Vor 100 Jahren – anno 1925 – lief die Produktion des ersten Amilcar aus. Die Rede ist vom Type CC mit dem der französische Hersteller ab 1922 auf dem Markt für Cyclecars – ultraleichte Sportwagen bis 1,1 Liter Hubraum – Furore machte.
Ganze 900 Kubikzentimeter Hubraum besaß der Vierzylindermotor und brachte es doch auf beinahe 20 PS Höchstleistung. In Verbindung mit weniger als 350 Kg Gewicht und sportlichem Fahrwerk (beide Achsen mit Cantilever-Federung) ließ sich damit auf der damals noch leeren Landstraße herrlich räubern.
Der Amilcar CC bekam im Zuge der Nachfrage nach solchen Spaßmobilen rasch Geschwister. Noch 1922 erschien der konzeptionell ähnliche, aber etwas größere und mit 22 PS aus 1000 Kubik merklich stärkere Typ C4.
Dessen Motor wurde zeitgleich auch auf einem weitgehend dem ursprünglichen CC-Type entsprechenden Chassis angeboten – diese Ausführung nannte sich Type CS.
Käufer hatten also bereits 1922 die Qual der Wahl zwischen gleich drei Modellen, die wiederum mit einer ganzen Reihe attraktiver Werksaufbauten verfügbar waren – außerdem natürlich mit individuellen Karosserien unabhängiger Lieferanten.
Das erschwert in etlichen Fällen die genaue Ansprache des Typs auf historischen Fotos wie diesem, das ich erst jüngst für den (bei mir) üblichen Fünfer erwerben konnte:

Während die Kühlerform typisch für die Amilcars bis 1925 ist, deutet der kurze Radstand meines Erachtens auf eines der kleinen Modelle hin – also die Typen CC bzw. CS.
Infolgedessen sitzt der gut gebräunte Herr am Steuer direkt vor der Hinterachse – ideal für die Rückmeldung von der Fahrbahn ans Hinterteil.
Gute Figur macht der Mann hier, nicht wahr? Erstaunlich, dass man sich einst ganz ohne Inanspruchnahme besoldeter Kosmetik-Fachkräfte fotofein machen konnte.
Ein Mann, der sich morgens nicht aus eigenen Kräften mittels Gesichtswäsche und Rasur, etwas Hautcreme und dezentem Duft öffentlichkeitstauglich machen kann, dem sollte man auch sonst wenig zutrauen – so die Auffassung von Traditionalisten wie mir.
Hier scheint man die Sache noch beherrscht zu haben, auch kleidungstechnisch begegnet uns der Amilcar-Fahrer souverän und richtig schick. Vielleicht nicht das Schlechteste, was man aus dem Studium der Altvorderen lernen kann.
Doch das Stichwort „gute Figur“ bezieht sich in diesem Fall auch auf die etwas verschwommene Erscheinung auf dem Kühlwasserdeckel. Mit der wohl erst nach 1925 gängigen Kühlerfigur von Amilcar – einem geflügelten Pferd – hat das Ganze nichts gemein.
Das muss nichts bedeuten, denn in der Vorkriegszeit wurden bekanntlich auch gerne individuelle Kühlerfiguren verbaut. Doch eines kommt mir merkwürdig vor.
Das auf dem eingangs gezeigten Foto zu sehende Exemplar ähnelt aufffallend der Figur, die auf dem Kühler eines anderen Amilcar montiert war. Und auf dieses Fahrzeug – ebenfalls ein Typ CC oder CS – trifft die heutige Überschrift „Nur wenig Kubik, und doch richtig schick“ in besonderer Weise zu:
Dieses schöne Dokument verdanke ich in digitaler Form einmal mehr Oldtimer-Urgestein Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf). Das Original stammt nach seiner Angabe aus der Sammlung von Thomas von der Bey – Urenkel des Motorradkonstrukteurs August Wurring (1901-1990).
Interessant ist hier – neben der gekonnten Inszenierung des Amilcar – das Kennzeichen. Die Kombination „IY“ für den Regierungsbezirk Düsseldorf wurde nämlich erst ab 1928 vergeben.
Demnach war dieser Amilcar aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre damals immer noch ein geschätztes Sportgerät – vielleicht hatte man ihm aber auch zwischenzeitlich eine Leistungsspritze verpasst – wer weiß.
Jedenfalls ist mir die Ähnlichkeit der Kühlerfiguren aufgefallen, ohne dass ich selbst daraus weitere Schlüsse ziehen möchte. Ich kenne mich damit aber schlicht nicht aus.
Möglicherweise können aber Sie, liebe Leser, diesbezüglich zu unserer Erleuchtung beitragen – das fände ich auch im Fall von wenig Kubik richtig schick…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Bei dem Stichwort Cyclecars fiel mir ein, dass ich mir vor ewig langer Zeit mit großem Vergnügen einige der Filme aus der Reihe „Die Ferien des Monsieur Hulot“ angesehen hatte. In einem dieser Filme fuhr M. Hulot – mehr oder weniger chaotisch – mit einem derartigen Gefährt und erlebte dabei herrlich komische Situationen. Ich schaute eben bei YouTube hinein und erwischte auf Anhieb den richtigen Film:
https://www.youtube.com/watch?v=m8COLaL4v4A – ab ca, 42′ taucht das Gefährt auf. Ich wüsste gerne hierüber etwas mehr. Vielleicht findet sich ein Kenner der Filme und des Gefährts.
Viel Vergnügen beim Ansehen dieses alten Movies.
Hallo Herr Schlenger,
mal wieder ein toll geschriebener Artikel über Amilcar mit den beiden authentischen Fotos mit individueller Kühlerfigur.
Zur Kühlerfigur habe ich leider nicht die Erleuchtung obwohl ich seit Jahren mich damit beschäftige. Es gab unzählige und mitunter Einzelanfertigungen von individuellen Kühlerfiguren. Auch für mich gibt es immer wieder neue Kühlerfiguren zu entdecken die ich auch noch nie gesehen habe.
Seit 4 Wochen gibt es von mir ein neues Buch über Automobil-Kühlerfiguren das ich in Eigenregie produziert habe. Ich würde Ihnen daher über ihre Mailadresse etwas zusenden in dem das Buch detaillierter beschrieben wird. Ich würde mich freuen wieder von ihnen zu hören.
LG Volker