Glück – eine Frage des Standpunkts: Dürkopp P8 8/24 PS

Wie erlangt man die Glückseligkeit? An dieser Frage haben sich bereits die Philosophen (m/w/d) im antiken Griechenland abgearbeitet.

Die wohl beste Antwort darauf gab damals ein kluger Kopf, dessen Namen ich vergessen habe, er sagte sinngemäß: „Wenn Du aufhörst, angestrengt der Glückseligkeit nachzusinnen, kann es geschehen, dass sie sich mit einem Mal von alleine einstellt.“

Glück hat man – oder nicht. Man sollte es nicht suchen, aber man kann dafür sorgen, dass es uns besser findet, beispielsweise dadurch, dass man den Standpunkt wechselt.

Das kann ganz praktisch ein Umzug sein, eine berufliche Neuorientierung, aber auch die Beendigung von Beziehungen zu Menschen, die dem eigenen Glück im Wege stehen – das ist für viele wohl der schwerste Standortwechsel, da stets mit Ungemach verbunden.

Heute habe ich das Vergnügen, an einem Objekt auf vier Rädern vorzuführen, dass einem das Glück bereits in den Schoß fallen kann, wenn man einfach nur zur Seite tritt.

Sie erinnern sich vielleicht an diese prachtvolle Aufnahme, die ich vor kurzem hier präsentiert habe:

Dürkopp Typ P8 8/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Seinerzeit war ich der Meinung, dass es kaum möglich sei, einen solchen Tourenwagen des Typs P8 8/24 PS von Dürkopp idealer abzulichten – auch die menschliche Komponente erscheint hier vortrefflich ausgeprägt zu sein.

Das Glück war jedoch für mindestens einen Leser nicht vollkommen: Thomas Billicsich aus Österreich – selbst ein großer Kenner und Besitzer von Automobilen der 1920er Jahre – warf die Frage auf, ob sich denn nichts zur hier verdeckten Heckpartie sagen ließe.

Er vermutete, dass das Heck an diesem Auto in Sportwagenmanier spitz ausgelaufen sein könnte, worauf auch das Fehlen eines Verdecks hindeuten würde.

Leider vermochte ich damals nichts Erhellendes als Antwort geben. Ich pflege in solchen Fällen aber gern auf die Zuständigkeit von Fortuna zu verweisen, die uns schon zur rechten Zeit beschenken wird, wenn ihr der Sinn danach steht.

Dabei ließ ich es bewenden, denn die launische Göttin lässt sich auch von Gebeten, Opfern und Gelübden nicht beeindrucken – mir scheint, dass man damit eher ihre Gunst riskiert.

Ich hatte die Sache bereits wieder vergessen, als mir ein anderer Leser und regelmäßiger Bilder“lieferant“ – Matthias Schmidt aus Dresden – eine Aufnahme aus seinem Fundus zusandte, die einen ganz ähnlichen Wagen zu zeigen schien.

Die Frontpartie war jedenfalls die gleiche – mit in Wagenfarbe lackiertem Spitzkühler und beidseitigem Dürkopp-Emblem darauf:

Die Dame im warmen Mantel schaut uns ein wenig fragend an – „Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?“ mag sie unter dem Hut mit Fahrerbrille gedacht haben.

Der Bub ganz rechts ist ebenfalls für eine Fahrt im zugigen offenen Wagen ausstaffiert – er hat bloß das Pech, dass er ganz am Bildrand steht, wo die Verzerrungen der damaligen Objektive unvorteilhafte Effekte zeitigen.

Vorne auf der Motorhaube des Dürkopp scheint ein Paar Handschuhe zu liegen. Die dürften dem unbekannten Fotografen gehört haben, dem wir dieses Dokument verdanken.

Er hat an diesem recht kühlen Tag ganze Arbeit geleistet und dem Wagen wie den einstigen Passagieren ein würdiges Denkmal gesetzt. Dies ist umso bemerkenswerter, als ich gern sage, dass von der Seite aufgenommene Automobile meist langweilig wirken.

Hier kommt man nicht ansatzweise auf die Idee:

Wer nun aber glaubt, dass der Wagen ohnehin nur Staffage für diese wunderbar festgehaltenen Persönlichkeiten darstellt, der wird seinen Irrtum noch erkennen.

Ausgerechnet an der Heckpartie des Dürkopp – für gewöhnlich der unerheblichste Teil von Tourenwagen der 1920er Jahre – wird man nämlich dessen ansichtig, wonach sich Leser Thomas Billicsich erkundigt hatte, als ahnte er, dass sich das lohnen würde.

