Hier ist einiges sagenhaft! Auburn Cabriolet von 1931/32

Schon auf dem Weg hin zum Hersteller des heutigen Objekts der Betrachtung begegnete mir etwas Sagenhaftes: das Schiff des mythologischen Helden Iason mit Batterieantrieb!

Lachen Sie nicht – das gab es in den USA zwischen 1912 und 1916 in Gestalt des „Argo Electric“ – eines der letzten neu eingeführten amerikanischen Elektroautos, bevor sich die Verbrennertechnologie am breiten Markt durchsetzte.

Zum Glück gab es damals keine Bürokraten, die es besser zu wissen meinten und den Pfad der technischen Entwicklung gern ihren beschränkten Vorstellungen unterwerfen wollten.

Zurück zu den sagenhaften Verhältnissen von einst – die legendären Argonauten der alten Griechen werden uns dabei auf überraschende Weise wiederbegegnen.

Sagenhaft zu nennen ist schon einmal das folgende Foto von Leser Klaas Dierks, das ich hier vorstellen durfte:

Auburn Cabriolet von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dieses Cabriolet hatte ich seinerzeit als Auburn von 1931/1932 identifiziert – und daran gibt es auch heute keinen Zweifel.

Der Wagen der altehrwürdigen US-Marke aus dem Bundesstaat Indiana war mit in seiner Klasse üblichem 8-Zylindermotor ausgestattet, der an die 100 PS Leistung hatte. Auch der x-förmig versteifte Leiterrahmen und die hydraulischen Stoßämpfer waren damals in den Staaten „State of the Art“.

Nicht ganz so sagenhaft finde ich an diesem Exemplar die schwerfällig wirkenden Räder. An so ein Gerät gehören filigrane Drahtspeichenräder und elegante Weißwandreifen.

Das letztere in der Vorkriegszeit unüblich waren, ist schlicht ein Mythos – natürlich gab es das und die folgende Aufnahme (wiederum aus Sammlung Klaas Dierks) belegt dies:

Auburn Cabriolet von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Sagenhaft gut sieht der Auburn hier aus, finden Sie nicht? Dazu trägt auch das seitlich montierte Ersatzrad bei, das eine Abdeckung in Wagenfarbe trägt, die obendrein chromverziert ist.

Durchgestaltete Details wie diese tragen zum stimmigen Gesamtbild des Wagens bei und entlarven einmal mehr die These „form follows function“ als pure Ideologie. Der gesamte Charakter des Wagens beruht auf dem sehr durchdacht auf Wirkung angelegten Design.

Kein Mensch hätte damals so einen Achtyzlinderwagen mit simplem Schuhkasterl-Aufbau und mit mönchischem Verzicht auf glanzvolle Effekte gekauft. Auch funktionelle Produkte müssen sich letztlich am Markt bewähren – er ist der einzige wirklich objektive Maßstab für Qualität und Erfolg, alles andere sind moderne Mythen.

Der Aurburn erscheint uns hier so sagenhaft souverän, wie er es von der Kraftentfaltung damals auch war – hatte man einmal den höchsten Gang erreicht, in dem man dank des enormen Drehmoments des Motors überwiegend bleiben konnte.

Ein wenig verhalten posiert unterdessen die Dame aus gutem Hause (aus einem im Hintergrund). Ihre Haltung ist etwas schüchtern, aber ihr gelingt das Lächeln, das so vielen Zeitgenossen auf deutschen Autofotos jener Zeit so schwerfällt.

War es weniger die Situation mit dem Auburn-Cabriolet als vielleicht ihr Name, mit dem sie sich etwas unwohl fühlte? „Althea“ ist auf dem Abzug selbst überliefert – auch in den USA, wo man eine enorm lässige Vielfalt an Vornamen pflegt, eher selten.

Wusste die Dame etwas Sagenhaftes in fragwürdiger Hinsicht, was ihre Eltern offenbar nicht bedacht hatten? Mir jedenfalls kommt Althea nicht wie ein glücklich gewählter Name vor.

Sie erinnern sich an den „Argo Electric“, der nach dem mythischen Schiff des (wie meist bei den alten Griechen) tragischen Helden Iason benannt ist?

Nun, an Bord der Argo auf der Reise nach Kolchis (zur Erbeutung des Goldenen Vlieses) war neben Iason auch ein gewisser Meleagros. Sie wissen schon – der, der etwas mit Atalante hatte, nach dem Bugatti eine sagenhafte Version des Typs 57 benannte.

Der Mutter von Meleagros war nach seiner Geburt prophezeit worden, dass ihr Sohn so lange leben werde, wie ein Holzscheit in ihrem Ofen nicht verbrannt sei. Sie löschte diesen daraufhin und bewahrte ihn auf. Als Meleagros im Streit seine Onkels – die Brüder seiner Mutter getötet – hatte, holte sie den Holzscheit wieder hervor und setzte ihn in Brand.

Eine sagenhafte Geschichte, wie sie die alten Griechen in unerschöpflichen Varianten zu erzählen wussten. Fast immer enden diese Stories tragisch – der griechische Geist hatte ein besonderes Verhältnis zu Tragik des Menschen in seiner Gebundenheit an irrationale Affekte.

Wenn Sie jetzt wissen wollen, wie diese tragische Mutterfigur hieß – dann steht sie auf dem heute vorgestellten Foto geschrieben. Denn Althea ist die englische Version von Althaia, die in der griechischen Sage ihren Sohn durch das Wiederentzünden eines Holzscheits tötete.

Man sieht daran – ohne dass es des Beispiels unbedingt bedurft hätte – der Mensch ist eine geniale und zugleich von diabolischen Kräften beseelte Kreatur. Der Auburn von 1931/32 gehört zweifellos zu seinen besseren Schöpfungen, aber das Abgründige ist bei allem Menschenwerk immer ganz nah – damals wie heute…

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