Spurensuche: Beckmann-Automobile (1925-1927)

Vor wenigen Stunden bin ich wieder einmal mit dem Auto an meinem Feriendomizil im italienischen Umbrien angekommen.

Die knapp 1200 km sind schnell vergessen, südlich der Alpen war es frühsommerlich warm, Schäfchenwolken glitten über den blauen Himmel – die Landschaft leuchtet nach den ergiebigen Regenfällen der letzten Monate im üppigsten Grün.

Nur von der herrlichen Blütenpracht an Feldern und Olivenhain, die von den hiesigen Landwirten geschont wird und noch im Mai zu bewundern war, ist kaum etwas geblieben. Dafür hat jetzt der Ginster das Regiment übernommen.

Auch wenn morgen etwas Arbeit ansteht – als Freiberufler kann man nie „offline“ sein – steht mir der Sinn nach Aufarbeitung der jüngsten Folge der Spurensuche in Sachen Beckmann, die ich gemeinsam mit Christian Börner unternehmen darf.

Als noch im schlesischen Breslau geborener Urenkel von Paul Beckmann – Chef der dort ansässigen Beckmann-Automobilwerke – verfügt er quasi über einen direkten Draht in die Vergangenheit, wie das kaum mehr möglich ist.

Er hatte noch Gelegenheit, seine Großtante Ilse Beckmann auszufragen, das wohl berühmteste Familienmitglied und wie Christian Börner eine Persönlichkeit mit großer Leidenschaft für das Autofahren – das schnelle Fahren, damit wir uns recht verstehen.

Doch bevor wir zu dieser bemerkenswerten Dame kommen, von der man sich in unseren Tagen eine Wiedergängerin vergeblich wünscht, gebietet es die Chronistenpflicht, erst einmal dort anzuknüpfen, wo wir zuletzt (hier) stehengeblieben waren.

Das war anno 1924, als die Firma Beckmann diesen Tourenwagen der gehobenen Mittelklasse mit Motorisierung 8/32 PS (zugekauft von Basse & Selve) herausbrachte:

Beckmann 8/32 PS von 1924/25; Prospektabbildung via Christian Börner

Formal war dieser Wagen vollkommen zeittypisch – man findet viele ähnliche deutsche Wagen kurz vor Mitte der 1920er Jahre und mein Fotofundus umfasst einige Kandidaten, die sehr nahe an diesem Modell sind, aber leider doch nicht ganz passen wollen.

Das kann durchaus der Tatsache geschuldet sein, dass die Wagen damals in natura etwas anders ausfielen, als auf solchen gezeichneten Prospektabbildungen.

Daher die Bitte an die Leserschaft mit eigenem Fotobestand, noch einmal im eigenen Archiv nachzuschauen – es muss da draußen noch Aufnahmen solcher Beckmann-Wagen geben.

Eine davon – leider nur in einem größeren Kontext – erhielt Christian Börner im Zuge seiner Recherchen vom Betreiber der Website http://www.motopedia.info in digitaler Form übermittelt.

Zu sehen ist hier der Stand von Beckmann auf der Berliner Automobil-Ausstellung 1925:

Berliner Automobil-Ausstellung 1925; Originalfoto: http://www.motopedia.info (Axel Klug), via Christian Börner

Christian Börner berichtet hierzu:

„Laut Allgemeiner Automobil-Zeitschrift Nr. 1/1926 waren von Beckmann nur zwei Autos des Typs 8/32 PS ausgestellt. Bei näherer Betrachtung ist am Beckmann-Stand aber ein drittes Fahrzeug zu erkennen, das quer zu den anderen aufgestellt ist.

Es könnte sich dabei um eine Limousine der in der vorigen Folge beschriebenen Pullman-Type 12/40 PS gehandelt haben.“

Ich selbst würde die Möglichkeit ins Spiel bringen, dass es sich bei dem dritten Wagen um eine Limousinenausführung besagten Typs 8/32 PS handelt. Denn klein waren diese Beckmann-Tourer ja nicht gerade – auf deren Chassis sollte auch ein großer Limousinenaufbau passen.

So oder so zeigt das Beispiel: Zeitgenössische Evidenz ist zwar besser als keine, aber das heißt nicht, dass sie auch akkurat oder vollständig sein muss.

Auf der Berliner-Ausstellung anno 1925 war übrigens kein Platz für ein weiteres Beckmann-Modell, welches zwar ebenfalls bereits 1924 entstanden war, aber weiterhin aktuell war, wie wir gleich sehen werden.

Denn vom Motorenlieferanten Basse & Selve war in derselben Hubraumklasse ein leistungsgesteigertes Aggregat 8/40 PS verfügbar (siehe auch diesen Selve-Blog-Eintrag). Damit ausgestattet bot Beckmann das sportliche Model 40 SL an.

Die Motorleistung wurde bei unveränderter Bezeichnung in der Praxis immer weiter gesteigert – sodass faktisch einige Pferdchen mehr unter der Haube des Beckmann 40 SL darauf warteten, die Sporen zu bekommen.

Dafür war dann Christian Börners Großtante persönlich zuständig, die in den 1920er Jahren bekannte Sportfahrerin Ilse Beckmann, im damaligen Deutschland eine der wenigen ihrer Zunft neben Clärenore Stinnes.

Auch gegen diese trat „Fräulein Ilse Beckmann auf Beckmann“ an, eine der beiden Schwestern des Junior-Firmenchefs Otto Beckmann (die andere war Christian Börners Großmutter).

Hier haben wir die eilige Ilse kurz vor dem Einsatz:

Ilse Beckmann auf Beckmann SL40 im Jahr 1925; Originalfoto via Christian Börner

Dass Ilse Beckmann „Benzin im Blut“ hatte, wie es damals hieß, das weiß Christian Börner wie gesagt noch aus ihren späteren Erzählungen – vielleicht mit einem überraschenden Detail:

„In den frühen 1920er Jahren absolvierte Ilse Beckmann einige ihrer Wettbewerbsfahrten noch mit einem Beifahrer („Schmiermaxe“ genannt). Anno 1921 war ein- oder zweimal ein gewisser Rudolf Caracciola ihr Beifahrer. Der war drei Jahre jünger als sie und volontierte gerade als Ingenieurstudent bei den Fafnir-Werken (Aachen).

Kurz darauf (1922), mit dem Gewinn seines ersten Rennens auf einem Fafnir, begann Caracciolas eigene große Rennfahrerkarriere. Der Job als Novize an Bord bei Ilse Beckmann scheint ihm also nicht geschadet haben.“

Aus logistischen Gründen bestritt Ilse Beckmann etliche ihrer Wettbewerbe im damaligen ostdeutschen Raum, was dazu beigetragen haben mag, dass sie heute nicht mehr den Bekanntheitsgrad genießt wie vor 100 Jahren.

Für einen aufmerksamkeitsstarken Auftritt sorgte nicht zuletzt der Umstand, dass ihr flotter Beckmann SL40 eine leuchtendrote Lackierung besaß. So ist es überliefert und ausnahmsweise bedauern wir es, dass die zeitgenössischen Fotos von Vorkriegsautos diese fast immer (es gibt wenige Ausnahmen) in schwarz-weiß zeigen:

Ilse Beckmann auf Beckmann SL40; Originalfoto via Christian Börner

Auch wenn man sich das Feuerwehrrot hier dazudenken muss, glaubt man gern, dass sich dieses Gerät mit langer Motorhaube und sparsamem Aufbau (die Türen sind eher Dekor) durchaus flott bewegen ließ, wenn es sein musste und man es konnte wie Ilse Beckmann.

Nebenbei ist dies die beste Aufnahme, die mir bislang untergekommen ist, auf der man den Beckmann-Kühler um Mitte der 1920er Jahre erkennt. Auch dies mag eine Motivation sein, noch einmal nachzuschauen, was sich in der Hinsicht auf alten Fotos finden lässt, die bisher unidentifizierte deutsche Fabrikate der 1920er Jahre zeigen.

An dieser Stelle übergebe ich wieder Christian Börner das Wort; immerhin ist er heute quasi der Chef vom Janzen in Sachen Beckmann – auch wenn die Firma als solche längst aus dem Handelsregister gelöscht ist.

„Ilse Beckmanns sportliche Erfolge konnten das Ende der Firma nicht aufhalten. Beckmann schrieb zunehmend rote Zahlen und war übernahmereif.

Mit Opel fand sich ein solventes Unternehmen, das den attraktiven Beckmann-Standort in der Großstadt Breslau 1927 mitsamt den 150 Mitarbeitern zu guten Konditionen übernahm und zur zentralen schlesischen Opel-Werksniederlassung mit Reparaturwerk umwandelte.“

Hier der (auf wundersame Weise, siehe unten) bis heute erhaltene Bau in einer zeitgenössischen Aufnahme:

Beckmann-Firmengebäude nach Übernahme durch Opel, Tauentziehnstr. 124, Breslau; Archivfoto: Architekturmuseum Wroclaw (via Christian Börner)

Doppeltes Glück hatte dabei Otto Beckmann: Zum einen avancierte er zum Geschäftsführer dieser Opel-Niederlassung und blieb in der Position bis zur Flucht bzw. Vertreibung der Deutschen aus Schlesien 1945. Zum anderen konnte er nach der Übernahme noch einige auf Halde produzierte Beckmann-Wagen unter dem alten Firmennamen verkaufen.“

So fand die Automobilfabrikation von Beckmann nach rund 30 Jahren einen würdigen Abschluss. Weniger erbaulich ist das weitere Schicksal der Fabrikgebäude mit einstiger Breslauer Adresse Tauentzienstraße 124. Dazu berichtet Christian Börner:

„Die alten, großen Fabrikgebäude, die Paul Beckmann 1898 hatte errichten lassen und welche den 2. Weltkrieg leidlich überstanden hatten, wurden 2019/2020 abgerissen.“

An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Zerstörung solcher an Dauerhaftigkeit kaum überbietbaren Bauten der Gründerzeit auch im kriegsversehrten Deutschland bis in unsere Tage anhält.

Das Bauen im und mit dem historischen Bestand überfordert viele zeitgenössische Architekten und Entwickler – und das vor dem Hintergrund der gerade modischen Parole „Nachhaltigkeit“.

Beckmann-Nachfahr Christian Börner weiß aber noch mehr zu berichten:

Ausgenommen blieb das straßenseitige Büro- und Empfangsgebäude, weil es mir mit lokalen Unterstützern gelungen war, es unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Nach Renovierung konnte ich 2023 eine von der Denkmalbehörde der Stadt angebrachte Erinnerungstafel im Beisein von Honoratioren, Presseleuten und vielen Interessenten enthüllen.

Beckmann-Erinnnerungstafel am einstigen Firmengebäude in Breslau (Wroclaw); via Christian Börner

Ein großartiger, bleibender Erfolg für den Beckmann-Erben Christian Börner.

Aber damit nicht genug: Der auch im übertragenen Sinne sportlich veranlagte Großneffe von Ilse Beckmann hat sich nämlich schon vor langer Zeit auf ein weiteres Projekt gestürzt und an etwas mitgewirkt, worauf seine Vorfahren ebenso stolz gewesen wären.

Die Rede ist von der Wiederbelebung des letzten noch existierenden Beckmann-Automobils. Davon wird uns Christian Börner aus aktuellem Anlass berichten und das aus allererster Hand!

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Spurensuche: Beckmann-Automobile (1921-1924)

Schon neigt sich der Mai dem Ende zu, der dieses Jahr leider nicht so wonnevoll ausfällt, wie das seinem Ruf entspricht.

Mit Niederschlag satt setzt sich die Tendenz des Winters fort – man sieht wieder: Das Wetter macht letztlich, was es will und entzieht sich der Prognose über zwei, drei Tage hinaus.

Wenn man nun meint, dass sich in der Vergangenheit mehr Gewissheit findet, der irrt. Das gilt zumindest im Hinblick auf viele verblichene deutsche Automarken, über die nach wie vor viel zu wenige Informationen in geordneter Form vorliegen.

Dass man daran etwas ändern kann, das zeigt die virtuelle Reise auf den Spuren der Breslauer Automarke Beckmann, die ich gemeinsam mit dem vor 80 Jahren noch in Schlesien geborenen Beckmann-Nachfahren Christian Börner seit bald einem Jahr in diesem Blog unternehme.

Die letzte Folge brachte uns in die Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg – daran knüpfen wir heute an.

Das Kriegsende bedeutete bei aller Erleichterung über das Ende des Gemetzels an der Front für den Großteil der Bürger in Deutschland neue Härten – Hunger, drohenden Bürgerkrieg, wirtschaftliche Ausplünderung durch die Siegermächte, nicht zuletzt explodierende Inflation. Ich übergebe nun an Christian Börner:

„Der Wiederanlauf der Produktion von Automobilen verlief zäh, die einst zahlungskräftige Kundschaft der gehobenen Mittel- und Oberschicht war ausgedünnt.

Die Hersteller hatten ihre Belegschaften meist nicht auf dem Vorkriegsstand halten können. So erging es auch Beckmann. In ihrer Blütezeit – etwa von 1907 bis 1912 – hatte die Breslauer Firma bis zu 500 Beschäftigte; nach dem Krieg waren es nur noch 200, Tendenz fallend.

Wie bei anderen deutschen Fabrikaten wurde produktionsseitig erst einmal an Bewährtem angeknüpft. Wieder angeboten wurde der robuste 8/20 PS-Vierzylindermotor in Monoblock-Bauweise mit 2,1 Litern-Hubraum. Er sollte es auf elf Produktionsjahre bringen (von 1912 bis 1922), wobei es auch eine modernisierte Version 8/24 PS gab.

