Kennt kein schlechtes Wetter: Auburn 8-851 Phaeton

Ohne Wetterwarnungen – früher noch als Wettervorhersage bekannt – vergeht heute kaum noch ein Tag.

Gestern wurde hier im Hessischen mitten im Januar (!) auf Gefahren durch Schneeregen hingewiesen, als drohe die Apokalypse. Die Schulen blieben vielerorts geschlossen, so auch in meiner beschaulichen Heimatregion – der Wetterau.

So musste ich auf das Fensterklopfen des Buben verzichten, der sonst morgens um kurz vor acht auf sich aufmerksam zu machen pflegt, wenn ich in meinem Büro sitze, das direkt an den Weg zur nahgelegenen Grundschule grenzt.

Nun, während es in anderen Regionen tatsächlich glatt wurde, blieb in der Wetterau erwartungsgemäß das herbeifabulierte Chaos aus. Aber die Leute scheinen nicht mehr zum eigenen Urteil fähig zu sein, wenn tagaus, tagein und flächendeckend Panik verbreitet wird.

Lassen wir dahingestellt sein, was mit dieser Verunsicherung in Permanenz psychologisch bezweckt wird, und stellen uns die Frage, was die Leute wohl machen würden, wenn es statt Wetterwarnungen wieder den nüchternen Wetterbericht von anno dazumal gäbe.

Vermutlich würde man gelassen seine eigenen Schlüsse daraus ziehen – aus der Erfahrung, dass die Wetterfrösche von jeher wenig wissen und viel vermuten müssen, was ihren Beruf freilich nicht entwertet.

Der morgendliche Blick zum Himmel, ein weiterer auf das Barometer gepaart mit der Kenntnis des lokalen Mikroklimas – damit fährt man oft genug besser.

Und noch besser fährt man, wenn die Sonne lacht, die Luft lau ist – und einem ein prachtvolles Fahrzeug nebst charmanter Begleitung zur Verfügung steht wie hier:

Auburn 8-851 Phaeton; Originalfoto: Sammlung Raoul Rainer

Diese großartige Aufnahme verdanke ich Leser Raoul Rainer, dessen fabelhafte Web-Präsenz „Vintage Cars & People“ ich Ihnen nur wärmstens an Herz legen kann.

In seinen Bildergalerien voller vergangenen Lebens mit dem Automobil kann man sich verlieren und sich der in mancher Hinsicht heilsamen Wirkung eines Gegenbilds zum Hier und Jetzt aussetzen.

Wenn Sie jetzt sagen „Das weiß ich doch schon alles und ich mache regelmäßig dort Halt, um eine Weile in die Welt unserer Altvorderen einzutauchen„, dann interessieren Sie sich jetzt vermutlich mehr für den Wagen auf oben gezeigtem Foto.

Das verstehe ich natürlich, handelt es sich doch nicht nur um ein wohlkomponiertes Foto in hervorragender technischer Qualität, sondern zugleich um den Zeugen eines außergewöhnlichen US-Automobils, welches einst im Raum Lübeck zugelassen war.

Wir haben es hier mit dem Spitzenmodell der Marke Auburn aus dem Jahr 1935 zu tun – dem Modell 8-851 „Supercharged“. Der Zusatz steht für einen permanent mitlaufenden Kompressor, welcher dem eher zahmen 4,5 Liter-Achtzylinder aus dem Hause Lycoming zu 150 PS verhalf.

Den Käufern war aber das unverwechselbare Styling mindestens ebenso wichtig, für welches Gordon Buehrig verantwortlich zeichnete, der zuvor bei Duesenberg tätig gewesen war.

Trotz vergleichsweise niedriger Preise vermochte der Absatzerfolg des 1935er Modells – das auch als Sechzylinderversion 6-653 angeboten wurde – der 1900 gegründeten Firma nicht das Überleben zu sichern. 1936 endete die Geschichte der berühmten Marke.

Umso bemerkenswerter, dass einer dieser letzten Auburn einst in deutschen Landen einen Käufer fand, noch dazu in der stärksten Motorisierung.

Das ist aber nichts gegen einen anderen Zufall. Denn einige Zeit, nachdem ich das Foto aus der Sammlung von Raoul Rainer kennengelernt hatte, stieß ich auf eine weitere Aufnahme desselben Wagens und reihte sie in meine Sammlung ein.

Zugleich belegt dieses Dokument, dass die Besitzer damals kein schlechtes Wetter kannten und „Warnungen“ vor winterlichen Verhältnissen vermutlich souverän ignoriert hätten, schließlich wollte man etwas erleben mit dem großartigen Wagen:

Auburn 8-851 Phaeton; Originalfoto: Michael Schlenger

Zur Übereinstimmung des Fahrzeugs auf den beiden Fotos muss ich nichts sagen, nur auf die leicht abfallende Seitenlinie möchte ich hinweisen, die man hier etwas besser erkennen kann.

Für einen vom Hersteller als „Tourenwagen“ (genau das bedeutet „Phaeton“) bezeichneten Aufbau war die Gestaltung von Verdeck und Heckpartie ziemlich untypisch.

Das kann man an anderer Stelle studieren.

