Als ich mich als Bub für Autos zu interessieren begann – war mein Anschauungsmaterial zunächst das, was es auf dem Weg zur Grundschule zu besichtigen gab.
Ich erinnere mich an den VW Typ 3 unseres Nachbarn zur Rechten – eines Arbeiters, der in den 1970er Jahren für seine Familie ein zweistöckiges Haus bauen konnte – damals mit viel Fleiß machbar.
Der Nachbar zur Linken fuhr einen Audi 60 – er war pensionierter Flugkapitän und hatte als Testpilot im 2. Weltkrieg alles Mögliche geflogen. Mein älterer Bruder hat ihn mal für ein Schulprojekt dazu interviewt, vielleicht gibt’s die Kassette mit seiner Story noch…
Gegenüber wohnte ein Kriegsversehrter, ebenfalls Arbeiter und noch so einer, der mit Frau und Kind ein anständiges Haus mit großem Garten besaß. Irgendwann gönnte er sich einen gebrauchten 70er-Jahre-Mercedes (W114/115), den er selbst wieder aufmöbelte.
Weiter unten an „unserer“ Straße gab es – wenn ich mich recht entsinne – einen der genialen Renaults mit Heckklappe, die deutsche Fabrikate alt aussehen ließen. Ich meine außerdem, dort auch öfters einen flotten Chevrolet Camaro gesehen zu haben.
Doch in Sachen Citroen – und darum geht es heute – kann ich mich vor allem an ein Modell CX in braun-metallic erinnern. Er gehört dem Gatten einer guten Bekannten meiner Mutter, einer Grundschullehrerin aus unserem Ort.
Dieses Gerät mit seiner einzigartigen Linienführung begeisterte mich. Leider wurde der Citroen nach einigen Jahren durch einen weißen Mercedes 200 Diesel (W124) ersetzt. Immerhin hielt in der Nachbarschaft ein Jäger seinem wackeren Lada Niva die Treue.
Sie sehen: für mich waren ausländische Fabrikate schon früh selbstverständlicher Bestandteil meiner automobilen Sozialisation.
Den Kult um deutsche Automobile habe ich nie verstanden, so sehr mich das Großwerden im 1963er VW „Export“ mit Faltschiebedach beeinflusst hat, den meine Mutter viele Jahre fuhr.
So waren für mich Alfas und Jaguars, später auch Mazdas und Hondas nie eine Randerscheinung, sondern selbstverständliche Bewohner des faszinierenden internationalen Autozoos in der guten alten Bundesrepublik, in der ich aufwuchs.
Doch gab es auch Zeiten, in denen ein Citroen – meine Nachbarn fahren gleich zwei davon wie viele, die günstige Autos suchen – nur eine Randerscheinung in Deutschland war.
Das passende historische Foto dazu sehen Sie hier:

Wo genau das Auto aufgenommen wurde, kann ich nicht sagen – die Ziegelbauweise verweist allgemein auf Norddeutschland. Der Zulassungsbezirk des der hier am Rand zu sehenden Wagens, lässt sich allerdings bestimmen.
Dem Nummernschild nach zu urteilen war diese Limousine im westfälischen Coesfeld zugelassen. Dass ich damit wenig anfangen kann, mag am Schicksal der Kleinstadt liegen.
Der militärisch irrelevante Ort wurde wenige Wochen vor Ende des 2. Weltrkriegs durch Bomber der Westalliierten dem Erdboden gleichgemacht – weil man es konnte.
Auch die Synagoge, die an die vertriebenen bzw. ermordeten Bürger jüdischer Abstammung erinnert, wurde beschädigt. Sie gehört zu den wenigen erhaltenen historischen Bauten im heutigen Coesfeld.
Vor diesem fatalen Hintergrund begegnet uns hier ein Wagen mit der ab 1939 im sogenannten Deutschen Reich vorgeschriebenen Tarnbeleuchtung:
Die Ansprache des Herstellers dieser Limousine aus den späten 1920er Jahren ist keine Kunst – hier haben wir zweifellos einen Citroen vor uns.
Die französische Marke hatte 1927 eine Produktionslinie in Köln aufgebaut, um vom Potenzial des deutschen Markts zu profitieren, der von den produktionstechnisch meist rückständigen lokalen Herstellern nicht ausreichend mit Autos versorgt werden konnte.
Das hier zu sehende Modell wurde allerdings seinerzeit nicht in so großen Stückzahlen gebaut, dass man von mehr als einer Randerscheinung sprechen kann.
Das Fehlen einer Stoßstange und die unten spitz zulaufende Windschutzscheibe sind Indizien dafür, dass wir es mit dem Modell B14 zu tun haben. Davon wurden zwischen 1926 und 1928 insgesamt fast 140.000 Exemplare gebaut.
Die Kölner Produktion wird in der Literatur auf knapp 9.000 Wagen beziffert. Damit musste dieser Citroen wie auch die Nachfolger C4 und C6 eine Randerscheinung in deutschen Landen bleiben.
Dass wir einem solchen Auto im 2. Weltkrieg irgendwo in Westfalen begegnen, ist daher einerseits ein bemerkenswerter Zufall. Andererseits wundert es nicht, da die meisten privaten PKW jüngeren Baudatums für militärische Zwecke eingezogen wurden.
So war dieser Citroen vielleicht doch mehr als eine Randerscheinung. Wagen wie dieser gehörten zu den wenigen, die im 2. Weltkrieg einigen privilegierten „Volksgenossen“ an der „Heimatfront“ ein Minimum an Individualmobilität jenseits des Fahrrads ermöglichten…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Das ist Darfelder Markt in Rosendahl.
Hab’s mir auch auf dem Originalfoto angesehen – die Auflösung reicht leider nicht aus, um Genaueres zu sagen.
Hallo,
das Foto ist leider nicht ganz scharf genug, um im Hintergrund das Straßenschild entziffern zu können, aber gerade scharf genug, um den Schaukasten an der Außenwand als den einer NSDAP-Ortsgruppe zu identifizieren. Der Name des Ortes auf dem Kasten läßt sich nicht entziffern.
KD