler.

Mit seinem 38 PS-Motor war der Chrysler-Vierzylinder unspektakulär. Doch entscheidend für den Erfolg war, dass er sich wirtschaftlich in Großserie fertigen und damit preisgünstig absetzen ließ.

Mehr gibt es zu diesem Chrysler kaum zu sagen – bloß die Frontpartie behalten wir im Hinterkopf. Zugelassen war der Wagen übrigens im Landkreis Dannenberg:

Dass es von dem bodenständigen Chrysler weit attraktivere Varianten gab, werden wir gleich sehen.

Schon seit 1925 bot Chrysler das fast 70 PS leistende Sechszylindermodell B-70 „Six“ an, das serienmäßige hydraulische Vierradbremsen besaß. 1927 wurde ergänzend ein noch größerer Sechszylinder mit über 90 PS ins Angebot aufgenommen.

Für uns interessanter sind aber die 12 unterschiedlichen Karosserieversionen, die für die Sechszylindertypen verfügbar waren. Beim Vierzylindermodell konnte man immerhin zwischen fünf (1926), später acht (1927) Varianten wählen.

Dabei handelte es sich durchweg um Werkskarosserien – die höchste Fertigungsstandards erfüllten und weit billiger als Spezialaufbauten waren.

Aus Sicht des Verfassers besonders reizvoll war die typisch amerikanische Ausführung als Rumbleseat-Roadster, also als offener Zweisitzer mit ausklappbarer Notsitzbank im Heck. Diese Ausführung wirkte besonders sportlich und war zugleich preisgünstig.

So einen Chrysler Roadster des Baujahrs 1927 können wir heute auf einem Foto bestaunen, das wir (wieder einmal) Designer Matthias Kraus aus Halle verdanken:

Chrysler 70 „Six“ von 1927; Originalfoto mit freundlicher Genehmigung von Matthias Kraus

Hier hat ein DDR-Pannendienst mit einem Barkas (wenn nicht alles täuscht) doch tatsächlich einen Wagen des „Klassenfeinds“ aus Übersee huckepack genommen!

Wie kam es zu dieser kuriosen Situation, bei der Autos aus zwei Welten und einander feindlichen Gesellschaftssystemen in friedlicher Symbiose vereint waren?

Nun, dieser schöne Schnappschuss entstand 1979 anlässlich des 750-jährigen Jubiläums des Fachwerkkleinods Wernigerode (Sachsen-Anhalt).

Wie bei solchen Gelegenheiten üblich, präsentierten sich die Wernigeroder „Genossen & Genossinnen“ anlässlich eines Festumzugs von ihrer besten Seite.

Dazu zählte der ortsansässige PGH-Autoservice, der sicher so manchem zweitaktenden Autofahrer einst aus der Patsche geholfen hat.

Außerdem präsentierte man auch eines der Vorkriegsschätzchen, die unter den von stetigem Mangel geprägten Verhältnissen der DDR hingebungsvoll gepflegt wurden:

Dieses Prachtexemplar lässt sich anhand der Vorderpartie zuverlässig als Chrysler identifizieren.

Die Datierung auf 1927 basiert auf der Zierleiste an der Tür auf Höhe des Griffs. Wenn nicht alles täuscht, gab es dieses Detail nur am „kleinen“ Sechszylindertyp 70. 

Aus dieser Perspektive erscheint der Chrysler komplett original und makellos erhalten. Auch wenn er mit durstigem Motor und miserabler Ersatzteillage im Alltag nicht mehr zu bewegen war, muss ihn jemand sehr geliebt haben.

Vielleicht war es ein Auto, das einst den Eltern gehörte; eines, das auf vielen Fotos im Familienalbum abgebildet war und für das genügend Platz auf dem Anwesen war, wo man ab und zu eine Runde damit fuhr.

Vielleicht repräsentierte dieser Wagen auch den sonst kaum erfüllbaren Traum von Schönheit, souveräner Leistung und Prestige – das Gegenteil dessen, was die Ostberliner Führung für den sozialistischen Untertan vorgesehen hatte.

Man stelle sich das vor: ein amerikanisches Massenprodukt aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ist noch über 50 Jahre später ein Objekt, auf das sich Sehnsüchte projizieren ließen oder das Erinnerungen aus vorsozialistischen Zeiten wachrief.

Im richtigen Kontext betrachtet wird so ein US-Großserienautomobil der gehobenen Mittelklasse mit einem Mal zu etwas ganz Besonderen.

Um solche überraschenden – durchaus persönlichen – Perspektiven bei Vorkriegsautos geht es dem Verfasser…

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Weihnachtsgruß vor 90 Jahren: Chrysler 70 von 1927

Heute – am 26.12.2017 – befassen wir uns mit einem historischen Originalfoto eines Vorkriegswagens, das zwar keine große Rarität zeigt oder Rätsel birgt – aber schlicht vom Zeitpunkt passt.

So sandte vor genau 90 Jahren, an Weihnachten 1927, ein stolzer Automobilist aus Thüringen dieses Foto als Grußkarte an einen Freund in Erfurt:

Chrysler 70, Baujahr 1927; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein Foto ganz nach unserem Geschmack:

Im Vordergrund ein schöner Tourenwagen der 1920er Jahre aus idealer Perspektive aufgenommen, im Mittelgrund eine Straße, die sich bergan schlängelt, und im Hintergrund darüber die Silhouette einer mittelalterlichen Burg.

Verwöhnte Vorkriegsautofreunde mögen den Wagen als Massenware abtun – es ist ja nur ein Chrysler „Six“ Typ 70. Überlebende Exemplare bekommt man als „3“er in den USA heute für rund 10.000 Dollar.

