Der fesche Herr fährt Brennabor: Typ Z 6/25 PS

Heute steige ich ohne Vorgeplänkel mit einer kühnen These ein – ermutigt durch die mich dabei begleitende Tondichtung „Ein Heldenleben“, welche Richard Strauss 1898 fertigstellte.

Die für solche Werke idealen Wiener Philharmoniker besorgten meine bevorzugte Einspielung von 1989. Diese hat nebenbei den Charme, dass anschließend noch Arleen Auger die magischen „Vier Letzten Lieder“ des Komponisten singt, mit denen 1948 die späte Klassik (oder Romantik) ihren Endpunkt fand (Telarc CD-801080).

Von diesen Gipfeln führt uns der Weg freilich in die Niederungen des automobilen Alltags, wie wir gleich sehen werden. Doch auch dort finden sich bisweilen Zeugnisse, welche anschaulich machen, dass der Mensch auch das banalste Fahrzeug zu adeln vermag.

Bevor wir dazu kommen, muss ich Sie mit weiterem Bildungsballast behelligen. Vielleicht ist dem einen oder anderen noch das Attribut „fesch“ geläufig, welches ich im Titel meines heutigen Blog-Eintrags verwendet habe.

Die jüngere Generation würde stattdessen vermutlich „hip“ oder etwas anderes sagen, was ich als Vertreter der 69er Fraktion nicht mehr kenne. Doch gemeint ist stets dasselbe, nämlich, dass jemand erkennbar besonderen Wert auf modische Erscheinung legt.

So entstand im 19. Jh. aus dem englischen Wort „fashionable“ im deutschen Sprachraum durch Verkürzung die Bezeichnung „fesch“ für alles, was der neusten Mode entsprach.

So sehr neue Moden stets erst einmal für Aufregung im Establishment sorgten, so zuverlässig erwiesen sie sich im Rückblick meist als geschmackvoller und ansehnlicher Ausdruck neuer Tendenzen und neuer Weisen der Selbstdarstellung.

Hier haben wir ein schönes Beispiel dafür, meine ich:

Brennabor Typ Z 6/25 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der brave Lieferwagen auf Basis des Brennabor Typ Z 6/25 PS von 1928/29 ist hier kaum der Rede Wert. Das Beste an ihm ist der Aufbau mit Beschriftung in feiner Fraktur.

Dieses Gefährt diente offenbar der Weiterverteilung der Bautzener Nachrichten im Umland der beeindruckenden Stadt im östlichen Sachsen, die nach dem 2. Weltkrieg als Ort kommunistischer Todeslager bzw. Stasi-Gefängnisse traurige Bekanntheit erlangte.

Davon war 1930 nichts zu ahnen, als das heute vorgestellte Foto entstand. Es muss ein sonniger Tag gewesen sein, an dem der Fahrer des Wagens eine Pause zur Lektüre des von ihm ausgefahrenen Blatts einlegte.

Von alter Hand ist auf der Rückseite des Abzugs sein Name vermerkt: „Herr Adam“ steht dort lapidar. Merkwürdigerweise finde ich ihn sympathisch, obwohl ich sonst nichts über ihn weiß.

Das muss an seinem „feschen“ Erscheinungsbild liegen:

Bei der Gelegenheit registrieren wir beiläufig die zwei Reihen mit je fünf waagerechten Luftschlitzen, an denen man den Brennabor Typ Z 6/25 PS erkennt. Die Marke hatte Ende der 1920er Jahre ihre große Zeit hinter sich und war gestalterisch heillos von gestern.

Doch Herr Adam macht das alles wieder gut und verschafft dem Brennabor eine sonst kaum verdiente Aufmerksamkeit. Er hat sich sein Outfit präzise auf den Leib schneidern lassen.

Dabei wirken die aufgesetzten Taschen auf dem Jackett und die knapp sitzenden Kniebundhosen dezent sportlich. Dazu natürlich Hemd und Krawatte, sorgfältige Frisur und keinerlei Exzess. Als kleine Extravaganz allenfalls: geringelte Kniestrümpfe.

Na, meine Damen, hätten Sie sich von diesem feschen Herrn nicht gern auch die Zeitung bringen lassen? Darin stand damals gewiss nichts Besseres als heutzutage, doch der Bote machte das mühelos wett.

Und wenn man keine Ahnung hatte, was für eine von Mode und Technik längst überholte Kiste der Brennabor Z 6/25 PS damals war, dann konnte man geblendet durchaus zu dem keineswegs falschen Urteil gelangen: „Der fesche Herr Adam fährt Brennabor!

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

3 Gedanken zu „Der fesche Herr fährt Brennabor: Typ Z 6/25 PS

  1. Der Aufbau dieses Brennabor begeistert auch mich, da er so auch als Dritter im Bunde zwischen dem Eillieferwagen BMW DA2 und dem Hanomag 4/23 PS Platz gefunden hätte. Tannengrün lackiert und mit güldenen Frakturlettern stelle ich ihn mir sehr beeindruckend vor, sodaß doch dieser Brandenburger zu meinem Favorit avanciert wäre ! Denn während der Hannoveraner Lieferwagenbau zwar in Stückzahlen glänzte und der Eisenacher mit Schnelligkeit, so war es doch die ansehnliche Modellpalette an Brandenburger Nutzfahrzeugen, die von Dreitonnern und Omnibussen bis eben zum Z-Chassis reichte. Vielen herzlichen Dank für diese wunderbare Präsentation !

  2. Unser Herr Adam trägt die damals bei Berufskraftfahrern gängigen Kniebundhosen aus feinem, glatten aber strapazierfähigem Ziegenleder.
    Seine Tätigkeit mit Hilfe des flinken Brennabor- Lieferwagens wurde im Verbreitungsgebiet der Bautzener Nachrichten
    „breetfohrn“ genannt! Das heißt, er fuhr in jeder Gemeinde eine feste Agentur, meist den Dorfladen, in Städten auch mehrere Stellen an, die die „Nachrichten“ für den freien Verkauf erhielten und die Packen der hier zu verteilenden
    Exemplare für die Austräger bereithielt, deren Aufgabe im
    „Breettroochen“ bestand.
    Gleichzeitig wurden die abgegebenen (und bezahlten)
    Aufträge für alle Arten von Individual – u. Kleinanzeigen eingesammelt.
    Oftmals wurden für die jeweiligen Sorten von Anzeigen
    sinnigerweise verschiedene Vordrucke bereitgehalten, die es der Bevölkerung ermöglichten, mittels vorformulierter Passagen ihre Angebote und Gefühlsregungen kurz und klar zu formulieren, wenn nötig mit Hilfestellung des Herrn Kaufmanns.
    Dies alles auf regionaler und örtlicher Ebene zu organisieren und pünktlich (d. h. zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter) zu erledigen war die Aufgabe des tüchtigen Herrn Adam, der dabei Frühaufsteher zu sein hatte und als schneidiger
    Kraftfahrer auch optisch Repräsentant des Verlages war.
    Nur – die Damen an der Haustür lernte Herrn Adam so nie kennen, höchsten die fesche Minnie vom Kaufmann Zschorke in Zschornewitz …

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