Ein amerikanischer Enthusiast mit dem reizenden Namen Schoenthaler besitzt genau so ein Exemplar mit aufgeladenem Achtzylindermotor und lässt uns im folgenden Video die beeindruckende Statur und Leistung des Wagens erleben – und das bei schönstem Wetter:

Hochgeladen von Chuck Derer; Videoquelle: YouTube.com

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Das Glück liegt in einer Kurve: Ein Auburn von 1926/27

Motorradfahrer kennen das natürlich: „Das Glück liegt in einer Kurve“. Doch auch derjenige, der die unerreichte Individualität des Reisens mit dem Automobil zu schätzen weiß, weiß zugleich, dass der direkte Weg nicht immer der reizvollste ist.

Ein Umweg über demütig der Topographie folgende alte Landstraßen offenbart oft die großartigsten Eindrücke von der Welt.

Mit dem Automobil und ausreichendem Benzinvorrat kann man es sich leisten, unabhängig von Fahrplänen, Schienen und sonstigen einengenden Faktoren eine Landschaft in ihrer Gänze buchstäblich zu „erfahren“, ohne allzuviel Zeit opfern zu müssen.

Gewiss, eine Tour mit dem Fahrrad beispielsweise oder eine Wanderung zu Fuß hat ihren eigenen Reiz und beides möchte ich nicht missen.

Doch für den geplagten Großstädter, der in der Ebene sein Dasein fristet, lässt sich die Wunderwelt der Berge immer noch am besten mit dem Auto in greifbare Nähe holen.

Das mag auch einst das Motiv der Insassen dieses in Wien zugelassenen Tourenwagens gewesen sein:

Auburn Modelljahr 1926/27; © Salzburg-Museum (via Werner Friepesz)

Diese herrliche Aufnahme aus dem Archiv des Salzburg-Museums sandte mir Werner Friepesz mit der Bitte um Identifikation des darauf abgebildeten Wagens zu – verbunden mit der freundlichen Genehmigung, das Foto hier vorstellen zu dürfen.

Festgehalten wurde diese Situation in der kleinen Ortschaft Lofer im Pinzgau (Bundesland Salzburg), soviel war bekannt. Doch um was es für einen Wagen sich handelte, das war offen.

Wie gesagt – der direkte Weg ist nicht immer der reizvollste zum Ziel – und auch wenn ich auf Anhieb wusste, womit wir es zu tun haben, nehme ich mir die Freiheit, auf Umwegen die Lösung zu präsentieren.

Dabei erweist sich einmal mehr: „Das Glück liegt in einer Kurve“, und etwas Glück braucht man schon mitunter, wenn es um die Identifikation solcher Vorkriegswagen geht.

In meinem Fall verhält es sich so, dass ich das Glück habe, von vielen Gleichgesinnten Fotos für meinen Blog zur Verfügung gestellt zu bekommen, an die ich in vielen Fällen kaum oder nie gekommen wäre.

Einer davon ist Klaas Dierks, der mir vor längerer Zeit dieses Foto aus seiner Sammlung in digitaler Form zur Verfügung stellte:

Auburn, Modelljahr 1929/30; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das schicke 2-Fenster-Cabrio links neben dem Nash konnte ich als Auburn des Modelljahrs 1929/30 identifizieren.

Die Kühlerform und das darauf angebrachte Emblem machten die Identifikation des Herstellers leicht. Doch diesem Dokument verdanke ich auch das Glück einer Kurve – nämlich der geschwungenen Zierleiste auf der Motorhaube – sie gab es so nur Auburn-Wagen von 1926-1930, wenn ich es richtig sehe.

Ein derartig markantes Detail erlaubt dann sogar die eindeutige Ansprache eines ansonsten schwierigen Falls wie dieser leider unscharf wiedergegebenen Limousine:

Auburn, Modelljahr 1929/30; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Auch wenn sich besagte Zierleiste hier nur schemenhaft abzeichnet, erlaubt sie zusammen mit den schrägstehenden Luftschlitzen in der Motorhaube, der opulenten Kühlerform und der optisch zweigeteilten Ausführung der Vorderkotflügel eine sichere Identifikation.

Auch dieser Auburn von 1929/30 besaß dieselbe markante einteilige Stoßstange, die an federnden Haltern angebracht war, wie sie auf den beiden zuvor gezeigten Fotos zu sehen ist. Zwar gab es in den 1920er Jahren ähnliche Teile aus dem Zubehör, doch diese Ausführung war meines Erachtens markenspezifisch.

Nun bilden Sie sich ein eigenes Urteil, wenn Sie den Tourer auf dem Foto des Salzburg Museums näher in Augenschein nehmen:

Auburn Modelljahr 1926/27; © Salzburg Museum (via Werner Friepesz)

Das Glück des Betrachters liegt hier zunächst ebenfalls in der Kurve, welche die Zierleiste auf der Motorhaube bildet. Das muss ein Auburn aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sein!

Doch mag auch die Frontpartie mit Kühler und Stoßstange auf den ersten Blick mit den entsprechenden Details auf den Fotos von Klaas Dierks und Jörg Pielmann übereinstimmen, so ergeben sich auf den zweiten Blick wichtige Unterschiede.

Die Scheinwerfer sind eindeutig anders gestaltete Modelle, wie man sie Ende der 1920er Jahre nicht mehr findet.

Nun muss das nicht viel heißen, weil bei Importfahrzeugen die jeweils landesspezifischen Vorschriften bei der Beleuchtung zu beachten waren, weshalb die Importeure Scheinwerfer aus heimischer Produktion montierten.

Doch auch drei weitere Elemente sprechen für eine frühere Datierung.

Bei dem Wiener Fahrzeug fehlt die Mittelstrebe im Kühler – ein Hinweis auf eine Entstehung vor 1928, wie mir Leser und Auburn-Besitzer Jason Palmer (Australien) mitteilte.