Doch zumindest ein solches Foto machen konnte und kann man für viel Geld und gute Worte in den Staaten nicht machen – dazu fehlt es im wahrsten Sinne des Wortes am geschichtlichen Hintergrund.

Umgekehrt ließ sich mit einem solchen Chrysler im Thüringen der Vorkriegszeit Furore machen – für deutsche Verhältnisse war das nämlich ein Wagen, wie er von einheimischen Herstellern kaum zu bekommen war, wie noch zu zeigen sein wird.

Der in zünftiges Leder gekleidete Besitzer hatte also allen Grund zufrieden dreinzuschauen:

Einige Details auf diesem Ausschnitt lassen bereits ahnen, dass dieser Tourer vielleicht doch nicht ganz so ordinär ist.

Markant sind die dunkel abgesetzten Felder an den vorne angeschlagenen Türen. Sie stellen einen individuellen Akzent auf dem sonst zeittypischen Tourenwagenaufbau dar und korrespondieren mit den ebenfalls dunkel gefassten Schutzblechen.

Solche Mehrfarblackierungen sind nur einer von vielen Aspekten, die Vorkriegswagen so faszinierend anders machen. Bei neuzeitlichen Autos geht das mangels klar voneinander abgegrenzter Bauelemente in der Regel kaum noch.

Ein weiteres Detail fällt auf dem folgenden Ausschnitt ins Auge:

Derartige tropfenförmigen Scheinwerfer waren Ende der 1920er Jahre noch sehr ungewöhnlich – üblich waren diese trommel- oder schüsselförmig.

Bei Chrysler tauchen sie Ende 1926 erstmals auf und auch nur bei den Sechszylindermodellen. Damit können wir schon einmal den gleichzeitig verfügbaren Vierzylinder mit 38 PS ausschließen.

Zum Vergleich ein solcher Chrysler „Four“ von 1926/27 mit den dort üblichen trommelförmigen Scheinwerfern:

Chrysler „Four“, Baujahr: 1926/27; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier fehlen auch die verchromten Trittschutzbleche am Schweller, die auf dem Foto des thüringischen Wagen zu erkennen sind.

Drei kultivierte Reihensechser bot Chrysler damals an, alle mit siebenfach gelagerter Kurbelwelle. Verfügbar waren folgende Leistungsvarianten: 54 PS (Typ 60), 68 PS (Typ 70) und 92 PS (Typ 80).

Den üppig motorisierten Typ 80 können wir ausschließen, er war an einem nach Packard-Machart abgetreppt geformten Kühlergehäuse zu erkennen. Bleiben die beiden „kleinen“ Sechszylinder mit 3 bzw. 3,5 Liter Hubraum.

Wie es scheint, waren dem größeren der beiden – also dem Typ 70  – die Trittschutzbleche und bei den offenen Versionen auch die Farbakzente an der Flanke vorbehalten – man beachte hier auch den feinen Zierstreifen auf dem Schweller:

Dieser Wagen scheint nach der Lage der Dinge ein Chrysler Typ 70 mit Werkskarosserie gewesen zu sein. Ein Bedarf nach einem Manufakturaufbau bestand bei einem so gelungenen Erscheinungsbild kaum.

Auch in technischer Hinsicht ließ der Wagen wenig zu wünschen übrig – so besaß dieses aus US-Sicht in der Mittelklasse angesiedelte Fahrzeug bereits hydraulische Vierradbremsen.

Kein Wunder, dass die lange selbstzufrieden vor sich hin werkelnden deutschen Autohersteller ab 1927 in hektische Betriebsamkeit verfielen: Opel brachte damals die Sechszylindertypen 12/50 PS und 15/60 PS, jedoch noch mit Seilzugbremsen.

Adlers Standard 6 war dem Chrysler 70 immerhin in punkto Bremsen gewachsen, seine Leistung fiel jedoch mit 45, später 50 PS deutlich geringer aus.

So gab es für die obendrein gut ausgestatteten und zuverlässigen „Amerikanerwagen“ Ende der 1920er Jahre hierzulande einen nicht unbedeutenden Markt. Die vielen Originalfotos von US-Modellen der 1920er/30er Jahre in diesem Blog zeugen davon.

Bleibt am Ende nur eine Frage offen: Wo entstand einst diese Aufnahme – erkennt jemand die Burg im Hintergrund?

Nachtrag: Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Leser Helmut Kasimirowicz aktivierte sein Netzwerk in Thüringen, das umgehend die südlich von Jena über dem Mittleren Saaletal thronende Leuchtenburg als Lösung lieferte.

Auch der Aufnahmeort lässt sich exakt lokalisieren – eine scharfe Kurve der heutigen L 1062 zwischen Seitenroda und Kahla. Von dort bietet sich heute noch der gleiche Blick annähernd ostwärts auf die Burganlage.

Nur auf einen so schönen Wagen wird man dort heute vergeblich warten…

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Auf dem Holzweg: Ein Chrysler „Royal“ von 1937

Das bekannteste Vorkriegsmodell des US-Großserienherstellers Chrysler dürfte wohl der 1934 vorgestellte „Airflow“ gewesen sein. Er bot etliche Neuerungen, von denen die stromlinienförmige Gestaltung die auffallendste war:

Reklame für den Chrysler Airflow; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Allerdings wurde das hochmoderne Gefährt ein Misserfolg, jedenfalls gemessen an den Verhältnissen des US-Markts (ausführlicher Bildbericht).