Mit diesem Aggregat bewegte sich Beckmann auf Augenhöhe mit dem ebenfalls noch vor dem Krieg entwickelten Benz 8/20 PS – nun in Verbindung mit einer Linienführung, die um 1920 typisch für den deutschen Karosseriestil war:

Beckmann 8-20 PS Tourenwagen aus Prospekt von 1920; via Christian Börner

Modisch war in deutschen Landen – und auch bei den österreichischen Nachbarn – die Verwendung eines mehr oder weniger schnittigen Spitzkühlers, aber auch die markante Zweifarblackierung mit dunkel vom Wagenkörper abgesetzter „Schulter“ (so der Fachbegriff) fand sich damals öfters.

In meinem Fundus an unveröffentlichten Fotos jener Zeit befindet sich diese Aufnahme, die ein dem Beckmann von Anfang der 1920er Jahre sehr ähnliches Automobil zeigt. Das könnte glatt ein solcher Typ 8/20 PS aus Breslauer Fertigung sein, fehlte hier nicht das ovale Markenemblem auf dem Kühlergehäuse:

Beckmann-ähnlicher Tourenwagen um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme soll illustrieren, wie wahrscheinlich es ist, dass sich auf den vielen tausenden erhaltenen Autofotos dieser Epoche noch der eine oder andere bislang unerkannte Beckmann-Wagen versteckt.

In dem Zusammenhang wären speziell Aufnahmen oder Prospektabbildungen nützlich, welche die Kühlerpartie von Beckmann-Autos aus so einer Perspektive zeigen.

Bei Beckmann blieb man angesichts der Konkurrenz stärkerer 30 PS-Modelle von Apollo, NAG, Presto, Protos und Selve nicht untätig und bot ab 1919 auch einen 10/30 PS-Vierzylinder an. Laut Christian Börner war dies noch ein selbstentwickeltes Aggregat.

Verbaut wurde es insbesondere in Tourenwagen, deren Gestaltung der bereits erwähnten neuen Linie folgte – wobei man ab 1921 zu einem noch stärker ausgeprägten Spitzkühler überging. Vermutlich spiegelte dieser auch die anderen thermischen Verhältnisse des mit 2,6 Litern wesentlich größeren 30 PS-Aggregats wider:

Beckmann 10-30 PS Tourenwagen aus Prospekt von 1921; via Christian Börner

Hier sieht man nun in wünschenswerter Deutlichkeit das dem „Opel-Auge“ ähnelnde Markenemblem von Beckmann, das beiderseits der Kühlerspitze angebracht war.

An Deutlichkeit in dieser Hinsicht sehr zu wünschen übrig lässt indessen die folgende Aufnahme aus meiner Sammlung, die ich gleichwohl zeigen will, da sie einen weiteren Kandidaten für einen Beckmann-Wagen zeigt.

Außerdem ist dies ein Dokument von großem menschlichem Reiz:

Beckmann-ähnliche Pullman-Limousine um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Während die beiden kleinen Strolche auf dem Kühler allerliebst in die Kamera schauen, wirft ihnen die Mutter – oder vielleicht das für sie verantwortliche Kindermädchen – einen strengen Blick zu nach dem Motto: „Benehmt Euch bloß, sonst setzt es was!

Der wackere Chauffeur mit dem messerscharfen Scheitel und fahrertypischer „Uniform“ wahrt unterdessen die Contenance – er wusste sich selbstredend zu benehmen als gut bezahlter Angestellter bei Herrschaften, die sich solch ein Luxusautomobil leisten konnten.

An dieser Stelle schaltet sich Christian Börner ein und erinnert mich daran, dass wir besser beim Thema Beckmann bleiben, bevor ich weiter abschweife. Das kommt aber davon, wenn er sich zwischenzeitlich mitsamt Gattin nach Italien absentiert und mir die Aufbereitung des Materials überlässt – dann machen sich meine Gedanken gern selbständig.

Doch Christian Börner weiß diese von mir eingeschmuggelte Aufnahme gewiss zu schätzen, ist sie doch die ideale Vorbereitung für die nächste Abbildung eines Beckmann-Wagens der frühen 1920er Jahre:

Beckmann Pullman-Limousine von 1923/24; Original: Sammlung H. Wulff

Verflixt„, höre ich Christian Börner jetzt sagen, „wäre die Kühlerpartie auf dem Schlengerschen Foto nicht verdeckt, könnte das glatt so eine Pullman-Limousine sein wie die, welche Beckmann für eine sehr vermögende Kundschaft ebenfalls anbot.“

Diese beeindruckend dimensionierte Limousine war großzügig verglast; ich zähle 8 Seitenfenster, dazu noch die wohl zweigeteilte Frontscheibe und eine, allerdings recht kleine Heckscheibe. Macht in der Summe (mindestens) 10.

Wenn es richtig überliefert ist, besaß dieses Luxusgefährt den nach dem 1. Weltkrieg neu entwickelten Beckmann-Motor 12/40 PS. Die Karosserie stammte allerdings nicht aus dem Hause Beckmann sondern von der bekannten Firma Schebera aus Rostock.

Was die Besitzer einst für dieses repräsentative Automobil auf den Tisch geblättert haben, sei dahingestellt. Vielleicht brachten sie mit dem Kauf noch einige Milliarden Mark in Sicherheit, wie das auf dem Höhepunkt der Inflationsspirale anno 1923 der Fall war.

Dann zahlten sie möglicherweise sogar stilgerecht mit Breslauer Inflationsgeld wie diesem:

Inflationsgeld aus Breslau von 1923; via Christian Börner

Die Käufer hätten aber genauso gut aus Berlin stammen können, wo laut Christian Börner eine Firma Markwald für den Vertrieb der Breslauer Wagen zuständig war – soviel zur Behauptung in der älteren Literatur, die Marke sei nur lokal in Schlesien präsent gewesen.

Pünktlich zum Ende des Inflationswahnsinns gab es im Programm von Beckmann ab 1923/24 auch ein 8/32 PS-Modell, das nun jedoch einen von Basse & Selve zugekauften Motor besaß. Die Linien dieses Wagens waren entschieden nüchterner:

Beckmann Typ 8/32 PS von 1924; via Christian Börner

Das Modell 8/32 PS markiert den Beginn der letzten Phase des Beckmann-Automobilbaus.

Gemeinsam mit Christian Börner will ich das Schlusskapitel der Marke im nächsten Monat angemessen würdigen – wobei ich schon jetzt ankündigen darf, dass es dabei noch einmal rasant zugehen wird – wie zu Zeiten der Blüte vor dem 1. Weltkrieg…

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Spurensuche: Beckmann-Automobile (1914-1920)

Die letzten Tage herrschte Funkstille in meinem Blog. Mehr Arbeit am Bildschirm, als den Augen auf Dauer guttut und über lange Zeit aufgestaute Müdigkeit veranlassten mich dazu, nicht auch noch des nachts vor dem Rechner zu sitzen.

Ich habe die Abende jedoch dazu genutzt, über die Weiterentwicklung meines Blogs nachzudenken. Dies ist klar: Die Dokumentation von Vorkriegswagen anhand alter Fotos wird fortgesetzt und die Markengalerien werden weiter vervollständigt.

Künftig will ich wechselnde Akzente setzen. Dazu zählt die Präsentation von Bildern, deren schiere Schönheit es wert macht, sie dem Publikum zugänglich zu machen.

Verstärkt will ich Unterschiede in der Ausführung bekannter Modelle besprechen und Schlüsse daraus ziehen. Nicht zuletzt plane ich Gegenüberstellungen von Fahrzeugen, um Tendenzen aus verschiedenen Ländern oder von konkurrierenden Herstellern zu veranschaulichen.

Genuss und Gewinn an Erkenntnis sollen gezielter in den Fokus rücken. Von beidem kann der Mensch nie genug haben und auch an Gegenständen der Historie lässt sich lernen – mitunter besser als durch den Konsum flüchtiger Gegenwartsphänomene.

Was könnte dazu besser passen als eine neue Folge der Spurensuche in punkto Beckmann-Automobile, die ich mit Christian Börner – Urenkel von Paul Beckmann – unternehmen darf?

Wer das Gefühl hat, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der die Geschichte an Fahrt aufnimmt, nachdem sie im Kalten Krieg jahrzehntelang fast stillstand, der mag auch die Phase interessant finden, die wir heute in Sachen Beckmann angehen.

Denn nun schlittern wir mit der Breslauer Firma ins Jahr 1914 und damit in den 1. Weltkrieg hinein. Christian Börner spricht von einem Schicksalsjahr und das in doppelter Hinsicht.

Zum einen begann durch politische Dummheit auf deutscher Seite und auf Konfrontation angelegte Bündnisse europäischer Staaten die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Ich möchte der heute differenziert diskutierten Kriegsschuldfrage hier keinen Raum geben – schockierend bleibt die Bereitschaft auf allen Seiten, nach den ersten Schlachten ihre männliche Jugend weiter gnadenlos zu opfern.

Christian Börner stellt dazu fest, dass nach anfänglichem Hurra die Ernüchterung auf seiten derer nicht lange auf sich warten ließ, die in den Schützengräben jeden Tag einem russischen Roulette entgegensahen, welches Verhandlungen nahegelegt hätte.

Man ist in solchen Zeiten geneigt, auch andere Schläge als schicksalhaft zu empfinden – so den Tod von Paul Beckmann am 14. September 1914:

Anzeige zum Gedenken an den Tod von Paul Beckmann, 1914; via Christian Börner

Dazu weiß Christian Börner folgendes zu berichten:

„Am 14. September 1914 starb Paul Beckmann im Alter von 48 Jahren an einem Herzschlag. Von einer Stunde auf die andere war die Firma führungslos, denn seine drei Kinder (19, 17, 16) waren noch nicht volljährig. Sie waren fortan zwar „Fabrikbesitzer“ zu gleichen Teilen, doch das Sagen im Unternehmen hatte ein Treuhänder. Dieser wurde zugleich der Vormund der Kinder; die Ehe von Paul und dessen Frau Marie war bereits 1903 geschieden worden.

Paul Beckmann war nicht nur der Fabrikbesitzer und Produzent gewesen, sondern auch der Spiritus Rector der Firma, also der Chefstratege und Entwickler.“

Hier haben wir ihn auf einem zeitgenössischen Porträt, auf dem ich einen selbstbewussten, der Zukunft zugewandten und zugleich nachdenklich-feinsinnigen Charakter sehen möchte:

Paul Beckmann; Foto via Christian Börner

„Zeitgleich zu dem Verlust der Führungsfigur Paul Beckmann wurde der Firma die unternehmerische Freiheit fast ganz entzogen. Weite Teile der Produktion mussten auf kriegstaugliche Kraftwagen und Ersatzteile umgestellt werden, Privatverkäufe von Automobilen wurden nahezu unmöglich.

Eine Abwicklung des Betriebs wurde abgewendet, da der Betrieb als kriegswichtig eingestuft wurde. Für die männliche Belegschaft hatte das den Vorteil, dass sie vor der Einladung zum russischen Roulette – also: Kriegsdienst – mehrheitlich verschont wurde.

Dass sich besagter Treuhänder zulasten der wehrlosen Familie Beckmann in jener Zeit selbst bereicherte, spielte damals keine Rolle und blieb für ihn folgenlos. Das hehre Kriegsziel stand wie in solchen Fällen üblich über den Interessen des Einzelnen.“

Ein Jahr später – anno 1915 – sehen wir Beckmann ganz in das Kriegsgeschehen hineingezogen – hier am Beispiel eines Tourers des Typs 10/30 PS im polnischen Kielce, damals zum russischen Reich gehörend:

Beckmann 10/30 PS; aufgenommen 1915 in Kielce (Ostfront)

Diese Aufnahme ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, als sie illustriert, dass keineswegs jeder auf auf deutscher Seite im 1. Weltkrieg genutzter PKW mit ovalem Kühleremblem automatisch ein Opel gewesen sein muss.

Ich will nicht wissen, wieviele solcher Beckmann-Wagen auf alten Fotos irrtümlich als Rüsselsheimer Fabrikat fehlidentifiziert worden sind, was zu dem falschen Eindruck beigetragen haben mag, sie seien sehr selten und nur von lokaler Bedeutung gewesen.

Wir waren im Jahr 1915 stehengebleiben, doch während sich an den Kriegsfronten wenig bewegte außer den weiter ins Gigantische steigenden Gefallenen-, Verwundeten-, Verstümmelten- und Vermisstenzahlen, tat sich etwas in Breslau.

Denn Ende des Jahres wurde Paul Beckmanns ältester Sohn Otto – der Großonkel von Christian Börner – 21 Jahre alt und damit nach damaligem Recht volljährig.

Kurzerhand übernahm Otto Beckmann die Firmenleitung, auch wenn er nach den Worten von Christian Börner nicht das technische und geschäftliche Talent seines Vaters besaß.

Freilich ist festzustellen, dass auch andere deutsche Autofirmen unter den Bedingungen des 1. Weltkriegs kaum Fortschritte im Hinblick auf die zivile Fahrzeugentwicklung machten.

Dazu wieder Christian Börner: „Als nach Kriegsende wieder Autos für private Käufer produziert werden konnten, gab es in deutschen Landen für große, luxuriöse Automobile nur einen begrenzten Markt. Für größere Abnehmerkreise geeignete und kostengünstige Kleinwagen bot kaum ein heimischer Hersteller an, auch Beckmann nicht.

Zudem hatten die deutschen Automobilfirmen produktionstechnisch den Anschluss verloren, insbesondere an amerikanische Hersteller. Als in Europa der 1. Weltkrieg gerade erst begonnen hatte, lief bei Ford bereits die Fließbandproduktion des legendären T-Modells.“

Während nach 1918 in Europa Fiat und Citroen die Zeichen der Zeit erkannt hatten und auf Großserienproduktion umstellten, ließ sich in Deutschland zunächst nur Brennabor vom US-Vorbild inspirieren – Opel folgte später.

Allerdings bot der hiesige Markt nach dem 1. Weltkrieg auch kein großes Absatzpotential. Das ist unter anderem daran ersichtlich, dass damals tausende ehemalige Kraftfahrzeuge des deutschen Heeres ins Ausland verkauft wurden.