Des weiteren sind die Vorderkotflügel hier noch nicht glattflächig ausgeführt, sondern lassen noch eingeprägte Sicken erkennen, wie sie Kennzeichen früherer Wagen waren. Sie dienten teils der Stabilisierung, teils hatten sie eine dekorative Funktion.

Nicht zuletzt haben wir wieder einmal Glück mit einer Kurve – diesmal in Form des geschwungenen Seitenteils des Scheibenrahmens an der Frontscheibe. Auch das findet sich Ende der 1920er Jahre kaum noch, insbesondere nicht bei Auburn.

Doch im Modelljahr 1926/27 trifft alles glücklich zusammen, so mein Fazit.

Bleibt die Frage, ob die Wiener Besitzer des Auburn aus dem Archiv des Salzburg-Museums bereits den über 80 PS starken Lycoming-Achtzylindermotor geordert hatten, welcher ab 1925 verfügbar war.

Denkbar ist auch, dass in diesem Wagen der schwächere Sechszylinder verbaut war. Ich vermute aber, dass man sich mit dem Auburn antriebsseitig etwas gegönnt hatte, was die österreichischen Premium-Hersteller damals noch nicht im Angebot hatten.

Denn reisetaugliche Sechszylinder boten damals ja auch Austro-Daimler und Steyr an. Für das ultimative Glück in der Kurve – vorzugsweise beim Anstieg auf einer sich bergauf windenden Paßstraße musste es dann schon ein hubraumstarker Achtzylinder sein.

Dieses Detail werden wir nicht mehr klären können. Aber mit dem Ergebnis dürfen wir auch so zufrieden sein und mein Dank gilt dem Salzburg-Museum, welches uns an diesem schönen Fund am Wegesrand hat teilhaben lassen.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

„Under Cover“-Agent enttarnt: Ein Auburn von 1929

Nachdem wir zuletzt in die Niederungen deutscher Kleinstwagen-Fehlversuche der frühen 1930er Jahre abgestiegen waren, gibt es heute zum Glück wieder ein richtiges Auto zu besichtigen.

Dabei enttarnen wir nebenbei einen „under cover“ operierenden US-Agenten, der einst unter „fremder Flagge“ unterwegs war.

Den Anlass zu solchen Wortspielen gab mir Leser und Sammlerkollege Jörg Pielmann mit einer Aufnahme aus seinem Fundus – die eine großartige Wirkung entfaltet, aber nicht auf den ersten Blick erkennen lässt, was darauf zu erkennen ist:

Auburn von 1929/30; Originalfoto aus Sammlung Jörg Pielmann

Sieht dieses mächtige Cabriolet mit seinem an den Kuhfänger einer Dampflokomotive erinnernden Kühler nicht phantastisch aus?

Das muss sich einst auch der Besitzer des Wagens gedacht haben, lenkt dieser Showeffekt doch erfolgreich von einigen anderen Details ab.

Jörg Pielmann wusste zwar, dass er mit diesem geheimnisvollen Fahrzeug etwas Besonderes dingfest gemacht hatte, doch die wahre Identität des Wagens blieb zunächst mysteriös.

Ich muss sagen, dass ich auch eine Weile gebannt war von der expressiven Kühlerpartie, die mich an einen französischen oder tschechischen Exoten der 1930er Jahre denken ließ.

Doch bald setzte sich die nüchterne Betrachtungsweise wieder durch und ich begann, wie ein Ermittler bei der Spurensuche nach Details Ausschau zu halten, die Aufschluss darüber geben könnten, was hier möglicherweise kaschiert werden sollte.

Mir fielen die auf vier Gruppen verteilten schrägstehenden Luftschlitze in der Motorhaube auf, außerdem eine eigenartig über dieselbe laufende dunkle Zierleiste.

Ich ging ich die Kartei mit alten Bekannten aus einigen Jahren „Ermittlungstätigkeit“ durch, denn ich erinnerte mich, etwas Ähnliches schon einmal gesehen zu haben.

Dieser „schwere Junge“ war mir tatsächlich bereits begegnet – es handelt sich um einen aus Auburn im US-Bundesstaat Indiana stammenden Agenten der amerikanischen Automobilindustrie, der Ende der 1920er Jahre zusammen mit etlichen Kameraden erfolgreich den Markt für Oberklassewagen hierzulande unterwanderte.

Erstmals aufgefallen war mir dieses Individuum, als es zufällig mit einem anderen ebenfalls aus den Staaten stammenden Vertreter seiner Art aufgenommen wurde:

Auburn und Nash Advanced 6 von 1929; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Link ist er schon einmal aufgetreten der Delinquent, hier allerdings noch mit etwas anderem Erscheinungsbild. Die schräg über die Motorhaube laufende Zierleiste verrät ihn aber.

Außerdem ist der Kühlerumriss ganz ähnlich dem auf dem ersten Foto. Doch wurde dort die eigentliche Identität geschickt „under cover“ verborgen – und zwar mit einem dem eigentlichen Kühler vorgeblendeten Steinschlagschutz.

Hinter diesem ahnt man die wahren Gegebenheiten wie die markante „Nase“, auf welcher die Markenplakette angebracht war, außerdem ganz unten die runde Abdeckung der Öffnung für die (nur in Notfällen zu verwendende) Anlasserkurbel:

Hier war offenbar ein Auburn aus der gleichnamigen Stadt in Indiana auf einer „under cover“-Operation unterwegs. Doch konnten wir ihn enttarnen, obwohl er zusätzlich unter „falscher Flagge“ fuhr.