Dabei war es keineswegs die windschlüpfrige Form als solche, die dem Publikum missfiel. Denn der vom Modell „Airflow“ stark beeinflusste Peugeot 402 wurde ab 1935 hervorragend angenommen. Der Chrysler war schlicht zu plump geraten.

Das Scheitern des „Airflow“ scheint bei Chrysler eine Art Trauma hinterlassen zu haben, das sich in der Gestaltung der Folgemodelle bis zum 2. Weltkrieg niederschlug.

Speziell die Chryslers der Modelljahre 1937 und 1938 blieben nicht nur ängstlich auf Ebene des Mainstream, sondern wirkten auch noch im Detail verunglückt.

Die folgende Aufnahme aus Kriegszeiten zeigt ein Beispiel dafür:

Chrysler „Royal“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

An diesem im Original winzigen Abzug, der auf der Rückseite den Stempel eines Wiener Fotogeschäfts trägt, hat sich der Verfasser einige Zeit abgearbeitet.

Zunächst wirkte das Fahrzeug, das hier vorsichtig eine Behelfsbrücke über einen Bachlauf befährt, gar nicht wie ein PKW. Mit der bulligen Frontpartie hätte es auch ein leichter LKW sein können.

Ein Fahrzeug aus deutscher Produktion war auszuschließen, so wurde erst einmal in Richtung französischer und britischer Nutzfahrzeuge recherchiert. Wieso das?

Das ausgebrannte Fabrikgebäude im Hintergrund, die matte Lackierung des Wagens, die Tarnscheinwerfer und die taktischen Zeichen auf den Vorderkotflügeln ließen erkennen, dass es sich um ein von der deutschen Wehrmacht im Kriegseinsatz genutztes Fahrzeug handeln muss:

Da kein deutscher Hersteller in Frage kam, lag es nahe, von einem 1940 im Westen erbeuteten Fahrzeug der französischen Armee bzw. des britischen Expeditionskorps auszugehen.

Die Suche in dieser Richtung – gestützt auf die überzeugend strukturierte und umfassend bebilderte Website KfZ der Wehrmacht – ging allerdings ins Leere. Damit kam nur noch ein US-Modell in Frage.

Mangels Anhaltspunkten half nur, die Typen der großen US-Hersteller nach Baujahr durchzugehen und mit dem Foto abzugleichen. Dabei konnte die Betrachtung anhand stilistischer Details auf die zweite Hälfte der 1930er Jahre eingeschränkt werden.

Letztlich fand sich beim Chrysler „Royal“ von 1937 vollständige Übereinstimmung – ein hierzulande wohl kaum bekannter Typ. Der Wagen stellte mit seinem 3,7 Liter messenden Sechszylinder das Einstiegsmodell von Chrysler dar.

Mit an die 100 PS Leistung galt der „kleine“ Chrysler in Europa zwar als hervorragend motorisiert. Als Beutewagen bei der Wehrmacht hatte er aber den Nachteil schlechter Teileverfügbarkeit und hohen Kraftstoffverbrauchs.

Dennoch nutzte einst eine deutsche Militäreinheit den Chrysler. Im Moment der Aufnahme dirigiert ihn ein offenbar unbewaffneter deutscher Unteroffizier (zu erkennen an der silbernen Litze am Uniformkragen) über den Bohlenweg:

Eine Recherche im Forum der Wehrmacht ergab immerhin, dass der Chrysler zu einer teilmotorisierten Einheit der Feldgendarmerie gehörte, die wiederum wahrscheinlich der 297. Infanteriedivision zugeordnet war.

Dieser in Österreich ausgehobene Großverband wurde nach der Vernichtung im Kessel von Stalingrad 1943 neu aufgestellt und war bis Kriegsende auf dem Balkan eingesetzt.

Der Chrysler dürfte demnach dort sein Ende gefunden haben. Vielleicht leistete er aber nach 1945 noch in ziviler Verwendung wertvolle Dienste. Die nicht gerade ansprechende Gestaltung der Frontpartie dürfte dabei niemanden gestört haben.

Unsere Aufnahme versinnbildlicht jedenfalls den Holzweg, auf den Chrysler mit dem Modell „Royal“ seinerzeit gekommen war. Erst die ab 1939 gebauten Modelle brachten der Firma wieder überzeugende Absatzerfolge…

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Kurios: Zwei Amis „under cover“ im Libanon

Auf diesem Oldtimerblog dreht sich alles um Vorkriegsautos auf historischen Originalfotos – ohne Markenschwerpunkt oder regionale Vorliebe.

Dabei geht es, von ein paar Eckdaten abgesehen, weniger um technische Details als darum, die Fahrzeuge so zu zeigen, wie sie einst im Alltag zu sehen waren.

So bekommt man einen oft überraschend anderen Eindruck als bei der Präsentation überrestaurierter Klassiker heutzutage auf Messen und Concours-Veranstaltungen.

Als Sammler möglichst exotischer Autobilder staunt man selbst immer wieder, worauf man bei der unvoreingenommenen Suche so stößt – und was man dabei Ungeahntes über die Welt erfährt.

Hier ein Beispiel, bei dem die Autos weniger spannend sind als die Situation, in der sie aufgenommen wurden:

Nun ja, mag sich mancher denken, sieht aus wie in einem Schweizer Wintersportort, wo gutsituierte Gäste ihre dicken Schlitten vor der Tür geparkt haben.

Doch merkwürdig: Unter „Hotel Becharre“ findet man im Netz keinen direkten Treffer, wohl aber eine Reihe von Ergebnissen mit abweichender Schreibweise. Nur verweisen die alle auf einen Ort im Nahen Osten – im Libanon, genau gesagt.

