Zwischenstopp im Elektrozeitalter! BMW 327/28

Elektroantrieb ist eine großartige Sache – jeder kennt unzählige Anwendungen, deren Nutzen niemand in Zweifel zieht und die sich wie alle echten Innovationen von allein am Markt durchsetzen.

Wer beispielsweise einen Garten und sensible Nachbarn hat, weiß es zu schätzen, dass man heute fast alles mit leisen Elektrowerkzeugen und sogar kabellos erledigen kann – sofern man nicht zur Fraktion derer gehört, die noch selber mechanische Arbeit verrichten.

Der Stromhunger wächst bereits seit 150 Jahren unaufhörlich, was gern vergessen wird, wenn im 21. Jh. das Elektrozeitalter ausgerufen wird, als ob das etwas Neues wäre.

Wirklich neu und Unfug ist die vermehrte dezentrale Einspeisung von Zufallstrom, womit nichts zur stabilen Versorgung rund um die Uhr und nichts zur Aufrechterhaltung der elementaren Netzfrequenz von 50 Hertz beigetragen wird – im Gegenteil.

Wäre das nicht von fachfremder Seite verordnet, würde niemand auf die Idee kommen, Stromquellen mit maximaler Energiedichte, Rund-um-die Uhr-Bereitschaft und großen Turbinen für das Setzen und Halten der Netzfrequenz eine nach der anderen abzuschalten.

So kürzlich im Fall eines der modensten, effizientesten und saubersten Kohlekraftwerke der Welt (Moorburg in Hamburg) geschehen. Eine Milliardeninvestition einfach gesprengt, die Turbinen wurden nach China verkauft. Die Kohle (aus dem Boden) wird jetzt woanders verbrannt.

Zu den wertvollsten Elektrizitätsquellen gehörte schon früh die Wasserkraft, sie erfüllt auch heute noch alle Anforderungen an intelligente Stromversorgung – hohe Energiedichte, jederzeitige Verfügbarkeit, Regelbarkeit und kostengünstige, risikoarme Produktion.

Heute unternehmen wir einen Ausflug in eine Gegend, in der das Elektrozeitalter schon früh begann und bis heute anhält. Unser zuverlässiger Begleiter dabei ist ein alter Bekannter, von dem man allerdings nie genug bekommen kann:

BMW 327/328 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vor grandioser Bergkulisse wirkt der ab 1937 gebaute, hinreißend gestaltete BMW mit seinem leistungsfähigen Sechszylinder geradezu winzig.

Allerdings trägt auch die großwirkende Dame daneben zu dem Eindruck bei. Zum Glück ist die Qualität des Fotos ausreichend, um auch nach 86 Jahren noch nah herantreten zu können.

Wie ich darauf komme, dass diese Aufnahme höchstwahrscheinlich 1939 entstanden sein dürfte, das erfahren Sie zum Schluss. Wir machen uns erst einmal an den Wagen heran, in der Hoffnung mehr erkennen zu können:

Mmh, viel gewonnen scheint noch nicht zu sein. Weder lässt sich das Nummernschild genau erkennen, noch ist zu sehen, ob die Räder Zentralverschlussmuttern aufweisen.

Wäre das der Fall, hätten wir es nämlich mit einem BMW 327/28 zu tun, welcher den noch stärkeren Sportmotor des BMW 328 besaß.

Aber wir haben Glück, denn ich habe diese Aufnahme zusammen mit einer zweiten erstanden – sehr günstig, offenbar war ich der Einzige, der das Angebot gesehen hatte.

Und dieses zweite Foto ist nun wirklich elektrisierend:

BMW 327/328 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die BMW-Gourmets werden erfreut die Zentralverschlussräder zur Kenntnis nehmen – der einzige äußere Hinweis auf das extra starke Modell 327/28.

Dann wäre da das Nummernschild, das eine Zulassung in München verrät. Dieser Umstand wäre an sich nicht bedeutend – er ist es aber, auch darauf komme ich zurück.

Schwierigkeiten bereitete mir zunächst die Ortsangabe „San Floriano“ auf der Rückseite des Abzugs. Damit würde man nämlich im Grenzland zwischen Italien und Slowenien landen, aber die Topographie stellt sich dort anders dar, wenngleich die Berge nicht weit weg sind.

