Ein Auto erzählt Geschichte(n): Peugeot 202 „Utilitaire“

Heute haben Sie Glück – der Blog-Wart erzählt keine umständlichen Geschichten, um irgendwann die Kurve zum eigentlichen Thema zu bekommen.

Das liegt nicht daran, dass mir gerade nicht der Sinn nach Stories aus meinem Alltag steht, die mich am Ende zu einem Vorkriegswagen führen.

Was in meinem Kopf vor sich geht, wenn er nicht gerade vordergründig zum Gelderwerb eingesetzt wird, wollen Sie nicht wissen.

Etwa heute beim Einpflanzen eines seit 20 Jahren im Kübel gefangengehaltenen Feigenbaums im Garten an einer dafür geeigneten windgeschützten und ganztägig sonnenbeschienen Stelle.

Tatsächlich lasse ich mich heute von meinem Fundus leiten. Schon einige Zeit begleitet mich das Vorhaben, die Geschichte meines Peugeot 202 „Utilitaire“, der hier bisweilen als Gast auftaucht, richtig zu erzählen und das heißt von Anfang an.

Dabei will ich Sie aber nicht mit der Technikgeschichte dieses in der Hinsicht unauffälligen Franzosen belästigen – wer sich dafür interessiert, kann das online nachlesen.

Vielmehr will ich die Geschichte des 1938 vorgestellten kleinen Bruders der spektakulär gestalteten Modelle 302/402 von Peugeot anhand zeitgenössische Fotos nacherzählen.

Das Modell 202 kam nicht an die Klasse der großen Geschwister heran – hier ein Werksfoto des ab 1935 gebauten 402, der die damals modische Stromlinienform perfekt verkörperte:

Peugeot 402; originales Werksfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch zumindest die Frontpartie mit der großartigen Idee, die Scheinwerfer hinter dem Kühlergrill zu verstecken, die fand sich grundsätzlich auch am deutlich kompakteren Einsteigermodell 202, das mit einem 30 PS leistenden 1,1 Liter-Motor ausgestattet war.

Davon sollten bis Ende des 2. Weltkriegs beeindruckende 63.000 Exemplare gebaut werden, davon etliche für das französische Militär – wir kommen noch darauf zurück.

Die Standard-Limousine sehen wir hier auf einem Familienfoto (vermutlich aus Frankreich) kurz vor Kriegsausbruch:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen im Sommer 1940 wurden die meisten aktuellen PKW für weitere „Vorhaben“ der Wehrmacht im Osten beschlagnahmt.

Besonders beliebt waren die hervorragenden Frontantriebswagen von Citroen (Typ „Traction Avant“), die man noch auf späten Aufnahmen aus der Zeit der deutschen Kapitulation anno 1945 sieht.

Doch auch die 02er Peugeots finden sich ohne Ende auf Fotos deutscher „Landser“ – in Bezug auf den 302/402 kommt irgendwann eine eigene Geschichte zu deren Karriere.

Hier haben wir nun einen Peugeot 202, der während des Kriegs auf deutscher Seite mit ziviler Zulassung unterwegs war. Dem Kennzeichen nach zu urteilen, handelte es sich um ein Fahrzeug aus Lothringen, das unter deutscher Besatzung als „Westmark“ firmierte, daher das Kürzel „Wm“ auf dem Nummernschild:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bemerkenswert ist hier einiges. Die beiden sehr schlanken Herren lassen auf eine Aufnahme gegen Kriegsende schließen, als es für Zivilisten nur noch Hungerrationen gab. Interessant ist auch, dass der junge Mann links ein Offizierskoppel trägt.

Der Peugeot macht einen sehr gepflegten Eindruck, nur die improvosierte Dachbeladung deutet darauf hin, dass man nicht mehr alles ganz im Griff hat.

Man fragt sich schon, wer in der fortgeschrittenen Phase des Kriegs noch ein Foto dieser Qualität machen konnte, denn Filmmaterial wurde immer weniger produziert.

Allerdings bastelten bekanntlich im ganzen „Reich“ noch 1944/45 jede Menge Leute an ultramodernen Waffen herum, welche die Allierten bei ihrem Eintreffen staunen ließen – mein Verdacht ist, dass sich dabei viele technisch Hochbegabte selbst verwirklichten und gleichzeitig für den Fronteinsatz unabkömmlich machten.

