Es geht doch nichts über eine gelungene Paradoxie – die modische Bezeichnung „Sondervermögen“ für noch mehr Schulden gehört allerdings nicht dazu. Das ist eine Beleidigung des Verstands und sagt einiges über die Seriosität der Urheber aus.
Aber dass etwas perfekt unvollkommen sein kann, das hat bei aller Widersprüchlichkeit durchaus Substanz – jedenfalls wenn das Ausgangsmaterial der wohl vollkommenste Wagen der 1,5 Liter-Klasse von Mitte der 1930er Jahre ist.
Kein anderer Hersteller bot damals dermaßen viel Leistung, Laufkultur, Platz und Charakter wie Fiat mit seinem 1935 eingeführten Typ 1500. 45 PS und 6 Zylinder in dieser Hubraumklasse suchten ebenso ihresgleichen wie der enorm bequeme Einstieg dank vier Türen und fehlendem Mittelpfosten.
Kein Wunder, dass sich dieses feine Automobil auch in deutschen Landen einiger Nachfrage erfreute. Jedenfalls finde ich seit Jahren immer wieder „neue“ zeitgenössische Aufnahmen in Deutschland zugelassener Fiats des Typs 1500.
Heute präsentiere ich wieder einen Schwung davon. Auf keiner der folgenden Aufnahmen findet man den Fiat vollkommen – aber wie er sich präsentiert, das ist stets perfekt!
Diesen Eindruck gewinnt man bereits im Fiat-Autosalon von Arnold Klok am Alsterdamm in Hamburg – dort zeichnet sich die unverwechselbare Frontpartie mit den schrägstehend an die Kotflügel angesetzten Scheinwerfern ab:

Übrigens bemerkt man auf diesem außerordentlichen Foto von Leser Klaas Dierks ein weiteres unvollkommenes, aber perfekt platziertes Exemplar auf der Straße.
Das wenige, was wir hier sehen, genügt uns vollkommen, um den auch im Heilbronner Fiat-Werk (ex NSU) gebauten Wagen auf dem nächsten Foto auf Anhieb perfekt identifizieren zu können.
In diesem Fall handelt es sich um ein Fahrzeug aus dem Raum Leipzig:
Vom Fiat sieht man genug, um sich vollkommen sicher zu sein. Perfekt wird die Aufnahme dann durch den davor posierenden jungen Mann. Im August 1938 ließ er sich so ablichten – ein gutes Jahr später dürfte man ihn nur noch in Uniform gesehen haben, und dann vielleicht nie wieder.
Vielleicht haben Sie auf dem letzten Foto die eigenwilligen vertikalen Türgriffe bemerkt, die weitgehend in die Karosserie eingelassen waren. Auch sie erleichtern die Ansprache des Fiat 1500, selbst dann wenn er sich so mitgenommen präsentiert wie hier:
Sehen Sie, so perfekt kann ein unvollkommener Gegenstand wirken – vorausgesetzt es gibt etwas, was einen daran so fesselt wie das Gesicht der jungen Frau, das sich trotz der übrigen Spuren der Zeit ganz wunderbar erhalten hat.
Man muss gar nicht viel erzählen über diesen faszinierenden Wagen – er ist stets perfekt präsent, selbst wenn er sich nur unvollkommen erkennen lässt. Sie werden diesen Typ garantiert immer wieder erkennen, sollte Ihnen mal einer begegnen.
Im Deutschland des 21. Jh. wird das allerdings schwierig, mir ist hierzulande überhaupt erst ein einziger begegnet und das war ein Italien-Import.
Aber zum Glück gibt es diesen Blog und hier können Sie mühelos und sorgenfrei eine Reise zurück in jene Zeit unternehmen, in der ma n dem Fiat 1500 auf deutschen Boden öfters begegnete – etwa im Mai 1936:
Ich könnte noch eine Weile so weitermachen, aber dann wird die perfekteste Sache irgendwann vollkommen langweilig.
Also variieren wir das Thema zum Schluss noch ein wenig und gewinnen ihm eine weitere Facette ab, die ich gelegentlich auch beim kleineren Schwestermodell 1100 beleuchten will.
Ab 1940 bekam der Fiat 1500 nämlich eine neue Frontpartie spendiert, die weniger geschmeidig wirkte und Tendenzen im US-Automobilddesign aufnahm. Außerdem erhielt er ausstelbare Dreiecksfenster zur gezielteren Belüftung des Innenraums:
Dieser technisch unveränderte Fiat 1500C wurde bis 1943 gebaut. Ob und wie lange er auch im Heilbronner Werk gefertigt wurde, ist mir nicht bekannt.
Ein Exemplar davon muss aber während des 2. Weltkriegs in Deutschland gelaufen sein und das ist der oben gezeigte Wagen, der um 1950 in Sachsen aufgenommen wurde. Dafür spricht jedenfalls der umseitige Stempel eines Fotoladens in Bad Schandau.
