Sollten Sie Anstoß an den oft auf Effekt bemühten Überschriften nehmen, mit denen ich meine Blog-Einträge einzuleiten pflege, dann haben Sie recht. Ich bin diesbezüglich selbst mein schärfster Kritiker.
So ist die Bezeichnung „Schnappschuss“ für das Foto, das ich heute zeigen möchte, die Untertreibung des Jahres – bisher jedenfalls. Tatsächlich handelt es sich um ein kleines Meisterwerk.
Das gilt für das abgebildete Auto ebenso wie für die Inszenierung, die irgendwann um 1950 entstand. Wann genau und wo das war, ist mir nicht bekannt. Die Rückseite des Abzugs trägt den Stempel eines Fotoladens aus Hofheim am Taunus – nicht allzuweit von meinem Heimatort Bad Nauheim in Hessen.
Doch natürlich kann die Aufnahme überall entstanden sein. Dem darauf abgelichteten Auto waren trotz nur 15 PS Leistung nahezu keine Grenzen gesetzt. In England in der ersten Hälfte der 1920er Jahre als Austin 7 entstanden, fand das enorm populäre und wie Fords Model T unverwüstliche Automobil seinen Weg auch in deutsche Lande.
Die Rede ist von der Lizenzproduktion durch die altehrwürdige Eisenacher Fahrzeugfabrik unter der Marke Dixi, welche Ende 1927 begann.
So – jetzt stellen Sie sich vor, Sie gehören zu besseren Gesellschaft in der frühen Nachkriegszeit – sagen wir um 1950. Sie sind bei Leuten auf dem Land eingeladen, die es schon wieder zu Wohlstand gebracht haben oder diesen durch den Krieg retten konnten.
Zumindest das repräsentative zweistöckige Wohngebäude aus dem 19 Jh. mit weitläufigem Garten und gekiestem Vorplatz ist erhalten geblieben und von der Beschlagnahme durch Bonzen des NS-Regimes, Bombenangriffen oder randalierenden Besatzungstruppen verschont geblieben.
Für ein Abendessen mit Kammermusik und Gesang reichen die Mittel und Beziehungen – dass der alte Flügel in den im Winter ungeheizten Räumen verstimmt ist, tut der Stimmung der Gäste selbst keinen Abbruch.
Auch für geistige Nahrung in flüssiger Form ist gesorgt und bis Tagesanbruch wird „getagt“. Draußen ist es noch kühl, doch die Sonne scheint und man macht sich irgendwann auf den Heimweg.
Dabei ergibt sich bei einem jungen Paar, das zu den Teilnehmern der Festivität gehörte, der spontane Wunsch, die denkwürdige Situation inklusive dunklen Augenringen festzuhalten.
Was sucht man sich dazu als dekorativen Hintergrund aus? Schauen Sie einfach selbst:

Ist es eigentlich völlig daneben, wenn ich hemmungslos begeistert bin von dieser Selbstinszenierung? Für mich ist das eines der eindringlichsten Autoportraits seit langem und es freut mich diebisch, dass ich es für einen einstelligen Betrag bei ebay abstauben konnte.
Der Dixi DA 3/15 PS war als Triumph Gloria von 1935 angepriesen worden, weshalb er bei den Dixi-Enthusiasten durchs Suchraster gefallen war. Da ich „offen“ suche – also alles anschaue, was es in der Billigfraktion an alten Fotos zu kaufen gibt – machte ich das Rennen.
Über diesen Fund freue ich mich diebisch, zumal ich weiß, dass ich damit einem besonderen Oldtimer-Kameraden eine Freude machen kann, in dessen „Beuteschema“ dieser Dixi DA1 3/15 PS von Ende der 1920er Jahre perfekt passt.
Die Identifikation gelingt anhand des schemenhaft erkennbaren alten Dixi-Emblems, das einen vorwärtsstürmenden Kentauren zeigt:
Wo der Wagen mit Kennzeichen aus der amerikanischen Besatzungszone Hessen (ab 1948) zugelassen war, dies festzustellen überlasse ich gern meinen Lesern. Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt! – Nachtrag: Wiesbaden!
Mir ist jetzt aber noch etwas anderes wichtig. Irre ich mich, oder hat unser Paar hier ein Selbstporträt mit zeitverzögertem Auslöser gemacht?
Eine Möglichkeit ist, dass „sie“ hier den Abzug in der linken Hand hält – man sieht allerdings das Übertragungskabel nicht.
Eine andere besteht in einem mit Zeitverzögerung arbeitenden Selbstauslöser, und die beiden wussten, nach wievielen Sekunden die Blende betätigt und das Negativ belichtet wird. Dann könnte ihre Handhaltung Ausdruck der Spannung sein, während der Selbstauslöser ablief.
Wie interpretieren Sie die Szene? Habe ich etwas übersehen? Bitte hinterlassen Sie einen Kommentar, wenn Sie eine Idee dazu haben. Auch ich habe bisweilen einen Tunnelblick.
