Deutschlands britischster Roadster: Tornax Rex

Das Konzept des Roadsters scheint dem deutschen Wesen nicht ohne weiteres entgegenzukommen, so mein Eindruck.

Jedenfalls fand dieses radikal unvernünftige Konzept – leichter offener Zweisitzer mit Notverdeck und tiefem Türausschnitt – hierzulande nie die Anhängerschaft wie in England, wo diese maximal unbequeme Form der Fortbewegung mit viel Spaß verbunden wurde.

Während ein flott bewegter Roadster im englischsprachigen Raum noch lange nach dem Krieg große Popularität genoß, wurde das Feld von deutschen Herstellern kaum beackert.

Was in Deutschland als Roadster angeboten wurde, war zwar meist sehr elegant, hatte mit dem eigentlichen Gedanken aber nur wenig zu tun. Als Beispiel mag dieser hinreißende Horch 930 V Roadster mit Karosserie von Gläser dienen:

Horch 930 V „Gläser“-Roadster; Nachkriegsabzug nach Originalnegativ aus Archiv Friedrich Meiche

Diese Blechskulptur ist nebenbei ein Beispiel dafür, wie schön sich das Heck eines Automobils gestalten lässt, wenn ausreichend Länge dafür zur Verfügung steht.

Ein echter Roadster war dies freilich nicht, dagegen sprechen schon die Kurbelfenster in den nur ansatzweise ausgeschnittenen Türen.

Formal gesehen puristisch umgesetzt wurde das Roadster-Ideal dagegen von Audi mit dem Typ 225 „Front Raodster“, wenngleich der Vorderradantrieb eigentlich nicht dazu passte:

Audi 225 Front Roadster; originale Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Bezeichnenderweise war dieser perfekt gestaltete Roadster nur kurz in Produktion, die Stückzahlen waren minimal.

Nur Exotenstatus sollten auch die von Kennern bis heute geschätzten BMW-Roadster des Typs DA3 haben, die 1930/31 unter der Bezeichnung „Wartburg“ im von Dixi übernommenen Werk in Eisenach gefertigt wurden.

Hier sehen wir das Düsseldorfer Dixi-Urgestein Helmut Kasimirowicz am Steuer seines (inzwischen verkauften) BMW „Wartburg“ am Rhein gegenüber Schloss Drachenburg:

BMW 3/15 Typ DA3 “Wartburg Roadster”, Baujahr: 1930/31; Bildrechte: Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf)

Die minimalistische Ausführung dieses Wagens entspricht dem britischen Konzept des Roadsters vollkommen. Tatsächlich konnte mit dem BMW Wartburg auch mancher sportlicher Lorbeer errungen wurden – es war also kein reines „Poser“-Auto.

Den Inbegriff des BMW Roadsters stellte dann der 328 von 1937-39 dar, ein formal wie technisch brillianter Wurf.

Allerdings war dieser wie schon die BMW Roadster auf Basis der Typen 313, 315 und 319 nach Ansicht der gusseisernen Fraktion beinahe schon zu perfekt und zu gefällig.

Rustikaler und aus meiner Sicht optisch raffinierter war indessen ein anderer Roadster deutscher Provenienz. Leider ist er viel schwerer greifbar als die BMW Roadster, jedenfalls was historische Fotos davon angeht.

Das erste Mal begegnet ist mir das Fahrzeug auf einem Sammelbild der 1930er Jahre:

Tornax „Rex“; originales Sammelbild von Mitte der 1930er Jahre

Wüsste man nicht, dass dieses wie ein Raubtier auf dem Boden kauernde Geschöpf vom deutschen Motorradbauer Tornax (Wuppertal) geschaffen wurde, so würde man vermutlich Stein und Bein schwören, dass es sich um einen Briten-Roadster handeln müsse.

