Serie, aber nicht nur Standard: Buick Modelljahr 1928

Ich weiß, es gefällt nicht jedem, aber ich mag den Kapitalismus und den überwiegenden Teil seiner Hervorbringungen. Damit dies klar ist: Nichts auf Erden ist vollkommen und alles Menschengemachte hat Vor- und Nachteile.

Wer von reinen Idealen träumt, soll das weiter tun oder mit Gleichgesinnten irgendwo seine Utopie verwirklichen, aber die Leute verschonen, die einfach nur nur ihr Leben leben wollen – mit allen Chancen und Risiken, die es mit sich bringt.

Was von der Leine gelassene Marktwirtschaft zu bewirken vermag, das erlebten die Deutschen in allen Facetten nach den Erhardschen Reformen in den 1950/60er Jahren. Das sogenannte Wirtschaftswunder wurde teutonischen Tugenden zugeschrieben, die aber die Nachbarvölker ebenfalls hatten – bloß ließ man sie nicht von der Kette der Planwirtschaft.

Ohne den Kapitalismus nach US-Muster hätten wir heute kein Automobil für jedermann – für mich die demokratische Erfindung schlechthin. Schon vor dem 1. Weltkrieg findet man in deutschen Landen Erörterungen über allgemein erschwingliche Wagen.

Während man sich in solchen Diskussionen erging, machten sich in den Vereinigten Staaten, wo Hunderttausende risikobereiter deutscher Auswanderer hingegangen waren, Männer an die Arbeit – und lieferten, was zeitgemäß war.

Ende 1908 entstanden die ersten Exemplare des Model T von Ford. Damit begann alles, was wir heute täglich nutzen, ohne nachzudenken. Das muss als Einführung genügen.

Wir springen jetzt bloße 20 Jahre weiter und schauen, was für Autos 1928 in den USA – aber auch in Deutschland – verfügbar waren. Und das war trotz Serie nicht nur Standard.

Schauen wir also, was eine solide US-Mittelklassemarke wie Buick anno 1928 zu bieten hatte. Den Anfang macht die billigste Ausführung – der offene Tourenwagen:

Buick Tourer von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser Wagen – am Kühler und der Figur sowie der Scheinwerferform als 1928er Buick erkennbar – gehörte laut umseitiger Beschriftung einem Gutsinspektor, der bei Baron von Gollme in der Nähe von Halle an der Saale angestellt war.

Weiterführende Informationen zu dieser Personalie von kundiger Seite sind willkommen.

Die Tourenwagenversion des 1928er Buick war damals schon eher selten – die meisten Käufer bevorzugten geschlossene Versionen. Hier haben wir die Ausführung als zweitürige Limousine – nach amerikanischer Konvention als „Coach“ bezeichnet:

Buick „Coach“ von 1928, Zulassungsbezirk Köln; Originalfoto: Jürgen Klein

Diess hervorragende Foto hat mir Leser Jürgen Klein in digitaler Form zur Verfügung gestellt.

Bei der Gelegenheit darf ich Sie, liebe Leser, daran erinnern, dass Sie hier das ganze Jahr über von den Ergebnissen privater Sammlerleidenschaft profitieren.

Kein Druckwerk und keine Website in deutschen Landen bietet ihnen Vergleichbares. Das nur für den Fall, dass Sie beginnen, dergleichen für selbstverständlich zu halten.

Denn ohne Gleichgesinnte wie etwa Matthias Schmidt aus Dresden, wäre ein solches Verwöhnprogramm nicht möglich. Er hat mir – großzügig wie immer – diese wunderbare Aufnahme aus seiner Sammlung zur Verfügung gestellt:

Buick „Sedan“ von 1928, Zulassungsbezirk: Chemnitz; Originalfoto: Matthias Schmidt (Dresden)

Dieser im sächsischen Chemnitz zugelassene Buick mit viertürigem (und sechsfenstrigem) Aufbau entsprang zwar der amerikanischen Serie – aber ein „Standard“ war er wohl nicht.

Buick bot für das Modelljahr 1928 neben dem gut 60 PS leistenden „Standard Six“ auch die weit leistungsfähigere Version „Master Six“ mit gut 75 PS an. Nebenbei: Beide 6-Zylindermotoren waren kopfgesteuert, besaßen also im Zylinderkopf hängende Ventile.

Ich könnte mir vorstellen, dass der sächsische Besitzer des Buick auf dem Foto von Matthias Schmidt nicht nur die Standardausführung besaß, sondern den „Master Six“. Die Villa im Hintergrund spricht meines Erachtens dafür.

Wenn Sie jetzt auf beiden Fotos die als Extra verfügbare Dreifach-Stoßstangen an dem 1928er Buick vermissen, dann kann ich mit einem Foto aus meinem Fundus einspringen:

Buick „Sedan“ von 1928; Originalfoto: Michael Schlenger

Das ist ein Autofoto ganz nach meinem Geschmack. Der Wagen spielt nur die zweite Geige, ist aber an Details identifizierbar wie hier der Gestaltung der Scheinwerfer.

An dieser Aufnahme habe ich mich eine Weile abgearbeitet, bis ich auf die Lösung gekommen bin. Doch genau das zeichnet uns Menschen aus – nicht nachlassen, nicht aufgeben, nicht sich auf eine bequeme Position zurückziehen.

Auch wenn man selbst nur Ergebnis einer Serienproduktion ist, muss man sich nicht unbedingt mit der Rolle als „Standard“ abfinden – vielleicht reicht es doch für eine kleine Rolle als „Master“ oder Mistress“ – sei es nur auf einem kleinen Feld und für eine zeitlang…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Gedanke zu „Serie, aber nicht nur Standard: Buick Modelljahr 1928

  1. Kleine Anmerkung: Am 2-türigen Buick Coach ist vermutlich der gleiche ADAC-Stander angebracht wie beim Amilcar im Blog-Eintrag vom 27.11.24.
    Beim zurückblättern ist mir aufgefallen, welche Vielzahl und Vielfalt an Beiträgen in dieser Zeit für uns aufbereitet wurde, Respekt und Dank dafür.
    Joachim Schmidt

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