Denn selbige (auf dem Kühler montierte) weist zwar einige „Stripes“ auf, die in den Staaten üblichen 50 „Stars“ beschränken sich hier aber auf einen.

In Verbindung mit dem tschechischen Kennzeichen hatte sich dieser Auburn also eine komplett neue Identität zugelegt und versucht mit allerlei weiterem Lametta den Betrachter auf die falsche Fährte zu locken.

Uns ist es aber gelungen, die wahre Täterschaft zu ermitteln und legen zur Unterstützung der Beweisführung die Aufnahme eines weiteren Auburn von anno 1929/30 vor, welche nahelegt, dass es sich um Mitglieder derselben Bande handelt.

Freilich wurde auch hier versucht, von den wahren Verhältnissen abzulenken, indem man sich diesmal einen geschlossenen Aufbau zulegte, welcher den Wagen unauffälliger wirken lässt als das mondän daherkommende Cabriolet mit seinem charaktervollen Kühlergesicht:

Auburn Limousine von 1929/30; Originalfoto aus Sammlung Jörg Pielmann

Selbst die Stoßstange ist hier anders gestaltet, quasi umgekehrt, außerdem hatte man dem Wagen diesmal eine deutsche Zulassung verschafft, wie es scheint. Auch der Fahrer wirkt wie ein einheimischer Biedermann – hier würde man doch keinen Agenten vermuten.

In wessen Auftrag aber der Auburn auf der ersten Aufnahme einst unterwegs gewesen war, das können vielleicht Sie, liebe Leser, herausfinden.

Ich will es bei Angaben zur Motorisierung dieser Wagen belassen: Ab 1929 war der Auburn mit Sechs- bzw. Achtzylindermotoren bestückt, die zwischen 80 und 120 PS leisteten. Damit – und vor allem preislich – bewegte man sich in den Staaten in der oberen Mittelklasse.

In Europa war so ein Auburn dagegen ein Premiumautomobil, das man nur selten zu sehen bekam – so wird sich schon damals mancher Betrachter gefragt haben, was das für ein Fahrzeug ist.

Auf einen „under cover“ und unter „falscher Flagge“ fahrenden Auburn aus Indiana wird kaum einer gekommen sein…

„Schaut einmal, was ich heute beim Spazierengehen vor dem Außenministerium fotografiert habe – was ist das wohl für ein Automobil“ – So mag einst jemand Familie oder Freunde mit dieser Aufnahme konfrontiert haben.

Achselzucken dürfte die Antwort gewesen sein. „Bestimmt einer dieser Amerikanerwagen auf geheimer Mission, die mischen doch überall mit“, so könnte eine verschwörerische Vermutung gelautet haben.

Die Tarnkappe lüften und den Fall klären können wir indessen erst nach über 90 Jahren – so lange herrschte strikte Geheimhaltung…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Wagen für jede Jahreszeit: Auburn 851 von 1935

Noch ist Sommer – endlos scheinende Wochen praller Sonne liegen hinter uns. Ich weiß: Die Wärme ist nicht jedermanns Sache, doch ich liebe sie.

Bei über 30 Grad nutze ich jeden Vorwand für eine Beschäftigung im Freien, im Garten etwa – es geht nichts über einen mit Arbeit erworbenen Teint.

Spätnachmittags dann noch eine Runde mit dem Rad – den Rhythmus von Atem und Puls, den freien Flug der Gedanken unter blauem Himmel, die Entspannung danach genieße ich.

Da stimmen mich erste Anzeichen für einen Wetterumschwung fast ein wenig melancholisch – wir werden doch keinen vorgezogenen Herbst bekommen? Die Tage werden jedenfalls merklich kürzer, die Nächte deutlich kühler.

Vielleicht ist der skeptische Blick nach vorn auf die näherrückende kalte Jahreszeit verfrüht. Doch ist es sicher nicht verkehrt, sich rechtzeitig darauf einzustellen, und sei es nur gedanklich. Keine Sorge: heute geht es nicht um Energiesicherheit oder dergleichen.

Nein, wir spielen bloß genüsslich aus automobilistischer Sicht unterschiedliche jahreszeitliche Szenarien durch, in denen wir uns in die Mitte der 1930er Jahre zurückversetzen. Der Einfachheit halber nehmen wir dabei an, dass wir Geld wir Heu haben.

Mit letzterem dürften sich die meisten spontan anfreunden können, auch wenn hierzulande gern so getan wird, als ob Geld nicht so wichtig sei – oder gar den Charakter verderbe.

Mit dieser Einstellung hätte man Ärger mit der jungen Dame auf folgenden Foto bekommen:

Auburn 851 Phaeton von 1935; Originalfoto aus Sammlung Raoul Rainer

Diese reizvolle Aufnahme stellte mir kürzlich Raoul Rainer aus Stuttgart zur Verfügung, dessen Flickr-Fotoalbum Vintage Cars & People ich jedem ans Herz lege, der sich für historische Autofotos begeistert, auf denen das menschliche Element nicht zu kurz kommt.

Natürlich wusste er bereits, was er da für ein Prachtstück an Wagen dingfest gemacht hatte – einen Auburn des Typs 851 von 1935.

Dieser Achtzylinderwagen mit Kompressor und über 150 km/h Spitzengeschwindigkeit war das letzte Modell des 1900 in Auburn (Indiana) gegründeten Herstellers, dessen Schicksal seit 1924 eng mit dem des Marketinggenies Errett L. Cord verknüpft war.

