Heute war ein Tag nach meinem Geschmack – und das ist einer, an dem man zumindest in einigem Umfang selbst bestimmt, was man mit seiner Zeit anstellt.
Das fing bei der Schreibtischarbeit an – es galt einige Fachdokumente ins Deutsche zu übertragen, die im Original nicht ganz geglückt waren – inhaltlich wie sprachlich.
Ich sehe dann zu, dass ich das bei der Übersetzung korrigiere, der Kunde erfährt nur in krassen Fällen, was ich mir an Freiheiten erlaube. Das macht den Unterschied zwischen einem fachlich wie sprachlich versierten Übersetzer und einer Maschine aus.
Anschließend gab es Reparaturen zu erledigen, eine Kleinigkeit an der Dachrinne, ein Hauben-Anschlagpuffer am Alltagsauto. Dann das erste Mal den Rasen mähen – zuvor galt es den über den Winter angerosteten Spindelmäher wieder fit zu machen.
Die Vorhut der üblichen Löwenzahn-Invasion wurde bekämpft, die Vogelbäder aufgefüllt und Pläne für Außenarbeiten in den nächsten Tagen und Wochen gemacht.
Wenn das nach viel Arbeit klingt, keine Sorge – ich liebe alle diese Sachen, vor allem an der frischen Luft, auch wenn es heute arg kalt war. Der Mensch ist dafür optimiert, Alltagsprobleme zu lösen und anschließend seine Welt zu verschönern, meine ich.
Nach einem Tag voller Arbeit mit dem Kopf und den Händen ist abends die Beschäftigung mit den schönen Seiten der automobilen Welt von gestern der ideale Ausklang.
Entspannend ist meist die Niederschrift des Blog-Klassikers „Fund des Monats“ – denn da kann ich vornehmlich die Bilder ohne viele Worte wirken lassen:

„Äh„, werden jetzt einige Leser denken, „hiermit will unser Blog-Wart doch nicht ernsthaft den Fund des Monats bestreiten, oder?“
Doch genau das will ich, es fehlt nur noch die zweite Hälfte des Automobils. Ich verstehe ja, dass die Ladies auf dieser Aufnahme nicht für rasende Begeisterung bei in dieser Hinsicht verwöhnten Herren der Schöpfung sorgen.
Doch überlegen Sie mal: die mittlere als Klavierlehrerin, vielleicht hätte sich dann doch eine gewisse Neigung zum Pianoforte eingestellt, auf welche die Eltern spekuliert hatten…
Auch möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Hund lenken – er wird uns noch an unerwarteter Stelle wiederbegegnen.
Zuvor muss ich Sie allerdings mit der harschen Realität einer zeitgenössischen Reklame konfrontieren, welche uns auf den eigentlichen Fund des Monats vorbereitet:
Ist diese dramatische Grafik nicht großartig? Und das von einer absoluten Nischenmarke aus einer württembergischen Kleinstadt wie Burgrieden, die kaum einer kennt?
Die gestalterische Qualität korreliert in diesem Fall klar mit den Meriten der Marke Steiger, welcher ab 1920 ein kurzes, aber umso beeindruckenderes Dasein beschieden war.
Die Firma als solche war bereits 1914 von einem Schweizer namens Walther Steiger gegründet worden – man beachte das Logo auf obiger Reklame – doch erst mit der Ankunft des genialen Konstrukteurs Paul Henze sollte die Firma Steiger Berühmtheit erlangen.
Er war der Kopf hinter den modernen Motorenkonstruktionen der Marke, mit denen Steiger ab 1920 Furore machte – die im Zylinderkopf hängende Nockenwelle zu Ventilsteuerung wurde über eine Königswelle angetrieben.
Das war damals Sportwagentechnik und tatsächlich sollte Steiger mit auf 60 bis 70 PS hochgezüchteten Motoren dieser Machart gewisse Erfolge erzielen. Für den Hausgebrauch bot man zahmere Ausführungen an, die um die 50 PS leisteten – eine echte Ansage in einer Zeit, in der mit gut 2,5 Liter Hubraum meist nur 30 PS erzielt wurden.
Walter Steiger blieb zwar ein kommerzieller Erfolg mit seinen Automobilen versagt, weshalb die Firma schon 1926 die Tore schloss. Doch mit ihrem eigenständigen, hochexpressiven Styling hinterließen die Steiger-Wagen dauerhafte Spuren.
