Spurensuche: Beckmann-Automobile (1921-1924)

Schon neigt sich der Mai dem Ende zu, der dieses Jahr leider nicht so wonnevoll ausfällt, wie das seinem Ruf entspricht.

Mit Niederschlag satt setzt sich die Tendenz des Winters fort – man sieht wieder: Das Wetter macht letztlich, was es will und entzieht sich der Prognose über zwei, drei Tage hinaus.

Wenn man nun meint, dass sich in der Vergangenheit mehr Gewissheit findet, der irrt. Das gilt zumindest im Hinblick auf viele verblichene deutsche Automarken, über die nach wie vor viel zu wenige Informationen in geordneter Form vorliegen.

Dass man daran etwas ändern kann, das zeigt die virtuelle Reise auf den Spuren der Breslauer Automarke Beckmann, die ich gemeinsam mit dem vor 80 Jahren noch in Schlesien geborenen Beckmann-Nachfahren Christian Börner seit bald einem Jahr in diesem Blog unternehme.

Die letzte Folge brachte uns in die Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg – daran knüpfen wir heute an.

Das Kriegsende bedeutete bei aller Erleichterung über das Ende des Gemetzels an der Front für den Großteil der Bürger in Deutschland neue Härten – Hunger, drohenden Bürgerkrieg, wirtschaftliche Ausplünderung durch die Siegermächte, nicht zuletzt explodierende Inflation. Ich übergebe nun an Christian Börner:

„Der Wiederanlauf der Produktion von Automobilen verlief zäh, die einst zahlungskräftige Kundschaft der gehobenen Mittel- und Oberschicht war ausgedünnt.

Die Hersteller hatten ihre Belegschaften meist nicht auf dem Vorkriegsstand halten können. So erging es auch Beckmann. In ihrer Blütezeit – etwa von 1907 bis 1912 – hatte die Breslauer Firma bis zu 500 Beschäftigte; nach dem Krieg waren es nur noch 200, Tendenz fallend.

Wie bei anderen deutschen Fabrikaten wurde produktionsseitig erst einmal an Bewährtem angeknüpft. Wieder angeboten wurde der robuste 8/20 PS-Vierzylindermotor in Monoblock-Bauweise mit 2,1 Litern-Hubraum. Er sollte es auf elf Produktionsjahre bringen (von 1912 bis 1922), wobei es auch eine modernisierte Version 8/24 PS gab.

Mit diesem Aggregat bewegte sich Beckmann auf Augenhöhe mit dem ebenfalls noch vor dem Krieg entwickelten Benz 8/20 PS – nun in Verbindung mit einer Linienführung, die um 1920 typisch für den deutschen Karosseriestil war:

Beckmann 8-20 PS Tourenwagen aus Prospekt von 1920; via Christian Börner

Modisch war in deutschen Landen – und auch bei den österreichischen Nachbarn – die Verwendung eines mehr oder weniger schnittigen Spitzkühlers, aber auch die markante Zweifarblackierung mit dunkel vom Wagenkörper abgesetzter „Schulter“ (so der Fachbegriff) fand sich damals öfters.

In meinem Fundus an unveröffentlichten Fotos jener Zeit befindet sich diese Aufnahme, die ein dem Beckmann von Anfang der 1920er Jahre sehr ähnliches Automobil zeigt. Das könnte glatt ein solcher Typ 8/20 PS aus Breslauer Fertigung sein, fehlte hier nicht das ovale Markenemblem auf dem Kühlergehäuse:

Beckmann-ähnlicher Tourenwagen um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme soll illustrieren, wie wahrscheinlich es ist, dass sich auf den vielen tausenden erhaltenen Autofotos dieser Epoche noch der eine oder andere bislang unerkannte Beckmann-Wagen versteckt.

In dem Zusammenhang wären speziell Aufnahmen oder Prospektabbildungen nützlich, welche die Kühlerpartie von Beckmann-Autos aus so einer Perspektive zeigen.

Bei Beckmann blieb man angesichts der Konkurrenz stärkerer 30 PS-Modelle von Apollo, NAG, Presto, Protos und Selve nicht untätig und bot ab 1919 auch einen 10/30 PS-Vierzylinder an. Laut Christian Börner war dies noch ein selbstentwickeltes Aggregat.