Für diese wichtigen „Volksgenossen“ gab es noch Benzin und der Winkel auf dem Nummernschild war bei Kontrollen der Hinweis, dass alles seine Richtigkeit hatte mit diese Zivilwagen – es würde mich wundern, wenn dafür nicht bisweilen auch „geschmiert“ wurde.

Doch begegnen wir dem Peugeot 202 im 2. Weltkrieg auf deutscher Seite auch dort, wo das Leben weit gefährlicher war – hier hatte wohl gerade ein Jagdbomber- oder Artillerieangriff das Dach abgedeckt, bevor der Wagen aufgenommen wurde:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das improvisierte Kennzeichen „WH“ verrät, dass dieser beschlagnahmte Peugeot 202 noch kein offizielles Kennzeichen der Wehrmacht erhalten hatte.

Das an sich vorschriftswidrige Herumfahren ohne Tarnscheinwerfer war keine Seltenheit während des Krieges – wo man die Lufthohheit hatte, sah man das nicht so eng, was sollte schon passieren, nicht wahr?

1945 war der deutsche Spuk vorbei aus französischer Sicht, wo man einigermaßen glimpflich davon gekommen war, jedenfalls gemessen am Völkermord im Osten. Die von unseren Vorfahren in deutscher Uniform begangenen Massaker auch an der französischen Zivilbevölkerung sollen gleichwohl nicht übergangen werden.

In den Ruinen von Oradour sur Glane können Sie noch heute ein ausgebranntes Wrack eines Peugeot 202 besichtigen, wenn Sie sich das antun wollen (was ich empfehle).

Ein bemerkenswertes Foto aus der Zeit, nachdem US-Truppen Frankreich von der deutschen Besatzung befreit hatten, ist das Folgende:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich würde die Aufnahme auf die späten 1940er Jahre datieren, kann die Uniformen der abgebildeten Personen jedoch nicht sicher einordnen.

Wie immer setze ich darauf, dass einer meiner Leser mehr weiß als ich und sein Wissen in Kommentarform teilt.

Das Thema Krieg lassen wir nun allmählich hinter uns und erfreuen uns an der folgenden Aufnahme, die einen französischen Bauern in der frühen Nachkriegszeit mit seinen treuen Freunden zeigt – darunter ein Peugeot 202 in der Ausführung als Pritschenwagen:

Peugeot 202 „Utilitaire“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Solche Nutzfahrzeugversionen auf Basis ehemaliger Armeefahrzeuge fanden in Frankreich ab den 1950er Jahren Eingang in den Bestand an Zivilwagen auf dem Lande.

Oft war es ein ortsansässiger Schreiner, der auf Grundlage eines einstigen Funk-, Kranken- oder Abschleppwagens des Militärs einen solchen „Pickup“ fabrizierte und dem Wagen damit ein neues, nunmehr ziviles Dasein eröffnete.

Genau so ein Gerät aus dem französischen Departement „Aube“ wurde 2008 auf der Oldtimermesse „Veterama“ in Mannheim angeboten:

Peugeot 202 „Utilitaire“ auf der Veterama Mannheim 2008; Fotoquelle unbekannt

Das Fahrzeug fand seinerzeit einen neuen Besitzer im Raum Mainz, der es dann bei „Ebay“ inserierte. Ich stieß zufällig darauf und da niemand sonst den Wagen haben wollte, nahm ich Kontakt mit dem Verkäufer auf.

Natürlich habe ich alles falsch gemacht beim anschließenden Kauf. Der Wagen stand in einer dunklen Tiefgarage, ich habe keine Probefahrt unternommen und einfach alles geglaubt, was der Besitzer erzählte.

Quasi blind kaufte ich den Wagen für einen vierstelligen Betrag, aber mit einer Auflage: Deutsche Papiere und TÜV sollte er haben, wenn ich ihn übernehme.

Genauso geschah es, alles klappte und der von der Substanz hervorragende, bis heute nur technisch überholte Peugeot gehört seither zu den Schätzen meiner Sammlung:

Peugeot 202 „Utilitaire“ aufgenommen 2015: Bildrechte Michael Schlenger

Den Lack, den einst ein Bauer in der Champagne im Raum Troyes aufgebracht hatte, habe ich nur gereinigt und eingewachst. Hier und da scheint die originale Armee-Lackierung durch.