Hier ein Foto aus meiner Sammlung, das um 1920 entstanden sein dürfte und Tourenwagen zeigt, die noch das einstige deutsche Hoheitszeichen auf der Flanke tragen (Nachtrag: Leser Klaas Dierks weist darauf hin, dass es sich um privat genutzte Fahrzeuge handelte, die ausweislich der Nummernschilder weiterhin Eigentum des deutschen Militärs waren):

Tourenwagen aus Heeresbestand um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie gesagt: Der Markt für Automobile war im damaligen Nachkriegsdeutschland begrenzt, sodass Exporte nicht mehr benötigter Militär-PKW zur Erzielung dringender Deviseneinnahmen erfolgten.

Dazu weiß Christian Börner sehr Interessantes zu berichten: „Im Rahmen diese Aktivitäten sind nach dem 1. Weltkrieg etliche Beckmann-Autos nach Schweden gelangt. Das ergab die Recherche des schwedischen Automobil-Historikers Pär Sörliden, der durch unsere Beckmann-Spurensuche motiviert Kontakt mit mir aufgenommen hat.“

Dazu werden wir hier gelegentlich noch Näheres berichten – Herr Börner macht es spannend, was mir gefällt, denn in Sachen Vorkriegsautos haben wir alle Zeit der Welt.

Nur dies sei an dieser Stelle noch festgehalten: Wann genau man in Breslau nach dem 1. Weltkrieg die Fabrikation von Automobilen für zivile Käufer aufgenommen hat, ist nicht genau bekannt.

Ich vermute, dass sich einige deutsche Fabrikate wie nach 1945 eine Weile mit allem Möglichen über Wasser gehalten haben, bevor ab 1920 wieder einigermaßen verlässliche Dokumente auf eine neu aufgenommene Autoproduktion hindeuten.

Im Fall von Beckmann kann Christian Börner mit einer Reklame aufwarten, welche einen Tourenwagen zeigt, der äußerlich ganz auf der nun modernen Linie liegt:

Beckmann Tourenwagen um 1920; Prospektabbildung via Christian Börner

Auch dieses Dokument hat für mich etwas Elektrisierendes. Denn nun sehe ich einige Fotos aus meiner Sammlung in einem anderem Licht.

Das gilt beispielsweise für diese Aufnahme, die 1921 auf dem Gelände von Schloss Klessen (?) entstand – das Foto und die Beschriftung auf der Rückseite geben ausreichend Anlass zu vertieften Betrachtungen und Diskussionen:

Deutscher Tourenwagen um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Könnte das vielleicht ein Beckmann des Nachkriegstyps 10/30 PS gewesen sein? Oder haben wir es mit einem der ab 1921 gebauten Modelle zu tun, die einen 8/32 PS-Motor besaßen, welcher von Basse & Selve zugekauft wurde?

Damals begann sich das Potenzial der Beckmann’schen Vorkriegsmodelle zu erschöpfen, wenngleich die Motorisierungen 8/24 PS und 10/30 PS bis 1924 verfügbar waren.

Wie schon öfters an dieser Stelle möchte ich den Aufruf wiederholen: Wer originale Dokumente zu Beckmann-Automobilen besitzt, möge diese Christian Börner und der Allgemeinheit zugänglich machen.

Die Marke Beckmann scheint weit größere Bedeutung gehabt zu haben, als es die nicht nur in dieser Hinsicht völlig veraltete Standard-Literatur zu deutschen Vorkriegsautos behauptet.

Wir leben in wahrlich bewegten Zeiten – nutzen wir die technischen Möglichkeiten der Gegenwart, um Bewegung in vermeintlich längst geklärte Gegebenheiten zu bringen…

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Spurensuche: Beckmann-Automobile (1912-1913)

In der letzten Ausgabe dieser Reihe, in der ich gemeinsam mit Beckmann-Urenkel Christian Börner der Historie der einst bedeutenden Breslauer Marke nachspüre, gab ich der Hoffnung auf den bevorstehenden Frühling Ausdruck.

Nun, einen Monat später – Ende März – lässt selbiger noch auf sich warten. Selbst im italienischen Umbrien, wo ich derzeit einen kurzen Urlaub verbringe, ist es unerwartet kalt und regnerisch.

Doch das passt mir sogar, denn ich habe ebenso unerwartet viele Aufträge abzuarbeiten. Als Selbständiger genießt man manche Freiheit, nur eine nicht: sechs Wochen bezahltes Nichtstun. Auf diesem speziellen Sektor müssen sich die „fleißigen“ Deutschen nur den Franzosen geschlagen geben.

Immerhin ein wenig Frühling kann ich mir herbeizaubern. Denn unter den mitgeführten CDs (ich bevorzuge physische Musikkonserven, man weiß ja nie, was kommt) findet sich auch das „Sechste Madrigalbuch“ von Claudio Monteverdi aus dem Jahr 1614.

Darin findet sich neben manchen anderen Schätzen das zauberhafte Werk „Zefiro torna“ – in dem die Rückkehr des lauen Frühlingswinds Zephyr besungen wird. In dieser Hinsicht haben deutsche Ensembles nichts zu bieten – neben Italienern sind es vor allem britische Sänger, welche diese prächtigen Renaissancewerke zum Strahlen bringen.

Ich empfehle hier (neben Roberto Alessandrini mit Concerto Italiano) „The Consort of Musicke“ unter Leitung von Anthony Rooley. Ihre Darbietung der Monteverdi-Madrigale aus dem Jahr 1990 begleitet mich schon seit fast 35 Jahren – ich war bei aller Rückständigkeit meiner Interessen schon früh ein Jünger der Digitalisierung.

Damals konnte ich nicht ahnen, dass ich dereinst selbst etwas in einem digitalen Format produzieren würde – nämlich dieses online geführte Tagebuch (englisch: Web-Log, kurz: Blog) zum abwegigen Thema „Vorkriegsautos auf alten Fotos“.

Auch Christian Börner, der mir einiges an Jahren voraus hat – er ist noch kurz vor Kriegsende in Breslau auf die Welt gekommen – ist fleißiger Nutzer dieser großartigen Technologie, welche unser aller Horizonte erweitert – geografisch wie historisch.

Nach diesem Vorwort übernimmt Christian Börner das Kommando, damit ich nicht weiter abschweife. Er bringt uns heute das erweiterte Angebot von Beckmann ab 1912 nahe:

„1912/1913 brachte die Firma Beckmann einen beeindruckende 34 Seiten umfassenden Verkaufsprospekt heraus, in dem 10 unterschiedliche Fahrzeugtypen vorgestellt wurden. Ein Originalexemplar dieses Prospekt hat sich in der Bibliothek des Deutschen Museums in München erhalten.

Darin Einsicht nehmen zu dürfen, war eine Offenbarung.

Gleich auf Seite 1 ist eine Ansicht des Beckmann’schen Firmengeländes zu sehen. Wie damals üblich, wurden Fabriken stets etwas überdimensioniert dargestellt:

Abbildung aus Beckmann-Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Was außerdem auffällt, sind die rauchenden Schlote. Diese sollten wohl den Eindruck erwecken, dass die Firma kerngesund war und prosperierte.

Und das tat Beckmann zu dieser Zeit.

Auf der folgenden Seite des Prospekts findet sich der Hinweis darauf, dass Beckmann eine der ältesten Automobilfabriken ist (war). Das kann man wohl so stehenlassen.

Abbildung aus Beckmann-Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Geradezu modern wirkt die verkaufsfördernde Aussage, welche auf die Produktqualität abstellt: „Vom Guten das Beste“. Auch dem wollen wir nicht widersprechen.“

An dieser Stelle erlaube ich mir in meiner Funktion als Blog-Wart, Herrn Börner kurz zu unterbrechen. Denn mir fallen in dieser Preisung der Beckmann-Produkte weitere Dinge auf.

An erster Stelle wird die elegante Bauart der Wagen hervorgehoben. Wo gibt es das heute noch? Auch die übersichtliche Anordnung der Bedienelemente wird betont. Das traut sich schon lange kein zeitgenössischer Hersteller mehr.

Auch Christian Börner weist auf die völlig anderen Prioritäten damaliger Autokäufer hin:

„Gibt es einen wesentlichen Unterschied zu heute? Ja, es fehlen beispielsweise die Verbrauchsangaben und die Emissionswerte, ohne deren Nennung jeder Hersteller heute sofort eine Abmahnung von einer bekannten Umweltorganisation bekäme, die das zum Geschäftszweck erkoren hat.

Um das zu vermeiden, werden heute solche angeblich unverzichtbaren Informationen in mehrzeiligen Texten in unlesbarer Miniaturschrift für 2 Sekunden in TV-Werbespots eingeblendet. Auflage formal erfüllt, aber völlig sinnlos! Man fühlt sich an den Geßler-Gruß erinnert, den Friedrich Schiller in „Wilhelm Tell“ verewigt hat.“

Meine Leser wissen, dass ich solche Spitzen schätze, denn man mag über vieles unterschiedlicher Ansicht sein, aber Konsens unter Normalbürgern dürfte wohl sein, dass wir eher weniger als mehr solcher Bürokratie brauchen, wenn die Wirtschaft wieder brummen soll wie einst zu Pionierzeit des Automobils oder auch zu Zeiten Ludwig Erhards.

Ich übergebe nun wieder das Wort an Christian Börner, der uns im Folgenden vier der zehn Beckmann-Typen aus besagtem Verkaufsprospekt präsentiert:

Ab 1912 hatte Beckmann sein Angebot von Geschäfts- und Lieferungswagen verstärkt. Diese wurden bevorzugt mit dem 8/20 PS-Vierzylindermotor ausgerüstet, der einen Hubraum von 2,1 Litern hatte.

Der Motor entstand in Doppel-Blockbauweise, also mit je zwei paarig gegossenen Zylindern:

Motor des Beckmann Typ 8/20 PS; Abbildung via Christian Börner

Die besagten Lieferwagen von Beckmann, welche mit diesem bis in die 1920er Jahre gebauten Aggregat verkauft wurden, konnten dann beispielsweise wie folgendes Exemplar aussehen.

Damit wurden der „besseren Gesellschaft“ Kinder- und Damenmoden ins Haus gebracht:

Lieferungswagen des Beckmann Typs 8/20 PS; Abbildung via Christian Börner

Den Beckmann 8/20 PS gab es aber auch mit verkürztem Radstand – als sportlich wirkenden Zweisitzer, wie er im Prospekt von 1912/13 abgebildet ist. So ein Fahrzeug darf übrigens trotz seiner Kompaktheit als reiner Luxus betrachtet werden.

Denn für einen Doktorwagen war er zu teuer und für eine Familie zu klein. Also blieb nur die Funktion als Repräsentationsfahrzeug beim ziellosen Flanieren oder für Reisezwecke, wobei die Heckpartie einen gewissen Stauraum für Gepäck bot:

Beckmann 8/20 PS Zweisitzer; Abbildung aus Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Als nächstes Modell ist der Beckmann-Typ 10/30 PS an der Reihe.

Eine solche Motorleistung sollte am deutschen Markt bis Mitte der 1920er Jahre ein Standard bleiben – vor dem 1. Weltkrieg bewegte man sich damit schon in deutlich gehobenen Sphären.

In diesem Fall kommt eine kolossal teure Karossierung als „Aufsatz-Limousine“ hinzu:

Beckmann 10/30 PS Aufsatz-Limousine; Abbildung aus Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Hier ließ sich das geschlossene Passagierabteil mitsamt dem Dach über dem Fahrer nach oben abnehmen, sodass man plötzlich über einen Tourenwagen verfügte.

Nach dieser Verwandlung, welche mit vier kräftigen Personen ohne weiteres möglich war, sah das Auto dann so aus wie der folgende Tourer – der freilich mit der Motorisierung 22/50 PS bereits in der damaligen Spitzenklasse angesiedelt war – wenn auch nicht an deren oberstem Ende (dort waren 80-100 PS üblich):

Beckmann 22/50 PS Tourenwagen; Abbildung aus Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Man macht sich heute kein Vorstellung mehr von dem ungeheuren Wert, den ein solcher stark motorisierter Reisewagen mit enormer Steigfähigkeit repräsentierte.

Für den im Beckmann-Prospekt von 1912/13 genannten Preis von 15.000 Goldmark konnte man sich auch ein einfaches Haus mit kleinem Grundstück kaufen.

Das brauchten die solventen Käufer solcher Automobile aber nicht, denn sie besaßen bereits mindestens ein luxuriöses Haus mit großem Grundstück. Man ersieht daran, für welche Klientel Beckmann damals selbstverständlich tätig war.

In diesen Kreisen gab es auch extravagante Wünsche, die es bei Bedarf zu erfüllen galt – auch hier stand Beckmann anderen deutschen Herstellern in keiner Weise nach.

So gab es den Typ 22/50 PS auch mit einem Aufbau als Sport-Limousine, der bereits Anklänge an strömungsgünstige Fahrzeuge der 1920er Jahre aufweist:

Beckmann 22/50 PS Tourenwagen; Abbildung aus Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie immer noch nicht von der Klasse der Beckmann-Wagen kurz vor dem 1. Weltkrieg überzeugt sein sollten, weiß Christian Börner Sie vielleicht endgültig mit der damaligen Zubehörliste zu beeindrucken.

„Derartige Mehrausstattungslisten sind heute viel länger und manches Mobil unserer Tage lässt sich endpreislich locker auf das Doppelte des Basispreises katapultieren… Aber eines ist mir bei der Lektüre aufgefallen: Es finden sich nirgends Informationen zur Beleuchtungsanlage. Diese war wohl selbstverständlich und daher nicht weiter wichtig.“

Beckmann-Sonderausstattunngsliste aus Verkaufsprospekt von 1912/13; via Christian Börner

Mir ist noch etwas anderes aufgefallen:

Beckmann-Käufer mussten sich nicht mit einem an sich völlig ausreichenden bis 80 km/h reichenden Tacho begnügen , sondern konnten auch einen ordern , der auf bis zu 120 km/h ausgelegt war – ein Tempo, das auf damaligen Straßen an Wahnsinn grenzte.