Ein Exemplar des Auburn 851 in der Ausführung als Vierfenster-Cabriolet (vom Hersteller als „Phaeton“ bezeichnet“) gelangte damals nach Lübeck. Das verrät das Kennzeichen, das mit „O“ für das einstige Herzogtum Oldenburg beginnt, gefolgt von römisch „II“ für das einstige Fürstentum Lübeck. Diese Nomenklatur wurde bis 1945 beibehalten.

Während Raoul Rainer mit sicherem Blick das beste Foto dieses großartigen Wagens ergattert hat, konnte ich immerhin eine zweite, technisch weniger brilliante Aufnahme desselben Autos für meinen Fundus sichern.

Das vorliegende Beispiel mag illustrieren, welch schöne Ergebnisse möglich sind, wenn Sammler von Automobilia zusammenarbeiten anstatt ihre Schätze vor der Öffentlichkeit zu verbergen (bis sie im Nachlassfall in alle Winde zerstreut oder gleich entsorgt werden).

Als ich das Foto von Raoul Rainer sah, dachte ich: „Den Wagen kennst Du doch.“ So erinnerte ich mich an eine Aufnahme eines „Ami-Autos“ aus meiner Sammlung, mit der ich mich noch nicht näher beschäftigt hatte – weil die Jahreszeit mir nicht passte:

Auburn 851 Phaeton; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zweifellos handelt es sich um eine Aufnahme desselben Wagens – welche nebenbei beweist, dass dieser damals für jede Jahreszeit als tauglich angesehen wurde.

Heute ist eine solche Situation schwer vorstellbar – die überlebenden Exemplare werden sorgsam gehütet und nur bei trockenem Wetter ausgefahren.

Anno 1935 hätte die junge Dame, die sich einst auf dem Auburn hatte ablichten lassen, dafür kein Verständnis gehabt: „Selbstverständlich fahren wir den Wagen auch im Winter, was denken Sie denn, wir haben sogar eine Heizung an Bord!“

Wie so oft fällt es schwer zu verstehen, dass ein dermaßen eindrucksvolles, leistungsfähiges und teures Automobil einfach verschwunden sein soll. Ein paar Relikte davon mag es sogar noch irgendwo geben – vielleicht die Kühlerfigur oder die Radkappen.

Doch ansonsten wird das, was einst als topmodern, ewig haltbar und für jedes Wetter gemacht erschien, irgendwann achtlos verschrottet worden sein. Die Zeiten hatten sich geändert und niemand konnte ahnen, welchen Weg die Geschichte nehmen würde.

Sicher ist nur der ewige Gang der Jahreszeiten, alles andere ist ungewiss…

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Das ist ja ein dicker Hund! Ein 1931er Auburn

Sollte mir zu Vorkriegsautomobilen einmal nichts mehr einfallen – was angesichts der stetig wachsenden Menge an Material in diesem Leben nicht mehr passieren dürfte – dann schreibe ich einen Blog über Hunde auf alten Fotos.

Ich bevorzuge zwar bei Vierbeinern die Gesellschaft von Katzen, und ein Exemplar davon liegt öfters unter der wärmenden Schreibtischlampe, während ich mich zu nächtlicher Stunde anschicke, Autofotos etwas Philosophisches abzugewinnen.

Doch Hunde haben es mir durchaus angetan, und zwar vor allem dann, wenn sie stolz auf dem Kühler oder Trittbrett „ihres“ Automobils posieren. Mit solchen Motiven könnte ich ein ganzes Buch füllen und mehr oder minder geistreiche Gedanken dazu niederschreiben.

Heute beschränke ich mich aber auf eine Einzelfallbetrachtung und improvisiere ein wenig über eine robuste Redensart, die jeder kennt: „Das ist ja ein dicker Hund!“

Woher der Ausspruch stammt, lässt sich gewiss im Netz ermitteln, doch ich kann es mir selbst denken: Ein „dicker Hund“ war historisch etwas Ungewöhnliches, mit dem man nicht gerade rechnete.

Der älteste vierbeinige Begleiter des Menschen hatte die längste Zeit eine Aufgabe, die zuverlässig verhinderte, dass er allzusehr Gewicht ansetzen konnte: Schafe zusammenhalten, Wild hetzen oder ungebetene Gäste vom Hof jagen.

„Das ist ja ein dicker Hund“, das wurde vermutlich zum ersten Mal ausgerufen, als jemand einen arbeitslosen Schoßhund erblickte, der sich von Frauchen die Leckerli zustecken ließ.

Dazu musste erst einmal ein Zustand erreicht werden, in dem Frauchen sich nicht mehr von morgens bis abend im Haushalt abmühen musste, während sich die Männer einen schönen Tag im Bergwerk, beim Bauen von Straßen oder auf hoher See machten.

Ganz gewiss erreicht war dieser Zustand jedenfalls für die „happy few“ der Damen, die sich einst in einer solchen Situation ablichten lassen konnten:

Auburn Cabriolet von 1931; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Das Konterfei dieses dicken Hunds nebst Frauchen verdanke ich Leser Klaas Dierks, der zu den Sammlerkollegen zählt, deren stetiger Nachschub dazu beiträgt, dass die Beschäftigung mit dem alten Blech in Schwarz-Weiß als gesichert betrachtet werden kann.

Ein dicker Hund ist freilich nicht nur der selbstbewusst in die Kamera schauende Zottel auf dem Trittbrett des Autos, sondern auch dieses selbst.