Dann fiel mein Blick auf die markanten Bauten der Zeit um 1900, die in Verbindung mit den aus dem Fels kommenden Leitungen links davon auf ein Wasserkraftwerk hindeuteten.

So suchte ich nach „San Floriano“ in Verbindung mit dem Begriff „impianto idroelettrico“, was im Italienischen für ein Kraftwerk steht, das Strom aus Wasserkraft erzeugt.

Auf diese Weise landete ich bei einem Ort namens San Fiorano im Valsaviore, einem Abschnitt des Valcamonica nördlich des Lago d’Iseo in der oberitalienischen Lombardei.

Das Tal liegt ideal für vielfältige Nutzungen von Wasserkaft zur Stromerzeugung und so wird das dort seit gut 125 Jahren praktiziert – teils durch Aufstauen des Oglio-Flusses im Tal selbst , teils durch hochgelegene Speicher beiderseits des Tals.

Dazu gibt es im Netz Dokumentationen sowohl der heutigen Anlagen, als auch der historischen mit ihrer oft spektakulären Architektur der Turbinenhäuser und anderer Zweckbauten, die man einst bewusst nicht rein funktionell gestaltete.

Im ersten Anlauf bin ich daran gescheitert, die auf dem zweiten Foto im Talgrund zu sehenden Bauten genau zu orten. Mag sein, dass sie nicht mehr existieren oder stark verändert wurden.

Jedenfalls finden sich sehr ähnliche Schmuckfassaden im historisierenden Stil an mehrere Stellen des sehr langen Tals, weshalb ich diese Aufgabe Lesern mit mehr Zeit und Glück anvertrauen möchte.

Ich möchte zum Abschluss noch einmal auf den prächtigen BMW mit den eleganten Radverkleidungen und der Zweifarblackierung zurückkommen:

Die groß erscheinende Dame daneben kam mir zwar nicht bekannt vor, aber das Auto selbst hatte ich mit genau diesem Farbschema schon einmal gesehen.

Auch in jenem Fall handelte sich um einen in München zugelassenes Exemplar und auch dieses war einst in Oberitalien abgelichtet worden – in Verona und in Mailand. Auf den entsprechenden Fotos, die ich vor gut einem Jahr hier vorgestellt hatte, war das Jahr 1939 vermerkt.

Ich halte es nach der Lage der Dinge für sehr wahrscheinlich, dass die beiden „neu“ aufgetauchten Fotos des BMW 327/28 dasselbe Auto zeigen und auf der gleichen Reise abgelichtet wurden – nun aber auf dem Heimweg.

Die weitere Route könnte über Bormio und den Stelvio-Pass weiter gen Norden geführt haben, wo auf unsere Reisenden anno 1939 ein ungewisses Schicksal wartete.

Damit verabschiede ich mich für heute – denn auch ich werde morgen früh den Heimweg aus Italien antreten. Ob ich nach rund 11-12 Stunden Fahrt dann abends noch die Energie für einen weiteren Bericht aus der automobilen Welt der Vorkriegszeit aufbringe, wird sich weisen.

Vielleicht vermag unterdessen ja jemand der bemerkenswerten Örtlichkeit, an der wir mitten im Elektrozeitalter Halt gemacht haben, noch das Eine oder Andere abzuringen…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

6 Gedanken zu „Zwischenstopp im Elektrozeitalter! BMW 327/28

  1. Besten Dank, Herr Börner. Diese Dinge dürfen nicht unerwähnt bleiben, auch wenn mein Ausgangspunkt die beeindruckenden Wasserkraftwerke im Valcamonica waren. Sacherwägungen und Realismus statt Ideologie und Utopie sollten bei dem Thema die Oberhand behalten bzw. zurückerhalten. In der Hinsicht kann man eine ganze Menge aus der Frühzeit der Elektrifizierung lernen (von der Pracht der damaligen Industriebauten ganz abgesehen). Mit preiswertem Strom aus einem rationalen Mix aus unkorrelierten und verlässlich verfügbaren Energiequellen könnte übrigens die Verbreitung von Wärmepumpen und Elektro-PKW (zumindest in Städten) schon viel weiter sein. Denn bei aller Liebe zum Verbrenner – mit Erdöl kann man so viele andere tolle Dinge machen…

