Beinah‘ ein kleiner Rolls… DKW Typ P 15 PS

Heute trägt er aber besonders dick auf, unser „Blog-Wart“ – um die Wortschöpfung eines geschätzten Lesers zu verwenden. So mag jetzt der eine oder andere unter Ihnen denken.

Und die DKW-Freunde werden ohnehin der Meinung sein, dass ihre zweitaktenden Lieblinge solche Vergleiche gar nicht nötig haben. „Macht er sich am Ende lustig über DKWs erstes Serienautomobil?“

Nein, mit Spott bedenke ich regelmäßig nur das von manchen für ein Auto gehaltene „Kommissbrot“ von Hanomag – was mich nicht davon abhält, demnächst wieder einige Fotos auch dieser abwegigen Konstruktion zu zeigen, denn das verlangt die Chronistenpflicht.

Wie man vom 1928 vorgestellten DKW Typ P 15 PS ausgerechnet auf Rolls-Royce kommt, das will ich heute vorführen und vielleicht verstehen Sie am Ende, wie diese Idee entstand.

Beginnen wir zunächst mit einem schönen Dokument, welches mir Leser und DKW-Spezialist Volker Wissemann in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat. Es zeigt den vierrädrigen Erstling des renommierten Motorradherstellers in der Ausführung als zweisitziges Cabriolet:

DKW Typ P 15 PS, 2-Sitzer-Cabrio; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Man mag die Motorisierung des DKW mit gerade einmal 600ccm messendem Zweizylindermotor belächeln – Ende der 1920er Jahre war das an sich nicht mehr zeitgemäß.

Doch die Zeiten waren schwer und mit diesem Gerät konnte man die höhere Hubraumsteuer konkurrierender Modelle von Opel, Hanomag und Dixi unterbieten.

Hinzu kam die extreme Einfachheit der Zweitaktmotoren, welche vom Motorrad her kommenden Erstkäufern entgegenkam. Ansonsten sprach eigentlich nichts für den kleinen DKW – weder beim Kaufpreis noch in der Leistung bot er Vorteile.

Nicht einmal einen soliden Stahlrahmen bot er – die Karosserie bestand aus einem selbsttragenden Holzkorpus. Bei DKW wusste man wohl um die Nachteile des Konzepts und so scheint man besondere Sorgfalt auf die Gestaltung gelegt zu haben.

Tatsächlich war der kleine DKW – wie die meisten seiner Nachfolger – durchaus attraktiv gezeichnet. Kein anderer deutscher Hersteller sollte in der Kleinstwagenklasse Autos bauen, die so erwachsen und wohlproportioniert wirkten.

Speziell die einfachste Version – der offene Zweisitzer mit leichtem Roadsterverdeck – erschien geradezu sportlich:

DKW Typ P 15 PS Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir übrigens ein ganz frühes Exemplar, bei dem das DKW-Emblem noch nicht auf einer etwas vorspringenden Fläche auf dem Kühlergehäuse angebracht ist.

Dass hier bei allen Qualitäten gestalterisch noch Luft nach oben war, das mag der ein odere andere Besitzer schon damals festgestellt haben.

Tatsächlich hatte sich ein unbekannter DKW-Fahrer vorgenommen, seinen kleinen 15 PS-Wagen gleich um mehrere Klassen aufzuwerten.

Vermutlich hat er unter der Haube alles beim alten gelassen, doch mit geschickten Modifikationen hat er dafür gesorgt, dass sein Wagen auf den ersten Blick wie ein kleiner Rolls-Royce daherkam:

DKW Typ P 15 PS, modifizierter Zweisitzer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wäre da nicht immer noch das DKW-Logo auf dem Kühler, könnte man dieses offene Exemplar doch glatt für eine Miniaturausgabe des Rolls-Royce Phantom I halten, von dem es damals auch Roadster-Ausführungen gab.

Dieser Effekt ist vor allem auf zwei Elemente zurückzuführen:

Das eine sind die riesigen Chrom-Scheinwerfer, welche sicher von einem weit größeren Fahrzeug stammten. Das andere ist die schräggestellte Frontscheibe, die ich so noch nie beim DKW 15 PS gesehen habe.

Die beiden Damen sitzen weit hinten auf der ausklappbaren Rückbank, welche sich ganz am Ende befindet – noch hinter der Dachabschluss. Dadurch erscheint das Auto weit größer, als es wirklich war.

Wie sich die tatsächlichen Verhältnisse darstellten, wird einem schlagartig klar, wenn man das Originalfoto in seiner Gesamtheit betrachtet:

Man ist beinahe enttäuscht – die Illusion eines Rolls-Royce „en miniature“ war doch zu schön und nun hält die schnöde Wirklichkeit wieder Einzug.

Dennoch meine ich, dass dies ein sehenswertes Beispiel für meine These ist, dass es bei historischen Fahrzeugen nicht nur „den“ einen Originalzustand gibt, welchen ein Auto beim Verlassen der Fabrikationshalle für ohnehin meist nur kurze Zeit aufwies.

Nein „original“ im Sinne von historisch authentisch ist daneben auch jeder Zustand, in welchem die Wagen einst nachweislich im Alltag unterwegs waren – also mit zeitgenössischen Extras, individuellen Umbauten, nutzungsbedingten Beschädigungen und späteren Veränderungen, die einem Mangel an Ersatzteilen oder neuen Vorschriften geschuldet waren.