Schnee im Orient? So ungewöhnlich ist das gar nicht. Wer derzeit (Januar 2017) die Wetterlage im Mittelmeeraum verfolgt, dem wird dagegen in Sensationsmanier von großer Kälte und weißer Pracht berichtet, als ob es das dort noch nie gegeben hätte.

„Only bad news is good news“, das scheint mittlerweile auch beim Wetter die Devise der sogenannten Leitmedien zu sein. Genau hinschauen, Meinungsmache ausblenden und sich ein eigenes Bild machen, ist auch hier lehrreich.

Tatsächlich gibt es im Libanon hochgelegene Gegenden, in denen es im Winter so regelmäßig schneit, dass man dort Wintersport betreiben kann. 

Damit wären wir im nordlibanesischen Ort Bsharri, der 1.500 Meter hoch liegt und wo es praktisch jedes Jahr Schnee satt gibt. Genau dort steht noch heute das Palace Hotel Bsharri, vor dem einst unser Foto entstand.

Nach diesem überraschenden Ergebnis sind natürlich auch die zwei Autos zu würdigen. Beginnen wir mit dem malerisch zugeschneiten Fahrzeug links:

Dass es ein amerikanisches Modell ist, lässt bereits die geschwungene und mit Hörnern versehene Stoßstange vermuten.

Um den Wagen zu identifizieren, musste jedoch das globale Wissen von Vorkriegsspezialisten angezapft werden. Wo macht man das am besten? Nun, dafür gibt es eine Qualitätsadresse im Netz: prewarcar.com

Dort verdichteten sich rasch die Indizien dafür, dass es ein Chrysler von 1934 ist. Moment, damals stellte die Firma doch die „Airflow“-Stromlinientypen vor. Der Wagen auf dem Foto hat aber ein konventionelles „Gesicht“.

Die Lösung: Es gab 1934 noch ein herkömmliches Einstiegsmodell, den Chrysler Series CA (bzw. Series CB mit langem Radstand). Das muss man erst mal wissen…

Jetzt sind wir schlauer und werfen nur einen kurzen Blick auf die Daten, die bei US-Wagen jener Zeit stets beeindruckend sind: Beim Chrysler Series CA gebot der Fahrer über einen 4 Liter großen Sechszylinder mit bis zu 100 PS.

Für US-Verhältnisse wurde dieses Mittelklassemodell recht selten gebaut: Ganze 25.000 Exemplare wurden bis Anfang 1935 gefertigt. Von daher war ein solches Fahrzeug außerhalb der USA eine Seltenheit.

Kommen wir zum zweiten Wagen, der dank der Vorarbeit der beiden Herren besser zu erkennen ist:

Wer hier auf Opel Kapitän tippt, liegt leider daneben. Der legendäre „Ami aus Rüsselsheim“ verfügte zwar ebenfalls über die modische Haifischnase und eine Kühlerblende mit eng übereinanderliegenden Zierleisten.

Doch beim Ende 1938 vorgestellten Opel waren die Scheinwerfer komplett in den Kotflügeln integriert. Zudem war die Stoßstange im Art Deco-Stil verziert. Nein, hier haben wir es mit einem Studebaker des Baujahrs 1937 zu tun.

Ob es die Variante „Commander“ oder „President“ war – schwer zu sagen. Auffallend ist, dass sich im Netz kaum technische Daten und Produktionszahlen der Studebaker-Modelle finden. Es scheint, als habe die lange als führend wahrgenommene Marke nach ihrem Untergang an Nimbus verloren.

Die Wagen von Studebaker – einer der wenigen unabhängigen Hersteller in den USA – zeichneten sich jedenfalls durch reichliche Leistung und Komfortmerkmale aus. Vielleicht kann ein Leser noch Erhellendes zu den Typen des Modelljahrs 1937 beitragen. Dazu bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Ganz fertig sind wir mit dem Foto aber noch nicht. Auch das Aufnahmedatum macht es zu einem bemerkenswerten Dokument: März 1940. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Libanon zum Einflussbereich Frankreichs, das erst im Sommer 1940 von deutschen Truppen erobert wurde.

Gut möglich, dass wir es hier mit im Libanon beheimateten Franzosen zu tun haben, die in Bsharri ein letztes Mal einen unbeschwerten Winterurlaub genossen. Was aus ihnen in den folgenden Monaten und Jahren wurde, wer weiß?

Mancher mag sich den Truppen des „Freien Frankreichs“ angeschlossen haben, die gegen das von Deutschland abhängige „Vichy-Regime“ kämpften, dem anfangs auch die französischen Kolonien und Einflussgebiete (wie der Libanon) unterstanden.

Was bleibt, ist außer unserem bald 80 Jahre alten Foto das Palace Hotel in Bsharri. Nur mache man nicht den Fehler, sich seinen heutigen Zustand anzusehen. Das Gebäude als solches ist noch zu erkennen, doch was ihm die „Baukunst“ der Nachkriegszeit angetan hat, ist ein ganz finsteres Kapitel…

Ein Chrysler aus Düsseldorf „auf Achse“ in Italien…

Die Überschrift des heutigen Artikels hat es in sich: Wir wir noch sehen werden, hat die „Achse“ hier eine doppelte, nicht unproblematische Bedeutung.

Bei vielen Automobil-Fotos der 1930er Jahre kommt man bei der Beschäftigung mit dem technischen Stand der Dinge an den damaligen politischen Verhältnissen nicht vorbei. Heute ist beides Historie und so kann man sich dem Gezeigten „sine ira et studio“ nähern, wie der Lateiner sagt – auf gut deutsch: „ohne Parteinahme“.