Verbaut wurde es insbesondere in Tourenwagen, deren Gestaltung der bereits erwähnten neuen Linie folgte – wobei man ab 1921 zu einem noch stärker ausgeprägten Spitzkühler überging. Vermutlich spiegelte dieser auch die anderen thermischen Verhältnisse des mit 2,6 Litern wesentlich größeren 30 PS-Aggregats wider:

Beckmann 10-30 PS Tourenwagen aus Prospekt von 1921; via Christian Börner

Hier sieht man nun in wünschenswerter Deutlichkeit das dem „Opel-Auge“ ähnelnde Markenemblem von Beckmann, das beiderseits der Kühlerspitze angebracht war.

An Deutlichkeit in dieser Hinsicht sehr zu wünschen übrig lässt indessen die folgende Aufnahme aus meiner Sammlung, die ich gleichwohl zeigen will, da sie einen weiteren Kandidaten für einen Beckmann-Wagen zeigt.

Außerdem ist dies ein Dokument von großem menschlichem Reiz:

Beckmann-ähnliche Pullman-Limousine um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Während die beiden kleinen Strolche auf dem Kühler allerliebst in die Kamera schauen, wirft ihnen die Mutter – oder vielleicht das für sie verantwortliche Kindermädchen – einen strengen Blick zu nach dem Motto: „Benehmt Euch bloß, sonst setzt es was!

Der wackere Chauffeur mit dem messerscharfen Scheitel und fahrertypischer „Uniform“ wahrt unterdessen die Contenance – er wusste sich selbstredend zu benehmen als gut bezahlter Angestellter bei Herrschaften, die sich solch ein Luxusautomobil leisten konnten.

An dieser Stelle schaltet sich Christian Börner ein und erinnert mich daran, dass wir besser beim Thema Beckmann bleiben, bevor ich weiter abschweife. Das kommt aber davon, wenn er sich zwischenzeitlich mitsamt Gattin nach Italien absentiert und mir die Aufbereitung des Materials überlässt – dann machen sich meine Gedanken gern selbständig.

Doch Christian Börner weiß diese von mir eingeschmuggelte Aufnahme gewiss zu schätzen, ist sie doch die ideale Vorbereitung für die nächste Abbildung eines Beckmann-Wagens der frühen 1920er Jahre:

Beckmann Pullman-Limousine von 1923/24; Original: Sammlung H. Wulff

Verflixt„, höre ich Christian Börner jetzt sagen, „wäre die Kühlerpartie auf dem Schlengerschen Foto nicht verdeckt, könnte das glatt so eine Pullman-Limousine sein wie die, welche Beckmann für eine sehr vermögende Kundschaft ebenfalls anbot.“

Diese beeindruckend dimensionierte Limousine war großzügig verglast; ich zähle 8 Seitenfenster, dazu noch die wohl zweigeteilte Frontscheibe und eine, allerdings recht kleine Heckscheibe. Macht in der Summe (mindestens) 10.

Wenn es richtig überliefert ist, besaß dieses Luxusgefährt den nach dem 1. Weltkrieg neu entwickelten Beckmann-Motor 12/40 PS. Die Karosserie stammte allerdings nicht aus dem Hause Beckmann sondern von der bekannten Firma Schebera aus Rostock.

Was die Besitzer einst für dieses repräsentative Automobil auf den Tisch geblättert haben, sei dahingestellt. Vielleicht brachten sie mit dem Kauf noch einige Milliarden Mark in Sicherheit, wie das auf dem Höhepunkt der Inflationsspirale anno 1923 der Fall war.

Dann zahlten sie möglicherweise sogar stilgerecht mit Breslauer Inflationsgeld wie diesem:

Inflationsgeld aus Breslau von 1923; via Christian Börner

Die Käufer hätten aber genauso gut aus Berlin stammen können, wo laut Christian Börner eine Firma Markwald für den Vertrieb der Breslauer Wagen zuständig war – soviel zur Behauptung in der älteren Literatur, die Marke sei nur lokal in Schlesien präsent gewesen.

Pünktlich zum Ende des Inflationswahnsinns gab es im Programm von Beckmann ab 1923/24 auch ein 8/32 PS-Modell, das nun jedoch einen von Basse & Selve zugekauften Motor besaß. Die Linien dieses Wagens waren entschieden nüchterner:

Beckmann Typ 8/32 PS von 1924; via Christian Börner

Das Modell 8/32 PS markiert den Beginn der letzten Phase des Beckmann-Automobilbaus.

Gemeinsam mit Christian Börner will ich das Schlusskapitel der Marke im nächsten Monat angemessen würdigen – wobei ich schon jetzt ankündigen darf, dass es dabei noch einmal rasant zugehen wird – wie zu Zeiten der Blüte vor dem 1. Weltkrieg…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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