Und tatsächlich: Indem wir den Standpunkt wechseln und zur Seite treten, stellt sich mit einem Mal ein unverhofftes Glück ein – und das entgegen aller Wahrscheinlichkeit ausgerechnet am Hinterteil:

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, pflegt man zu sagen, wenn einem erst einmal nichts anderes einfällt.

Ein solches tropfenförmiges Heck sieht man wahrlich nicht alle Tage – und wer handwerkliche Arbeit zu schätzen weiß, staunt ob dieser wohlgerundeten Formen, die keine Stanze der Welt zustandebrächte.

Gern wüsste man, wie lange die Arbeiter seinerzeit brauchten, um erst das Blech über dem Holzrahmen in die Grundform zu bringen, dann solange zu spachteln und zu schleifen, bis das Heck fertig für die tiefglänzenden Lackierung war, die jede Unregelmäßigkeit gnadenlos zutagefördern würde.

„Genug geschwärmt“, mag jetzt mancher denken, „ich will endlich das ganze Auto sehen!“ Wie könnte ich mich diesem nur zu verständlichen Wunsch verschließen – voilá:

Dürkopp P8 8/24 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Ich habe einen solchen Aufbau noch an keinem Dürkopp gesehen und meine, dass die Kombination aus kantiger Frontpartie und rundlichem Heck auch sonst eher selten war.

Was die Unterbringung des dünnen Tourerverdecks angeht, vermute ich, dass es sich in einem umlaufenden Kasten in der Heckpartie verbarg, wie das in der ersten Hälfte der 1920er Jahre bei einigen deutschen Wagen der Fall war.

Wenn ein Leser Beispiele für eine vergleichbare Lösung wie bei diesem Dürkopp kennt und vielleicht sogar weiß, welcher Karosseriebaufirma diese zuzuordnen ist, bitte ich um entsprechende Hinweise.

Mir bleibt abschließend nur die Feststellung, dass auf beiden Fotos tatsächlich nicht nur der gleiche Dürkopp-Typ zu sehen ist, sondern sogar dasselbe Auto! Drei abgebildete Personen stimmen nämlich überein. Die zwei Aufnahmen sind bloß nach fast 100 Jahren in unterschiedlichen Händen gelandet.

Heute sind sie wieder vereint und für so etwas braucht man unglaublich viel Glück. Genießen wir es, dass solche Geschichten möglich sind und erfreuen uns noch einmal an der Begegnung mit den Menschen, die damals mit dem Dürkopp für die Kamera posierten:

© Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Glück – eine Frage des Standpunkts: Dürkopp P8 8/24 PS

  1. Erst mal noch alles Gute im neuen Jahr 2022, und toll, wie es hier weitergeht ! Auch die Berichte zum Hansa P und zum Audi D mit der gewölbten Windschutzscheibe samt der Ausstellklappe finde ich sehr interessant ! Hier beim Dürkopp P8 ist es wirklich ein tolles Glück, so noch ein weiteres Bild vom selben Fahrzeug zu bekommen, wobei eben auch die Passagiere so die Identität dieses raren Stücks Technikgeschichte belegen aus einer Zeit, in der Ford der Erste war, der sein Model T in Serie mit Tausenden baulich identischer Exemplare herstellte. Ganz anders bei Dürkopp, Dux, Hansa oder Protos, wo manches Anbauteil keine 300 Mal verwendet wurde, wodurch dasselbe Automodell schon nach einem halben Jahr aus mancher Perspektive ganz verändert aussah. Heute sind auch ein Matra Bagheera, Nissan Tiida oder Renault VelSatis lückenlos dokumentiert und erforscht; damals galt das u.a. für Mercedes, Opel, DKW oder Citroën – aber manch anderes Archiv wurde zerbombt, verbrannt oder war schon zuvor nur lückenhaft. So leisten Sie hier eine wahre Sisyphusarbeit ! Absolut tolle website, ein Schatz für alle, die besonders an den nun schon oder bald 100 Jahre alten Autos interessiert sind !

  2. Sehr geehrter Herr Schlenger,

    soll ich jetzt sagen sie haben mich glücklich gemacht? Ich bin eher überrascht weil ich so ein Ende der Karosserie und des Beitrags nicht erwartet habe. Es bleibt aber bestehen daß es mich freut dass sie meiner Anregung gefolgt sind und dabei dieses schöne Ergebnis entstand.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Billicsich

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