Jedenfalls würde ich den heute vorgestellten DKW – wenn er sich denn so erhalten hätte – auch genau in diesem Zustand belassen, nicht zuletzt deshalb weil er dadurch ein ganzes Stück nobler wirkt als die serienmäßige Variante.

Erwähnt sei abschließend noch die „geknickte“ Scheinwerferstange, die ebenfalls nicht der Serie entsprach. Ob diese selbst fabriziert oder von einem anderen Wagen „ausgeliehen“ war, das sei dahingestellt.

Bei einer Frage können Sie mir aber vielleicht noch helfen: War dieser DKW denn nun ein Roadster – dafür würde die einteilige Frontscheibe sprechen – oder ein zweisitziges Cabrio – worauf eine ansatzweise zu erkennenden Sturmstange an der Seite hindeutet?

Und wie immer gilt: Jeder Kommentar auch zu Aspekten, die ich übersehen oder falsch interpretiert habe, ist willkommen. Nur was den Titel „Beinah‘ ein kleiner Rolls…“ angeht, bin ich unbelehrbar – das Teil wirkt einfach so auf mich, und das ist als Kompliment gemeint…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

5 Gedanken zu „Beinah‘ ein kleiner Rolls… DKW Typ P 15 PS

  1. Kleiner Nachtrag noch für den geneigten Leser:
    Diese ominösen Zier- und vor allem auch Deckleisten (zur Abdeckung und Dichtung von Materialstößen, die man meist an Holz- Gemischt- oder Sonderkarossen nicht vermeiden konnte.
    Sie waren aus Messing gezogen (mit hauchdünner Chromschicht, daher meist abgepflegt im heutigen Erhaltungszustand)
    Später, als man das billigere Alu
    strangpressen konnte ( Anfang der Dreißiger) dann aus diesem.
    Sie wurden mittig gebohrt und angeschraubt oder (auf Holz) genagelt. Es gibt diese ja auch heute noch als Meterware mit verschiedenfarbigen Deckprofil aus PVC zum einziehen in die Schwalbenschwanzförmige Nut, die die Schrauben- oder Nagel- Köpfe aufnimmt.
    Ja – aber: gabs denn PVC damals schon?
    Nein, natürlich. Das kam erst nach WK II in die Massenfertigung.
    Vorläufer waren hier halbrund warm gepresste Papierschnüre,
    Mit schwarzem Buchbinderleinen umklebt und
    In die Nut eingezogen.
    Ich hab das selbst schon rekonstruiert an dem im Net. zu findenden blauen V 1000 mit Diepholzer Kennz. Das Papierprofil konnte ich zum Glück retten, den angefallenen und nach 80 Jahren total verhärtet Leinenstreifen natürlich nicht!
    Hier half aber das genauso aussehende Tesa- Band
    Alles wie neu!
    Übrigens: das Buchbinderleinen
    In verschiedenen Farben wurde im alten Karosseriebau vielfach zu Garnierzwecken im Innenraum verwendet, neben der
    sog. Lederpappe….

  2. Und wehe, man öffnete die imposante Motorhaube ! Viel Luft, sah aus als hätte einer beim Motorausbauen die Lichtmaschine vergessen ..
    Die zähe, unwillige Lenkung. das widerspenstige Getriebe voll Ambroleum – Das Fahren war anstrengend. Aber die Dinger waren, gut gefahren, ganz schön flott für Hubraum und Leistung !!!

  3. Eine ernüchternde Analyse, aber leider wahr! Die Kotflügelschürzzen hatte ich auch bemerkt, aber zu erwähnen vergessen…

  4. Einspruch, Euer Ehren !
    Etwas RR- ähnliches kann ich an dem offenbar schon etwas an- gejahrten kleinen DKW nicht erkennen…
    Im Gegenteil: eher etwas vernachlässigt steht er da zufüßen seines Herrn mit dem auf die billige Tour geflickten Kühlerblock (d.h. undichte Bereiche wurden einfach mit Lot zugeschwemmt)
    und dem wild zusammenge- hauenen Verdeck (vergl. Bild 1) .
    Das verchromte Paar Scheinwerfer entsprach der Ausrüstung des großen 4- zylindrigen Bruders V 1000, auch die zur Anpassung an die kleineren Abmaße geknickte Chromstange finden wir hier.
    Die Radkapseln mit den Halteringen sind Zubehör, gebastelt sind die modischen Kotflügelschürzen.
    Und die niedere Windschutzscheibe gab’s damals im Zubehörhandel – das hatten wir ja schon durchgenommen.
    Nur: wie sollte das Verdeckgestell an dieser Scheibe Halt finden?
    Stirnrunzeln verursacht hingegen das Fehlen der genagelten Gürtellinie, die die Linie der Haubenleiste über die Karosserie fortsetzen soll. Hier ist sicher schon „überarbeitet“ worden, die mit Kunstleder bezogenen Sperrholz- Flächen mit Dünnblech verkleidet, wie es oft geschah bei den Holzkarossen. Man weiß heute nicht mehr, daß damals in jedem
    Kleinstädchen Blech- Klempner ihr Handwerk ausübten, die sowas ausführten – wenn es Kunden gab, die das bezahlen wollten….

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