Wieder eine unvollkommene Wiedergabe des Fiat, aber ein perfektes Foto, finde ich. Denn es hat alles, was ein historisches Dokument des Automobils als Begleiter und Wegbereiter im Dasein seiner einstigen, meist längst verschwundenen Besitzer ausmacht…
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Weitgehend unbekannt der 1400er Fiat hierzulande wohl, wurde auch nicht bei NSU montiert sondern direkt importiert aus Turin..In meiner bayerischen Kindheit kannte man ihn jedenfalls, da es dort einige Fiat- Vertretungen gab. jedenfalls in Oberbayern, wo wir herumkamen. Er hatte auf dem deutschen Markt ja genug Konkurrenten, auch billigere!
Ich jedenfalls erkannte das Armaturenbrett (in der Diesel- version!) sofort, das ich viel später, 1978, im Keller einer alten Ulmer Verwertung entdeckte, wo es wahrscheinlich auch heute noch hängt und auch die Flugzeugräder sind sicher noch da. Das Gebäude steht jedenfalls noch ….
Wieder auf den Punkt, Herr Weigold – auch Ihr Urteil in Sachen Frontpartie teile ich. Den flotten „Musone“-Bug schauen wir uns gelegentlich genauer am Beispiel des 1100er an. Davon habe ich wesentlich mehr aussagefähige Fotos. Danke auch für die Erinnerung an den 1400 – ein großzügiges und gut aussehendes Mittelklasseauto, aber hierzulande völlig unbekannt.
Ja, der 1500er Fiat der Dreißiger (und Vierziger) Jahre war in seinerzeit und der langen Bauzeit von 13 Jahren sicher ein formidabler Reisewagen – und schon absolut Autobahn- „fest“ !
Die Tochter einer Freundin in Dessau zeigte mir einmal ein Foto des Wagen ihrer Vorfahren väterlicherseits. Darauf: der gute 1500er, den der Großvater als Geschäftsmann u.A. viel zu Geschäftskontakten nach Italien
nutzte. Anzunehmen, daß er ihn auch dort gekauft hatte..
Und die Oma – sie ist fast Hundert! Ob sie noch Erinnerung
An die Vortüge des Wagens hat?
Die abgeflachte Gestaltung des Vorderwagens mit den Glupschaugen- Scheinwerfern sollte damals fortschrittlich sein, ist aber für meinen Geschmack etwas Fragwürdig.
Wirklich neuartig dagegen war die Vorderachs- Konstruktion nach System Dubonnet wie sie im gleichen Jahr auch der 2 ltr. Opel 6 erhielt. Die Version von Fiat war offenbar jedoch besser abgestimmt….
Die „Musone“- Scnauze des C steht dem Wagen ‐ trotz der (wieder) freistehenden Scheinwerfer – deutlich besser und die schönen AusstellScheiben waren damals und für lange Zeit die beste Erfindung für zugfreie und gut doaierbare Belüftung des Innenraums, leider tributpflichtig an die Amerikaner (Patent von GM), was die zögerliche Einführung europäischer Hersteller erklärt – ausser Opel natürlich!
Die letzte Version D des altgedienten Fiat 1950 mit dem an der Vorkriegsform noch ungewohnten Gepäckabteil in ausreichender Größe sollte eigentlich noch für weitere 5 erfolgreiche Jahre am expandierenden Nachkriegsmarkt gereicht haben.
Aber da stand ja der nigelnagelneue 1400er in topaktueller Pontonform und Sechssitzer- Bänken (und sicher deutlich billiger in der Produktion) in den Startlöchern…
Die angeführte Quelle für Fiat & Co ist exzellent, ich nutze sie ebenfalls ständig. Was die Örtlichkeit angeht, gibt Bad Schandau nur einen allgemeinen Hinweis auf Ostdeutschland nach dem 2. Weltkrieg. Der Fiat 1500C wurde ja erst während des Kriegs eingeführt und hätte dann die vorgeschriebene Tarnbeleuchtung besitzen müssen. Der Zustand (siehe Trittbrett) und die für Autobesitzer sehr einfach wirkende Kleidung der beiden Mädchen spricht ebenfalls für die frühe Nachkriegzeit. Ob es sich um wiederverwendetes Wehrmacht-Auto oder ein noch privat erworbenes Fahrzeug handelt, muss offenbleiben.
Sofern der Leserschaft noch nicht bekannt, lassen sich FIAT-Automobile hier recherchieren :
https://www.zuckerfabrik24.de/fiat/fiat1500A_2.htm#1500C
Betreffs des Bad Schandauer Fotogeschäfts liegt zwar die Vermutung nahe, daß dieser 1950 fotografierte Fiat 1500C in der Sächsischen Schweiz unterwegs war, jedoch ist mangels eines Blicks aufs Kennzeichen vielleicht auch eine dann schon tschechoslowakische Zulassung in Tetschen oder Aussig möglich ? Vielleicht war Bad Schandau Urlaubsziel und Verwandtenbesuch zugleich und die Besitzer dieses Fiat 1500C kamen aus Rostock, Stralsund oder Wismar ? Auch ein zeitlicher Versatz wäre möglich, falls der in Bad Schandau angefertigte Papierabzug erst 10 Jahre später entstand. Vielleicht zeigte diese Aufnahme schon 1950 nur eine Erinnerung an traurige Schicksale – von Mutter und Tochter womöglich als Dresdnerinnen am 13.2.1945 und des requirierten Autos, das vielleicht schon 1941 als zerschossenes Wrack endete ?