Kommen wir zur Sache – oder „medias in res“ auf Latein, das uns bei der Besprechung des folgenden Originalfotos noch hilfreich sein wird:

© Chrysler 65 , Baujahr 1929-1931; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick könnte der Wagen auf dem Foto alles mögliche sein – eindeutige Markenkennzeichen scheinen zu fehlen. Mit etwas Erfahrung wird man aber ein amerikanisches Fabrikat vom Ende der 1920er Jahre vermuten. Dafür spricht unter anderem der stämmige Auftritt mit breiter Spur.

Zwar war der Motorisierungsgrad der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten damals weltweit am höchsten. Doch gute Straßen waren in den USA auf dem Land ebenso die Ausnahme wie in Europa. Große Bodenfreiheit und breite Spur zeichneten daher die Alltagsautomobile der Amerikaner aus.

Von den US-Fabrikaten waren Mittelklassewagen der Marken Buick, Chevrolet, Chrysler und Ford damals in Europa am verbreitetsten. Oberklassefahrzeuge von Cadillac und Packard fanden zwar auch Abnehmer, blieben aber die Ausnahme.

Bei der Recherche des Fahrzeugs gelangt man mit einer Auswahl an gut bebilderten Büchern schneller zum Ziel als im Netz. Welchen Suchbegriff sollte man auch eingeben? Mit „2-sitziges Cabriolet Ende 1920er Jahre mit deutschem Kennzeichen vor antik wirkendem Gebäude“ wird man nicht weit kommen.

Machen wir es kurz: Nach etwas Blättern in Werken wie „American Cars in Europe 1900-1940: A Pictorial Survey“ lässt sich der Wagen als Chrysler 65 identifizieren, der von 1929-31 gebaut wurde:

Typisch für diesen Sechszylindertyp ist die vorne und hinten abfallende Linie der Luftschlitze in der Motorhaube. Die filigraner gezeichnete Kühlermaske erlaubt zudem die Unterscheidung vom Vorgängermodell 62.

Der Chrysler 65 stellte damals das kleinste Modell der Marke dar. Mit Vierzylindertypen trat man erst gar nicht mehr an, sondern bot bereits beim Einstiegsmodell sechs Zylinder mit über 3 Litern Hubraum. Ab Mitte 1931 leistete dieses Aggregat satte 75 PS. Kein europäisches Mittelklasseauto war damals auch nur annähernd so leistungsfähig.

Das Nummernschild verrät, dass der Wagen aus dem Raum Düsseldorf (Kennung IY) stammte. Die Besitzer waren offenbar Leute mit Geschmack; sie hatten nämlich die besonders gelungene zweisitzige Roadster-Variante gewählt.

Für die Schwiegermutter wäre zwar im Heck noch Platz gewesen – der gummierte Tritt auf dem rechten hinteren Kotflügel verweist auf eine von dort erreichbare ausklappbare Rückbank. Doch die Schwiegermutter wird angesichts der Strecke, die dieser Chrysler zum Aufnahmezeitpunkt hinter sich hatte, dankend verzichtet haben.

Damit wären wir bei der Frage, wo dieses wohlkomponierte Foto entstanden ist. Apropos Foto: Auf obigem Bild sieht man hinten auf dem Verdeckbezug eine geöffnete lederne Kameratasche liegen. Dem Format nach dürfte es sich ume eine der damals gängigen Balgenkameras mit großem Negativformat gehandelt haben.

Im Folgenden wird es für Nicht-Lateiner und Geschichts-Banausen etwas anstrengend, doch wir versuchen, die Situation allgemeinverständlich zu machen:

Das Gebäude im Hintergrund unserer Aufnahme zeigt ein an römische Triumphbögen angelehntes Gebäude in Bozen, der Hauptstadt von Südtirol. 

Italien hatte sich nach dem 1. Weltkrieg diese zuvor zum Habsburgerreich (Österreich-Ungarn) gehörende Region einverleibt und betrieb dort in der Folge eine von den deutschsprachigen Südtirolern als aggressiv empfundene Italienisierungspolitik.

Als Ausdruck des Herrschaftsanspruchs Italiens in Südtirol ließ das seit 1925 bestehende Mussolini-Regime das abgebildete Siegesdenkmal errichten.

Die lateinische Inschrift darauf lautet „Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus.“ Das kommt zwar stilistisch nicht an die Propaganda auf römischen Triumphbögen heran, die Aussage ist aber eine ähnlich selbstbewusste:

„Hier, an den Grenzen des Vaterlands stellt die Feldzeichen auf (als Symbol der militärischen Macht). Von hier aus haben wir den übrigen (Völkern) die (lateinische) Sprache, das Recht und die Künste beigebracht.“

Das ist eine Bezugnahme auf die zivilisatorische Leistung, die einst das römische Reich nach abgeschlossener Eroberung in seinen Provinzen zustandegebracht hat und die im heutigen Europa fortwirkt.

Nur: Italien hat im 20. Jahrhundert – bei aller Sympathie für Land und Leute – nichts Vergleichbares für Europa geleistet. Im Gegenteil: Das Regime von Benito Mussolini war in vielerlei Hinsicht die Blaupause für das Dritte Reich, das so viel Unglück über Deutschland und seine Nachbarn gebracht hat.

Der 1933 etablierte deutsche Führerstaat kopierte im Äußeren einiges vom italienischen Vorbild – bis hin zu den theatralischen Aufmärschen mit Feldzeichen nach römischer Art. Es war die Sympathie des Diktators in Berlin für den Kollegen in Rom, die die politische Achse zwischen den beiden Hauptstädten begründete.