Der Wagen wirkt aus obiger Perspektive etwas übergewichtig, was jedoch damit zu tun hat, dass die uns streng fixierende Dame daneben eher kleingewachsen war.

Zur wuchtigen Erscheinung tragen außerdem die arg grobschlächtig wirkenden Stahlspeichenräder bei – dieses Automobil hätte von filigranen Drahtspeichenrädern profitiert. Und damit findet man es auch auf den meisten Abbildungen.

Was ist das denn nun für ein schwerer Brocken? Die Vorderpartie bringt einen mit etwas Erfahrung auf die Idee, dass es sich um einen amerikanischen „Auburn“ handeln dürfte:

Tatsächlich entpuppte sich der Wagen als Auburn des Modelljahrs 1931. Soweit ich es beurteilen kann, sah der Wagen auch 1932 noch so aus, doch der sonst so detailversessene „Standard Catalog of American Cars“ (von Kimes/Clarke) ist ausgerechnet bei dieser zur Extravaganz neigenden Marke auffallend sparsam mit Informationen.

Vermutlich waren sich die Experten für Auburn zu fein (oder zu faul) dafür, zu dem monumentalen Sammelband über US-Automobile der Vorkriegszeit beizutragen. So etwas soll es auch hierzulande geben.

Dennoch lässt sich der Wagentyp genau ansprechen – und dass, obwohl man zunächst meinen könnte, der exzentrisch anmutende Aufbau als Zweifenster-Cabriolet müsse die Schöpfung eines exklusiven Blechkünstlers gewesen sein:

„Das ist ja ein dicker Hund“ – dachte ich, als ich feststellen musste, dass diese opulente Linienführung das Werk einer ordinären Blechpresse im Auburn-Werk in Indiana war.

Dort entstand diese als „Convertible Coupe“ bezeichnete Standard-Ausführung des 1931er Auburn, der mit einem rund 100 PS starken Achtzylinder auch antriebsseitig ein ziemlich dicker Hund war.

Wer nun aufgrund dieses Fotos die Ansicht vertritt, dass der Auburn vielleicht doch nicht so gelungen war, ist in dieselbe Falle getappt wie ich selbst. Denn tatsächlich wird diese Aufnahme bei allen Qualitäten dem Erscheinungsbild des Wagens nicht gerecht.

Zum Glück gibt es ein hübsches Videoporträt, anhand dessen man sich von der absolut meisterhaften Gestaltung des Auburn überzeugen kann. Was dort auf einem banalen Parkplatz irgendwo in den Staaten präsentiert wird – das ist wahrlich ein dicker Hund:

Videoquelle: youtube.com; hochgeladen von Garage Dream Auctions

© Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Zeugen einer kurzen Blüte: Auburn 1924-32

Auch wenn ich aufgrund meines Online-Bildarchivs mit Vorkriegsfahrzeugen öfters Anfragen von renommierter Seite erhalte – gerade kürzlich wieder seitens des PS-Speichers in Einbeck – verstehe ich mich nicht als klassischen Automobilhistoriker.

Mein Vorgehen ist weniger systematisch und weniger ernsthaft. Sicher, ich bemühe mich um korrekte Ansprache von Hersteller, Modell und Aufbau sowie die Datierung der Aufnahmen aus meiner Sammlung und von Bildern, die mir Leser zusenden.

Aber oft ist mein Ansatz ein spielerischer – ich schaue nach Feierabend, Gartenarbeit oder Bastelei in der Werkstatt einfach, welches Thema sich für meinen Blog anbietet. Das ergibt sich meist spontan aus dem vorhandenen Material, um das herum sich eine Geschichte erzählen lässt.

Ein Beispiel dafür ist der heutige Blog-Eintrag, der sich mit der amerikanischen Marke Auburn befasst. Nur drei historische Aufnahmen von Wagen dieses 1900 gegründeten Herstellers aus dem gleichnamigen Ort im Bundesstaat Indiana liegen mir vor.

Doch wie es der Zufall will, lässt sich anhand dieser Bilder genau der Zeitraum von 1924 bis 1932 umreißen, in den die kurze, aber heftige Blüte der Marke fiel.

Den Anfang macht dieser Tourenwagen von Auburn, der einst in stark gebrauchtem Zustand in Berlin abgelichtet wurde:

Auburn Tourenwagen von ca. 1924; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Scheibenräder und die trommelförmigen, vernickelten Scheinwerfer sprechen für eine Entstehung im Jahr 1924.

Damals übernahm ein gewisser E.L. Cord das Management der Firma Auburn, deren Verkaufszahlen Anfang der 1920er Jahre für amerikanische Verhältnisse sehr überschaubar waren. Nur rund 16.000 Autos waren seit 1919 abgesetzt worden.

E.L. Cord war ein Selfmademann und Verkaufstalent nach typisch amerikanischer Manier – angefangen hatte er als Tankwart und Autoverkäufer, mit viel Geschick und unternehmerischem Mut brachte er es zu Vermögen und Einfluss.

Die Kapitalgeber von Auburn, die mit der Situation des Unternehmens unzufrieden waren, überredete er dazu, ihm statt eines angemessenen Manager-Gehalts eine Gewinnbeteiligung und bei Erfolg das Recht zur Übernahme eines Kapitalanteils zuzugestehen, der ihm die Kontrolle des Unternehmens ermöglichte.