Dazu zählt auch die zweite Aufnahme des bereits ausschnitthaft gezeigten Wagens:
Kein anderer deutscher Serienwagen wies in der ersten Hälfte der 1920er Jahre eine dermaßen radikal auf Effekt getrimmte Vorderpartie auf.
Die wie gemeißelt wirkenden Luftschlitze in der Motorhaube mit den beiden außenliegenden Auspuffrohren suchen ebenso ihresgleichen wie das wie ein Rammsporn gestaltete Oberteil des Kühlergehäuses.
Dazu die riesigen Scheinwerfer in Hochglanzausführung, die Drahtspeichenräder und die spitz zulaufenden Vorderkotflügel – hier war alles auf maximale Wirkung beim Betrachter angelegt. Beachten Sie aber auch die Kühlerfigur – hier hatte der Besitzer einen persönlichen Akzent gesetzt.
Mit seinen scharf geschnittenen geometrischen Formen fiel ein Steiger selbst dann auf, als auch andere deutsche Hersteller eine markante Gestaltung mit Spitzkühler bevorzugten, wie das bis etwa 1925 der Fall war.
Ich könnte es für heute dabei belassen, aber es gibt doch noch etwas aus meinem eigenen Fundus, was vielleicht die heutigen Entdeckungen in den Schatten stellt.
Zu sehen ist ein weiterer Steiger des Typs 10/50 PS aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre – vor Einführung von Vorderradbremsen. Vielleicht liegt es am Verzicht auf Haubenschlitze oder an der hellen Lackierung, aber diese Spezialausführung ist für mich sensationell…
Abschließend möchte ich daran erinnern, dass die Historie der Automarke Steiger von Michael Schick aus Burgrieden in nicht zu übertreffender Weise aufgearbeitet wurde – sowohl online als auch in Buchform.
DAS ist der Standard, an dem sich die Produktionen oder auch Nicht-Produktionen zu anderen deutschen Nischenmarken messen lassen müssen. Es gibt da keine Ausrede, es braucht nur die Kompetenz und den Willen eines Einzelnen.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Interessante Erklärung! Ich würde allerdings nicht ausschließen, dass der Abtransport der Abwärme bei diesem Exemplar durch nicht sichtbare Luftleitbleche erfolgte, die es auch bei einigen anderen Fahrzeugen gab, wenn man eine „saubere“ Optik der Motorhaube wünschte. Bei Beckmann und Brennaborwagen findet sich das beispielsweise, deren Hauben ganz ohne Luftauslass auskamen. Auf der wirklich erschlagenden Steiger-Präsenz von Michael Schick und in seinem Buch besitzen auch frühe Serienmodelle meist die beschriebenen sehr markant ausgeführten Haubenschlitze. Daneben gibt es hin und wieder baujahrsunabhängig Aufnahmen desselben 10/50 PS-Typs ganz ohne Haubenschlitze. Sogar die Werkssportversion mit 70 PS kam ohne Haubenschlitze daher, für den Abtransport der beträchtlichen Abwärme wird man also anderweitig gesorgt haben. Von daher plädiere ich bei dem hellen Steiger auf eine Ausführung, die absichtlich so „clean“ gestaltet wurde.
Der helle Steigerwagen mit nur wenigen Haubenschlitzen im unteren Seitenblech scheint mir ein frühes Exemplar zu sein, zumal er noch über eine Anwerfkurbel hat, auf die bei dem dunklen Wagen bereits verzichtet wurde. Und in welchem Fall empfiehlt es sich, die Zahl der Lüftungsschlitze zu vergrößern? Wenn die vom dauerbelasteten Motor abgestrahlte und den Kühler durchströhmende Warmluft nicht ausreichend abströhmt und der Motor sich folglich unnötig aufheizt.
Solche Maßnahmen dienen nicht der „show“ ! Man stelle sich folgende Verhältnisse unter der
Haube vor: Ein stark erhitzter Motor strahlt entsprechend viel Wärme aber – ob der Wagen nun schnell fährt oder steht.
Erwärmte Luft dehnt sich bekanntlich aus und steigt nach oben (wo sie abströhmen können muß!)