Da war es nur konsequent, wenn man als so ein „Raser“ auch über gleich drei Hupen verfügen konnte, wenn man nochmals in die Schatulle griff. Nicht zuletzt hätte ich auch die 8-Tage-Uhr geordert – denn nur so wirkte das Armaturenbrett einigermaßen gut bestückt.

Und das Auge fuhr und fährt bekanntlich mit – das hat sich unter Auto-Gourmets seit den Tagen von Beckmann nicht geändert.

Dass damals der 1. Weltkrieg „dazwischenkam“, sollte uns nachdenklich stimmen: Nichts ist garantiert, nichts bleibt wie es ist, das sagt uns die Historie – oft genug schon die eigene Familiengeschichte wie im Fall von Beckmann-Urenkel Christian Börner und auch mir.

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Spurensuche: Beckmann-Automobile (1911-1912)

Haben Sie die Februar-Ausgabe unserer monatlichen Spurensache in Sachen Beckmann-Automobile aus Breslau vermisst?

Ich hoffe, ja. Mir ging es ebenso, bloß fand ich die nötige Muße und innere Gestimmtheit dafür erst heute – kurz vor Monatsende.

Diese mit Beckmann-Urenkel Christian Börner verfasste Serie verlangt nun einmal mehr als der übliche nächtliche Blog-Eintrag, der meist rasch heruntergeschrieben ist.

Inspiration beziehe ich heute nicht nur von Herrn Börners gewohnt vorzüglicher Vorlage, sondern nebenher von der Arie „Son pietosa son bonina“ aus Joseph Haydns Oper „La Circe, ossia l’isola incantata“ – dargeboten von Arleen Auger anno 1990.

Auf einer verzauberten Insel fernab der rohen Realität bewegen wir Freunde von Vorkriegsautos uns ja generell. Und wie weiland Odysseus von der Magierin Kirke festgehalten wurde, wollen wir nicht davon lassen, uns damit zu beschäftigen.

Also geben wir das Wort an Christian Börner, der gleich auf hohem Niveau einsteigt bei der Betrachtung des Beckmann-Autoangebots ab 1911:

Wie andere Autobauer versuchte auch die Breslauer Firma Otto Beckmann ab Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts , durch ein breitgefächertes Angebot von Luxusautos die Gewinnmargen hoch zu halten. Für eine bei Wettbewerbern wie Adler und Opel allmählich einsetzende Produktion größerer Serien war Beckmann viel zu klein.

Der Ausrichtung auf das Oberklasse-Segment verdanken wir prachtvolle Karossen wie diesen Beckmann 21/40 PS von ca. 1911:

Beckmann 21/40 PS Chauffeur-Limousine von 1910/11; Original via Christian Börner

Diese grandiose Chauffeur-Limousine mit 3,30 Metern Radstand und 6,3 Liter großem Vierzylindermotor hob sich deutlich von den damals dominierenden Tourenwagen ab.

Limousinen, oft mit abnehmbarem Oberteil, erlangten im Premiumsegment immer mehr Bedeutung, weil die sehr vermögenden Besitzer es nachvollziehbarer Weise bevorzugten, im geschlossenen Abteil gefahren zu werden. Selbst am Steuer eines offenen Automobils zu sitzen, neben sich die begeisterte (?) Ehefrau, das kam nur für wenige Enthusisasten in Betracht. Ergo musste man sich neben dem Wagen auch einen Chauffeur leisten können.“

Die Cleveren unter den damaligen Kutschern schulten vor diesem Hintergrund auf die pferdelosen Wagen um, wobei sie den Umgang mit den feinen Herrschaften ja bereits gewohnt waren.

Einige Jahre vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs mit seiner komplizierten Vorgeschichte scheint die Luxusautokonjunktur einen ersten Dämpfer erhalten zu haben.

Vielleicht machte sich bei den Gutinformierten Skepsis breit, was die Fortdauer des Aufschwungs der letzten Jahre anging. Bei den europäischen Großmächten waren die Rüstungsanstrengungen und gezielt auf Konfrontation angelegten Bündnisse unübersehbar.

Bei Beckmann, und nicht nur dort, stellte sich eine nachlassende Nachfrage nach den großen und enorm teuren Luxusmodellen ein. In Anbetracht dessen begann man die ausgeuferte Typen- und Motorenvielfalt auszulichten. Schon 1910 hatte man die Aggregate-Anzahl auf zehn reduziert, in den Folgejahren nahm man weitere aus dem Programm, sodass 1914 nur noch fünf übrigblieben.

Dieser Angebotsbereinigung fiel damals auch der der große Sechszylinder-Typ 28/50 PS bzw. 28/55 PS zum Opfer – nebenbei einer der ganz wenigen deutschen Wagen dieser Kategorie, was einmal mehr den Rang der Marke Beckmann illustriert.

Beibehalten wurde unterdessen eine Präsenz in der damaligen gehobenen Mittelklasse, wie dieser interessant gestaltete Beckmann 10/20 PS-Typ veranschaulicht, der 1911 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Berlin zu sehen war:

Beckmann 10/20 PS Limousine von 1910/11; Original via Christian Börner

Der 20 PS-Beckmann Typ begegnet mir hier zum ersten Mal – in der lückenhaften Literatur zu dieser Marke konnte ich ihn jedenfalls nicht finden.

Um 1911 leisteten deutsche Kleinwagen etwa 10-12 PS, während die untere Mittelklasse den Bereich von 14-18 PS abdeckte. Beckmann hatte sich mit dem 10/20 PS also auch hier eher am oberen Ende positioniert – der Rolle anderer (Volumen-)Marken Rechnung tragend.

Im Zusammenhang mit Motorisierung und Antrieb kann Christian Börner bei der Gelegenheit mit einem besonderen Dokument aufwarten – einer Abbildung des Einheitsgetriebes, welches Beckmann um 1911 verwendete:

Beckmann-Schaltgetriebe; Abbildung von 1911 via Christian Börner

Die Bezeichnung „Geschwindigkeitswechsel“ für das Getriebe ist mir hier zum ersten Mal begegnet – sie wird der Funktion des Bauteils auch eher gerecht.

Nicht umsonst spricht man im Englischen auch von „speeds“, wenn es um die verschiedenen Übersetzungen geht.

Ein weiteres – ästhetisch reizvolleres – Detail stellt das ab 1910 verwendete Markenemblem von Beckmann dar. Es ähnelt dem berühmten Opel-„Auge“, wie es übrigens auch bei anderen deutschen Herstellern der damaligen Zeit zu finden ist.

Hier sehen wir es an einem Beckmann-Kühler von etwa 1911, der die Zeiten überdauert hat:

Beckmann-Kühler; Original von 1911 Foto via Christian Börner

„Diese Abbildung eines Beckmann-Kühlers ermöglicht es uns, einem Vertreter dieser Marke ausnahmsweise frontal ins Antlitz zu schauen. Unseren Blog-Wart, Herrn Schlenger, wird das besonders freuen, denn solche Perspektiven ermöglichen ihm, bei seinen Diagnosen spezifische Wiedererkennungs-Merkmale dingfest zu machen.“

Hier weist Christian Börner zurecht auf die Exklusivität solcher Frontalaufnahmen früher Automobile hin – die Hersteller zeigten ihre Wagen in Reklamen und Prospekten fast immer nur aus seitlicher Perspektive.

Warum das so war? Für die Käufer dieser damals extrem teuren Fabrikate waren wohl die Proportionen und repräsentative Wirkung wichtiger – wie der Kühler aussah, wusste man auch so, weshalb man darauf in den Druckwerken keine Abbildung ver(sch)wendete.

Mit der Rolle als Blog-Wart – eine Bezeichnung, welche wir einem vielseitig begabten Leser verdanken – identifiziere ich mich vollkommen. Einer muss ja für Ordnung sorgen in der Welt der Vorkriegsautos, zumindest was ihre Dokumentation im Netz betrifft.

Natürlich gebührt es den Automobilhistorikern, diesem Sujet andernorts fachlich gerecht zu werden, während ich hier meine meist subjektive Sicht der Dinge präsentiere.

Allerdings wüsste ich im deutschsprachigen Raum keine vergleichbare Online-Präsenz, wo Marken und Modelle länderübergreifend so umfassend und zugleich detailliert dokumentiert sind, noch dazu für jedermann kostenlos oder sonstige Zugangsrestriktionen verfügbar.

Zurück zu Beckmann: In der weiteren Betrachtung der Marken-Historie in den Jahren 1911-12 hebt Christian Börner hervor, dass Beckmann damals seine größte Bedeutung in geographischer Hinsicht erlangte:

Wie schon in der vorigen Folge erwähnt, exportierte Beckmann seine Automobile unter anderem nach Schweden. Hier haben wir ein Bilddokument aus dem Jahr 1911 eines dorthin gelangten Automobils Breslauer Produktion, evtl. eines 10/20 PS Tourers:

Beckmann-Tourer von ca. 1911 in Schweden; Foto via Christian Börner

Dieses Exemplar muss seinen Besitzer im hohen Norden viele Jahre gute Dienste erwiesen haben.

Denn es hat sich ein weiteres Foto erhalten, welches denselben Wagen zeigt und bei dem ersichtlich ist, dass die Damen an Bord in der Mode der frühen 1920er Jahre gekleidet sind – jedenfalls was die Hutform betrifft, welche es so vor dem 1. Weltkrieg nicht gab.

Dazu Christian Börner: „Details zu diesem Fahrzeug sind ebenso wenig überliefert wie Angaben zum Besitzer und dessen schemenhaft erkennbarer Familie. Immerhin lernen wir hier, dass auch die Schweden seinerzeit Linksverkehr praktizierten (bis 1967).“

Beckmann-Tourer von ca. 1911 in Schweden; Foto via Christian Börner

Was die internationale Verbreitung von Beckmann-Automobilen angeht, gibt es aber noch weiteres zu vermerken.

So erfuhr schon der junge Christian Börner, als Anfang der 1960er Jahre sein Interesse an der Auto-Geschichte seiner Vorfahren erwachte, von seiner Oma Erna Beckmann (eine der Töchter von Paul Beckmann, leider die weniger automobilbegeisterte…) dieses:

Selbst der russische Zarenhof hatte vor dem 1. Weltkrieg Beckmann-Fahrzeuge erworben. Über Typen und Anzahl gibt es keine Aufzeichnungen, auch kein Foto oder ein anderes Dokument, das Mitglieder der Zarenfamilie in einem Beckmann sitzend zeigen würde.

In den Jahren 1912 und 1913 sind mehrere Annoncen der Moskauer Beckmann-Vertriebs-niederlassung erschienen, die darauf schließen lassen lassen, dass am Zarenhof in Sankt Petersburg keine Niederlassung existierte und die gelieferten Beckmann-Wagen zur Moskauer Residenz des Zaren gehörten:

Beckmann-Reklame 1912/13; Original via Christian Börner

Zeitgeschichtlich interessant ist hier, dass es neben der Generalvertretung von Beckmann in Moskau einer weitere in Goulai-Pole in der Verwaltungsregion Jekatarinoslaw gab. Diese einst zum russischen Reich gehörigen Örtlichkeiten liegen heute in der Ukraine.

An dieser Stelle betreten wir im wahrsten Sinne vermintes Gelände. Während die Firma Beckmann vor dem 1. Weltkrieg offenbar noch beste Handelsbeziehungen nach Russland hatte, stellt sich die Lage heute aus deutscher Sicht bekanntermaßen ganz anders dar.

Man sieht: Mitten in der friedlichen Beschäftigung mit der Automobil-Frühzeit holt einen die aktuelle Historie wie die eigene Geschichte ein.

Angesichts der Verheerungen von deutscher Hand vor gut 80 Jahren in der Region und der Komplexität der Vorgeschichte des aktuellen Konflikts der beiden Großmächte um die Ukraine meide ich entgegen sonstiger Gewohnheit eine Positionierung.

Hier soll es vor allem um die Autos einer untergegangenen Welt gehen und um die wenigen Spuren, die sie hinterlassen haben. Wir wollen unverdrossen nach weiteren suchen.

Bald ist Frühling und vielleicht ist bald – wichtiger als alles – Frieden. Nachtrag: Ich fürchte angesichts der fatalen Rhetorik der jüngsten Zeit: das Gegenteil.

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Spurensuche: Beckmann-Automobile (1909-10)

Der Monat Januar ist fast geschafft – und er hat auch mich wie jedes Jahr geschafft. Denn nach dem Jahreswechsel habe ich stets außergewöhnlich viel geschäftlich zu tun. Dann reicht am Abend die Energie meist nur noch für Routine-Einträge im Blog.

Das erklärt, weshalb Sie diesen Monat über Gebühr auf die Fortsetzung der Beckmann-Spurensuche warten mussten, die ich seit letztem Jahr gemeinsam mit Beckmann-Urenkel Christian Börner unternehme.

Die einst achtbare Automarke aus Breslau in Schlesien (seit 1945 zu Polen gehörig) hat in der gängigen Literatur und im Bewusstsein der deutschen Vorkriegsautofreunde kaum Spuren hinterlassen – dabei verdient sie es, wieder ins rechte Licht gerückt zu werden.

In der letzten Folge bekam man eine Ahnung davon, in welcher Liga Beckmann einst unterwegs war. Diese Firma war kein obskurer Fabrikant irgendwelcher Kleinstwagen oder abwegiger Konstruktionen, sondern ganz auf der Höhe der Zeit und im mittleren bis gehobenen Segment präsent.

Das lässt sich mit dem Material aus den Jahren 1909-1910 illustrieren, das Christian Börner für uns zusammengetragen und kenntnis- wie beziehungsreich kommentiert hat.