Kurzerhand ließ Cord die zu hunderten unverkauft gebliebenen Auburn-Wagen des Modelljahrs 1924 optisch aufwerten, wozu neben vernickelten Teilen auch eine neue Lackierung gehörte.

Die ehemaligen Ladenhüter wurden prominent platziert und verkauften sich daraufhin in Windeseile. Es ist gut möglich, dass der Auburn von 1924 auf obigem Foto im Anschluss an diesen bahnbrechenden Verkaufserfolg nach Deutschland gelangte.

Dort begannen die US-Hersteller gerade den Markt aufzurollen, der von einheimischen Fabrikaten mangels zeitgemäßer Modelle und Kapital nicht annähernd abgedeckt wurde.

Der einst in Berlin verkaufte Auburn war ein typisches Beispiel für leistungsfähige Sechszylinderwagen, die Mitte der 1920er Jahre von deutschen Herstellern in derselben Preisklasse nicht zu bekommen waren.

Hier können wir einen Blick auf den von Continental zugekauften Sechszylindermotor erhaschen, der in zwei Versionen erhältlich war – die stärkere leistete über 60 PS:

Mehr über die Aufnahmesituation ist übrigens in einem älteren Blog-Eintrag zu finden (hier).

Nur ein Jahr nach der Übernahme der Geschäftsführung durch E.L. Cord präsentierte Auburn erstmals zwei Achtzylindertypen – mit gut 60 PS bzw. fast 90 Pferdestärken. Lieferant dieser Aggregate war diesmal Lycoming.

Ab 1925 sorgte Cord außerdem für ein auffallenderes Erscheinungsbild der Auburn-Wagen. Dazu gehörten Zweifarblackierungen und eine Sicke, die wellenförmig über die Motorhaube lief.

Die Wirkung dieses wohl einzigartigen gestalterischen Elements ist mit Worten schwer zu beschreiben, doch haben wir Glück. Es wurde nämlich bis 1930 beibehalten und findet sich auf einem weiteren Auburn-Foto wieder, das Leser Klaas Dierks beigesteuert hat:

Auburn Model 8-90 Cabriolet von 1929; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses Bild ist ein Ausschnitt aus einer größeren Aufnahme, auf dem ein Nash von 1930 im Vordergrund steht. Wie man sieht, waren beide Wagen einst in Hamburg zugelassen.

Von dem helllackierten Auburn ist genug zu sehen, um ihn als Zweifenster-Cabriolet ansprechen zu können. Die Details der Frontpartie sprechen für das Modelljahr 1929/30. Im Unterschied zum Nash sind die Kotflügel noch nicht „aus einem Guss“, auch die (originale) Stoßstange wirkt rustikaler, erkennbar stand hier die Funktion im Vordergrund.

Außerdem sieht man einen Teil des erwähnten geschwungenen Dekors auf der Motorhaube sowie die charakteristische Kühlerpartie, die bereits 1926 eingeführt worden war. Die Drahtspeichenräder sind ein Hinweis auf das Modell 8-90.

Der „schwächere“ Sechszylindertyp 6-80 scheint dagegen serienmäßig über klassische Holz- oder eher Stahlspeichenräder verfügt zu haben. Der 90 PS-Achtyzlinder stammte – wie der noch stärkere Antrieb des Model 120 – wiederum von der Firma Lycoming, die E.L. Cord 1929 seinem wachsenden Imperium einverleibte.

Bei diesem repräsentativen Erscheinungsbild und den für die späten 1920er Jahre beeindruckenden Leistungsdaten muss man sich bewusst bleiben, dass die Auburn-Wagen in den Staaten lediglich der oberen Mittelklasse angehörten.

Für das Luxussegment war im Konglomerat von E.L. Cord die Firma Duesenberg zuständig, außerdem gab es einen prestigeträchtigen neuen Fronttriebler, den Cord L-29.

Doch auch bei Auburn ließ E.L. Cord nochmals eine Schippe drauflegen: 1932 kam das Modell 12-160 heraus, das einen 12-Zylinder-Motor von Lycoming besaß.

Dieses Aggregat leistete serienmäßig enorme 160 PS, dennoch kostete der Wagen unter 1.000 Dollar – trotz der damals weit höheren Kaufkraft der US-Währung bis heute unerreicht für einen 12-Zylinder-Wagen.

Auch zum Auburn des Modelljahrs 1932 fand sich ein passendes Foto:

Auburn von 1932 mit US-Zulassung; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese reizvolle Privataufnahme aus den Vereinigten Staaten kam vermutlich nach Deutschland, um Verwandte in der alten Heimat vom erreichten Lebensstandard in Kenntnis zu setzen.

Optisch ist aus dieser Perspektive zwar nur die Datierung möglich. Ob sich unter der Haube aber nun der Zwölfzylinder oder „nur“ der 100 PS leistende Achtzylinder verbarg, ist letztlich unerheblich. Motoren mit sechs Zylindern bot Auburn damals nicht an.

Diese Auburns des Modelljahrs 1932, die bereits über einen Overdrive verfügten – also eine zuschaltbare Gangstufe zur Reduzierung der Drehzahl bei Reisetempo – markierten den Gipfelpunkt der Markengeschichte.

Danach ging es kontinuierlich bergab. E.L. Cord verlagerte seine unternehmerischen Interessen und vernachlässigte Auburn wie auch Duesenberg, sodass beide rasch an Konkurrenzfähigkeit verloren. 1937 waren die traditionsreichen Marken Geschichte.