  2. Moin Herren Schlenger und Weigold (mit dem „Moin“ möchte ich als im Oberallgäu Aufgewachsener meine in fast 50 Jahren vollzogene Teil-Assimilation zum Norddeutschen bekunden),
    da in unserer Nachbarschaft, konkret in Wedel, das zum Kreis Pinneberg gehört, seit Jahrzehnten ein marodes Kohlekraftwerk existiert, das weit über die regionalen Grenzen hinaus Berühmtheit dadurch erlangt hat, dass es schwefelsäurehaltige Partikel ausgestoßen hat, die die Bewohner eingeatmet und die viele Autolacke ruiniert haben, sei auf die Hamburger „Umweltpolitik“ hingewiesen.
    Den Hamburger Energiewerken gehört dieses Monstrum, das schon vor vielen Jahren hätte stillgelegt werden sollen und müssen. Das inzwischen nach extrem kurzer Laufzeit im Abriss befindliche jüngste und – wie Sie, Herr Schlenger, richtig darstellen – weltweit modernste und sauberste Kohlekraftwerk Moorburg, drei Milliarden Euro teuer, hätte das Kraftwerk Wedel locker ersetzen können, aber nein: Die Hamburger Politik, allen voran der Umweltsenator(!), lassen lieber die Dreckschleuder Wedel weiterlaufen, denn die Geschädigten sind ja Schleswig-Holsteiner und nicht Hamburger, weil das Kraftwerk einige Hundert Meter hinter der Hamburgischen Landesgrenze steht.
    Das soweit zu den Themen richtiger Strommix und umweltpolitischer Egoismus zu Lasten der Nachbarn.

  3. Ich denke, die Frau auf den beiden Fotos ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die selbe wie auf der Bank neben dem Wagen in Verona (Foto im Blog Januar 2024 bzw. 2021). Die Frisur ist schon speziell, der Wagen auch. Und die Orte passen ja auch zu einer Reiseroute.
    Joachim Schmidt

  4. Wie immmer besten Dank, Herr Weigold. Nur eine Sache noch zur Kohle (auch im übertragenen Sinn). Ein hochmodernes Kohlekraftwerk, für das wir alle Milliarden gezahlt haben, ohne fachlich zwingenden Grund stillzulegen, sollte jedem Selberdenker irrational vorkommen. Kohle ist nicht knapp und ob wir sie verbrennen oder die Chinesen, macht keinen Unterschied. Sie wissen als Techniker doch sicher noch besser als ich Laie (mit lediglich 30 Jahren Erfahrung in Umweltökonomie, einem meiner Schwerpunktfächer an der Universität…), von welchen Kraftwerken Hamburg jetzt Strom und Fernwärme bezieht, oder? Ich plädiere im Übrigen nicht für Kohle als Basis, sondern für einen bewährten Mix, der insbesondere auch Kernkraft und Wasserkraft umfasst, wie in den meisten Ländern der Welt, in denen Ideologie nicht den Verstand ersetzt. Wir Deutschen dagegen schütten die Brunnen zu, ohne neue zu haben, um es bildhaft zu sagen. Zum Glück haben die Nachbarn genügend (Kohle die Polen, Kernkraft die Franzosen und Wasserkraft die Österreicher), Import steigend.

  5. Nachdem uns der Blog- Wart eine Epistel über den seiner Meinung nach richtigen Strom- Mix, aufbauend auf der Verbrennung von Steinkohle (wie vor 125 Jahren), erteilt hat – und sich nicht scheut, dem Vorwurf der Fachfremdheit ausgesetzt zu sein ….
    Sehe ich mir auf meinem Smartphone das erste Bild des grandiosen BMW an und erkenne
    – eindeutig – das Münchener Kennzeichen IIA-62884 und kann auch am Vorderrad diesen ominösen Strich außerhalb des Radtopfes erkennen, der nichts anderes darstellen kann als die zentrale Flügelmutter der Rudge- Verschlüsse, wie sie nur am 327/28 gegeben sind.
    In schwierigen Fällen ist es immer sinnvoll, sich die Frage zu stellen: Was würde man sehen, wenn z. B. auf diesem Bild die Normal- Version mit Radkappen zu sehen wäre. Man würde die leicht bogenförmige Kontur der Kappe feststellen, die vorwitzig
    vor die Kotflügelkante tritt, nach oben etwas heller werdend wegen des Lichteinfalles.

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