Wie immer wechseln sich sein O-Ton und meine Anmerkungen ab – nebenbei eine Koproduktion, die uns beiden viel Freude macht und völlig reibungslos verläuft, obwohl wir uns noch nie persönlich kennengelernt haben.

Heute nehmen wir drei Beckmann-Modelle von anno 1909 exemplarisch ins Visier, von denen gesicherte Angaben überliefert sind und nicht lediglich die bisweilen fehlerhaften Angaben in der jüngeren Sekundärliteratur. Damit hat Christian Börner das Wort:

„Die Zeitschrift Automobil-Welt veröffentlichte im März 1909 sogenannte Wagentafeln verschiedener Hersteller, gegliedert nach Preiskategorien. Dieser Unterteilung folgend seien drei der Typen herausgegriffen, die die Firma Beckmann damals anbot – wobei das Basismodell 8/14 PS mit Zweizylindermotor außen vor bleibt.

In der Preisklasse von 10.000 bis 12.000 Goldmark erwartete den solventen Käufer der vierzylindrige Typ 10/18 PS – übrigens mit einem von Mutel aus Frankreich zugekauften Aggregat:“

Beckmann Typ 10/18 PS; aus: Automobil-Welt, März 1909 (via Christian Börner)

Anmerkung von meiner Seite: Bei der Lektüre wird man vielleicht über die eigentümliche Schreibweise von „Phaeton“ stolpern, womit anfänglich solche offenen Tourenwagen bezeichnet wurden.

Tatsächlich ist hier die korrekte Aussprache der altgriechischen Bezeichnung angegeben: „Pha-eton“ – nicht „Phäton“, wie bisweilen zu hören. Auch solche kleinen Details gehören für mich zu Beschäftigung mit der Welt von gestern.

Jetzt schaltet sich aber wieder Christian Börner ein, damit der Blick auf Beckmann nicht schon an dieser Stelle verlorengeht (das holen wir später nach).

Der Preisklasse 12.000 bis 15.000 Goldmark angehörig war 1909 der Beckmann Typ 21/40 PS – er besaß einen vom Hersteller selbstkonstruierten Vierzylinder.

Dieser hatte wie damals häufig der Fall noch keinen einteiligen Zylinderblock, sondern war zusammengesetzt aus zwei paarig gegossenen Doppelzylindern:“

Beckmann Typ 21/40 PS; aus: Automobil-Welt, März 1909 (via Christian Börner)

Der wesentlich längere Radstand und die weit höhere Leistung des drehmomentstarken 6,3 Liter-Motors machten dieses Beckmann-Modell zu einem formidablen Reisewagen. Ein Traum wäre es natürlich, ein solches Exemplar irgendwo im Süden abgelichtet zu finden.

Als nächste Steigerung könnte man nun den kolossalen Vierzylindertyp 25/50 PS erwähnen, der mit 7,3 Litern Hubraum ein für heutige Verhältnisse unvorstellbares Zylindervolumen aufwies und sogar schon mit 4-Gang-Getriebe verfügbar war.

Doch Christian Börner hat für uns aus der Automobil-Welt von 1909 etwas noch reizvolleres herausgesucht – nämlich einen der damals am deutschen Markt äußerst seltenen 6-Zylinder.

„Auch unter den Wagen der schwindelerregenden Preisklasse 15.000 bis 20.000 Goldmark wurde man bei Beckmann fündig – in Form des nochmals in der Länge gewachsenen 31/50 PS-Typs:

Beckmann Typ 31/50 PS; aus: Automobil-Welt, März 1909 (via Christian Börner)

Der 31/50 PS-Sechszylindermotor dieses grandiosen Wagens bestand aus drei paarig gegossenen Zylindern mit den Abmessungen des Vierzylindertyps 21/40 PS. Nach dem Baukastenprinzip fügte Beckmann also hier einfach noch ein weiteres Zylinderpaar hinzu.“

An dieser Stelle geht Christian Börner nun auf das ein, was ich an dieser Stelle ebenfalls in den Vordergrund gerückt hätte: nämlich die für uns Nachgeborenen im 21. Jahrhundert unvorstellbaren Preisdimensionen, in denen sich die Beckmann-Wagen anno 1909 bewegten – wie natürlich andere frühe Fabrikate auch.

Die Auszüge aus der Automobil-Welt geben uns zwar Auskunft über die Preiskategorien, in denen die Beckmann-Automobile anno 1909 angesiedelt waren, sagen aber nichts darüber aus, in welcher Relation der Kaufpreis zum Verdienst der Masse der Bevölkerung stand.

Dazu ein Beispiel: So lag der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeiters im Deutschen Reich 1909 bei 86 Goldmark (Quelle). Im Jahr entsprach das brutto also 1032 Mark. Jetzt können Sie ob mit oder ohne Rechner überschlagen, wie lange ein Arbeiter für irgendein Automobil hätte schuften müssen – ohne die Abzüge für Abgaben und Lebensunterhalt.

Das macht eindrucksvoll deutlich, dass sich damals überhaupt nur sehr begüterte Menschen Autos leisten konnten.

Der „niederste“ Berufsstand, der das hinbekam, war der der Landärzte. Sie konnten ihren Beruf mit einem motorisierten Zweisitzer weit effektiver ausüben, als mittels an- und auszuspannender und auch in Ruhezeiten haferfressender Pferde Hausbesuche zu machen.

Mit seinem 4/8 PS-„Doktorwagen“ hatte Opel im selben Jahr ein ideales und mit einem Preis ab 3.950 Mark noch finanzierbares Angebot für diese Berufsgruppe auf den Markt gebracht.“

Beckmann hatte in der Kleinwagenklasse damals kein Modell im Angebot – was im nachhinein vielleicht ein Fehler war, denn dort war das Absatzpotenzial zumindest volumenmäßig beträchtlich und der Deckungsbeitrag vieler solcher Doktorwagen in Schlesien und anderswo hätte höher ausfallen können als der weniger gehobener Modelle.

An dieser Stelle weist Christian Börner auf ein interessantes Detail hin, welches den Rang der Marke Beckmann in der damaligen Autohierarchie illustriert:

„Zwar sind von Beckmann Erfindungen mit nachhaltigem Einfluss auf die Autoentwicklung nicht bekannt, aber in einigen Punkten waren die Breslauer Wagen vielen Wettbewerbern einen Schritt voraus. So wurden Beckmann-Autos zu der Zeit bereits mit Drahtseil-(Bowden-)zügen zur Betätigung von Zündung und Vergaser ausgerüstet, während andere Hersteller weiterhin Gestänge verwendeten und erst später dem Vorbild Beckmann folgten.“

An der Wende zum Jahr 1910 war Beckmann weiterhin auf der Höhe der Zeit, wie wir gleich sehen werden.

Unterdessen trieb die Autokonjunktur aber auch einige fragwürdige Blüten. Ein kurioses Beispiel aus jener fernen Zeit hat Christian Börner für uns aufgetan:

Reklame aus: Allgemeine Automobil-Zeitung (dt. Ausgabe) vom 29.10.1909; via Christian Börner

Diese köstliche Aufschneiderei – man beachte die großspurige Wortwahl – hat Christian Börner zu einer launigen Kommentierung veranlasst, mit der er mich trefflich persifliert – selbst wenn das nicht seine Absicht gewesen sein dürfte.

Denn bekanntlich neige ich selbst zu dergleichen Abschweifungen und Bezügen zu einer oft sich heillos selbst überschätzenden Gegenwart:

„Was ist uns entgangen seit den Tagen von Beckmann & Co.? Über 100 Jahre lang hätten Unfälle mit Personen- und Sachschäden vermieden werden können! Fatal, dass dieses visionäre Assistenzsystem nicht den verdienten Erfolg fand, weil sich damals trotz Aussicht auf Millionenverdienst kein „Reflektant“ unter den „Kapitalisten“ dafür begeisterte. Heute beschäftigen sich Heerscharen von Entwicklern damit, unsere vierrädrigen Computer so zu dressieren, dass es rundherum piept, wenn Kollisionsgefahr besteht (oder auch nicht). Dabei wurden uns einst wohltönende Glockensignale für diesen Fall versprochen…“

Christian Börner bekommt gekonnt die Kurve aus der Parodie zurück in die Dokumentation und berichtet, wie es weiter mit Beckmann ging:

Im Jahr 1910 brachte Beckmann seinen ersten Motor in Blockbauweise auf den Markt, und zwar als Nachfolger des von Mutel zugekauften 10/18 PS-Aggregats. Damit waren dem Trend der Zeit entsprechend die aus Einzelzylindern, später aus paarweise gegossenen Zylindern bestehenden Motoren passé.

Beckmann bot damals im Einklang mit den neusten Tendenzen im Karosseriebau ein Schmankerl in Form dieses sportlichen Tourenwagens mit moderner „Windkappe“:

Für diesen in jeder Hinsicht großzügig bemessenen 25/50 PS-Vierzylinder wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h angegeben – auf den Straßen von 1910 zwar ein eher theoretischer Wert.

Doch man ahnt die souveräne Leistungsentfaltung des 6,3 Liter-Motors und träumt sich mit diesem enormen Wagen bei schönstem Wetter und mit niedergelegtem Verdeck auf eine Tour durch grandiose Berglandschaft oder über pfeilgerade alte Römerstraßen.

Zum Abschluss erhält noch einmal Christian Börner das Wort, denn besser könnte ich es selbst nicht sagen. Er beschreibt den Zauber dieser großvolumigen Tourenwagen aus einer längst vergangenen Zeit wie folgt:

„Wenn ich bei einer gütigen Fee einen Wunsch frei hätte, dann beträfe er dieses Objekt meiner Begierde…“

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.



Spurensuche: Beckmann-Automobile (1908)

Mein gemeinsam mit Beckmann-Urenkel Christian Börner begonnenes Porträt der einstmals angesehenen Breslauer Automarke findet eine durchaus solide Resonanz bei den Lesern meines Blogs.

Das ist keineswegs selbstverständlich bei einem vordergründig so entlegenen Thema, das einen noch dazu in eine Zeit zurückführt, die mit unserer Welt des 21. Jahrhunderts nur wenig gemeinsam hat.

Nebenbei sei bemerkt, dass sich immerhin drei Phänomene über die letzten mehr als 100 Jahre als Konstante erwiesen haben: allgemein verfügbare Elektrizität, individuelle Motorisierung und schnelle internationale Kommunikation.

Beim letzten Punkt mögen Sie jetzt stutzen – doch tatsächlich: Schon das Telegramm ermöglichte um 1900 eine – wenn auch teure und limitierte – weltweite rapide Textübermittlung, wie wir sie heute mit E-Mail oder anderen Diensten praktizieren. Nur für die Bildübertragung war man noch auf die Zeitung und damit Eisenbahn und Postdampfer angewiesen.

Was das Automobil betrifft, hat der Fortschritt natürlich wahre Wunder gewirkt. In punkto Fahrwerk, Verbrauch, Sicherheit und Komfort ist das moderne Automobil von seinen Urahnen so entfernt wie eine Boeing 767 von den ersten Wright-Flugapparaten:

Aber: das Versprechen des Automobils – nämlich den Besitzer aus eigenem Antrieb und nach eigenem Gusto an beinahe jeden Ort des Planeten zu transportieren – das wurde schon in der Zeit eingelöst, in der wir heute zurückreisen, nämlich 1908.

Sie werden überrascht sein, wohin uns die heutige Spurensuche in Sachen Beckmann dabei führen wird, das kann ich schon jetzt sagen.

Nun hat aber erst einmal Christian Börner das Wort, dem ich das Material und die Inspiration zu diesem Parforceritt durch die Beckmann-Historie verdanke, deren gründliche Aufarbeitung er sich zur Aufgabe gemacht hat:

„Auf geht’s – in das Jahr 1908, das für Beckmann bereits im Vorjahr begann. So präsentierten die Hersteller ihre 1908er Modelle nämlich schon im Dezember 1907 auf der Automobilausstellung in Berlin. Beckmann stellte dort gleich sechs Autos aus.

Erwartbar waren natürlich die bereits bewährten Vierzylindertypen, welche mit unterschiedlichen Aufbauten zu bestaunen waren. Doch wahrhaft Furore machte der neue Sechszylindertyp mit beeindruckenden 50 PS Leistung.“

Leser Wolfgang Spitzbarth (übrigens Betreiber der Website zu den Konstruktionen von Karl Slevogt) hat einen passenden Auszug aus „Der Motorfahrer“ von Ende 1907 beigesteuert:

Beckmann-Vier- und Sechszylinder des Modelljahrs 1908; aus: Der Motorfahrer, Nr. 48-1907; via Wolfgang Spitzbarth

Noch mehr hat mir Christian Börner zur Verfügung gestellt – und zwar einen Auszug der Besprechung des Beckmann-Sechszylinders in der „Allgemeine Automobil-Zeitung“ im Dezember 1907:

Als Clou des Standes können wir das in jeder Beziehung den weitreichendsten Ansprüchen Rechnung tragende 50 PS Sechszylinder-Chassis ansprechen, die Type, mit welcher die Firma die nächstjährigen Konkurrenzen bestreiten dürfte und welche wir als geradezu idealen Wagen des fashionablen Sportmannes bezeichnen können. Kenner und Fachleute werden gewiss nicht verfehlen, dieser neuesten Errungenschaft unserer heimischen Industrie Bewunderung zu zollen. Es ist hier, vom Guten das Beste zusammengenommen, etwas vollkommen Erstklassiges geschaffen worden.“

Herrlich, nicht wahr? So berechtigt die Begeisterung ob des mächtigen Sechszylinder-Beckmann auch war, beschleicht einen doch der Verdacht, dass sich hier ein damals wie heute in prekären Verhältnissen lebender „Pressebengel“ mit einem kleinen Schmiergeld zu solchen Lobeshymnen hat motivieren lassen.

Zwar waren Sechszylinderautos in deutschen Landen damals rar, doch mit dem Protos 26/50 PS gab es ab 1908 einen Konkurrenten – und das aus bestem Berliner Hause.