Tornax verwendete dabei als Antrieb einen frisierten Zweizylinder-Zweitaktmotor von DKW und übenahm auch den kompletten Vorderradantrieb. Dazu konstruierte man einen Zentralrohrrahmen, auf den man diese großartig gestaltete Karosserie schraubte.

Gern wüsste man, wer für diesen Entwurf verantwortlich war, der in der Roadsterkategorie alles in den Schatten stellte, was die großen deutschen Autohersteller damals anboten.

Wie im Fall des Audi 225 Front Roadster blieb die Produktion überschaubar, in der Literatur findet sich die Zahl von 150. Das ist sicher nur eine Schätzung – vielleicht zu hoch gegriffen gemessen an der Seltenheit zeitgenössischer Aufnahmen.

Die erste, die ich vor ein paar Jahren selbst entdeckt habe, ist diese:

Tornax „Rex“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn man hier nur die Kühlerpartie mit dem Schriftzug „Tornax“ sieht, ist das eine bemerkenswerte Aufnahme. Entstanden ist sie auf einer Fähre irgendwo im Mittelrhein – im Hintergrund nähern sich bedrohlich wirkende Frachter, großartig!

Großartig ist auch die extrem niedrige Windschutzscheibe – solche Details sind ebenso Ausweis einer minimalistischen Interpretation des Roadster-Themas wie die „Cycle-Wings“, die nach Motorradart gestalteten mitdrehenden Vorderschutzbleche.

So flach wie kein anderer Roadster aus deutscher Produktion kam der Tornax „Rex“ daher – das ahnt man auf dieser Aufnahme eines überlebenden Exemplars aus dem Jahr 1952:

Tornax „Rex“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Leser meines Blogs, die mir auch nach einigen Jahren subjektiver Auseinandersetzung mit Vorkriegsautos und allerlei Abschweifungen treu geblieben sind, werden jetzt völlig zurecht anmerken:

„Heute macht es sich unser Blog-Wart etwas einfach, diese Aufnahmen kennen wir längst“.

Richtig, aber mir ist schon selbst klar, dass ich beim Titel „Deutschlands britischster Roadster“ nicht mit einem müden Aufguss bekannten Materials davonkomme.

Zum Glück hat mir Leser und DKW-Experte Volker Wissemann vor längerer Zeit ein entsprechendes Dokument in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt, das seinesgleichen sucht.

Denn egal wie viele (oder wenige) Fotos des Tornax „Rex“ Sie schon gesehen haben, dieses hier dürfte einzigartig sein:

Tornax „Rex“; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Noch britischer kann ein deutscher Roadster kaum wirken, meine ich.

Denkt man sich das Nummernschild (Pfalz) und das deutsche Nationalitätskennzeichen weg, wären der im ärmellosen Unterhemd agierende Mann und die Architektur der einzige Hinweis darauf, dass dieses sprungbereit dastehende Sportgerät nicht auf „der Insel“ zuhause war.

Deutlich sieht man hier, dass die Karosserie reine Manufakturarbeit war, also von Hand über Holzmodellen zurechtgehämmert wurde. Ein hübsches Detail ist die offenbar verchromte Einfassung des Reserverrads; sie unterstreicht die Exklusivität des Wagens.

Gern wüsste man, wo genau einst dieser Tornax „Rex“ zuhause war, der es scheinbar kaum erwarten konnte, dass das Hoftor aufgeht und er an einem strahlenden Sommertag die Straßen der Region unsicher machen kann:

Es hätte alles so schön sein können mit Deutschlands britischstem Roadster, nicht wahr?

