Oje, die Überschrift lässt nichts Gutes ahnen – heute lässt unser Blog-Wart uns wieder einmal an seiner Weltanschauung teilhaben, mag jetzt mancher denken.
Doch keine Sorge, ich streife die politischen Verhältnisse nur am Rande. Mit „Links und Rechts“ weiß ich nämlich in weltanschaulicher Hinsicht wenig anzufangen.
Einst saßen auf der Rechten im französischen Parlament die Vertreter des Adels und links die freiheitlich gesinnten Revolutionäre, später waren rechts die Vertreter des freien Bürgertums angesiedelt und links die nach autoritärer Herrschaft strebenden Sozialisten – dann gab es noch den speziellen Fall, dass sich linke und rechte Sozialisten gegenübersaßen.
Diese Zuschreibungen taugen also letzlich wenig, sie sind im Zeitverlauf variabel und dienen im Wesentlichen der Feindmarkierung auf beiden Seiten.
Für mich ist „in politicis“ von jeher nur eine Unterscheidung relevant: Betrachtet ein Politiker den Bürger als seinen Auftraggeber, dessen Interessen er bestmöglich zu verfolgen hat und dem er uneingeschränkt rechenschaftspflichtig ist, oder sieht er in ihm einen Untertan, dem er Befehle zur Lebensführung erteilen und nach Belieben Auskünfte vorenthalten kann.
Richtungen, Farben und Parolen – das alles interessiert mich nicht – ich kenne nur die Unterscheidung zwischen Kollektivismus und Individualismus – Unterordnung und Eigenveranwortung, Herdenverhalten und Selberdenken.
Nach dieser Vorrede können wir uns neutral linken wie rechten Anschauungen widmen – und zwar anhand eines alten Bekannten aus Suhl in Thüringen – dem Simson Typ So 8/40 PS, gebaut von 1925-29:

Hier haben wir den Blick von links auf dieses Gefährt mit seinem feinen 2-Liter-Motor mit obenliegender Nockenwelle – eine Entwicklung von Paul Henze, der einst auch bei Steiger beeindruckende Konstruktionen hinterließ.
Wir merken uns die auffallend kurzen Luftschlitze auf dieser Seite der Haube, welche der Tatsache geschuldet sind, dass darunter zwei dicke Auspuffrohre ihren Weg ins Freie suchen – die Mercedes-Kompressortypen lassen grüßen.
Ich verkneife mir die Bemerkung, dass aus linker Sicht ein solches Manufakturgefährt nur durch Ausbeutung der armen Arbeiter möglich war, die es anfertigten. Ebenso spare ich mir den Hinweis, dass es böse US-Kapitalisten waren, die ebendiesen Arbeitern erstmals auf der Welt den Erwerb eines eigenen Automobils ermöglichten.
Kurioserweise können sich aus linker Perspektive die gleichen Dinge ganz anders darstellen – so sind die Auffassungen viel differenzierter, als es das übliche Schema erwarten lässt:
Hier ist auf einmal nicht mehr die Maschine der Gegenstand der Betrachtung, sondern das menschliche Element kommt hinzu, das sich der schablonenhaften Beschreibung und damit auch der schematischen Behandlung entzieht – wir kommen am Ende darauf zurück.
Allerdings stellt sich hier auch das Fahrzeug als solches anders dar, obwohl es sich sehr wahrscheinlich ebenfalls um einen Simson des Typs So 6/40 PS handelt.
Doch die weniger strenge Gestaltung der Vorderkotflügel und die damit verbundene andere Anbringung des Reserverads erinnert uns daran: die Verhältnisse des individuellen Falls können sich anders darstellen, als dies ein an Standards orientierter Betrachter meint.
Auch die menschliche Komponente mahnt hier dazu, dass man Automobile besser nicht als nur mechanische Phänomene einordnet und rein technologisch betrachtet. Bereits eine Person – hier die uns zugewandte Dame im Heck – macht einen enormen Unterschied aus.
Wie sehr der Einzelne das Bild zu bestimmen vermag und wie großartig es ist, ihm Raum zur Entfaltung zu geben, während die technologische Ebene und alle abstrakten Aspekte in den Hintergrund rücken, das offenbart schließlich der Blick von „rechts“ auf denselben Wagen:
Natürlich registrieren wir hier beiläufig, dass sich die Haubenschlitze aus „rechter Perspektive“ ganz anders darstellen – sie sind weit höher.
Doch wie gesagt: es sind nicht die technischen Details der Analyse, die uns den Simson hier ganz anders erscheinen lassen. Nein, die Magie dieses Fotos liegt hauptsächlich in der berührenden Menschlichkeit der Individuen begründet, die wir sehen.
Dass wir den Einzelnen hier in seiner Würde wahrnehmen, ist nur zufällig der Einnnahme des Blicks von rechts geschuldet – denn wie eingangs geschildert taugen diese unpräzisen Kategorien in weltanschaulicher Hinsicht nichts.
Ob man den Menschen nur als beliebiges, austauschbares und unmündiges Element einer großen Masse betrachtet oder als ein auch bei Einbeziehung seiner Unvollkommenheiten zu achtendes autonomes Geschöpf – das macht den Unterschied, nicht zuletzt bei der Frage, ob man ein Autofoto mit oder Menschen bevorzugt.
Der Vertreter des technokratischen Ansatzes wird das unbelebte Werksfoto bevorzugen, da er die Individualität etwaig anwesender Personen als störend ansieht.
Der Anhänger der humanistischen Sicht wird dagegen die Ansicht vertreten, dass erst die Anwesenheit individueller Charaktere tote Materie zum Leben erweckt und das Dasein bei aller Problematik zu einer Sache adelt, für die es keine allein richtige Betrachtungsweise gibt, nicht von links und nicht von rechts…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Bild eins könte Nürnberg-Eibach sein . aber ganz sicher bin ich nicht,
Geschichte ist immer willkommen, auch wenn sie weit zurückreicht – danke!
Das letzte Foto ist vermutlich schon auf der Rückreise, zwischen Streitberg und Ebermannstadt und zeigt den „Anstieg“ vom Zuckerhut, symetrischer kann ein Berg gar nicht sein.
Auf dem 2.Foto steht der Simson am Rand der Straße von Forchheim nach Ebermannstadt, etwa bei Reuth. wir blicken über das Tal der Wisent. Ganz unten im Tal wahrscheinlich Wiesenthau.
Der Felsklotz dahinter – unverwechselbar in der Form, ist das Walbala, ein Berg um den sich jede Menge Mythen und Sagen ranken. Ganz oben hat man eine Kapelle auf ein Steinzeitliches Heiligtum gepflanzt, alljährlich feiern die Hexen hier die Walpurgisnacht, überall stößt man auf Spuren früher Besiedlung. Aber ich möchte den Blog Vorkriegs-Oldtimer micht mit Vorgeschichte füllen.
Aber es könnte sein, daß sich der Wagen im Besitz einer steinreichen Nürnberger Familie befand.