Wenn nun während der Fahrt mit zunehmender Geschwindigkeit immer mehr erwärmte Luft durch den Kühler (ebenfalls vorwiegend im oberen Bereich)
im Motorraum sich mit der durch Wärmestrahlung des Morors erhitzten Luft trifft wird es schnell „eng“ im Motorraum, zumal sich diese expandierende Warmluft wie ein Luftkissen auswirkt, welches die freie Durchströmung des Kühlers hemmt.
Die an den „Entlüftungs“- Schlitzen entlangstreichende Aussenluft soll ja, zumindest bei höherer Geschwindigkeit, einen gewissen Unterdruck an den Schlitzen erzeugen, sodaß die Warmluft „abgesaugt“ wird.
Dazu waren schon früh ausreichende Öffnungen nach oben nötig! Man sieht ja sogar auf Fotos aus den ersten Jahren des Jahrhunderts manchmal aufgestellte Klappen auf der Motorhaube.
Der helle Wagen muß wohl auch noch recht neu sein da er noch über den kompletten unverbrauchten Satz Pneus verfügt …
Großartig, Herr Weigold! Danke insbesondere für die Erwähnung der interessanten Regional-Spezifika, das macht die Welt von gestern noch einmal anschaulicher auch in den nicht unbedingt auto-bezogenen Aspekten. Steiger-Spezialist Michael Schick hat sich auch den erwähnten ortsansässigen jüdischen Bürgern gewidmet, wenn ich das richtig in Erinnnerung habe.
Ausgezeichnet, vielen Dank. Michael Schick wird von allen mir bekannten Sammlern mit Steiger-Fotos „versorgt“, sodass sich dort vieles auch aus meinem Blog wiederfindet.
Nach längerer Pause habe ich über den Link im Beitrag mal wieder die Steiger-Seite von Michael Schick besucht. Unter der Rubrik „Neue Bilder“ findet man dort die beiden oberen Fotos und noch drei andere des Wagens mit der Unterschrift Steiger 10/50 PS, Besitzer GÖTZ, Alfred, Bad Kissingen.
Ich erwähnte schon gelegentlich der Vorstellung des Fotos eines Steigerwagens, die Gegend um Burgrieden gut zu kennen.
Denn ich hatte 10 Jahre lang in einem Nachbardorf 4 km entfernt vom ehem. Bauerndorf Burgrieden nahe des Landstädtchens Laubheim eine Scheune gemietet. Gegenüber lebten die alten Gersters, schon im höheren Alter – man unterhielt sich gerne mit ihnen. Er hatte im Krieg ein 8.8 mit der großen Halbkette durch Russland gezerrt und folgerichtigerweise nach dem Krieg LKW gefahren.
Sie, immer seriös- gediegen gekleidet, war Damenschneiderin gewesen.
Sie erwähnte einmal , als ich Burgrieden als Standort der Fa. Steiger ansprach, ein Verwandter habe dort gearbeitet , damals. „Da war m’r stolz, daß m’r z‘ Burgriada Auto baut!“
Die Gegend war bäuerlich, gut katholisch weil bis 1806 zum ehem.“Vorder- Österreich“ gehörig. In Laubheim gab es einen erheblichen jüdischen Bevölkerungsanteil. Der Laubheimer Jude Carl Lämmle
kam als erster amerikanischer Film- Mogul jedes Jahr über den großen Teich und verteilte sein Geld unter den Laubheimern.
Aber warum gab es in dieser rein ländlichen Gegend eine Automobil- Produktion?
Das kam so:
Walther Steiger ein Sohn des Ulmer Textil- Unternehmers Ulrich Steiger ( Steiger & Deschler, noch heute eine bekannte Firma) und war nach einem Ingenieur- Studium der Techniker in der Familie.
Bereits 1907 baute man in Burgrieden eine kleine Fabrik , um die Wasserkraft des Flüsschens Rot für eine Walkerei zu nutzen.
Mitte des Weltkriegs nutzte Walter Steiger das weite Wiesenland um die Fabrik als Lande- und Standplatz für Kriegs- Flugzeuge und richtete ein Reparaturwerk ein , dessen maschinelle Ausstattung dann nach Kriegsende Grundausstattung für den Bau eigener hochwertiger Automobile, der Obsession Walther Steigers. Nach Ende des kurzzeitigen Erfolgs ging er zu Martini in die Schweiz .