So kann ich diese Informationen (also auch die zur Zulassung und vielleicht sogar zum Aufnahmeort) – dem Foto mit auf den Heimweg geben. Ja, Sie haben richtig gelesen.
Wie angekündigt sind wir hier Zeuge eines wunderbaren Dokuments „auf dem Heimweg“ – von der Party wie auch zu der Person, welche solchen Zeugen des deutschen Austin-Lizenzbaus Dixi DA1 3/15 PS eine ideale Heimstatt gibt.
Gemeint ist Helmut Kasimirowicz aus Düsseldorf, dem wohl hierzulande bekanntesten Enthusiasten, was dieses letzte Dixi-Modell betrifft, und Betreiber einer einschlägigen Website, die schier unerschöpfliches Material dazu zugänglich macht.
Meine Lieblingskategorie dort sind die historischen Reiseberichte. Besonders gut gefällt mir die Aufbereitung einer Italienfahrt im Dixi DA1 anno 1932.
Während das heute gezeigte Foto nun im Original die Heimreise antritt und bald in Helmut Kasimirowicz‘ Sammlung ihr Zuhause findet, mache ich mich am Wochenende selbst nach Italien auf – zwar nicht im Vorkriegsauto, aber mit derselben Reisefreude wie einst.
Es wird im Blog ein paar Tage keine neuen Einträge geben, aber kommende Woche funke ich dann direkt aus dem Süden. Der Mai in Umbrien mit seiner Blütenpracht ist eine Zeit, die alles vertreibt, was einen sonst im Alltag plagen mag. Daran will ich Sie gern teilhaben lassen…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Im Unterschied zu manchen Zeitgenossen bin ich auch dankbar für Hinweise auf Tippfehler! Ich finde selbst immer noch welche beim wiederholten Lesen…
Zeugen des deutschen Austin-Lizenbaus – für den Perfektionisten in mir fehlt ein Buchstabe.
Bitte auf folgende Webadresse verweisen: https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog
Hallo Herr Schlenger, leider haben Sie auf meine eMail vor 14 Tagen nicht reagiert – aber einmal will ich es noch versuchen.
Ich habe ein Bild Ihrer Internetseite auf einer anderen veröffentlicht und selbstverständlich auf die Bildquelle hingewiesen. Herzlichen Dank für die freundliche Erlaubnis.
Allerdings stieß ich dabei auf eine unerwartete Hürde. Sie verwenden zwei verschiedene Quellenangaben. Die in Ihren Kontaktdetails (legal notice / contact details) und den Zitierhinweisen copyright) verwendete Webadresse https://www.klassiker-runde-wetterau.com/ ist nicht erreichbar und unterscheidet sich auch von derjenigen, welche sie im Blog unter Ihren Beiträgen angeben. Ich habe daher einen direkten Link auf die Seite verwendet, auf der Sie das Bild verwendet haben. Melden Sie sich bitte, falls das nicht paßt.
Viele Grüße
G. Uscha
Am 1.5.2024 war Eröffnung:
das Museum Silberhorn Classics in Nürnberg – die 3. größte BMW-Sammlung weltweit mit vielen vielen DIXI und den kleinen BMW.
Wer nach Nürnberg kommt, sollte die Gelegenheit nutzen :
https://www.silberhorn-classics.de/
Und die kleine „48“ unter dem Bindestrich auf dem Kennzeichen belegt , daß der Wagen 1948 sofort „umgeschildert“ oder wiederzugelassen wurde , als diese neuen Besatzungskennzeichen die alten reichsdeutschen Kennzeichen ablösten . Ursprünglich sollten jedes Jahr neue Kennzeichen mit Jahrgangsprägung ausgegeben werden um so zu belegen , daß die Kraftfahrzeugsteuer bezahlt wurde .
Das wurde aber gleich wieder aufgegeben wegen des zu hohen Eisenblechverbrauchs . Dieser Rohstoff war einfach zu knapp damals ….
Und so behielten diese „48“er Schilder ihre Gültigkeit bis zur Einführung unserer heutigen DIN-Kennzeichen .
Sehe ich auch so – danke für die Einschätzung von fachkundiger Seite!
Hallo,
das Foto scheinbt nicht mit Fernauslöser, eventuell aber mit Selbstauslöser aufgenommen worden zu sein. Ein damals besonders populärer und weiterentwickelte Verteter der Gattung Selbstauslöser mit dem in diesem Kontext besonders passenden Namen „Auto-Knips“.
Schöne Grüße,
KD
Es gibt tatsächlich im Rotgau noch heute einen DA1 2 Sitzer Cabrio ….ohne Centauer , Farbe jetzt rot. . ist Mitglied im Club , Dixi IG
Ich würde in der Kategorie den klassischen Fiat 500 noch aufnehmen, was die Genialität der Konstruktion, das bemerkenswerte Platzangebot, die Klassenlosigkeit und Dauerhaftigkeit angeht. Wurde ewig gebaut und wird in Italien im Unterschied zu allen anderen historischen Kleinwagen immer noch im Alltag genutzt, wenn auch nicht mehr so oft wie einst…
nun ja, auch Donald Duck fährt einen reichlich verfremdeten „American Bantam“ mit der Nummer 313, Ein Produkt der American Austin Company mit einer opulenten Schachtel über dem Austin-A7-Chassis.
