Ein kleines Meisterwerk: Steyr Typ 50 „Baby“

Bislang war ich der Auffassung, dass die Versuche, in den 1930er Jahren im deutschsprachigen Raum einen tauglichen Kleinstwagen zu bauen, allesamt gescheitert sind.

Ob nun der Hansa 400/500 von 1933/34, der Framo Stromer bzw. Piccolo von 1933-35 oder der Standard Superior (ebenfalls 1933-35) – alle diese Konzepte krankten an denselben Problemen: zu wenig Platz für eine Familie, zu wenig Leistung für bergige Regionen und zu hoher Preis im Vergleich zu vollwertigen Autos.

Einen gewissen Achtungserfolg erzielte allenfalls der Brennabor 4/20 PS von 1931-33 – aber mit rund 2000 Exemplaren blieb auch er eine Randerscheinung. Vom späteren Volkswagen, der zumindest die Kriterien Familientauglichkeit und Steigfähigkeit erfüllte, bekam man in deutschen Landen als Zivilist vor dem Krieg keinen einzigen zu kaufen.

Das, woran im großen Deutschland alle Hersteller scheiterten, gelang indessen im kleinen Österreich. Dazu mag die außerordentlich reiche Automobiltradition beigetragen haben, aber auch ein anspruchsvoller Markt, an dem Chancen nur der hatte, der dem Terrain angemessene Fahrleistungen bot.

Vor diesem Hintergrund entstand ein kleines Meisterwerk zu einer Zeit, als die österreichische Autoindustrie ihre beste Zeiten vielleicht schon hinter sich hat.

Und genau dieses wurde einst meisterhaft auf folgendem Foto festgehalten:

Steyr Typ 50 „Baby“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer etwas Sinn für Gestaltung hat, wird mir zustimmen: Das ist ein meisterhaft aufgebautes Bild, aufgenommen mit Sinn für eine malerische Perspektive, bei der das Auge von vorne die Biegung der Straße entlang auf die Kirche im Hintergrund gelenkt wird.

Die leichte Überbelichtung am Rand – wohl einem nicht ganz dicht schließenden Kameargehäuse oder einem kurzen unbeabsichtigten Öffnen bei eingelegtem Film geschuldet – beeinträchtigt die Qualität kaum.

Der Aufnahmeort – eine hügelige Landschaft an einem Fluss – ist leider nicht überliefert. Die offenbar am Rand eines Dorfes oder außerhalb stehende Kirche scheint im Kern eine alte Wehrkirche aus romanischer Zeit mit später aufgestocktem Turm in einem sehr schlichten gotischen Stil zu sein – auch sie ein kleines Meisterwerk ihrer Zeit:

Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Foto im Süden Deutschlands entstanden ist, aber ich würde auch eine Region in Südosteuropa mit von deutschen Traditionen geprägten Orten in Betracht ziehen.

Vielleicht weiß einer von Ihnen es genauer – dann bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Sicher ist indessen eines – diese schöne Aufnahme ist nicht nur selbst ein kleines Meisterwerk, es ist darauf auch ein solches mit vier Rädern zu sehen.

Die Rede ist vom fabelhaft gelungenen Steyr Typ 50, der 1936 auf den Markt kam und von dem immerhin über 13.000 Exemplare entstanden.

Ganz billig war dieser Kleinstwagen nicht, aber ansonsten bot er alles, was sich eine Familie mit begrenztem Budget wünschen konnte: ausreichend Platz, Komfort und solide Fahrleistungen, die einen Ausflug wie den hier festgehaltenen zum Vergügen machten:

Der Zweitürer mit Ganzstahlkarosserie bot auch auf der Rückbank ordentlich Platz. Der Gepäckraum war nur von innen zugänglich – vielleicht das einzige Manko.

Ansonsten war der Steyr 50, der rasch den Spitznanmen „Baby“ erhielt, eine rundum überzeugende Konstruktion: Der wassergekühlte 1-Liter-Vierzylinder-Boxer leistete 22 PS (bei der letzten Ausführung Typ 55 mit 1,2 Liter-Motor dann 25 PS).

Wichtiger als die Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h war für österreichische Käufer die Bergtauglichkeit – hier trennte sich die Spreu vom Weizen. Das Steyr „Baby“ wurde den Anforderungen mit Bravour gerecht, auch Überhitzungsprobleme blieben aus.

