Ob die Miss den Mist vermisst? Citroen B2 Tourer

Die Betätigung als Blogger ist anspruchsvoll, wenn man sich an einem nicht ganz trivialen Thema abarbeitet und wenn man von der überschaubaren Zahl derer wahrgenommen werden will, die sich im deutschen Sprachraum noch für Vorkriegsautos erwärmen.

Man muss ständig etwas Neues bieten und das bei einem Gegenstand, der von manchen als abgeschlossenes Kapitel betrachtet wird. Tatsächlich ist das Feld aber noch fruchtbar und in weiten Teilen unbeackert, gerade in Bezug auf deutsche Marken.

Die Vorteile des Formats überwiegen für mich. Da ich für keine ernsthafte Publikation schreibe und mich zudem unentgeltlich mit meinen Betrachtungen exponiere, kann ich wie ein freischaffender Künstler so ziemlich alles machen, was ich will.

Was mir nicht gefällt oder was mich nicht interessiert, wird entsprechend stiefmütterlich behandelt – die Freunde des Hanomag 2/10 PS „Kommissbrot“ wissen ein Lied davon zu singen. Sie sollen trotzdem ihren Spaß mit dem skurrilen Minimalgefährt haben.

Auch muss ich keine „Gebote“ politischer Korrektheit beachten – ohnehin ein albern-autoritäres Konzept in einer sich liberal dünkenden Gesellschaft. Ich kann beliebige subjektive Standpunkte einnehmen und mehr oder weniger fundierte Werturteile abgeben. Ich kann mich vom Tagesgeschehen in einer zunehmend irren Zeit inspirieren lassen oder ins Grundsätzliche, Überzeitliche, Philosophische gehen.

Und bei alledem kann ich wissentlich oder unwissentlich auch den größten „Bullshit“ von mir geben, wie die unverblümt redenden Amerikaner es zu formulieren pflegen. Im Deutschen würde man sagen: Mist erzählen.

Damit wären wir beim Thema, das Sie so vermutlich nicht ganz so konkret erwartet hätten. Denn heute gehe ich tatsächlich genau der Frage nach, ob die Miss den Mist vermisst, den jemand hier angerichtet hat:

Citroen Typ B2; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man muss schon ein Faible für für das Landleben haben, um sich mit seinem Auto ausgerechnet vor dem Misthaufen anderer Leute ablichten zu lassen.

Dass diese Herrschaften (m/w/d…) die Besitzer des unübersehbar rustikalen Anwesens waren, wage ich zu bezweifeln.

Auszuschließen ist es zwar nicht, sofern wir es mit einem lukrativen Gutshof zu tun haben. Doch ich tippe hier eher auf Besucher aus der Stadt beim Verwandtenbesuch auf dem Land.

Als „feine“ Leute ausgerechnet so zu posieren, das bedarf eines gewissen abseitigen Humors, der mir sympathisch ist. Die Daheimgebliebenen sollten sehen, was für einen Haufen Mist die bodenständig gebliebene bucklige Verwandschaft angerichtet hatte.

Dabei scheint es auf den ersten Blick so, als ob die Miss in der Mitte mit der ausgestreckten Hand die Höhe des Haufens misst: „So hoch ist hier der Mist!„.

Doch tatsächlich hat sie nur die Hand auf den Scheibenrahmen gelegt. Dass sie den Mist solchermaßen vermisst, ist daher ebenso unwahrscheinlich wie dass sie ihn nach der Heimkehr in die Stadtvilla vermisst.

Genug der fragwürdigen Wortspiele. Ein wenig Fakten können nicht schaden, wenngleich die Versierten unter Ihnen bereits erkannt haben dürften, dass der abgelichtete Tourenwagen ein Citroen der frühen 1920er Jahre war.

Die Kühlerform, der Tankdeckel vor der Frontscheibe und der langestreckte Vorderkotflügel waren typisch für das Volumenmodell B2 – mit 1,5 Liter-Vierzylinder und 20 PS Leistung ein solides Auto der unteren Mittelklasse.

Fast 90.000 Exemplare wurden davon zwischen 1921 und 1926 gebaut, etliche wurden auch in Deutschland abgesetzt. Ich meine aber, dass wir es hier eher mit einem Exemplar zu tun haben, das Besitzern in Frankreich gehörte.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass mir hier das Nebeneinander aus Mensch, vierrädriger Maschine und seit Jahrtausenden treuem vierbeinigen Begleiter besonders gefällt.

Genau diese in immer neuen Varianten reizvolle Konstellation wird Ihnen beim nächsten Blog-Eintrag begegnen. Und wieder werden Sie feststellen, dass auch automobile Massenware ganz großartige Wirkung entfalten kann, wenn man sie gekonnt als Familienmitglied inszeniert – in dieser Hinsicht hat damals selten einer „Mist gebaut“…

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2 Gedanken zu „Ob die Miss den Mist vermisst? Citroen B2 Tourer

  1. Zu dem Thema Misthaufen äusserte sich auch Mark Twain in seinem Reisebericht „Bummel durch Europa“ über den die riesigen Misthaufen bei den den Schwarzwaldhöfen: „Die Bedeutung dieses charakteristischen Merkmals ist in den Schwarzwaldgeschichten noch nicht so recht gewürdigt worden. Stalldung ist ganz offenbar des Schwarzwälders höchster Schatz – sein Goldstück, sein Juwel, sein Stolz, sein alter Meister, sein Porzellan, seine Raritätensammlung, seine ganze Liebe, sein Anspruch auf öffentliche Beachtung, Neid und Verehrung und seine erste Sorge, wenn er sich daranmacht, sein Testament aufzusetzen.“

    Er besuchte auf einer Wanderung von Ottenhöfen nach Oppenau die Wasserfälle und die Klosterruine Allerheiligen.

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