Hinein ins Vergnügen! BMW Cabriolet 319

Was ist nur mit dem Blogwart los? Seit wann begeistert er sich für Cabriolets? Preist er sonst nicht Wagen mit geschlossenen Aufbauten als die vollkommeren, was die Linienführung angeht?

Oder hat es ihm heute einfach nur die Motorisierung des vor 90 Jahren eingeführten BMW 319 angetan?

Sollte der gediegene 6-Zylindermotor mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen, entsprechend drehfreudiger Charakteristik und 45 PS bei nur 850 kg Gewicht nicht seiner Neigung für eine ordentliche Motorisierung entgegenkommen?

Nun, nach über 1.500 Blog-Einträgen muss man als Chef vom Janzen die Leserschaft bei Laune halten und dazu gehört immer wieder auch, nicht genau das zu liefern, was erwartet wird oder der Titel vermuten lässt.

Mit einer Sache haben Sie aber recht – der BMW 319 kommt grundsätzlich meiner Vorstellung schon nahe, was einen solide motorisierten Wagen der Mittelklasse am deutschen Markt in den 1930er Jahren betrifft.

Allerdings hätte ich mir von BMW bei einem solchen knapp 2 Liter großen Motor eine standfest machbare Leistung von an die 60 PS gewünscht. Die 45 Pferde lieferte Fiat damals ja schon mit seinem 1500er Sechszylinder in Großserie ab.

Zur Ehrenrettung von BMW sei angemerkt, dass es parallel eine Sportversion des 319 mit 3 statt 2 Vergasern gab, welche ziemlich genau die Leistung abwarf, die bei einem derartigen Aggregat damals wirklich drin war.

Ein solches Gerät konnte ich anno 2014 bei den legendären Classic Days auf Schloss Dyck dingfest machen:

BMW 319/1; Bildrechte: Michael Schlenger

Damit zog man dann auf der Autobahn an fast allen vorbei – wobei das ohnehin nicht viele waren, denn im Deutschland der 30er Jahre war ein Automobil für den Durchschnittsbürger immer noch unerreichbar. Das gigantische Aufrüstungsprogramm der damaligen Regierung fraß sämtliche sonst möglichen Wohlstandszuwächse für den Normalbürger auf.

So blieb auch der kompakte, aber einigermaßen flott motorisierte BMW 319 trotz dreijähriger Bauzeit ein Luxusobjekt für ein paar tausend gut situierte „Volksgenossen“. Immerhin findet man ihn bisweilen auf alten Fotos, und wie es scheint, wurde er gern als Cabriolet gefahren.

Leider trifft die 4-fenstrige offene Version überhaupt nicht meinen Geschmack. Das Heck ist verunglückt und das Verdeck war entweder eine Fehlkonstruktion oder es war hier nicht korrekt zusammengefaltet – jedenfalls weckt dieses Exemplar keine Begeisterung:

BMW 319 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Etwas besser kommt der BMW 319 weg, wenn das Verdeck aufgespannt ist, aber das merkwürdige Stummelheck mit dem angesetzten Kofferraum und unglücklich hoch angebrachten Reserverad ruiniert für mich auch hier das Bild – da kann das Fotomodell daneben noch so gute Figur machen.

BMW 319 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Immerhin kommt man hier in den Genuss der vollverchromten großen Scheinwerfer, die noch nicht der rüstungsbedingten Rohstoff-Planwirtschaft zum Opfer gefallen waren – eventuell haben wir es mit einem frühen Exemplar des Typs 319 zu tun.

Nachdem der Wahn von der Weltgeltung des kleinen, ressourcenarmen Deutschland vorbei war und das Land unter den beiden einzigen Siegern des 2. Weltkriegs – den USA und der Sowjetunion – aufgeteilt worden war, begegnete man dem BMW 319 mit etwas Glück in Form eines Überlebenden wie auf dieser Ansichtskarte aus DDR-Zeiten:

BMW 319 Cabriolet in Sitzendorf (Thüringen); Ansichtska aus Sammlung Michael Schlenger

Von der für Mensch, Wirtschaft, bauliches Erbe und Umwelt zersetzenden Wirkung staatlicher Planwirtschaft ist hier noch nichts zu sehen. Das schöne „Hotel zur Linde“ in Sitzendorf (Thüringen) steht noch in alter Pracht dar.

Sieht man von dem Zusatz „HO“ ab, der auf die nunmehrige Zugehörigkeit des einst privaten Hotels zur gesichtslosen Staatswirtschaft (Handelsorganisation) verweist, könnte man die Szene glatt als idyllisch ansehen.

Auch der heutige Hauptdarsteller BMW 319 hat hier einen durchaus ansprechenden Auftritt – weniger aufgrund der nachgerüsteten Scheinwerferblenden und Rückspiegel als infolge der Tatsache, dass seine problematische Heckpartie verdeckt ist:

BMW 319 Cabriolet in Sitzendorf (Thüringen); Ansichtska aus Sammlung Michael Schlenger

Die matt erscheinende Lackierung könnte auf ein ehemaliges Armee-Fahrzeug hindeuten, doch bezweifle ich, dass man sich mehrere Jahre nach Kriegsende noch mit der Lackierung der einstigen „Wehrmacht“ sehen lassen konnte.

Das Auto war entweder eingestaubt oder war mit einem matten neuen Lack versehen. Bei der Gelegenheit sei angemerkt, dass die drei gegeneinander versetzt angebrachten Zierleisten auf der Motorhaube das Erkennungsmerkmal des BMW 319 waren.

Mit dieser dürftigen Erkenntnis ausgestattet werden Sie sich jetzt fragen: „Wo bleibt denn nun das vollmundig angekündigte Vergnügen, in das wir uns heute stürzen dürfen?

Keine Sorge – abgesehen vom herrlichen Sommerwetter haben viele Landsleute zwar sonst wenig Anlass zum Vergnügen – aber dieses eine gibt es kostenlos und ohne dass man sich irgendetwas daran zwanghhaft schönsehen müsste.

Also vergessen Sie alles, was Sie sonst belastet, was ich über das verunglückte Heck des BMW 319 erzählt oder sonstwie Anstößiges von mir gegeben habe. Bedenken Sie für einen Moment, was das für ein Wagen war, in welchen Zeiten das Foto entstanden sein muss und ziehen Ihre eigenen Schlüsse für’s Hier und Jetzt daraus – hinein ins Vergnügen!

BMW 319 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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