Der „fashionable Sportsmann“ war daher nicht unbedingt auf einen Beckmann angewiesen, wenn ihm der Sinn nach einem 100-Kilometer-Wagen mit 6-Zylinder-Laufkultur stand.

Wie wir gleich sehen, wurden Beckmann-Autos tasächlich eher für ihre unbedingte Zuverlässigkeit und Sparsamkeit in der soliden Vierzylinder-Klasse geschätzt.

So weiß Christian Börner zu berichten:

„Das Beckmann’sche Geschäft mit Droschken/Taxis lief im wahrsten Sinne des Wortes wie geschmiert. Die Beckmann Automobil-Vertriebs-Gesellschaft m.b.H. in Berlin-Wilmersdorf betrieb sogar einen eigenen großen Droschken-Fuhrpark.

Alleine im Jahr 1908 wurden 50 Stück aus Breslau dorthin geliefert. Beckmann-Droschken wurde bevorzugt mit 7/12 PS Zweizylinder- oder 10/14 PS Vierzylindermotoren georderte. Sie galten im Taxi-Gewerbe als sparsam und unverwüstlich. „

Hier haben wir eine hübsche Parade solcher Beckmann-Droschken, bei denen der Fahrer fast ausnahmslos außen saß – wie über Jahrhunderte bei Kutschen üblich:

Bckmann Droschken in Berlin; Originalabbildung via Christian Börner

Was in der Reichshauptstadt – damals neben London und Paris „die“ Kultur- und Industriemetropole in Europa – offensichtlich Erfolg hatte, konnte andernorts nicht unbemerkt bleiben.

Interessant und merkwürdig zugleich ist, dass die Automobile von Beckmann nicht unerhebliche Spuren in Dänemark, Schweden und Norwegen hinterlassen haben.

Man hätte aufgrund der geografischen Lage Breslaus vielleicht eher eine stärkere Präsenz in Osteuropa erwartet. Doch wie ich aus meiner eigenen Familiengeschichte weiß, war das engste Band der schlesischen Städte damals dasjenige an Berlin.

Offenbar wurde in Skandinavien genau registriert, was seinerzeit in Berlin angesagt war, jedenfalls in Sachen Automobil. Das erklärt, warum wir uns gleich warm anziehen müssen.

Doch keine Sorge, wir machen zum Akklimatisieren erst einmal einen Ausflug ins schöne Dänemark, wo angeblich mit die glücklichsten Menschen leben.

Ich glaube das sofort, auch wenn ich noch nicht dort war, denn ich habe noch nie etwas Gegenteiliges gehört. Wer so etwas Geniales wie das Romo Motor Festival veranstaltet, muss mit sich (und der Welt des Verbrennungsmotors) vollkommen im Reinen sein.

Wo waren wir? Im Jahr 1908, natürlich! Bevor ich weiter abschweife, übernimmt Christian Börner in bewährter Weise.

„Anno 1908 lief der erste Beckmann in Dänemark als Taxi, und zwar in Kopenhagen. Es war ein 7-sitziger 10/14 PS-Phaeton mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Anfang 1913 wurde dieser Wagen nach langem Gebrauch in den hohen Norden Norwegens verkauft und dorthin verschifft, denn das Straßennetz reichte bei weitem nicht bis ans Ziel. Käufer dieses Gebrauchtwagens war nämlich ein Fahrrad-Produzent, der seine Manufaktur in der Provinz Nord-Trøndelag auf der Insel Andøya in der Region Vesterålen hatte.“

Ich muss zugeben, dass mir das nichts sagte. Zwar war mein Paderborner Großonkel Ferdinand neben seiner Italien-Passion zeitlebens ein großer Norwegen-Reisender – noch heute höre ich ihn geheimnisvoll „Norrrwegen“ mit gerolltem „r“ sagen – doch die skandinavische Geografie ist mir zeitlebens fremd geblieben.

So habe ich erst von Christian Börner gelernt, dass die Insel Andøya sagenhafte 350 km nördlich des Polarkreises liegt. Dorthin hatte es also diesen 1908er Beckmann verschlagen, der offenbar an einem sonnigen Tag aufgenommen worden war (im Hochsommer klettern die Temperaturen dort auf über 13 Grad):

Beckmann Typ 10/14 PS von 1908 in Norwegen; Foto aus Bestand Rune Aschim/Norwegen

Wenn man der Überlieferung glauben kann, war dieser Beckmann „das erste Auto in Nord-Norwegen überhaupt und dürfte auf der Insel wenig Auslauf gehabt haben.“

So Christian Börner im O-Ton. Nun fragt man sich, was aus diesem Wagen geworden ist oder ob es noch andere Zeugnisse solcher Beckmann-Veteranen in Skandinavien gibt.

Ich sage ganz offen, dass ich nicht die geringste Ahnung habe. Denn ich habe mit Christian Börner vereinbart, dass er uns nur peu a peu verrät, was er bisher über die Automobile herausgefunden hat, welche einst seine Vorfahren im schlesischen Breslau fertigten, wo er kurz vor Kriegsende auf die Welt kam.

Liebe Leser, nun müssen wir uns bis Mitte Januar gedulden, bevor wir Neues aus dem alten Europa erfahren, in dem einst auch die Wagen von Beckmann ihren Besitzern eine Mobilität selbst unter widrigsten Bedingungen ermöglichten, welche bis dato selbst Kaisern und Königen nicht zu Gebote gestanden hatte.

Welche ungeheure Zäsur im Leben der Leute die Ankunft der ersten Motorkutschen gewesen sein muss, das ersehen wir schon daraus, dass einst jeder – wirklich jeder – damit für Mitwelt und Nachwelt festgehalten werden wollte.

Was könnte das schöner illustrieren als diese für heute (und 2023) letzte Aufnahme eines Beckmann – genau des10/14 PS-Typs von 1908, der einst nach Norwegen gelangte?

Beckmann Typ 10/14 PS von 1908 in Norwegen; Foto aus Bestand Rune Aschim/Norwegen

Damit sagen Christian Börner und ich für’s Erste „Auf Wiedersehen“, was die Beckmann-Automobile angeht.

Im Neuen Jahr geht unsere Spurensuche weiter und wie immer sind alle Leser eingeladen, etwaige Beckmann-Dokumente aus ihren Sammlungen zu diesem Projekt beizusteuern, so wie das diesmal dankenswerterweise Wolfgang Spitzbarth getan hat.

Bis zum Jahreswechsel setze ich indessen im Hinblick auf andere Vorkriegsmarken meine Mission (so sagt man heute, wenn man etwas mit Leidenschaft tut) fort – ich habe noch einiges vor, bevor wir 2023 adieu sagen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.   

Spurensuche: Beckmann-Automobile (Folge 5: 1906/07)

Zur Monatsmitte steht eine neue Folge der Beckmann-Spurensuche an, die ich dank der Dokumente und Informationen von Christian Börner unternehmen darf. Er ist der Urenkel von Paul Beckmann, der 1898 im damals noch schlesischen Breslau mit dem Bau von Automobilen begann.

Die Geschichte dieser einst durchaus bedeutenden Marke ist bislang nicht umfassend und in die Tiefe gehend dokumentiert. Was ich hier in Sachen Beckmann präsentiere, kratzt sicher nur an der Oberfläche, weckt aber vielleicht bei dem einen oder anderen Sammler das Interesse und führt so hoffentlich zu neuen Materialien und Erkenntnissen.

Leider habe ich heute nicht viel Zeit, um mir ein Konzept zurechtzulegen, denn ich habe es ein wenig eilig – geht es doch morgen für rund 10 Tage auf Reisen. Doch Herr Börner hat vorgebaut und so können wir es diesmal sportlich angehen.

Die Jahre 1906/07, denen wir uns heute widmen, waren nämlich für die inzwischen florierende Firma Beckmann von Wettbewerbseinsätzen geprägt, die interessante Spuren hinterlassen haben.

Doch wollen wir bei der Gelegenheit nicht unerwähnt lassen, dass Paul Beckmann bereits ab 1902 an solchen Prüfungen teilgenommen hatte und die Qualitäten seiner Wagen unter Beweis stellen konnte. Dazu übergebe ich das Wort an Christian Börner:

„Mein Urgroßvater Paul Beckmann wollte sich bereits frühzeitig durch Teilnahme an Automobil-Wettbewerben Gewissheit über die Fähigkeiten seiner Wagen verschaffen und den damit verbundenen Werbeeffekt nutzen.

Sein erster mir bekannter Einsatz war die Teilnahme an der „Qualitätsfahrt Breslau-Wien“ über eine Distanz von 450 km im Juni 1902. Die drei gestarteten Beckmann-Wagen errangen die drei ersten Preise, Beckmann kam mit seinem Mitfahrer als zweiter ins Ziel. Weiß jemand mehr über die übrigen Teilnehmer an dieser Fahrt?

Im Jahr darauf – also 1903 – nahm Paul Beckmann wiederum persönlich an der 800 km langen „Zuverlässigkeitsfahrt Breslau-Frankfurt a.M.“ teil, an der elf Fahrzeuge beteiligt waren. Von den drei ausgesetzten Ehrenpreisen fiel einer an Beckmann, die beiden anderen Preise ergatterten zwei Opel-Wagen. Auch hier wären ergänzende Informationen, zeitgenössische Berichte und Abbildungen willkommen.“

Bilddokumente konnte mir Christian Börner dann erstmals für Sporteinsätze anno 1906 zur Verfügung stellen. Hier haben wir den Chef höchstselbst auf dem beeindruckenden 40-Beckmann-Wagen mit dem er damals die „Herkomer Konkurrenz“ bestritt:

Paul Beckmann am Steuer des 40 PS-Modells, 1906; Originalabbildung via Christian Börner

Das ist das bislang mit Abstand beeindruckendste Foto eines „Beckmann“, das wir anlässlich unserer Spurensuche bewundern dürfen.

Ein Tourenwagen dieses Kalibers kann anno 1906 nicht bloß der Spleen eines lokalen Nischenherstellers aus Schlesien gewesen sein – Beckmann-Wagen stießen tatsächlich überregional auf Interesse, auch wenn das in der Literatur teils anders zu lesen ist.

Besagte „Herkomer-Konkurrenz“ fand im Juni 1906 zum zweiten Mal statt. Dazu wieder O-Ton von Christian Börner:

„Diese Fahrten waren Zuverlässigkeitsprüfungen auf langen Distanzen, ergänzt durch Sonderprüfungen. Für die 1906er Fahrt hatten sich sage und schreibe 155 Teilnehmer mit Fahrzeugen 46 unterschiedlicher Hersteller aus dem In- und Ausland angemeldet.

Paul Beckmann witterte die Werbewirksamkeit einer Teilnahme und hatte sich ebenfalls registrieren lassen. Die Herkomer Konkurrenz nahm ihren Ausgangspunkt in Frankfurt am Main (auf der Hanauer Landstraße an Kilometer 3, um genau zu sein) und führte dann über die spektakuläre Distanz von 1.600 km über München, Salzburg, Wien, Klagenfurt, Innsbruck zurück nach München, wobei zwischendurch diverse Sonderprüfungen zu bewältigen waren.

Hier sehen wir Paul Beckmann auf seinem wackeren 40 PS-Wagen beim Zieleinlauf nach der „Schnelligkeitsprüfung“:

Beckmann 40 PS-Modell bei der Herkomer Konkurrenz 1906; Originalabbildung via Christian Börner

Bei dieser Geschwindigkeitsprüfung auf der 5,5 km langen Strecke im Forstenrieder Park erreichte Paul Beckmann eine hervorragende Durchschnittsgeschwindigkeit von 92 km/h und damit den 7. Wertungsplatz. Dabei ließ er manche weit stärkere Wagen, z.B. von Mercedes oder Métallurgique, hinter sich.

In der Gesamtwertung der Herkomer Konkurrenz 1906 wurde Beckmann ein silbernes Ehrenschild zuerkannt – was auch immer das bedeutete.

Der Bekanntheit der Marke im Deutschen Reich – und vielleicht sogar darüber hinaus – konnte das jedenfalls nur zuträglich sein.

Paul Beckmann sorgte anno 1906 konsequenterweise auch für einen repräsentativen Stand seiner Firma auf der Berliner Automobil-Ausstellung:

Beckmann-Stand auf der IAA in Berlin 1906; Originalabbildung via Christian Börner

Sieht so die Präsenz eines Nischenherstellers von lediglich lokaler Bedeutung auf einer der wichtigsten Automessen Europas aus?

Ganz bestimmt nicht – und von daher müssen Beckmann-Automobile mehr Spuren hinterlassen haben als die wenigen, die sich in der kargen und veralteten Literatur zu der Marke finden.

Christian Börner weiß zu berichten, dass die Marke Beckmann auch das Jahr 1907 wieder „sportlich“ angehen ließ.

„Im Januar 1907 fand in Schweden eine äußerst anspruchsvolle Winter-Fernfahrt von Stockholm nach Göteborg über 515 km statt – der Schwedische Winterpokal)

Daran nahm ein gewisser H.P. Janek aus Helsingborg mit seinem Beckmann-Doppelphaeton 12/14 PS teil. Er startete zwar mit der Nummer 1, musste aber auch bereits als erster schon nach 8 Minuten aufgeben – ein glatteisbedingter Unfall setzte seinen Ambitionen ein jähes Ende.“

Hier haben wir den Unglücksraben beim Start:

Beckmann 12/14 PS beim Schwedischen Winterpokal 1907; Originalabbildung via Christian Börner

Interessant ist diese Episode natürlich deshalb, weil sie den wohl ersten dokumentierten ausländischen Besitzer eines Beckmann zeigt. Auch in dieser Hinsicht sind weitere Dokumente wünschenswert, die im Idealfall noch frühere Beispiele dafür liefern.