Unabhäng aufgehängte Räder an Querblattfedern sorgten für zeitgemäße Straßenlage und ausreichenden Federkomfort – jedenfalls fand ich in der Literatur nichts Gegenteiliges.

Ein spektakuläres Detail ist auch auf dem heute gezeigten Foto zu sehen – das Stahlschiebedach, das sich sehr weit nach hinten schieben ließ. Das mag dazu beigetragen haben, dass der Baby-Steyr recht teuer geriet.

In Deutschland wurden dafür 2950 Mark aufgerufen. Dafür bekam man beispielsweise auch den geräumigeren Hanomag „Kurier“, der indessen in punkto Fahrleistungen unterlegen war. Ein gefährlicherer Konkurrent war der gleichteure, 27 PS starke Hansa 1100, der als schicke Cabrio-Limousine erhältlich war. Deutlich billiger war der Opel 1,2 Liter, der aber von Leistung, Fahrwerk und Anmutung nicht mithalten konnte.

Im Niedrigpreissegment machten letztlich Opel und auch die Fronttriebler von DKW das Rennen – doch wem es mehr um die Steigfähigkeit und Solidität der Konstruktion ging, für den war der Steyr Typ 50 „Baby“ die bessere Wahl.

Das unverwüstliche kleine Meisterwerk aus Österreich sollte nach dem Krieg seinen Besitzern noch eine ganze Weile Freude machen und die überlebenden Exemplare bezaubern nach bald 90 Jahren immer noch.

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12 Gedanken zu „Ein kleines Meisterwerk: Steyr Typ 50 „Baby“

  1. Sehr gut beobachtet. Auch englische Aquarelle oder Stahlstiche könnten dem unbekannten Fotografen als Inspiration oder unbewusstes Vorbild gedient haben – alte Schule …

  2. Die Dynastart- Anlage fand durch steigede Motorleistung bei immer höherer Verdichtung das Ende ihrer Wirtschaftlichkeit bei ca. 30PS und beruht ja auf der festen Verbindung von Anlage und Motor auf der Kurbelwelle (nicht beim Baby)
    Sie fand daher meist bei Klein- Motoren , meist Zweitaktern Anwendung. Mit steigender Leistung erhöhte sich ja auch die Menge zu verbauenden Kupfers (früher ein wichtiger Kostenfaktor).
    Mit Einführung des Wechsel- stromgenerators erledigte sich das dann, da Anlassmaschinen mit Gleichstrom arbeiten.
    Alles Weitere wird bei Wikipedia ausführlich besprochen, etwa die Verhältnisse im modernen Start/ stop- Betrieb wo die Technik ja wieder aktuell ist!

  3. Bei der Kirche handelt es sich sehr wahrscheinlich um St. Johann im Mauerthale (Niederösterreich). Links im Bild die Donau.

  4. Bliebe nachzutragen:
    Das Platzangebot im Innenraum des kleinen Steyr reichte nach den Prospekt- Skizzen sogar für ein ebenes Nachtlager – allerdings nur zuzweit!
    Neben der erwähnten narrensicheren Thermosyphon- Kühlung (durch den flachen Boxermotor hatte der Wärmekreislauf maximale Fallhöhe) ist auch die Licht- anlassanlage, die über Keilriemen den Motor anwarf, erwähnenswert.
    Auch Pappa Freud nutzte das „Baby“ zuletzt in Wien als Herrenfahrer, nachdem er den altväterlichen Gräf&Stift seinem Chauffeur überlassen hatte und bevor er im letzten Moment zu seiner Tochter nach London entkam. Den kleinen Steyr musste er in Wien zurücklassen wo er bald neue Bedarfsträger
    fand.

  5. Danke – auch für den Hinweis auf den heute kaum noch bekannten Karl Jenschke, der bei Adler ebenfalls bleibende Spuren hinterließ. Der Adler 2,5 Liter wird irgendwann noch ausführlich vorgestellt – davon liegen mir viele faszinierende Fotos vor…

  6. Das von Karl Jenschke (der dann auch den Autobahn-Adler 2,5 schuf) gestaltete Baby gibt es in München sogar doppelt zu sehen : Einmal wie erwartbar im Deutschen Museum, aber auch in der Design-Ausstellung der Pinakothek der Moderne, die speziell Stromlinienwagen als Exponate zeigt.

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