Zu allen Zeiten ist gegen den Luxus gewettert worden: Als unnötiger Ballast, Ablenkung vom Wesentlichen, Verschwendung von Ressourcen usw. wurde und wird er angeprangert. Interessant dabei: Den Appell zum Maßhalten und Verzicht vernimmt man meist von Zeitgenossen, die selbst in komfortabelsten Verhältnissen leben, oft auf Kosten anderer.
Dass Besitz von schönen, nicht notwendigen, aber verführerischen Dingen per se nicht glücklich macht, ist eine Binse – für solche Erkenntnisse bedarf es keiner Propheten, Philosophen oder Politiker. Aber man könnte es doch dem Einzelnen selbst überlassen, für sich herauszufinden, mit wie viel oder wenig Luxus er sein Dasein zubringen möchte.
Offen gesagt ist mir jeder geschmacklose Geldprotz lieber als die meist freudlos und finster dreinblickenden Verfechter radikaler Verzichts-Religionen. Tatsächlich beginnt die Existenz des Menschen als Kulturwesen mit dem Überwinden der blanken existenziellen Not: Die Höhlenmalereien unserer altsteinzeitlichen Vorfahren sind die erste Kunde davon.
Bildende Kunst, Musik, Tanz und Dichtung – alles überflüssig, nicht wahr? Ornament, Farbe und Proportion – ist doch unerheblich, auf die Funktion allein kommt es an, oder?
Zum Glück ticken nur ideologisch vernagelte Charaktere so. Wer nach Paris fährt, wird gewiss nicht die inhumanen Massenunterkünfte in den Vororten besichtigen wollen, deren Konzept wir den gefeierten Erfinder der sogenannten Moderne „verdanken“.
Luxus ist ja streng genommen bereits, Zeit für Spiel und Spaß zu haben. Wer kann so grausam sein, den Menschen das als unnötigen, gar schädlichen Tand auszureden? Leider gab und gibt es solche Versuche immer wieder; wir müssen diesbezüglich wachsam sein.
Warum diese Vorrede? Weil sich schon bei einem an sich unnötigen Gegenstand wie dem Automobil Zeitgenossen fanden und finden, welche alles jenseits des reinen Rationalismus verwerfen. Wie arm wären wir dran, wenn sich das durchsetzte!
Ganz erschrocken schaut uns diese junge Dame bei dem bloßen Gedanken an, dass man ihr und ihrem Fahrzeug vorwerfen könnte, man habe unnötigen Aufwand auf das Erscheinungsbild verwendet und dabei grob unvernünftig gehandelt:

Haben Sie schon einmal eine so extrem niedrige Frontscheibe an einem deutschen Cabriolet gesehen, das kein reiner Sportwagen ist?
Völlig unpraktisch und damit vernunftwidrig natürlich – erst recht bei geschlossenem Verdeck. Dann im Kontrast dazu die riesigen Chromscheinwerfer, muss das so auffallend sein? Und die junge Dame, hat die sich etwa auch die Augen großgeschminkt?
Alles Teufelswerk, weg damit, wir sind jetzt radikal modern, wissen alles besser und sind nur noch vernünftig! So mag mancher nach der Katastrophe des Nationalsozialismus gedacht haben, als dieses Foto entstand, nämlich in den 1950er Jahren.
Dummerweise verstand sich gerade die nationalsozialistische Ideologie als knallmodern. Sie wollte mit alten Zöpfen Schluss machen wie etwa dem Individuum, das seine Ziele und Ideale selbst setzte und verwirklichte. Die vermeintliche bürgerliche Beschränktheit der Fachwerkaltstädte sollte großen Plänen weichen (die ab den 1950ern umgesetzt wurden).
Die Unterordnung allen Lebens unter die nackte „Notwendigkeit“ der deutschen Kriegswirtschaft zeichnete sich bereits ab Mitte der 1930er Jahre ab, als der Einsatz von Chrom bei Automobilen beispielswiese zunehmend reglementiert wurde.
Ein deutsches Fahrrad aus Kriegsproduktion illustriert, wohin die Beschränkung auf’s Notwendige führt – so ein komplett schwarzer Drahtesel ist zwar heute für Sammler bedeutend, aber an Tristesse kaum zu überbieten.
Umso faszinierender ist zu beobachten, dass es ausgerechnet im nationalsozialistischen Deutschland abseits staatlicher Kontrolle zu einem Feuerwerk an völlig unvernünftigen Automobilkreationen kam, deren Form, Farbgebung und Ausstattung der reine Luxus war.
Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist der auf dem Foto von Klaas Dierks abgelichtete Stoewer des Frontantriebstyp R-140 bzw. R-150, der von 1932-35 gebaut wurde.
Die extrem niedrige Windschutzscheibe war dem Sport-Cabriolet vorbehalten, das zwar ebenfalls nur über den 1,5 Liter-Vierzylinder der Serienausführung mit 30 bzw. 35 PS verfügte, aber mit seiner rasant wirkenden Karosserie Luxus pur verhieß.
Vor einigen Jahren ist es mir gelungen, eine Aufnahme zu ergattern, welche dieses äußerst rare Fahrzeug in ganzer Pracht zeigt:
Genau so – bloß in dunkler Lackierung gehalten – müssen wir uns den Stoewer vorstellen, mit dem die junge Dame auf dem eingangs gezeigten Foto in einer Nachkriegswelt unterwegs war, welche von überlebenden Alltagswagen der 1930er Jahre bzw. darauf basierenden Konstruktionen geprägt war.
Ich könnte mir vorstellen, dass die sorgfältig zurechtgemachte junge Dame damals durchaus argwöhnische Blicke erntete: „Muss das wirklich sein, so aufgedonnert mit einem 2-sitzigen Cabriolet umherzufahren und dann noch zum reinen Vergnügen?“
Ja, so lautet mit einigen Jahrzehnten Verspätung meine Antwort.
Das muss genau so sein und wir sollten uns möglichst viel dieses hart erarbeiteten Luxus gönnen – er ändert zwar nichts an den tragischen Grundaspekten des Lebens, aber er lässt uns manches besser ertragen, bisweilen auch vergessen.
Die Beschäftigung mit solchen Vorkriegsautos ist für mich daher stets auch ein Lob des Luxus, der unser Dasein verschönert und bereichert.
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.