Kommt mir spanisch vor… Hudson Tourer von 1925/26

Mein Fundus an Vorkriegs-Autofotos umfasst unzählige Fahrzeuge, deren Identität mir absolut rätselhaft ist.

Dazu passend stellte heute ein Mitglied meiner internationalen Vorkriegsauto-Gruppe auf Facebook einen faszinierenden Wagen vor, der einst in Bukarest zugelassen war und eine spektakuläre Karosserie aus der Zeit um 1930 besaß.

Das Auto vereint Elemente, die einem von anderen Fahrzeugen der Zeit vertraut sind, dann wiederum verweist einiges auf eine frühere Entstehung. All das kommt einem ziemlich spanisch vor, würde man landläufig sagen, wenn etwas rätselhaft erscheint.

Dermaßen rätselhaft geht es auf der Aufnahme, die heute präsentiere, zwar nicht vor. Tatsächlich lässt sich das abgebildete Auto ziemlich präzise ansprechen. Und doch kommt mir das Ganze etwas spanisch vor:

Hudson Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die hell gestrichenen, abweisend wirkenden Mauern im Hintergrund mit barocken Fenstern würde ich auf jeden Fall im Süden Europas verorten. Da es das in Italien so nur sehr vereinzelt gibt und die Kennzeichen dort anders aussahen, würde ich sagen:

Das kommt mir ziemlich spanisch vor!“ Ein Kenner wird es gewiss anhand der Gestaltung des Nummernschilds genau ermitteln können.

Sicher bin ich mir jedenfalls, was den im harten Licht der Mittagssonne aufgenommenen Tourenwagen angeht – das ist ein Modell von 1925/26 des US-Herstellers Hudson.

Die Kühlergestaltung mit den horizontalen Lamellen und dem dreieckigen Markenemblem ist typisch für die Hudsons von Mitte der 20er Jahre. Die Autos der Schwestermarke Essex wiesen einige Ähnlichkeit auf, waren aber kleiner.

Beim Hudson von 1925/26 – als „Super Six“ bezeichnet – handelte es sich um einen Mittelklassemodell, das in den Staaten nach Verkaufszahlen gleich hinter den Volksautomobilen von Ford und Chevrolet kam.

Rund 180.000 Stück dieses Modelljahrgangs brachte Hudson in der amerikanischen Mittelschicht an den Mann. Aus europäischer Hinsicht unvorstellbar ist, dass es sich um ein 70 PS-Sechszylindermodell handelte – das war diesseits des Atlantiks Luxusklasse.

Und dennoch landeten einige dieser Wagen auch bei solventen Käufern in Europa – so das heute vorgestellte – das müssen wir uns näher anschauen:

US-Fabrikate waren in Südeuropa neben Fiats praktisch die einzigen in größerer Anzahl verfügbaren Automobile. Die vor dem 1. Weltkrieg in ganz Europa präsenten deutschen Fabrikate vermochten diesen brachliegenden und wachsenden Markt nicht zu nutzen.

Während sich deutsche Kapitalgeber heillos mit der Finanzierung Dutzender Kleinstwagenhersteller verzettelten, für die es gar keinen Markt in Deutschland gab, blieb die Gelegenheit ungenutzt, durch Skalierung etablierter Fabrikate im Ausland zu expandieren, wenn schon das heimische Absatzpotenzial so gering war.

Diese enorme Geschäftschance erkannten die US-Hersteller und sie eroberten vor allem die Märkte in Europa, die keine eigene Autoproduktion besaßen. Auch das würde zu meiner These passen, dass der hier abgelichtete Hudson in Spanien unterwegs war.

Aber eines kommt mir an dem Auto spanisch vor:

Sahen die Nabenkappen der Räder bei Hudson damals nicht anders aus? War statt eines eingetieften Sechsecks dort nicht ein erhabenes Dreieck zu sehen wie an dem folgenden Hudson-Tourer der frühen 1920er Jahre, den ich vor langer Zeit vorgestellt habe?

Hudson Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Merkwürdig, nicht?

Ich kann mir dies nur damit erklären, dass Hudson bei den optional erhältlichen Drahtspeichenräder eine andere Gestaltung bevorzugte – warum auch immer. Aber vielleicht weiß es jemand unter Ihnen besser oder genauer.

Übrigens: Bei der Vorstellung des zuletzt gezeigten Fotos war mir seinerzeit aufgefallen, wie klein der Herr daneben erscheint. Das kann im Einzelfall natürlich einem „Ausreißer“ nach unten geschuldet sein.