Vor diesem Hintergrund hätte unser von deutschen Urlaubern „auf Achse“ in Italien aufgenommene Foto mit der bewussten Einbeziehung des Monuments des Bündnispartners einen tieferen Sinn. Mitte der 1930er Jahre könnte das Bild also aufgenommen worden sein. 

Das Ergebnis des Achsen-Bündnisses war fatal: Erst trieb es Deutschland in die von Italien leichtsinnig begonnenen Feldzüge auf dem Balkan (1941) und Nordafrika (1941-43) hinein, dann bescherte es Italien ab 1943 – nach dem Verlassen des Bündnisses – ein deutsches Besatzungsregime und Bombardierungen durch die Alliierten.

Vor diesem Hintergrund stimmt diesen scheinbar harmlose Urlaubsfoto nachdenklich. Nach Meinung des Verfassers sind die Völker Europas gut beraten, wenn sie ihre Eigenheiten bewahren, die Grenzen der Nachbarn respektieren und im Übrigen untereinander Handel und freundlichen Umgang betreiben – rabiate Vereinnahmungsversuche von irgendeiner Seite sind Europa nie gut bekommen.

Chrysler „Eight“ im 2. Weltkrieg unterwegs in Österreich

Originalfotos von historischen Automobilen können den modernen Betrachter in zweifacher Hinsicht vor Herausforderungen stellen:

Das eine Mal fällt es schwer, Marke und Typ zu bestimmen. Speziell in den 1920er Jahren sahen sich viele Autos sehr ähnlich, die Hersteller-Embleme sind oft verdeckt oder unscharf abgebildet. Ein anderes Mal bleibt rätselhaft, was es genau mit dem jeweiligen Fahrzeug auf sich hat, obwohl die Identifikation als solche leicht fällt.

In die zweite Kategorie fällt der eindrucksvolle Wagen auf folgender Aufnahme:

© Chrysler „Eight“, Bj. 1931; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Solche mächtigen 6-Fenster-Limousinen gab es um 1930 zwar auch von deutschen Herstellern, doch der schräg gestellte, V-förmige Kühlergrill verweist auf ein amerikanisches Modell.

Das Stilelement taucht erstmals beim Cord L-29 auf, einem 1929 vorgestellten Frontantriebswagen, der von der unabhängigen Auburn Automobile Company in für amerikanische Verhältnisse überschaubarer Stückzahl gebaut wurde.

Chrysler kopierte die Frontpartie für sein Spitzenmodell Imperial, das Anfang der 1930er Jahre mit Wagen vom Kaliber eines Cadillac, Lincoln und Packard konkurrieren sollte. Um ein solches Fahrzeug handelt es sich bei dem Auto auf unserem Foto.

Der Chrysler Imperial war mit einem 8-Zylinder-Motor mit 6,3 Liter Hubraum ausgestattet, der 125 PS leistete. Am deutschen Markt erreichten Anfang der 1930er Jahre nur die 8- und 12-Zylindermodelle von Horch annähernd eine solche Leistung.

Schauen wir uns den Chrysler näher an:

Die Scheinwerferüberzüge, auf denen man den Schriftzug „Bosch“ ahnen kann, weisen auf eine Entstehung der Aufnahme während des 2. Weltkriegs hin. Damals war auch bei privaten Kfz eine Tarnbeleuchtung vorgeschrieben, um gegnerischen Aufklärern und Bombern die Identifikation von Städten bei Nacht zu erschweren.

Dass der Chrysler nicht von der deutschen Wehrmacht eingezogen worden war, lässt das zivile Nummernschild erkennen, das einen V-förmigen Haken oberhalb des Bindestrichs aufweist. Dieses Erkennungsmerkmal erhielten Privatfahrzeuge, die von ihren Besitzern weiterbenutzt werden durften, weil sie wichtige Funktionen hatten.

Das Kürzel „Od“ auf dem Kennzeichen wurde nach der Einbeziehung Österreichs in das Deutsche Reich für Fahrzeuge vergeben, die im Gau „Oberdonau“ (vormals Oberösterreich) registriert waren. Die nach 1938 vergebenen Kennzeichen trugen schwarze Buchstaben auf weißem Grund, zuvor war es umgekehrt.

Auffallend ist, dass die Doppelstoßstange verkehrtherum montiert ist. Auf zeitgenössischen Bildern dieses Chrysler-Modells ist das waagerecht verlaufende Element unterhalb des geschwungenen angebracht, nicht andersherum. Weshalb sollte jemand dies veranlasst haben?

Mysteriös ist außerdem ein Detail auf folgendem Bildausschnitt:

Die durchgehende Frontscheibe findet sich nur auf wenigen zeitgenössischen Fotos des Chrysler „Eight“. Die Serienvariante hatte eine zweiteilige und ab 1932 V-fömig zulaufende Windschutzscheibe. Für die abweichende Frontscheibe gibt es zwei mögliche Erklärungen:

Entweder es handelt sich um eine Sonderkarosserie, wie sie von „Le Baron“ und anderen US-Herstellern gefertigt wurde – dort wurden häufig durchgehende Windschutzscheiben verbaut. Oder – was wahrscheinlicher ist – der Chrysler wurde nur als „rolling chassis“ nach Deutschland exportiert und der Aufbau entstand hierzulande. Für die letztgenannte Möglichkeit spricht auch die verkehrt herum montierte Stoßstange.

Es bleibt die Frage, welchem Zweck dieser amerikanische Luxuswagen im Krieg diente. Die private Zulassung ist möglicherweise irreführend. Denn die Apparatur auf dem Dach des Chrysler scheint ein Lautsprecher zu sein, wie er für offizielle Durchsagen verwendet wurde; möglicherweise wurde der Wagen für Propagandazwecke eingesetzt.

