Jeder weiß doch, wie Hessisch klingt – aach wenn’s des als einheidlischen Dialegd eischendlisch ned gibd.
Hier in der Wetterau babbeln die Alteingesessenen schon von Dorf zu Dorf anders – woran man ablesen kann, dass viele kaum aus der Sichtweite des Kirchturms herauskamen – es sei denn, sie wurden von ihrem Landesherrn einst als Soldaten nach Übersee vertickt.
Gemeinsam ist der Fülle an Idiomen nur dies: Harte Konsonanten werden schön weichgespült, einige auch ganz ausgelassen, Zischlaute finden sich allerorten, selbst an Stellen, wo man sie nicht erwarten würde. Mancherorts wird das „r“ gerollt wie in Texas.
So wird aus der altehrwürdigen Freien Reichsstadt mit römischen Wurzeln namens Friedberg, wo ich zur Schule ging, schlicht „Frribbursch“. Und Bad Nauheim, wo ich seit rund 35 Jahren in wechselnden Stadtteilen residiere, wird brachial auf „Naum“ verkürzt.
Es gibt aber Begriffe, bei denen das nicht funktioniert, hauptsächlich solche, die der Hesse einst nicht kannte. Vermutlich deshalb ging Bad Nauheim im Dialekt des „Bads“ verlustig.
Ein weiteres Beispiel für der Lebenswirklichkeit der historischen Hessen nicht zugehörige Wörter ist „Luxus“. Das eigentliche Hessen nördlich der Mainlinie war bitterarm. Das lag aber nicht an der Ungunst der Natur – speziell die Region zwischen Frankfurt und Gießen ist eine der fruchtbarsten in deutschen Landen und auch klimatisch begünstigt.
Hier wurden vor rund 7500 Jahren die ersten Menschen auf dem Boden des späteren Deutschlands sesshaft und hier genehmigten die stets pragmatisch denkenden Römer ihrer Reichsgrenze (Limes) einen exaltierten Schlenker, der präzise das hervorragende Ackerland der Wetterau umschloss, in deren Herz ich lebe.
Die damit verbundene knapp 200-jährige Blüte fand nie wieder Nachfolger. Der bis in die Neuzeit anhaltende Feudalismus mit der Erbteilung unter den Nachkommen verhinderte, dass einer mehr werden konnte als ein armer Bauer mit immer kleineren Grundstücken.
Das Ergebnis wirkt trotz einiger Flurbereinigungen bis heute fort – das Hessische ist aus der Luft betrachtet ein Flickenteppich aus teils absurd dimensionierten Feldern. Der Mentalität der Einheimischen war das nicht zuträglich, nur ganz allmählich kommen jüngere Landwirte auf die Idee, über Zusammenlegung von Flächen ihre Betriebe zu skalieren.
So, jetzt wissen Sie warum Luxus auf Hessisch nicht geht – der Begriff bleibt wie die Sache selbst ein Fremdkörper. Wenn dann doch mal Luxus angesagt war in der Region – wie bei der Sonderausführung des Opel 8/40 PS ab 1929 – sah das so aus:

Puuh, das wirkt ziemlich trist, mag jetzt mancher denken. Stimmt, das ist aber auch der November-Kulisse geschuldet, in der es schwerfällt, einer solchen Szene besonderen Glanz abzugewinnen.
Dieser im Raum Berlin zugelassene Opel lässt sich anhand der Scheibenräder mit vier Radbolzen und Radkappen sowie der nach Vorbild des Ford A mittig etwas nach unten schwingenden Kühlermaske als die späte Ausführung des 1927 eingeführten kleinen Sechszylindermodells der Rüsselsheimer identifizieren.
Ganz allmählich sammeln sich einige Fotos dieses zwar solide konstruierten, aber wenig markanten und nur mäßig erfolgreichen Modells in meiner Opel-Galerie an.
Die späte Variante mit 40 statt 34 PS und mit neuer Kühlergestaltung wirkte zwar moderner als der Vorgänger, aber einen Schönheitspreis hätte man dafür nicht vergeben.
Immerhin boten die sonst so frugalen Hessen bei Bedarf eine „Luxusvariante“, die sich durch einige zusätzliche Austattungsdetails auszeichnete.
Eines diese Luxusaccessoires waren die seitlich hinter dem Ende der Motorhaube angebrachten Parkleuchten – die in den USA jeder Brot- und Butter-Wagen besaß.
Doch in Rüsselsheim am Main war man der Auffassung, dass man damit dem Käufer bereits ein Abgrenzungsmerkmal bot, für das man einen Aufpreis verlangen konnte – so war es der „Luxus“-Ausstattung vorbehalten.
Was sonst noch zu diesen Extras zählte, welche die Luxuslimousine des Opel 8/40 PS von der Standardvariante unterschied, das wissen markenkundige Leser sicher besser als ich. Denn als gebürtiger Hesse liegt mir der Luxus denkbar fern (kleiner Scherz).
An dieser Stelle muss ich abbrechen, denn meine vierbeinige Gefährtin Ellie ist gerade aus der Kälte hereingekommen. Nach opulentem Nachtmahl, welches der Ausbildung ihres luxuriösen Winterpelzes dient, verlangt sie nun auf dem Schreibtisch neben der dank altmodischer Glühbirnen warmen Luxuslampe sitzend meine ganze Aufmerksamkeit…
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