1907 fand zudem eine neuerliche Ausgabe der Herkomer Konkurrenz statt. Wieder ließ es sich Paul Beckmann nicht nehmen, selbst an dem vielbeachteten Wettbewerb teilzunehmen. Christian Börner weiß dazu folgendes:

„Insgesamt waren 189 Teilnehmer gemeldet, davon sind 161 angetreten, ins Ziel gekommen sind nach sechs Tagen lediglich 108 – offenbar fand eine harte Auslese statt.

Der Start war diesmal in Dresden, die Route war 1.818 km lang und ging über Leipzig, Eisenach, Würzburg, Mannheim, Freudenstadt, Lindau, München und Augsburg zum Ziel in Frankfurt am Main.

Eine Sonderprüfung auf Geschwindigkeit gab es abermals im Forstenrieder Park bei München, außerdem eine Bergwertungsprüfung am Kesselberg (Lkr. Bad Tölz).“

Beim Start in Dresden entstand damals diese Aufnahme des teilnehmenden Beckmann:

Beckmann 40 PS-Modell bei der Herkomer Konkurrenz 1907; Originalabbildung via Christian Börner

„In Anbetracht der großen Konkurrenz mit vielen wesentlich stärkeren Fahrzeugen, darunter 12 Mercedes, 16 Benz, je 7 Adler und Opel, war es eine achtbare Leistung von Paul Beckmann und seinem 40 PS-Phaeton, in der Gesamtwertung als 16. das Ziel strafpunktfrei erreicht zu haben. Hierfür wurde ihm eine goldene Plakette verliehen.“

Mit der Erwähnung dieser sportlichen Lorbeeren für die Beckmann-Wagen in den Jahren 1906/07 will ich die heutige Spurensuche beenden.

Zwar gab es Ende 1907 noch eine beeindruckende Neuerung der Breslauer Autofirma zu bestaunen, doch die betraf genau genommen das Modelljahr 1908 und wird daher der Ausgangspunkt, wenn wir Mitte Dezember wieder auf Entdeckungsfahrt auf den Spuren der Beckmann-Automobilbaus gehen.  

Nach diesem sportlich in die Tastatur gehämmerten Blog-Eintrag werde ich mir nun einige Stunden des Schlummers gönnen, bevor es morgen (eigentlich schon heute) wieder einmal gen Süden geht. Italien lockt auch im November mit seinen Reizen…

Ende November nehme ich meine Niederschriften in diesem Online-Tagebuch wieder auf – bis dahin muss ich auf das inzwischen reichliche Material in meinem Blog und in den begleitenden Galerien verweisen – zu beidem können Sie gegebenfalls gern beitragen.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.   

Spurensuche: Beckmann-Automobile (Folge 4: 1905)

Die zweite Oktoberhälfte hat bereits begonnen und erstmals sind in meiner Heimatregion – der hessischen Wetterau – die Temperaturen nachts auf knapp über den Gefrierpunkt gefallen.

Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, das Nahen der kühlen Jahreszeit so lange zu ignorieren und ohne Jacke vor die Tür zu gehen, wie es noch mindestens 10 Grad sind. Doch dies lässt sich nun nicht mehr durchhalten, auch in der Werkstatt habe ich erstmals den Gasstrahler anwerfen müssen, da einem sonst die Kälte in die Knochen kriecht.

Im Haus wartet der im letzten Jahr vorausschauend installierte Kaminofen auf den ersten Betrieb – wohlig warme Winterabende vor glühenden Scheiten stehen in Aussicht.

Doch für’s Erste genügt noch die Gastherme, die ich nach 35 Jahren Betrieb – ebenfalls vorausschauend – ersetzt habe. An dieser Front herrscht nun Ruhe – komme da, was wolle.

Jetzt ist zwar die Kasse leer, doch dafür lässt sich der Blick wieder entspannt auf die erbaulichen Dinge im Leben richten – die nächste Folge meiner Beckmann-Spurensuche, die ich seit Juli 2023 zusammen mit dem Urenkel von Paul Beckmann – Christian Börner – unternehme.

Dank seiner Informationen und Dokumente lässt sich ein weit umfassenderes und in manchen Details präziseres Bild der Beckmann-Automobilproduktion im schlesischen Breslau zeichnen.

Damit soll keineswegs einer noch ausstehenden Gesamtdarstellung der Beckmann-Historie vorgegriffen werden, welche dereinst Buchformat annehmen könnte.

Vielmehr geht es darum, neues Interesse an dieser einst renommierten Firma zu wecken und Gleichgesinnte zu veranlassen, in ihren Archiven nach weiteren Beckmann-Relikten zu fahnden – seien es Fotos, Reklamen, Prospekte, Besprechungen oder auch Plaketten oder andere Fahrzeugteile.

Bislang waren wir auf unserer Spurensuche erst bis Anfang 1905 gelangt. Eigentlich könnte man jetzt wieder zwei, drei Jahre der Firmenhistorie zusammen abhandeln, doch 1905 war ein so bedeutendes Jahr für Beckmann, dass ich die heutige Folge darauf beschränken will.

Welche Zäsur das Jahr 1905 markiert, das wird deutlich, wenn man sich vor Augen ruft, mit was für Fahrzeugen Beckmann noch in dieses Jahr getreten war und mit was für Wagen man es beendete.

Hier werfen wir einen Blick in die Auslieferungshalle von Beckmann, in der 9 oder 10 auslieferungsbereite Autos der Typen XIV, XV, XVII und XVIII versammelt sind. Alle diese Modelle wurden bis 1905 gebaut – sie wirken überwiegend noch recht archaisch:

Beckmann-Auslieferungshalle, aufgenommen 1904/05; Fotoquelle: autopolska.eu (via Christian Börner)

Das Auto rechts hinten ist das modernste – wie an der Kühlerpartie zu erkennen ist, handelt es sich sehr wahrscheinlich um den 30 PS starken Typ XVIII.

Von dieser Gestaltungsweise sollte Beckmann noch im Lauf des Jahres 1905 Abschied nehmen. Adieu sagte man auch der bis dahin gängigen Chassis-Konstruktion aus miteinander verschraubten Rohren und ging zum klassischen Leiterrahmen über.

Von 1905 an verbaute Beckmann – vom 6,5 PS-Einzylinder- abgesehen auch nur noch selbstentwickelte Motoren, wie schon beim 1904 eingeführten Typ XVIII.

Die Vielzahl der angebotenen Aggregate lässt die folgende Reklame erkennen, die zugleich die entfesselte Schaffenskraft der Entwickler bei Beckmann illustriert:

Beckmann-Reklame von 1905; Original via Christian Börner

Die bemerkenswerte Motorenvielfalt kündet von den weitreichenden Ambitionen, mit denen Paul Beckmann am deutschen Markt auftrat. Es ist offensichtlich, dass man damit mehr als nur einen lokalen Bedarf stillen wollte – dazu später mehr.

Freilich gilt es zu bedenken, dass mehrere dieser Motoren weitgehend baugleich waren und sich nur im Hubraum unterschieden.

Eine weitere Erklärung könnte laut Christian Börner darin liegen, „dass mit bestimmten Motoren bzw. deren möglichen Leistungen geworben wurde und wenn sich genügend Kunden dafür fanden, wurde ein solcher Motor gebaut.  Da es damals noch keine Serienproduktion gab, bedurfte es keiner riesigen Investitionen für komplexe Fertigungsmaschinen. Interessierte sich kein Kunde dafür, verschwand so ein nie gebauter Motor wieder aus den Annoncen.“

Dies scheint auch bei besser dokumentierten frühen Autoherstellern so gehandhabt worden zu sein. Ähnliches galt übrigens für das Karosserieangebot: nicht alles, was man den Kunden an Aufbauten offerierte, wurde auch tatsächlich gefertigt.

Interessant ist daneben die Frage, ob die Erwähnung regionaler Vertriebspartner in Reklamen auch bedeutete, dass diese tatsächlich Beckmann-Wagen an den Mann brachten. Dies ist nach gegenwärtigem Stand schwer zu beantworten.

In der bis heute dürftigen (und heillos veralteten) Literatur über die zahlreichen deutschen Autohersteller aus der Zeit vor Mitte der 1920er Jahre findet sich die Vermutung, dass Beckmann nie mehr als regionale Bedeutung in Schlesien erlangte.

Mir kam diese Behauptung schon immer unplausibel vor – die Großstadt Breslau und Schlesien allgemein waren auf vielfältige Weise mit der Reichshauptstadt Berlin verbunden – verkehrstechnisch, handelsmäßig und sehr oft auch ganz persönlich, wie ich aus der Familiengeschichte meiner in Liegnitz gebürtigen Mutter weiß.

Dass in Berlin als Hauptabsatzmarkt für Automobile keine Beckmann-Wagen gefahren sein sollen, ist schon von daher völlig abwegig. Tatsächlich machte die Firma dort gute Geschäfte mit Droschken beispielsweise, so Christian Börner.

Doch war Beckmann als Automarke auch in anderen bedeutenden Regionen des Deutschen Reichs vertreten. Das von Pommern bis an den Rhein reichende Vertriebsgebiet macht die folgende Reklame von 1905 anschaulich:

Beckmann-Reklame von 1905; Original via Christian Börner

Vor diesem Hintergrund möchte ich meinen Aufruf erneuern, weitere Dokumente zu Beckmann-Automobilen in digitaler Form einzureichen, damit sich das Bild dieser Marke vervollständigen und schärfen lässt.

Das gewachsene Selbstbewusstsein von Beckmann als hervorragender Automobilhersteller schlug sich nicht zuletzt im 1905 geänderten Erscheinungsbild der Kühlerpartie nieder. Nicht nur erhielten die Wagen einen ansprechend gestaltes Kühlergehäuse, sie trugen nun erstmals auch das Beckmann-Firmenemblem an der Front.

Beides ist gut auf der folgenden Aufnahme des Beckmann-Stands auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in der Berlin 1905 zu erkennen:

Beckmann-Stand auf der IAA 1905; Abbildung aus Sammlung Christian Börner (Pinneberg)

Dass Beckmann einen Platz im gehobene Segment des deutschen Automobilmarkts beanspruchte, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass 1905 ein neues Spitzenmodell für das Folgejahr konstruiert wurde, welches nunmehr 40 PS leistete.

Was Beckmann mit diesem 40 PS-Typ in den Jahren 1906 und 1907 publikumswirksam anstellte, das ist so spannend, dass es eine eigene Betrachtung in der nächsten Folge unserer Spurensuche verdient.

Hier als kleiner Vorgeschmack eine Seitenansicht dieses 8,6 Liter-Giganten:

Beckmann 40 PS-Typ von 1906; Abbildung via Christian Börner (Pinneberg)

Mitte November gibt es das Gerät dann aus vorteilhafterer Perspektive zu bestaunen – und zwar mit Firmenchef Paul Beckmann höchstselbst am Steuer!

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Spurensuche: Beckmann-Wagen (Folge 3: Wieder 1903)

Heute geht es weiter auf der im Juli begonnenen Suche nach Spuren der einst im schlesischen Breslau beheimateten Automarke Beckmann. In der letzten Folge waren wir bereits bei den ersten selbstkonstruierten Wagen mit bis zu 30 PS Leistung angelangt.

Eigentlich müssten wir das nächste Kapitel ab 1905 aufschlagen, in dem die Beckmann-Wagen immer mehr an Format gewannen.

Doch bei der Beschäftigung mit Vorkriegswagen muss man es im 21. Jahrhundert nicht eilig haben – die Epoche liegt bereits so weit zurück, dass man sich die eine oder andere Abweichung von der Chronologie leisten kann, wenn sich der Anlass dazu ergibt.

Nur zu gern lasse ich mich von der öden geraden Linie der Geschichtschreibung ablenken, vor allem dann, wenn ein Beinahe-Zeitzeuge und Nachkomme eines einstigen Autofabrikanten mich mit reizvollem Material versorgt.

Die Rede ist von Christian Börner, Urenkel des Gründers der Beckmann-Autowerke.

Er hat mir nicht nur das Material zu den beiden bisherigen Folgen dieser Spurensuche zur Verfügung gestellt. Ihm verdanke ich auch eine bemerkenswerte Rückblende in das Jahr 1903, in deren Mittelpunkt – unter anderem – ein Beckmann-Auto steht.

Heute soll Christian Börner selbst zu Worte kommen und zwar anhand dieses Fotos:

Beckmann-Wagen von 1903; Originalfoto aus Familienbesitz (Christian Börner)

„Wer sind diese drei Kinder? Welches Fahrzeugmodell ist das? Wann und wo ist das Foto entstanden?“ Das mögen Sie jetzt fragen.

Mein Name ist Christian Börner, und ich will es Ihnen erzählen.

Zunächst zu den Fahrzeuginsassen, oder eher Fahrzeug“auf“sassen: Das sind die drei Kinder des Fabrikbesitzers Paul Beckmann, meines Urgroßvaters.

Am Lenker sitzt etwas arrogant Otto (Jg. 1894), als wüsste er, dass er einst die Nachfolge seines Vaters antreten würde. Das war zwei Jahre nach dessen Tod im Jahr 1914 der Fall, als Otto volljährig und uneingeschränkt geschäftsfähig wurde. 

In der Mitte hat die 1896 geborene Erna Platz genommen, meine Großmutter. Sie schaut wenig begeistert drein, sie mochte das Autofahren ihr Leben lang nicht.

Anders verhielt es sich mit ihrer Schwester Ilse (Jg. 1898), die vis-a-vis sitzt und sich uns zuwendet. Man sieht es ihr noch nicht an, aber sie sollte später als Sportfahrerin auf Beckmann Karriere machen.

Was lässt sich zu der abgebildeten Voiturette sagen?

Nun, es handelt sich um die seitlich offene Version (Beckmann-Modell XIV), deren Produktion 1901 begann und 1903 endete. Aber ich kann es noch genauer sagen. Hier sehen wir die erste Version mit senkrechter Lenksäule und Hebel. Denn ab 1902 gab es eine schrägstehende Lenksäule mit Lenkrad.