Der Austin A7 war ein Weltauto, wie das süäter nur mit Morris Minor und VW Käfer wieder erreicht wurde.
Wäre das Auto nicht so verdammt gut, praktisch, billig und extrem zuverlassig gewesen, hätte das nie so geklappt.
So ist es, selbst in den USA gab es eine Lizenzfertigung mit recht schicker Optik, da dort echte Kleinwagen nicht verbreitet waren. Dass Dixi die 1927 schon nicht mehr taufrische Konstruktion als rettenden Strohhalm nutzte, sagt viel über den Stand der damaligen deutschen Industrie (siehe auch das von Citroen „inspirierte“ Opel 4 PS-Modell. Erst DKW gelang ein eigenständiger Kleinstwagen am deutschen Markt, noch dazu mit vielen attraktiven Aufbauten und Varianten. Heute erlauben die Austin 7s immer noch einen sehr günstigen Einstieg und man bekommt alles Benötigte dafür, selbst verstärkte Motoren und sportliche Accessoires. Nicht schlecht nach 100 Jahren. Und die Briten scheuen sich nicht, diese Geräte auch im Trial-Sport einzusetzen.
Ach der Dixi DA1, der verkappte Austin 7, dem weltweiten Erfolgsauto. Den Briten ist damals ein ganz großer Wurf gelungen und es wundert niemanden, daß in der ganzen Welt lizenz-Fertigungen entstanden.
Ein winzig kleines Auto, extrem zuverlässig, erstaunlich viel Platz im Innenraum (nur nicht in der Breite), mit dem kleinen Hubraum und 15 PS immer flott unterwegs – das war der „Volkswagen“ jener Zeit.
Die BMW-„Modernisierung“ zum DA2 muß man nicht unbedingt als Fortschritt in Fahreigenschaften und Zuverlässigkeit sehen.
Herzlichen Dank! Der hervorragende Zustand war mir auch aufgefallen – hier muss viel Liebhaberei im Spiel gewesen sein.
Ja, ein 2 Sitzer Cabrio DA1 , vielleicht ein „früher“ DA1 , man sieht keine Bremsseile….. die Handbremse ging 1927 nach vorne , die Fußbremse allein auf die Hinterachse, …..später, nach Umbau auf Vierradbremse, nach vorne vier Seile, was eigentlich überwiegend schon nach 1929 üblich war. aber als Nachrüstung. Das Fahrzeug ist sonst optisch hervorragend in Schuß: Alles glänzt , die Kotflügel selten schön, kein sichtbarer Kratzer, die Vorderräder erscheinen nagelneu, neu bereift, neue Felgen – nicht die originalen Michelin Hering Felgen von 1927 und 1928 – die letzten DA1 wurden erst im Frühjahr 1929 ausgeliefert. Schnappschuß ?…… eher nicht, man muß sich schon bewusst zu zweit auf dem kleinen Platz , dem Trittbretts eines DA1 „zusammenklemmen“ , auch wenn in diesen Zeiten ein spindeldürrer Herr die körperliche Normalversion des Makulinen wohl darstellte. Man fragt sich wirklich , wie kommt man zu so einem schönen „restaurierten“ Fahrzeug in dieser schlimmen Zeit des absoluten Mangels für irgendwas? ein DA1 mit seltenen doppelten Scheibenwischern , einem besonderen Rückspiegel auf dem linken Kotflügel, einem offensichtlich neu gespeichtem 19 Zoll Rad , Motorradfelgen, die auch noch richtig gespeicht sind, mit den originalen Zugängen zwischen den Speichen für die SW 17 Radmuttern und optimalen Zugang zum Ventil . Originale Naben ,die einmal für optionale Radblenden aus Blech gedacht waren , um Anfang der „Dreissiger“ die weniger modern wirkenden Drahtspeichen zu verbergen … Funktion hatten sie ja sonst wirklich nicht.
Was für ein Bild, zur Erinnerung ? Er, im feschen dünnen Glattledermantel , sie ….. schick mit modischem übergehängten Übergangsmantel , beide mit modernen Regenschirmen ausgestattet, einem „Knirps“ ? Ein Bild von zwei feinen jüngeren Menschen , denen es offensichtlich gefällt zusammen an einem kleinen Auto fotografiert zu werden, vor dem Restaurant , vor dem Casino ? Vielleicht haben sie am nächsten Tag noch Augenringe bekommen …… ….. schön !
Vielen Dank! Eventuell kann Dixi-Spezialist Kasimirowicz herausfinden, ob der Wagen noch existiert.
Hallo Herr Schlenger, der Nummernkreis 47 gehörte in der amerikanischen Zone Hessen zur Stadt Wiesbaden.
Schöne Grüße
Dietrich Stark