Entgegen des Titels sollen beim heute präsentierten Foto keineswegs nur Sachsenherzen höher schlagen – auch wenn es im Wesentlichen darum geht.
Bei der Gelegenheit darf ich daran erinnen, dass das Herz der deutschen Autoindustrie in der Vorkriegszeit – speziell in den 1920er/30er Jahren mitnichten im Westen schlug. Die größte Konzentration an Marken fand sich in Mitteldeutschland.
Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass – von Berlin abgesehen – in den deutschen Großstädten nur wenige bis gar keine Autofirmen existierten. Ob in Hamburg, Köln, München, Dresden oder Breslau – dort fanden sich nur vereinzelte Hersteller.
Die technische Kreatitivät und der unternehmerische Mut gediehen überwiegend in der Provinz – so wie es nach meiner Wahrnehmung hauptsächlich die deutsche Provinz und die Mittelstädte waren, welche auch auf anderen Feldern Könner und Geistesgrößen hervorbrachten.
Ich habe mir vor einiger Zeit mit meiner besseren Hälfte den Spaß gemacht, die Liste berühmter Kölner seit dem Mittelalter durchzugehen. Gefühlte 90% Kirchenleute und Karnevalisten waren das – zuviel, um aus der ehrwürdigen Domstadt auch ein Zentrum von freiem Denken, großer Kunst und moderner Technik zu machen.
Also flugs zurück nach Sachsen – der Heimat von Komponisten wie Bach, Schütz, Telemann, Schumann und Wagner, von Malern wie Caspar David Friedrich und Ernst Ludwig Kirchner, von Denkern und Literaten wie Leibniz, Lessing und Karl May (kleiner Scherz), sowie Technikern wie Friedrich Siemens, Konrad Zuse und: August Horch!
Nachdem wir dies geklärt haben, geht es nun zur Sache – die Mitte der 1930er Jahre keinesfalls nur Sachsenherzen höher schlagen ließ. Die Rede ist wieder einmal vom Tornax „Rex“ – einem hinreißend radikalen Roadster, der angeblich nur 168mal gebaut wurde.
Mir kommt diese Zahl recht niedrig vor, denn heute habe ich wieder ein bis dato unveröffentlichtes Foto davon aufgetan. Übrigens: Ich bringe hier ausschließlich Originalaufnahmen aus meinem Fundus oder aus dem von Sammlerkollegen.
In diesem prächtigen Fall liegt mir sogar das originale Negativ vor:

Zunächst einmal, liebe Leser, halten wir inne: Ist das nicht ein wunderbares Foto, das die Sehnsucht nach einem sonnigen Tag auf dem Lande weckt?
Die Schatten der Alleebäume auf der Piste, das frisch angehäufte Heu auf der Wiese daneben – in der Ferne reine unverbaute Landschaft, im Tal geduckt ein Dorf – und dann fast beiläufig der sportliche Zweisitzer mit tiefen Türausschnitten, endlos langer Haube und mit den Vorderrädern mitdrehenden „Cycle-Wings“.
Hier schlägt das Herz des Vorkriegsautofreundes höher. Das ist ein Idyll wie aus dem Prospekt – und es war vor rund 90 Jahren für einen Moment Wirklichkeit. Wir genießen das Privileg, nach so langer Zeit wieder in diese Situation einzutauchen.
Weshalb auch – aber nicht nur – die sächsischen Landsleute hier und heute besonderes Herzklopfen verspüren sollten, das hatte zwei Gründe.
So hatte eine Motorradfirma aus Wuppertal namens Tornax 1934 einen Roadster mit dem Zweitaktantrieb des sächsischen DKW F2 „Meisterklasse“ auf den Markt gebracht, dessen sportliche Linienführung der Firma Hebmüller zu verdanken war (siehe hier):
Der nur 700ccm „große“ Zweizylindermotor von DKW wurde moderat leistungsgesteigert, sodass in dem Sachsenherz satte 23 PS klopften. Was nach wenig klingt, war in Verbindung mit niedrigem Schwerpunkt und optimiertem Fahrwerk ein echtes Sportgerät.
Beherzt gefahren bot der Tornax „Rex“ königliches Fahrvergnügen, wie bei zeitgenössischen Wagen vor zuletzt 20 Jahren im Fall des Smart Roadster (ebenfalls mit 700ccm Hubraum).
Tempi passati – im unteren bis mittleren Preissegment wollen die Leute nur noch praktische Autos, wohl aus der sich in die deutsche Mittelschicht fressenden materiellen Not heraus.
Also bleiben wir bei dem Traumbild von einst – ganz gleich wie besch….en die Zeiten in politischer Hinsicht für viele in deutschen Landen damals auch waren.
Vor allem Sachsenherzen höherschlagen lässt mein heute präsentierter Fund wohl auch deshalb, weil er eine Ikone der Sächsischen Schweiz zeigt – den Tafelberg Lilienstein:
Sollte ich nicht ganz im Ziel liegen – solche Naturwunder gibt es im Elbsandsteingebirge ja einige – sehen es mir die sächsischen Leser bitte nach und korrigieren mich.
Was den Wagen mit dem Sachsenherz angeht, bin ich mir dagegen sicher, und sicher bin ich mir auch, dass dieser den Puls der Vorkriegsautoliebhaber im Rest der Republik höherschlagen lässt.
Denn so so hinreißend auf Wirkung und Fahrvergnügen reduziert und von unbekannter Hand so brilliant in Szene gesetzt – das weckt die positiven Leidenschaften, die zum Leben gehören.
Dass ich nach so langer Zeit heute das Negativ in Händen halte, das sich einst in der Kamera befand, welche diese Aufnahme machte – das lässt nun auch mein Herz höher schlagen…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.