So künden drei alte Fotos von einer kurzen, aber heftigen Blütezeit, die auch in Deutschland ganz unerwartet Spuren hinterließ…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ich bin (k)ein Berliner: Auburn 6 der 1920er

Betreibt man einen Oldtimerblog, der sich auf Vorkriegsautos beschränkt, hat man hierzulande ein Nischenpublikum.

Englischsprachige Kollegen haben es einfacher: Sie haben eine globale Reichweite und erreichen gezielt die Länder, in denen die Vorkriegsszene weiterhin gedeiht.

Daher ist man im deutschen Sprachraum gut beraten, sich nicht auf eine Marke oder Hersteller aus einer bestimmten Region zu beschränken, sondern sich mit der ganzen Bandbreite an Vorkriegsmobilität zu befassen.

Tut man das ohne persönliche Vorlieben anhand historischer Originalfotos, die meist für kleines Geld zu bekommen sind, entdeckt man fast täglich Überraschendes:

© Auburn Six; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist eine schöne, detailreiche Aufnahme, die an einem grauen Tag im Spätherbst entstand. Der Wagen wirkt auf den ersten Blick unspektakulär – so sahen in den frühen 1920er Jahren die Tourenwagen vieler Marken aus. 

Schauen wir, ob sich mehr über das Auto herausfinden lässt. Meistens liefert ein Blick auf die Kühlerpartie die verlässlichsten Informationen, denn der rückwärtige Aufbau war selten markenspezifisch:

Auch wenn man den Markennamen auf dem Kühleremblem nicht lesen kann, gibt uns diese Ansicht einen Hinweis, in welcher Richtung man weiterforschen muss.

Die Doppelstoßstange verriet in den frühen 1920er Jahren, dass man es mit einem amerikanischen Auto zu tun hatte. Speziell in Deutschland sollte es eine ganze Weile dauern, bis die Hersteller überhaupt serienmäßig Stoßstangen anboten.

Geht man nun die Liste der US-Automarken durch, landet man nicht bei einem der großen Namen, sondern bei Auburn aus dem gleichnamigen Ort im Bundesstaat Indiana. Das ist wirklich eine Überraschung, denn das Foto entstand einst in Berlin!

Dass führende US-Autoproduzenten wie Buick, Chevrolet und Ford in den 1920er Jahren ihre Fahrzeuge in großer Zahl nach Deutschland exportierten und dort auch fertigten, ist kein Geheimnis. Ein Wagen der weniger erfolgreichen Marke Auburn in Deutschland wirft dagegen Fragen auf:

Hat diese Firma ebenfalls systematisch den deutschen Markt beliefert, der in den 1920er Jahren unter der Rückständigkeit der einheimischen Hersteller litt? Hat Auburn vielleicht sogar eine Produktion in Berlin unterhalten, wie das etwa bei Overland der Fall war?

Das ließ sich bisher nicht klären. Herausfinden konnte der Verfasser aber, um was für ein Modell es sich bei dem Auburn handelt. Dabei half der Blick in den offenen Motorraum:

Wer meint, hier fehle der Zylinderkopf, irrt. Zu sehen ist ein konventioneller Seitenventiler, der deutlich flacher ausfällt als ein Aggregat mit im Kopf montierten Ventilen. Die Länge des Motors lässt einen 6-Zylinder vermuten.

Tatsächlich verbaute Auburn 1923/24 im Model „Six“ einen solchen Motor, der von Continental zugekauft wurde. 50 PS Leistung waren damals ein Wort; deutsche Tourenwagen boten meist nur 25 bis 30 PS – obendrein bloß aus vier Zylindern.

Doch nicht nur die höhere Leistung machte die preisgünstigen US-Wagen seinerzeit hierzulande so beliebt. Auch Ausstattungsdetails wie serienmäßige Heizung wie im Fall des Auburn Six überzeugten.

Wer das hier gezeigte Foto näher betrachtet, gewinnt jedoch den Eindruck, dass es den beiden stolz vor dem Auburn posierenden Herren nicht um die Heizung ging.

Hier scheinen sich zwei Freunde schlicht einen günstigen Amischlitten zugelegt zu haben und genießen nun ihr Besitzerglück:

Vor dem Fahrvergnügen ist zwar noch etwas Schrauberei angesagt, aber das scheint die beiden nicht zu stören….

Das vorn am Boden liegende Abschleppseil ist in Kombination mit der demontierten Motorhaube vielsagend. Wahrscheinlich haben die zwei den Wagen defekt für kleines Geld gekauft und mit einem anderen Auto nach Hause geschleift.

Dass der Auburn zum Zeitpunkt, an dem er von unseren beiden Altautofreunden an Land „gezogen“ wurde, nicht mehr ganz taufrisch war, verrät der deformierte und übel zurechtgespachtelte Vorderkotflügel.

Sollten unsere zwei Berliner Auburn-Käufer am Ende frühe Opfer des Oldtimer-Bazillus gewesen sein?

Man wünscht sich jedenfalls, dass sie den Wagen wieder in Gang gebracht und damit eine Weile Freude und Glück bei den Frauen hatten – denn diese wollen gar „kein Auto funkelnd und schick“, wie einst diese Dame verriet…

© Videoquelle: Youtube; hochgeladen von: atqui; Copyright: unklar

Nebenbei: der heiße Steptanz (ab 2:10 min) in diesem Film wurde 1939 aufgeführt. Man ahnt, was hierzulande auch ohne amerikanische Nachhilfe möglich war, doch leider kam etwas dazwischen…