Lust auf Lack & Leder? Protos C1 10/45 PS

Sollten Sie den Titel des heutigen Blog-Eintrags irgendwie frivol finden, ist das allein Ihr Problem – denn bei „Lack und Leder“ denkt der anständige Liebhaber des Klassischen natürlich nur an vierrädrige Leidenschaften.

Mir kommt da etwa mein 1974er MGB GT in den Sinn – einer der allerletzten vor Einführung des „Gummiboots“, also der ungeliebten Variante mit Plastikfront und -heck.

Äußerlich ist der ursprünglich in die Schweiz gelieferte Wagen völlig original – auch der Motor mit inzwischen weit über 200.000 km auf der Uhr ist noch der ursprüngliche.

MGB GT von 1974 in Bad Nauheim; Bildrechte: Michael Schlenger

Doch beim Interieur hatte sich bereits der Vorbesitzer ein geschmackvolles Luxus-Upgrade erlaubt – schöne Ledersitze im klassischen Stil. Leider ahnt man das hier allenfalls – daher ist mir bewusst, dass ich in Sachen „Lack & Leder“ noch liefern muss.

Das tue ich mit Vergnügen anhand eines heute vergessenen, aber einst verbreiteten deutschen Automobils der 1920er Jahre – des Protos C1 10/45 PS aus Berlin.

Das war der Nachfolger des Typs C10/30 – zusammen mit dem Brennabor 8/24 PS, dem NAG C4 10/30 PS, und dem Presto D 9/30 PS eines der meistgebauten deutschen Fabrikate der Mittelklasse zu Beginn der 1920er Jahre.

Neben der auf 45 PS gesteigerten Motorleistung und den serienmäßigen Vierradbremesn war es vor allem die andere Gestaltung der Motorhaube mit zweimal fünf hohen Luftschlitzen, was den Typ C1 vom Vorgänger unterschied.

Hier haben wir ein bisher noch nicht gezeigtes Foto mit einem solchen Exemplar in Landaulet-Ausführung – eventuell ein Taxi:

Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Von der bei Chauffeuren damals verbreiteten Ledermontur ist hier leider so wenig zu sehen wie von den Ledersitzen meines MG in originaler „Blaze-orange“-Lackierung.

Doch seien Sie unbesorgt – am Ende bekomme ich wie immer die Kurve – als Autoenthusiast ist man ein paar Umwegen gegenüber doch nicht abgeneigt.

Immerhin Leder-Knobelbecher neben auf Hochglanz poliertem Lack gibt es auf der nächsten Aufnahme von 1928 zu sehen. Sie zeigt Soldaten der Reichswehr – also der Armee der Weimarer Republik – neben ihrem prächtigen Tourenwagen:

Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Die Fotos aus dem Fundus von Leser Matthias Schmidt aus Dresden sind normalerweise schwer zu übertreffen – doch heute kann ich eine Ausnahme präsentieren.

Das liegt aber nicht nur an der noch überzeugenderen Darbietung in Sachen Lack & Leder, sondern auch daran, dass wir beim folgenden Beispiel wissen, was es für ein Fahrzeug war.

Diesen Umstand wie das Foto selbst verdanke ich Wolfgang Kuessner aus Kiel, der im Netz eine beeindruckende Sammlung an historischen Aufnahmen zur Kieler Geschichte nach Themen sortiert aufgebaut hat.

Er wollte von mir den Hersteller des Fahrzeugs wissen, über das nach seinen Informationen einst der Kommandant der Marinestation Kiel dienstlich verfügte und das 1926 aufgenommen wurde:

Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Wolfgang Kuessner (Kiel)

Sie können sich vorstellen, dass ich mit Vergnügen die Bestimmung dieser repräsentativen Limousine vornahm. Das Foto wäre indessen – bei allen Qualitäten des Wagens – nur halb so reizvoll, würde nicht der Fahrer in voller Ledermontur davor posieren.

Damals waren die doppelreihige Lederjacke und Schaftstiefel längst bewährter Standard unter Chauffeuren – das war keineswegs dem militärischen Bereich vorbehalten, es handelte sich schlicht um eine ideale Bekleidung bei rauhem Wetter.

Hier hat unser Fahrer allerdings ganz vom Leder gezogen und posiert auch mit entsprechender Hose vor dem tiefschwarzen Lack der Limousine.

Wenn einem jetzt die Phantasie durchgeht und er sich vielleicht noch eine passend mit Reiterhosen, strenger Bluse und burschikoser Krawatte zurechtgemachte Dame hinzuwünscht, dann ist das nicht meine Schuld.

Wenn jemandem DAS fehlt, ist er selbst verantwortlich, das bei Bedarf zu ändern. Es soll ja entsprechende glückliche Paarungen auf diesem Sektor geben…

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5 Gedanken zu „Lust auf Lack & Leder? Protos C1 10/45 PS

  1. Auch die Vorderradbremsen sprechen für den C1 10/45 PS ab 1924. Vorderradbremsen vor 1924 sind bei deutschen Fabrikaten vor 1924/25 extrem selten.

  2. Hallo Herr Hühn,
    es würde mich freuen, wenn Sie Ihre Behauptung für laien wie mich begründen würden, damit ich etwas dazu lernen kann.
    Ich selber habe ein Foto eines Prots der als 10/30 PS bezeichnet wird, in sehr ähnlicher Gestaltung (als Tourer); Allerdings hat er statt 2×5 2×4 Luftschlitze in der Haube je Seite. Alle hier gezeigten Fotos haben je 2×5 Schlitze pro Seite.
    Schöne Grüße und besten Dank,
    KD

  3. Lieber Herr Schlenger,
    Das erste Foto (Landaulet) zeigt keinen Protos 10/45,das ist ein 8/30!
    Viele Grüße aus Wurzen Matthias Hühn

  4. Hallo,
    der Stander am Reichswehr-Protos ist der eines Vize-Admirals. Führer der Marinestation der Ostsee war zum Zeitpunkt der Aufnahme der damalige Vizeadmiral Erich Raeder, der später zum Großadmiral avancierte. Es könnte sich auf dem Foto also um seinen Dienstwagen handeln.
    KD

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