Diese Aufnahme stammt von 1903 und zählt zu den drei Fotos, welche die Frauen meiner Familie bei ihrer Flucht aus Breslau im Januar 1945 als einziges „Erbe“ retten konnten.

Meine schon erwähnte Großmutter und ihre Tochter Ursula hatten wichtigeres Fluchtgepäck mitzuschleppen und vor dem Erfrieren zu bewahren – den ein halbes Jahr alten Enkel Christian. Ihnen ist es zu verdanken, dass Sie heute meine Zeilen lesen können.“

Soweit Christian Börner im O-Ton.

Er weiß auch augenzwinkernd zu berichten, dass die Beckmann-Wagen die ersten mit Sicherheitsgurt waren. Wenn Paul Beckmann seine Kinder auf dem Automobil umherkutschierte, sicherte er sie nämlich mit Ledergurten davor, beim Bremsen oder in scharfen Kurven aus dem Wagen zu fallen. 

Gefällt Ihnen diese persönliche Rückschau in Sachen Beckmann, die Sie wohl nirgends anders finden?

Dann schauen Sie zur Mitte des nächsten Monats wieder in meinen Blog, wenn die nächste Folge ansteht. Aber gern auch vorher – es gibt ja soviel zu erzählen…

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Spurensuche: Beckmann-Wagen (Folge 2: 1903-1905)

Vielleicht haben Sie die Fortsetzung der im Juli begonnenen Spurensuche nach Überbleibseln der Beckmann-Wagen aus dem schlesischen Breslau vermisst. Ich muss zugeben, dass ich den anvisierten Termin zur Monatsmitte nicht einhalten konnte.

Als Ausrede führe ich den vielzitierten Klimawandel an, der den August hierzulande zu einem Wetterdesaster gemacht und mir die Laune gründlich verdorben hat. Ein einwöchiger Italienurlaub entschädigte ein wenig, aber dieser ins Wasser gefallene Sommer hat mich doch ein wenig aus der Spur gebracht.

Doch noch bevor es an den Fund des Monats geht, will ich rasch die versprochene nächste Folge nachreichen, bei der ich mich wieder auf die Ausführungen und Dokumente von Christian Börner stützen darf, des Urenkels von Firmengründer Paul Beckmann.

Er hat mir noch einige Ergänzungen zu den bis 1902 gebauten Modellen zukommen lassen, die ich in den ersten Teil eingearbeitet habe. Nun sind dort auch die Typen XV und XVI erwähnt, welche dem Modell XVII 12-16 PS vorangingen.

An diesen Typ will ich heute anknüpfen – hier noch einmal eine Abbildung zur Erinnerung:

Beckmann Model XVII 12-16 PS; Abbildung aus Sammlung Chr. Börner (Pinneberg)

Dieser Typ, der noch mit einem Motor des französischen Lieferanten Aster ausgestattet war, erhielt 1903 ein Schwestermodell, das sich äußerlich auf den ersten Blick vor allem durch die längere und nun eckige Motorhaube unterscheidet.

Doch tatsächlich markiert dieser Typ XVIII bei aller Ähnlichkeit eine bedeutende Zäsur in der Geschichte der Beckmannn-Automobile. Denn sein 30 PS leistender Motor war ein „Eigengewächs“ des Hauses – ein beeindruckender Kompetenzbeweis und mit Spitze 75 km/h für damalige Verhältnisse ein recht schneller Wagen:

Beckmann Modell XVIII 30 PS; Abbildung aus Sammlung Christian Börner (Pinneberg)

Interessanterweise hielt Beckmann auch bei diesem leistungsfähigen Modell noch an der Chassiskonstruktion mit dickwandigen Stahlrohren fest – ein Gebiet, auf dem der Hersteller aufgrund seines Ursprungs im Rohrleitungs- und Fahrradbau besondere Expertise besaß.

Übrigens erhielt auch das schwächere Vorläufermodell XVI 12-16 PS später ein moderneres Erscheinungsbild ähnlich dem des 30 PS-Typs XVIII.

Hier haben wir dieses Modell auf einer Abbildung von 1904:

Beckmann 12-16 PS (Ausführung von 1904); Abbildung aus Sammlung Christian Börner (Pinneberg)

Nun ist erstmals auch ein Kühlwassereinfüllstutzen auf dem jetzt direkt vor der Haube montierten Kühler zu erkennen.

Noch besser ist selbiger auf der folgenden Aufnahme zu sehen, welche einen Beckmann des Modells XVIII von 1904 zeigt. Der Wagen wurde beim 5. Deutschen Automobiltag von Mitgliedern des Schlesischen Automobilklubs eingesetzt:

Beckmann Modell XVIII von 1904; Abbildung aus „Allgemeine Automobil-Zeitung“ (Sammlung Christian Börner, Pinneberg)

Schon ein Jahr später – anno 1905 – hatte sich der nächste Entwicklungsschritt vollzogen und die Beckmann-Wagen bekamen ein modern anmutendes Kühlergehäuse, auf dem nun auch ein Firmenschild angebracht war.

Damit präsentierten sich jedenfalls die Beckmann-Automobile anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung im Jahr 1905 in Berlin:

Beckmann-Stand auf der IAA 1905; Abbildung aus Sammlung Christian Börner (Pinneberg)

Zu diesem Zeitpunkt waren Beckmann-Wagen mit einer breiten Auswahl von 2- und 4-Zylindermotoren erhältlich, die das Leistungsspektrum von 10 bis 30 PS abdeckten.

Immer noch gab man der Bauweise mit Stahlrohrrahmen den Vorzug, die einen guten Kompromiss aus Leichtigkeit und Festigkeit bot. Davon scheint man erst 1906 mit dem Aufkommen noch stärkerer Wagen abgekommen zu sein.

Daran werde ich in einer der nächsten Folgen wiederum mit Unterstützung von Christian Börner anknüpfen – dann schlagen wir gemeinsam ein neues Kapitel in der Geschichte dieses einst bedeutenden schlesischen Autoherstellers auf.

Unterdessen sind Leser wieder aufgerufen, etwaige ergänzende Informationen und Dokumente zur Markengeschichte von Beckmann beizusteuern, damit wir dieses Fabrikat noch besser würdigen können.

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Spurensuche: Beckmann-Wagen (Folge 1: 1898-1902)

Mitte Juli 2023 – der Sommer ist, wie er sein soll, bloß der „Fund des Monats“ ist noch arg weit entfernt. Was tut man also, um seine Blog-Leser bei Laune zu halten?

Nun, man hält sie mit etwas bei der Stange, was das Warten auf „neue“ Auto-Sensationen aus alter Zeit erträglicher macht. Dazu muss man schon Außergewöhnliches zu bieten haben.

Dass ich ein geeignetes Thema gefunden habe, das verdanke ich Christian Börner aus Pinneberg. Er ist der Urenkel von Paul Beckmann, der 1898 die erste und wohl einzige schlesische Automobilfabrikation ins Leben rief – in Breslau (heute Wroclaw, Polen).

Über die bis zu Übernahme durch Opel im Jahr 1927 gebauten Beckmann-Wagen ist nicht viel mehr bekannt als das, was schon in den 1960er Jahren Hans-Heinrich von Fersen in seinem Werk „Autos in Deutschland 1885-1920“ veröffentlicht hat.

Christian Börner (geboren 1944 in Breslau) hat sich seit 1962 mit der Geschichte der Autofabrik seiner Vorfahren beschäftigt. Seither trägt er unermüdlich alles zusammen, was in Bibliotheken, in Museen, Autoclubs und bei Sammlern zu Beckmann zu finden ist.

Leider blieb die Resonanz auf seine Anfragen oft dürftig. So ist es einerseits beeindruckend, was er bei seinen Recherchen an Material entdecken konnte, andererseits fällt es schwer zu glauben, dass eine so profilierte Marke nicht mehr Spuren hinterlassen haben soll.

Zwar heißt es bei von Fersen in Bezug auf die Beckmann-Wagen, dass die „Verbreitung hauptsächlich auf den schlesischen und ostdeutschen Raum“ beschränkt war.

Mir fällt es schwer, dieser These zu folgen. So dient diese zur Monatsmitte erscheinende Folge nicht nur der Erbauung der Leserschaft. Sie soll auch Anreiz und Aufruf sein, noch irgendwo schlummernde Dokumente und Informationen zu Beckmann-Automobilen zutagezufördern.

Nach dieser Vorrede übergebe ich das Wort an Christian Börner, Urenkel von Paul Beckmann, dem Schöpfer der ersten Wagen dieses Namens:

Beckmann-Automobile? Sie meinen wohl Bergmann, ein Berliner Unternehmen, das einst Wagen der belgischen Firma Metallurgique in Lizenz herstellte?

Nein, ich meine tatsächlich: Beckmann-Automobile. Diese wurden von 1898 bis 1926 in Schlesiens Hauptstadt Breslau produziert, also 28 Jahre lang.“

So verlief manches Gespräch mit Experten, als ich als Urenkel des Produzenten vor rund 60 Jahren begann, über die Firma meiner Ahnen und deren Fahrzeuge zu recherchieren.

Firmengründer war Otto Beckmann. Er war Sohn eines Bäckers aus Wohlau/Schlesien und erlernte zunächst das Uhrmacherhandwerk. Nach seinem Umzug nach Breslau erschien es ihm alsbald lukrativer, mit gröberen Objekten umzugehen, denn die Großstadt brauchte Gas- und Wasserleitungen in großem Umfang.

Mit der dabei erworbenen Expertise im Rohrleitungsbereich witterte Otto Beckmann Anfang der 1880er Jahre eine neue Chance. Die Nachfrage nach Fahrrädern boomte, und 1882 startete er die Herstellung der damals so genannten Velocipeden:

Beckmann-Fahrradreklame von 1896; bereitgestellt von Christian Börner (Pinneberg)

Nur ein Jahr nach Erscheinen dieser Reklame – also 1897 – starb Firmengründer Otto Beckmann.

Doch glücklicherweise hatte sein Sohn Paul bereits zeitgemäße „Flausen im Kopf“ herausgebildet, die nach Umsetzung verlangten. 

Er war von den allerersten Motorfahrzeugen angetan und prophezeite ihnen eine große Zukunft. Bereits 1898 bot er ein Motor-Dreirad an, von dem übrigens noch ein Bild fehlt.

1899 brachte Paul Beckmann dann seinen ersten vierrädrigen Motorwagen (Modell XIII) auf den Markt:

Beckmann Typ XIII; Originalreklame von 1900 via Christian Börner (Pinneberg)

Dieser Beckmann-Wagen glich wie viele deutsche Wagen seiner Zeit äußerlich und technisch noch stark damals führenden Vorbildern aus Frankreich, vor allem von DeDion-Bouton. Auch der 1-Zylinder-Motor war kein Eigengewächs, sondern wurde zugekauft.

Jetzt fragen Sie vielleicht, woher Christian Börner die genaue Typbezeichnung dieses Beckmann-Wagens kennt. Auch das kann er uns verraten:

Das bereits 1898 angebotene Motor-Dreirad wurde als Modell XII bezeichnet, die Modelle I bis XI waren Fahrräder. Das Modell XIII war der vierrädrige Wagen.

Das ergibt sich aus der Originalreklame, welche im April 1900 in der Breslauer-Morgen-Zeitung abgedruckt war:

Beckmann-Originalreklame von 1900 via Christian Börner (Pinneberg)

Bereits diese frühe Fahrzeugpalette erscheint zu beeindruckend, um lediglich auf einen lokalen Markt zugeschnitten gewesen zu sein.

Es wäre interessant zu erfahren, in welchen anderen deutschen (oder gar ausländischen) Gazetten diese Anzeige ebenfalls abgedruckt wurde. Wer etwas dazu weiß, bitte melden.

Christian Börner verfügt übrigens über ein Exemplar des Beckmann-Prospekts, in dem die weiteren Einzylindertypen XIV bis XVI beschrieben sind. Hier haben wir das etwas weiterentwickelte Modell XIV:

Beckmann Modell XIV; Prospektabbildung von 1902 aus Sammlung Chr. Börner (Pinneberg)

Auf der gleichen technischen Basis wurde das Model XV angeboten, welches keinen eigenständigen Typ darstellte, sondern sich nur durch das Vorhandensein von Türen vom Modell XIV unterschied. Dennoch ist die Wirkung eine bemerkenswert andere:

Beckmann Typ XV, Prospektabbildung von 1902 aus Sammlung Christian Börner (Pinneberg)

Diese beiden Modelle wurden als „Voituretten“ oder auch „leichte Beckmann-Wagen“ angeboten. Sie besaßen noch von DeDion zugekaufte Einzylindermotoren mit 6,5 PS Leistung.

Dass Paul Beckmann ehrgeizige Pläne hatte in Sachen Autofabrikation, wurde bald deutlich. Rasch wurde das Angebot um größere Wagen mit 2- bzw. 4-Zylindermotoren erweitert.

Hier haben wir eine um 1902 entstandene Abbildung des Beckmann-Typ XVII mit Motorisierung 12-16 PS, welcher einen wenig erfolgreichen Zwischentyp XVI ablöste:

Beckmann Typ XVII 12-16 PS von 1902; Abbildung via Christian Börner (Pinneberg)

Auch bei diesem Modell wurden zunächst noch französische Zuliefermotoren verbaut.

Doch bereits 1903 entwickelte Beckmann einen selbstgebauten Vierzylindermotor mit beachtlichen 30 PS.

Man hatte offenbar Großes vor in Sachen Automobilbau bei Beckmann in Breslau, und das wollen wir in der nächsten Folge im August näher unter die Lupe nehmen.

Bis dahin haben unsere Sammlerkollegen Zeit, um im eigenen Fundus nach weiteren frühen Dokumenten von Beckmann-Fahrzeugen zu stöbern. Diese würden Christian Börner und ich dann gemeinsam vorstellen auf unserer Spurensuche…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.