Leider lässt sich der Aufnahmezeitpunkt nicht näher eingrenzen. Die Uniform des Mannes neben dem Chrysler ist vermutlich die eines Panzersoldaten auf Heimaturlaub. Die typische kurzgeschnittene Jacke und die Feldmütze wurden den ganzen Krieg über getragen.

Der Wagen im Hintergrund ist übrigens ein Steyr 120, der 1935/36 im gleichnamigen Ort gebaut wurde. Steyr liegt ebenfalls in Oberösterreich.

Als Aufnahmeort käme mit Blick auf die großstädtisch wirkende Architektur im Hintergrund die Hauptstadt des Gaus Oberdonau  – Linz – in Frage. Dort hatte der Chrysler deutlich bessere Überlebenschancen als an der Front, wo achtzylindrige Autos als Stabswagen begehrt waren.

Vermutlich war der Chrysler bei Kriegsausbruch bereits zu alt oder erschien zu exotisch – obwohl andere Bilder jener Zeit noch ganz andere Raritäten im Einsatz bei der Wehrmacht zeigen (Beispiel Jaguar). Vielleicht kann ein Leser mehr zu dieser Aufnahme sagen.

Übrigens: Die oben erwähnte österreichische Traditionsmarke Steyr wird in diesem Blog künftig ebenfalls anhand von Vorkriegsfotos ausführlich gewürdigt. Dasselbe gilt für den Luxushersteller Austro-Daimler.

Flop mit Folgen: der Chrysler Airflow von 1934

Die Geschichte der Stromlinie im Automobilbau lässt sich bis in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurückverfolgen.

In den 1920er Jahren begannen gleich mehrere Konstrukteure, die im Luftschiff- und Flugzeugbau gesammelten Aerodynamik-Erfahrungen auf Straßenfahrzeuge anzuwenden. In Deutschland waren dies Paul Jaray und Edmund Rumpler, in Frankreich Émile Claveau und in England Charles Burney.

Doch keiner dieser Versuche kam über den Bau von Prototypen oder Kleinserien hinaus. Den größten Erfolg hatten um 1930 Pseudo-Stromlinienwagen, die einzelne stilistische Elemente des aerodynamischen Ideals verwendeten (Beispiele hier).

© Maybach-Originalreklame von 1932; Sammlung Michael Schlenger

Erst Chrysler sollte es 1934 mit dem „Airflow“-Modell gelingen, einen echten Stromlinienwagen in Großserie zu produzieren.

Dass Chrysler sich überhaupt mit Aerodynamik befasste, war eher der Neugier der Ingenieure als echtem Bedarf geschuldet. Mangels Hubraumbesteuerung waren Automobile in den USA schon vor dem 2. Weltkrieg so großzügig motorisiert, dass sie über genug Leistung zur Überwindung des Luftwiderstands verfügten. Zudem war bei einem Tempolimit von seinerzeit rund 70 km/h bei der Endgeschwindigkeit kein praxisrelevanter Fortschritt von der Stromlinienform zu erwarten.

Allerdings war die Form nur eines von mehreren innovativen Details des Airflow-Modells, mit dem sich Chrysler von der Konkurrenz absetzen wollte.

Weitere Neuerungen waren die monocoqueartige Karosserie und die komfortfördernde Verlagerung der Passagierkabine nach vorne. In der zeitgenössischen Werbung wurde der Fahrkomfort in den Mittelpunkt gestellt: „Fahren wie auf einem Luftkissen“ verspricht die hier abgebildete Originalreklame:

© Chrysler Airflow-Originalreklame von 1934; Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet einiger Stärken fiel der Chrysler Airflow beim US-Publikum durch. Dazu trug nicht nur das klobige Erscheinungsbild mit der plumpen Frontpartie bei. Vor allem der zu hohe Preis verdammte den Airflow zum Scheitern.

Ein Beispiel: Das Spitzenmodell Imperial Custom Eight – ein monströses Gefährt mit 2,7 Tonnen Gewicht – kostete so viel wie die 12-Zylinder-Modelle von Cadillac oder Packard. Motorseitig wurde aber nur 6- bzw. 8-Zylinder-Hausmannskost geboten.

Hinzu kamen Verarbeitungsmängel, die auf die übereilte Einführung des Modells Anfang 1934 und die für die Massenproduktion zu hohe Komplexität zurückzuführen waren.

Bis zur Produktionseinstellung im Jahr 1937 erfolgten zwar stilistische Verbesserungen – nicht zuletzt angesichts der Konkurrenz durch den ebenfalls aerodynamisch inspirierten, doch gefälligeren Lincoln Zephyr.

© Originales Pressefoto von 1936; Sammlung Michael Schlenger

Nach rund 30.000 gefertigten Exemplaren war der kommerzielle Misserfolg des Airflow nicht mehr zu leugnen.

Gleichwohl war der Chrysler Airflow ein Meilenstein. Kaum ein Fahrzeug der 1930er Jahre hatte weltweit so starken Einfluss auf das Automobildesign. Speziell die Dachpartie mit den massiven abgerundeten Holmen und die Platzierung der Passagierkabine findet sich bei vielen Erfolgsmodellen jener Zeit wieder.

Zu den weniger bekannten Nachfolgern des Airflow zählen der erste Toyota AA (Bild), der kurzlebige Volvo PV36 und der Autobahn-Adler von 1937 (Bild).