So kann ich anhand dieses Wagens die ganze Geschichte des Typs erzählen.

Das Auto mit einer Laufleistung vermutlich im niedrigen fünfstelligen Bereich bedarf nur der üblichen Wartung wie anno dazumal. Der Motor springt auch nach längerer Standzeit (und mehrfachem Durchdrehen ohne Zündung) jederzeit an.

Während die Technik und der Rahmen noch für Jahrzehnte gut sind, besteht die Hauptaufgabe darin, den äußeren Zustand zu konservieren. Das dicke Blech ist an sich unproblematisch, doch der Rostansatz auf der Haube will in Schach gehalten werden:

Peugeot 202 „Utilitaire“ aufgenommen 2015: Bildrechte Michael Schlenger

Ein Luxusproblem ist das natürlich, es gibt jede Menge Mittelchen für solche Fälle.

Ich bevorzuge eine leichte Behandlung oberflächlich angerosteter Blechpartien mit feiner Stahlwolle (mit Seife angereichert) und anschließende Behandlung mit Carnaubawachs.

Damit lässt sich ein formidables Ergebnis erreichen, wie man auf der folgenden Aufnahme sieht, die 2022 anlässlich des alljährlichen Oldtimertags in meiner Heimatstadt Bad Nauheim entstand:

Peugeot 202 „Utilitaire“ aufgenommen 2022: Bildrechte Michael Schlenger

Über den Winter ist der Peugeot inzwischen wieder eingestaubt und mehr als ein paar Mal Bremse und Kupplung betätigen, habe ich seit letzten Herbst nicht gemacht.

Doch bald wird er wieder in Betrieb genommen und soll auch frischen TÜV erhalten.

Inzwischen habe ich originale Tüverkleidungen einer 202-Limousine aufgetrieben, die passen sollten – für die Reinigung muss ich mir noch etwas einfallen lassen.

So ein Peugeot 202 hat auch nach bald 90 Jahren noch jede Menge zu erzählen und er wird nicht müde, eine Geschichte zu repräsentieren, die man vorsichtig formuliert als „schwierig“ bezeichnen darf und die uns dazu mahnt, sehr gut überlegen, wie es weitergehen soll…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

5 Gedanken zu „Ein Auto erzählt Geschichte(n): Peugeot 202 „Utilitaire“

  1. Ja,die Pilote – Räder haben den Nachteil, daß Schweißpunkte , je nach Stahlsorte, bei dynamischer Belastung (und die ist ja bei Autorädern zwangsläufig gegeben), zu Ermüdungsbrüchen rund um den Punkt neigen! Das gilt erst recht für Stahlsorten höherer Festigkeit und geringer Dehnung wie sie hier erforderlich war. Es trifft sicher zu, daß dies hier über längere Zeiträume der Fall war als man jahrelange Erfahrungen unter schwersten Einsatzbedingungen hatte.
    Die Franzosen rüsteten immer die Versionen ihrer Pkws, die für Transportzwecke vorgesehen waren mit stärkeren Rädern und ggf. mit 5 Loch- Kreis
    aus – und natürlich nicht mit den grazilen Leichtbau- Pilotes .
    Auch ein Michelin – Patent waren übrigens die über Jahrzehnte verwendeten Normalräder mit der spitzen Auswölbung mittig des Radtopfes um den Anlagebereich mit seinen meist drei Radbolzen. Ihre Stabilität bezogen sie durch die Anlage und einseitige Abstützung an der Bremstrommel. Durch die starke Profilierung konnte man ebenfalls leichteres ( dünneres ) Blech verwenden.
    Das lernte ich schon 1972 auf dem Kfz- technischen Lehrgang bei der BW in Eschweiler, als einmal Sonntags ein Kamerad auf dem leeren Mannschafts – Parkplatz mit seinem R4 seine Fahrkünste demonstrierte und Achten fuhr – so lange, bis es krack krack machte und beide Vorderräder mit um die Radmuttern gebrochem Blech
    die Grätsche machten!
    Der Einfachheit halber hatte er eine Maßnahme zur Spurverbreiterung mittels jeweils dreier dicker Scheiben
    vorgenommen! Kein Problem, Ersatzrad drauf – aber er hatte ja nur eins! Da war guter Rad teuer…
    Ob er das seinem Vater gebeichtet damals weiß ich nicht – der war KFZ – Sachverständiger.

