Nach über vier Jahren kann ich endlich einen authentisch restaurierten Wagen des extrem seltenen Oberklasse-Wagens 18/60 PS der Marke Hansa aus den frühen 1920er Jahren präsentieren.
Solange ist es nämlich her, dass ich zuletzt einen dieser Vierliter-Vierzylinder-Riesen aus dem hohen Norden hier gezeigt habe.
Wenn einer so lange für eine Restaurierung braucht, könnte man meinen, dass es sich eher um einen Neuaufbau unter Verwendung von Originalteilen wie Chassis und Motor handelt.
Damit wir uns recht verstehen: das kann man machen, man darf auch etwas Eigenständiges auf antiker Basis kreieren – nur sollte man ehrlich bleiben und klar sagen, was man da veranstaltet hat.
Ich selber habe es ja eher mit Gefährten, welche die Zeiten komplett, aber durchaus mitgenommen oder auch modifiziert überstanden haben, von der Substanz solide sind und nur eine technisch Überholung benötigen, alles Übrige wird konserviert.
Das Ergebnis nenne ich dann authentisch restauriert in dem Sinne, dass ich einen Zustand aus dem tatsächlichen Alltagseinsatz eines Automobils bewahre. Warum das für manche ausgerechnet die Sekunde sein muss, in der ein Fahrzeug einst nagelneu aus der Fabrik rollte, will mir nicht so recht einleuchten.
So ist der absolute Neuzustand statistisch betrachtet die irrelevanteste Momentaufnahme aus einem Autoleben – selbst dann, wenn ein Auto nur einige Jahre auf der Straße war. Auf alten Fotos tragen die meisten Wagen bereits nach kurzer Zeit deutliche Abnutzungsspuren, die damals keinen Menschen störten. Auch wurde häufig angebaut, was gefiel.
Solche Aufnahmen liefern für mich einen historisch repräsentativeren Maßstab für das authentische Aussehen von Vorkriegswagen als die weit selteneren Werksfotos jener Zeit.
Zudem ist es weit günstiger, einfach die erhaltene, stark gebrauchte Substanz zu konservieren, anstatt das Originalmaterial wegzuwerfen und durch oft minderwertige Nachbauten zu ersetzen. Das trifft vor allem für die Leder- und Stoffausstattung zu.
Für einen mittleren vierstelligen Betrag erwarb ich vor einigen Jahren meinen Licorne L760 von 1933, an dem es nichts zu restaurieren gibt – nur die Originalsubstanz bedarf etwas Zuwendung in Form behutsamer Reinigung. etwa im Fall des Innenraums:

Wer hier meint, alles auf „neu“ machen zu müssen, darf das zwar, aber er muss sich gefallen lassen, als extremer Banause – kurz: Idiot“ – bezeichnet zu werden.
In Frankreich bekommt man immer noch solche kompletten und authentischen Vorkriegswagen für Preise, die hierzulande für eine Lackierung aufgerufen werden.
Und so halte ich es auch mit der Restaurierung des heute präsentierten Hansa 18/60 PS, der aus Australien den Weg zu mir gefunden hat.
Wie? So ein sonst ausgestorbenes Gerät soll ausgerechnet „down under“ überlebt haben? Nun, es wäre nicht das erste Mal, dass dort ein für verschollen gehaltenes deutsches Automobil der Vorkriegszeit wieder aufgetaucht ist,
Doch im vorliegenden Fall handelt es sich nur um das historische Konterfei eines dieser Hubraumriesen, die vor über 100 Jahren für Tempo 100 gut waren.
Die folgende Aufnahme verdanke ich Leser und Oldtimersammler Jason Palmer, der sich mit europäischen Vorkriegsmodellen ausgezeichnet auskennt und selber welche besitzt:
Auch in diesem Fall habe ich es mir einfach gemacht: Von der Originalsubstanz war alles Wesentliche vorhanden, sie war nur ziemlich beschädigt und wies die eine oder andere Fehlstelle auf.
Kurzerhand machte ich mich mit einigen Hausmitteln an die Arbeit, putzte den Wagen wieder heraus, polierte einige Kratzer und kaschierte die eine oder andere unschöne Stelle auf billige, aber dauerhafte Weise.
Der Lack bekam eine ordentliche Behandlung verpasst, sodass er wieder eine gewisse Wirkung entfalten kann – auch am Fahrer konnte ich einige Altersflecken übertünchen.
Schnell und günstig das Ganze und schon steht der über fünf Meter lange Koloss wieder würdevoll auf der Straße, meinen Sie nicht? Hauptsache, das Teil kommt wieder in Bewegung und sei es nur in der digitalen Sphäre des 21. Jh.
Echte Originale dieses einstigen Hansa-Spitzenklassetourers dürften ja kaum noch existieren. Oder weiß es jemand besser? Dann könnte man glatt einmal schauen, ob der auch so authentisch restauriert wurde, wie ich mir das so vorstelle…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Besten Dank! Das angesprochene Teil ist ein nachgerüsteter Fahrtrichtungsanzeiger. Findet man öfters in jener Zeit.
Danke – Sie haben es auf den Punkt gebracht: Es gibt kein objektiv „richtig“ oder „falsch“. Man sollte sich aber ausgiebig Gedanken machen darüber. Manche sagen: Lass den Wagen, so wie er die Zeiten überdauert hat und zuletzt im Einsatz war. „Restaurieren“ kann ihn später immer noch ein anderer, wenn er will. Grüße nach Tschechien!
Wie ein Balsam für die Seele…, es hat gut getan es zu lesen. Ich habe selbst so ein Fahrzeug aus dem Jahr 1930. Natürlich aus meiner Heimat und die Marke feiert heuer 130 Jahre bestehen. Ich habe dem Vorbesitzer (der war Bj. 1929) versprochen müssen, nicht zu restaurieren, sondern nur zu pflegen und FAHREN. Bis auf das FAHREN habe ich alles eingehalten.
Was mich aber Kopfschmerzen bereitet, welchen Zustand soll man einkonservieren? Den aktuellen? Den vor dem Krieg/danach? Ich habe mich entschlossen für den letzten, bevor ich es übernommen habe, auch mit dem Tuning, also Blinker z.B.
Zum Thema Original, Patina, Nachbau oder Reparatur kann man sich lange austauschen. Ich habe die letzten Berufsjahre bei einem renomierten Oldtimerfachbetrieb zugebracht der sich überwiegend mit Vorkrieg und 50er Jahren Fahrzeuge beschäftigt. Da bekommt man so einige unterschiedliche Ansätze mit. Mir persönlich haben die Fahrzeug am besten gefallen die technisch perfekt, optisch jedoch mitgenommen waren. Mit sowas hat man dann keinen Skrupel auch mal durch die Pfütze zu fahren. Aber eigentlich wollte ich nur wissen was das für eine T-förmige Apparatur zwischen den Scheinwerfen ist. Danke