Ideologische Wahnvorstellungen der deutschen „Eliten“, unterstützt von einer hinreichend großen Masse eines staatsgläubigen Bürgertums sollten dem im Wege stehen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

8 Gedanken zu „Deutschlands britischster Roadster: Tornax Rex

  1. Zum Thema deutsche Roadster muss ich doch noch den Adler Trumpf Junior Sport ins Spiel bringen. Er passt von Form und Leistung (28 PS mit Sportmotor) eher als Vergleich zum Tornax Rex als der Audi 225 oder gar der Horch 930. Ob viel mehr als 300 Stück gebaut wurden ist fraglich. Auch bei Adler war die Nachfrage also begrenzt. In unseren Zeiten vermehren sie sich allerdings weiter…

  2. Naja, Herr Weigold, bei Briten-Roadstern ist das die Regel, bei Regen fährt man offen und – je nach Typ – bleibt man trocken oder man wird gleichmässig nass. Man kann auch das Verdeck schliessen, dann wird man früher oder später mit einem „Wasserfall“ beglückt, wenn sich das Nass angesammelt hat. Im Unterschied zum Cabrio hat halt ein Roadster nur einen „besseren Regenschirm“ zu bieten. Aber auch im Regen – die Dinger machen Spass.

  3. Der Tornax Rex – ja, das war ein Roadster wie er sein sollte, nur der DKW-Motor war mir 23 PS zu schwach, aber dafür teuflisch laut. Wer den Tornax mal gehört hat, vergisst das nicht mehr so schnell…
    Dennoch – das „Leichtgewicht“ war ganz schön flott !

  4. Ja, ist doch schön, dass es auch solche „unvernünftigen“ Fahrzeuge gab und gibt. Gilt ja auch für Motorräder und Rennräder – beide möchte ich nicht missen. Die Kategorie „überflüssig“ ist indessen eine ideologische, damit landet man ruckzuck in der totalitären Welt der staatlichen Mangelverwaltung – also prinzipiell Mittelalter mit Lastenrad.

  5. Ja, Herr Blog- Wart — Glückwunsch zum heute absolut „klimaneutralen“ Beitrag über den britischsten aller in Deutschland produzierten Roadster.
    Ich selbst war zwar noch nie Anhänger dieser überflüssigsten aller Fahrzeugkategorien mit der man nichts anfangen konnte als einfach nur rumfahren und — „Fahrspaß“ haben. Wenn man mit dem vernünftigsten aller DKWs , dem ersten „Universal“- Kombi (der mit der schönen „woody- Karosserie) aufgewachsen ist, vielleicht nicht weiter verwunderlich.
    Aber Spaß macht es natürlich schon !
    Das lernte ich ausgiebig kennen, als wir den DKW F 5 Roadster ( der zweifellos mit dem Tornax um den Titel des „britschsten“ aller deutschen Roadster konkurriert, hält er doch weder Gepäckfach noch „Tick, Trick u. Track- Sitz“ bereit) aus Deutschlands prominentester Dkw- Sammlung zur „technischen Optimierung“ in
    der Mache hatten und ich Gelegenheit für ausgiebige Probefahrten hatte. Aber auch die Schattenseite (besser: nasse!) lernte ich kennen, wenn ‐ trotz eingesetzter Steckscheiben der Regen rein drückt und gleichzeitig die
    Windschutzscheibe beschlägt und das Pausenbrot nass wird!
    Seinerzeit – vor meiner Zeit – hielt man bei einem Gewitterschauer unter einer Brücke oder huschte
    beim Bauern unters Scheunendach und wurde mit einem Glas Milch bewirtet, war man nett und die Braut hübsch genug…
    Der Tornax hatte zwar im Gegensatz zum DKW Roadster eine erheblich breitere Spurweite bekommen, litt aber ebenso wie dieser unter dem Haupt- Manko aller Zweizylinder- DKWs, der „Dreigängigkeit“, die wirklich sportliches Fahren zur Nerven- Strapatze mit ständigem Kolbenklemmer- Risiko machte.
    Ein Viergang- Getriebe wurde zwar Mitte der Dreißiger Jahre
    projektiert, aber vom – unsportlichen – Vorstand der AU
    standhaft verweigert, eben so übrigens wie die SIGLA – Scheibe
    für die billigen Reichsklasse- Modelle !

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