Doch bei der Beschäftigung mit dem 1925/26er Hudson bemerkte ich heute, dass dieser Mittelklassewagen (nach US-Maßstäben) beeindruckende Proportionen aufwies.

Das können Sie anhand des Exemplars im folgenden Video aus den USA nachvollziehen. Der dort vorgestellte Wagen besaß zwar eine geschlossene Karosserie, dennoch werden die Dimensionen des Hudson Super Six deutlich.

Neben der repräsentativen äußeren Erscheinung dieses Exemplars ist die offenbar originale Innenausstattung hervorzuheben – es lohnt sich also, einmal hineinzuschauen.

Der Sprecher spricht recht klares Ostküstenamerikanisch – zumindest das sollte Ihnen bei solidem (und nicht völlig eingerostetem) Schulenglisch also nicht spanisch vorkommen…

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6 Gedanken zu „Kommt mir spanisch vor… Hudson Tourer von 1925/26

  1. Ausgezeichnet, danke! Gut zu wissen, dass ich mich auf meine sachkundigen Leser verlassen kann in Fragen, für die mir die Kompetenz und/oder die Zeit fehlt.

  2. Hallo Herr Schlenger.

    Ein herrlicher Bericht zu Hudson und der fast unglaublich originale Fahrzeugzustand im Video. Da kommt richtig Freude auf. Trotz inzwischen schwer gelittenem Schulenglisch versteht man den Sprecher erstaunlich gut, da er langsam und eben auch ohne Slang spricht. Auch das macht nebenbei Spaß wenn man erleben kann dass doch noch ein bißchen von der erlernten Fremdsprache übrig geblieben ist.

    Vielen Dank dafür
    Wolfgang Hirmer

  3. Da es sich bei einem Auto (damals wie heute) in erster Linie um einen, wenn auch ab und an faszinierenden, technischen Gegenstand handelt, welches aus einem Konglomerat technischer Lösungen für jedes funktionelle Details des Gesamtkonzeptes besteht, muß man Komponenten wie die Radbefestigung nach deren identifizierbar Funktionalität beurteilen:
    Bei dem älteren Hudson sehen wir noch das klassische Holzrad welches die mittels Klemm- stücken auf ihm befestigten Flachbettfelge trägt. Diese und nur sie wird zum Reifenwechsel abgenommen und gegen die (hoffentlich) intakte Reserve- felge ausgetauscht.
    Bei einem dem Leichtbau verpflichteten Speichenrad ist die Gesamtkonstruktion aus einer leichten Blechfelge dreidimensional mittels der Drahtspeichen mit der Radnabe verspannt .
    Da dies extrem leichte Rad jedoch zum Reifenwechsel abnehmbar sein muß, haben die mit dieser Aufgabe befassten Konstrukteure verschiedenste , meist patentierte, Lösungen ersonnen, die die Aufgabe haben, die auf dem Achsschenkel in Kugellagern drehbar gelagerte Radnabe kraftschlüssig mit dem Radkranz zu verbinden .
    Die wohl genialste Konstruktion ist der englische Rudge- Zentral- Verschluß , bei dem der Nabentopf des Rades mittels einer Trapezverzahnung kraftschlüssig auf der Nabe sitzt und mit einer großen Flügelmutter gesichert wird.
    Die an dem heutigen Objekt des Interesses verwendete Lösung scheint mir eine ähnliche (amerikanische) Konstruktion zu sein, bei der die Flügelmutter durch eine große Mutter mit dem vertieften Sechskant zur Aufnahme eines speziellen Schlüssels ersetzt ist. Diese findet sich offenbar auch bei den Packard- Wagen dieser Zeit.

    Die alte Lösung, die das Hudson- Logo als stark hervortretendes Dreieck zeigt, verwendet die Logo – Geometrie als kraftschlüssige Form zum
    Aufstecken des speziellen Schlüssels zur Öffnung der Fettkapsel der Radnabe .

  4. Das Kennzeichen würde gut zu Spanien passen, genauer zur südkatalonischen Provinz Alicante : Dort schloß das Jahr 1925 mit der Vergabe der A.2.28.5 und zum Jahresende 1926 wurde das Nummernschild A.3.03.0 (bzw. A-3030 lt. Nachweis) vergeben. Somit wäre die erste Jahreshälfte 1926 für A.2.44.5 genau passend. Wegen der Drahrspeichenfelgen anstelle der Holzspeichenfelgen trotz Küstenklima war wohl eine andere Achsmutter nötig ..?

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