Auf dem Weg ins Kloster: Ein Dürkopp von 1913

Der Gang ins Kloster war und ist für viele eine Entscheidung für’s Leben, eine ernstgemeinte Flucht aus der banalen Alltagswirklichkeit ohne Wiederkehr.

Man braucht kein gläubiger Christ zu sein, um dies zu respektieren. Denn der in einem geistlichen Orden zu findende Seelenfrieden wird durch Verzicht auf das meiste erkauft, was uns das Leben versüßt.

Mein Paderborner Großonkel Ferdinand war ein dem Leben zugewandter, heiterer und großzügiger Mensch. Was ich als Jugendlicher nicht verstand, war seine Leidenschaft für das fromme Leben der Franziskaner und Klarissen. Öfters in den 1960er und 70er Jahren war er ins umbrische Assisi gepilgert, wo beide Orden ihren Ursprung hatten, das wusste ich.

Heute reise ich selbst mehrere Male pro Jahr nach Umbrien, das grüne Herz Italiens, das mir ans Herz gewachsen und zur zweiten Heimat geworden ist. Ein Besuch in Assisi gehört jedesmal dazu und selbst wenn man sie x-mal gesehen hat, sind die Stätten des Wirkens des Heiligen Franz ergreifend, auch wenn man der Amtskirche längst den Rücken gekehrt hat.

Basilica di San Franceso, Assisi (Umbrien), November 2022

Vermutlich ist ein altes Kloster für die meisten mehr als ein bloßer Ausflugsort, auch wenn sie vielleicht „nur“ wegen eines Konzerts oder zur erbaulichen Gestaltung des Wochenendes dorthin fahren.

Man spürt dort etwas vom Sehnen des Menschen nach etwas, das über ihn selbst und seinen Alltag hinausgeht – so unbestimmt es auch sein mag.

Auch unser heutiger Fotoausflug zu einem alten Kloster erschöpft sich nicht in der Bewunderung der meisterhaften und dauerhaften Architektur, der Schönheit der Formen, der oft rätselhaften Bildwelt, der friedvollen Atmosphäre.

Vielmehr offenbart sich uns vor erhabener Kulisse etwas, das zwar nur eitles Menschenwerk ist, aber dennoch auf himmlische Weise geeignet ist, manchen in Verzückung zu versetzen:

Dürkopp von 1913; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch der abgeklärteste Kenner von Altautofotos wird hier innerlich niederknien – denn viel perfekter lässt sich so eine Idylle nicht inszenieren.

An einer Kehre vor der Kulisse einer mächtigen Klosteranlage steht mittig platziert und aus idealem Winkel aufgenommen ein Tourenwagen aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg.

Dem Fotografen ist nicht nur der Bildaufbau vollkommen gelungen. Eine glückliche Fügung – oder war es himmlischer Segen? – hat ihm auch noch eine Gruppe Kinder beschert, die am linken Bildrand in vorbildlich frommer Pose ausharren.

Ein Maler hätte sich das nicht besser ausdenken können, bloß dass er statt eines Automobils die Kutsche feiner Herrschaften auf die Leinwand gebannt hätte.

Genug des Schwärmens – im Orden der Vorkriegsauto-Anbeter wird auch strikte Einhaltung der Regel verlangt, wonach ein solches Fahrzeug möglichst genau zu identifizieren ist.

Zum Glück müssen wir dazu nicht lange in alten Folianten wälzen, denn uns ist diese Erscheinung auf vier Rädern wohlvertraut. Vor knapp einem Jahr haben wir uns auf deren Spuren hier schon einmal auf automobile Wallfahrt begeben.

So können wir routiniert herunterbeten, dass dieser Wagen ein Dürkopp sein muss – die Gestaltung des Kühler lässt keinen Zweifel, auch wenn die Herstellerplakette nicht erkennbar ist oder fehlt:

Allerdings bemerken wir kleine Unterschiede zu dem Fahrzeug, das wir einst als Dürkopp um 1912 identifiziert haben. Dazu zählen vor allem die seitlich angebrachten elektrischen Standlichter und die nun stärker abgerundeten Vorderkotflügel.

Rahmen und Vorderachse scheinen dagegen – soweit erkennbar – identisch zu sein. Vermutlich haben wir es daher mit einer äußerlich nur leicht modernisierten Version des Dürkopp zu tun, den wir seinerzeit als Typ NG 10/30 PS angesprochen hatten.

Man ist geneigt, diese Ausführung auf 1913 zu datieren, da ab 1914 eine neue Kühlerform bei Dürkopp Einzug hielt.

Wie im Fall höherer Wesen, die uns beobachten und lenken oder uns vielleicht auch einfach ignorieren, lässt sich nichts davon beweisen. Letztlich bleibt die Ansprache solcher Erscheinungen aus längst vergangenen Zeiten stets auch ein wenig Glaubenssache.

Merkwürdigerweise hat es etwas Kontemplatives, wenn man sich in das Studium dieser historischen Gefährte versenkt. Vermutlich ist es die Mischung aus Geheimnisvollem und dem Alltag Entrückten, welche diese Form der Ikonenanbetung so erbaulich macht.

Bleibt am Ende die weltliche Frage, vor welchem Kloster dieser Dürkopp denn einst auf so erfreuliche Weise für die Nachwelt festgehalten wurde. Der Wagen scheint im Raum Düsseldorf zugelassen gewesen zu sein.

Doch im Rheinland konnte ich kein Kloster ausfindig machen, dessen Kirche genau so aussieht. Kloster Marienstatt kommt dem zwar sehr nahe, aber mehr auch nicht.

Also: Wer hat eine Eingebung oder – noch besser – gefestigtes Wissen, was den Ort dieser Aufnahme angeht? Vielleicht können wir dem einen oder anderen Pilger dann den brennend heißen Wunsch nach Erkenntnis zumindest in dieser Hinsicht erfüllen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

10 Gedanken zu „Auf dem Weg ins Kloster: Ein Dürkopp von 1913

  1. Guten Morgen Herr Schlenger,
    Schon einmal mit Kloster und Abtei Altenberg bei Burscheid im Bergischen Land verglichen?
    Viele Grüße aus Sachsen
    Matthias Hühn

  2. Auf die Zisterzienser war ich auch zunächst gekommen (kenne das Kloster Eberbach im Rheingau ein wenig). Habe den Gedanken dann aber nicht weiter verfolgt. Danke für die Lösung!

  3. Orte finden mach mir natürlich wieder einmal Spaß und weck den Ehrgeiz 😉 ich würde den Dürkopp in der nähe von Köln vermuten. Und zwar vor dem Altenberger Dom im Odental. Ich bin gespannt ob sie dem zustimmen, aber bin mir schon ziemlich sicher.Viele Grüße aus Dresden Peter Oesterreich

  4. durch die Überlegung, dass Dachreiter-Türmchen typisch für Zisterzienzer-Klöster sind, bin ich in Wikipedia auf den Altenberger Dom im Bergischen Land gestoßen. Dort sollte das Foto entstanden sein.

  5. Die Kirche dürfte der Altenberger Dom im Bergischen Land bei Odenthal sein, schon damals ein beliebtes Ausflugsziel. Das passt auch zum in der Rheinprovinz zugelassenen Dürkopp.

  6. Ja, ein Dürkopp ist wirklich ein sehr rares Eisen. An dem Motor eines Dürkopp 1908 aus dem Automuseum Fichtelberg versucht man isch gerade im Reparieren bzw. Neuaufbau – extrem aufwändige Sache.

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