Die wohl gelungenste Variante des Airflow-Designs waren die ab 1935 gebauten 02er Modelle von Peugeot. Beim hier abgebildeten 402 von 1939 erkennt man viele Details des Chrysler-Entwurfs wieder, bis hin zu den hinteren Radabdeckungen mit dem stilisierten Markenemblem.

© Originales Pressefoto von Peugeot; Sammlung Michael Schlenger

Den Unterschied machte jedoch die raffinierte Frontpartie – windschlüpfrig wie beim Chrysler, aber mit französischem Sinn für Eleganz umgesetzt. Einmalig war die Idee, die Scheinwerfer hinter den Kühlergrill zu verlagern.

Ähnlich schnittige Formen – wenn auch schlichter ausgeführt – bot Fiat beim Topolino sowie dem 1100er und dem nachstehend abgebildeten 6-Zylinder Fiat 1500.

© Originalfoto Fiat 1500 von 1936; Sammlung Michael Schlenger

Gelegenheit, ein Exemplar des wirtschaftlich erfolglosen, doch einflussreichen Chrysler Airflow in Europa in Augenschein zu nehmen, besteht im niederländischen Louwman Museum.

Tatra 77: Wegbereiter der Stromlinie im Serienbau

Anfang der 1930er Jahre lag die Senkung des Luftwiderstands durch Stromlinienkarosserien im Automobilbau in der Luft.

Einen wenig bekannten Versuch hatte bereits 1928 die britische Firma Streamlined Cars Ltd. mit dem Burney Streamline unternommen. Mit aerodynamischer Form und Heckmotor nahm er das später von Tatra und Volkswagen umgesetzte Konzept vorweg. Es kam allerdings zu keiner Serienfertigung. Ähnliches gilt für den Entwurf von John Tjaarda von 1931.

Erst der tschechischen Firma Tatra gelang ab 1934 der Bau eines Stromlinienwagens in größerer Stückzahl. Dabei griff Tatra auf die Patente von Paul Jarays Stromlinien-Karosserie-Gesellschaft zurück.

Neben der markanten Form war der Antrieb durch einen luftgekühlten 8-Zylinder-Motor im Heck charakteristisch für das Modell von Tatra, wenngleich das Konzept nicht neu war.

Die als Tatra 87 bekannte Ausführung wurde bis 1950 mehr als 3.000mal gebaut, etliche Exemplare existieren noch. Der folgende Film präsentiert das Fahrzeug eines niederländischen Sammlers, wobei „Die Moldau“ des tschechischen Komponisten Smetana als passende Untermalung dient.

© Videoquelle: YouTube; Urheberrecht: Peter van de Waard

Weit seltener zu sehen bekommt man dagegen die von 1934 bis 1938 nur rund 250mal gebaute Vorgängerversion Tatra 77. Diese ursprüngliche Ausführung verfügte noch nicht über eine selbsttragende Karosserie, wog erheblich mehr und war schwieriger zu fahren als das spätere Erfolgsmodell.

Formal wies der Tatra 77 einige Besonderheiten auf, etwa bei der Gestaltung der Frontpartie. Die längere Karosserie lässt den Wagen noch eindrucksvoller erscheinen. Mit seiner fließenden Form löste der Tatra größere Begeisterung aus als der zeitgleich vorgestellte, doch plumpere Chrysler Airflow.

Ein rarer unrestaurierter Tatra 77 war 2015 in der Düsseldorfer Classic Remise zu bestaunen. Die folgende Fotostrecke erlaubt einen Rundgang um das Fahrzeug, das hoffentlich eines Tages wieder in seiner vollen Pracht zu bewundern sein wird.

Tatra 77 Restaurierungsobjekt; Bildrechte: Michael Schlenger

Ein Konkurrent für Tatra 77 und 87 hätte übrigens der 1935 vorgestellte Skoda 935 werden können. Doch trotz überzeugender Konstruktion kam er über das Prototypenstadium nicht hinaus.

Louwman Museum: Mobile Raritäten (Vorkrieg)

Wenn es um hochkarätige Raritäten aus der Automobilgeschichte – speziell der Vorkriegszeit – geht, dürfte kaum eine Sammlung in Deutschland das Niveau des Louwman Museum im niederländischen Den Haag erreichen.

Die Familie Louwman sammelt bereits seit den 1930er Jahren historische Automobile von Rang und konnte sich so zahlreiche einzigartige Vertreter der automobilen Frühzeit sichern. Von den insgesamt 250 Exponaten stammen alleine über 100 aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Beispiel für die Qualität der gezeigten Wagen aus dieser Zeit ist ein Spyker 60HP von 1903, der als erstes Automobil über einen Sechszylinder-Motor, Allradantrieb und Bremsen an allen vier Rädern verfügte.

Nicht weniger bedeutend ist ein herrlicher Woods Dual Power von 1917, der 80 Jahre vor dem Toyota Prius bereits mit Hybridantrieb fuhr. Apropos Toyota: Ein weiteres einzigartiges Fahrzeug aus dem Louwman Museum ist der letzte noch existierende Toyota AA, der das erste Modell der japanischen Firma war.

Interessant an diesem Wagen ist nicht nur die Geschichte seiner Wiederentdeckung, sondern auch die Tatsache, dass Toyota damit 1936 die Linien des Chrysler Airflow aufnahm. Hier eine Original-Reklame von 1934:

© Chrysler Airflow-Originalreklame von 1934; Sammlung Michael Schlenger

Es ist nur konsequent, dass es im Louwman Museum auch ein Exemplar des wirtschaftlich erfolglosen, doch stilistisch einflussreichen Chrysler zu sehen gibt. Übrigens eine der seltenen Gelegenheiten, dieses Fahrzeug in Europa in Augenschein zu nehmen…