  2. Sehr spannend – im wahrsten Sinne des Wortes. Habe noch etwas in meinen Materialien zum 202 gestöbert. Die Michelin Pilote-Räder wurden in den ersten beiden Produktionsmonaten noch nicht verbaut, da gab es gelochte Räder. Prototypen von Peugeot aus dem Jahr 1939 zeigen Varianten bereits mit Scheibenrädern ähnlich denen, die ab 1946 verbaut wurden. Kann es sein, dass der Bauaufwand für die Pilote-Räder einfach zu groß war bzw. dass diese nach längerer Zeit doch Schwächen zeigten? Übrigens zeigen die Nutzfahrzeug-Versionen des 202 schon vor dem Wechsel hydraulischen Bremsen fast immer Scheibenräder. In meinem Originalkatalog von 1939 trägt zwar auch die (gezeichnete) Nutzfahrzeugversion die „Pilote“-Räder, doch datierte Fotos sprechen für die frühe Dominanz der Scheibenräder bei dieser Ausführung, dazu zählt auch die bis 1943 gebaute Ausführung mit kurzem Radstand.

  3. Da ich selbst ein Faible für die Peugeots mit dem verhangenen Blick.gabe interessiert mich das Thema besonders. Einen Satz dieser Pilote- Räder hatte ich mal sehr günstig
    Bei ebay gekauft weil ich die Michelin X ( die besten und haltbarsten Reifen, die man einem klassischen Wagen angedeihen lassen kann!) haben wollte. Die Räder ( das immer missbräuchlich verwendete Wort „Felgen“ ist nicht richtig weil es nur die äußeren Laufringe bezeichnet, wie jeder Fahrradschrauber weiß!) haben einen Lochkreis von 4x 130mm, die bekannten Pilote- Räder am 11 CV haben aber 5er – LK.
    Ich kam dann drauf, daß alle 202er der ersten Bauphase diese Räder zeigen und konnte einem Besitzer einer 202er- Cabriolimousine mit DDR- Historie zu den richtigen Pilotes
    verhelfen!
    Die technische Rafinesse der Pilote- Räder , die ja aus dem Felgenring mit O- Schultern und den beiden speichenartig gegeneinander verschränkten Sternblechen bestehen und henausschließlich punktgeschweißt sind, ist eine Glanzleistung der Leute bei Michelin gewesen! Alles aus relativ dünnem Blech, sodaß 2- 3 kg gegenüber herkömmlichen Rädern gespart werden konnten!
    Das verwendete Blech muß natürlich schwerrostend gewesen sein, da hier Rost sich katastrophal auswirken würde.
    Da diese Konstruktion nicht ohne ein gewisse innere Vorspannung auskommt müssen die beiden profitierten Sternbleche, in einer Vorrichtung genau positioniert, mit einem genau definierten Abstand zueinander punktgeschweißt werden, um dann in einer Spannvorrichtung zusammengepunktet zu werden, wodurch sich erst die definierte Vorspannung ergibt, die das Rad stabilisiert und ihm die notwendige Festigkeit und Elastizität gibt.

  4. Sie haben recht – vom Stil der Personen passt die Aufnahme aber noch in meine „Chronologie“, optisch tat sich in den spätern 40ern wenig. Leider habe ich im Unterschied zum 302/402 vom später herausgekommenen 202 sonst keine Vorkriegsfotos. Insofern möchte ich das unter „künstlerische Freiheit“ verbuchen…

  5. Das eingangs gezeigte Familien- Foto mit 202 datiert eindeutig aus der Nachkriegszeit!
    Warum? Weil er auf den erst nach dem Krieg eingeführten Rädern steht und es sich also um den neuen Typ BH ( Brake Hydraulik) handelt.
    Im Gegensatz zum bedenklich mit Schwermetall überladenen Wagen auf dem zweiten Bild, der
    auf den in Frankreich für einige
    Modelle von Peugeot und Citroen verwendeten dem Krieg verwendeten genialen Leichtbau- Rädern (Typ „Pilote“
    von Michelin) steht, deren Herstellungsvorgang ich immer
    noch nicht ergründen konnte.

Kommentar verfassenAntwort abbrechen