So wandelbar wie der April: Darracq 6,5 CV von 1901/02

Lange gab sich der April dieses Jahres in meiner Gegend – der klimatisch begünstigten Wetterau zwischen Frankfurt/Main und dem Gießener Becken – so frühlingshaft, wie ich das mag. Einige Tage lang schaffte die Sonne sogar Temperaturen um die 20 Grad herbeizuzaubern, wenngleich die Luft natürlich kühl blieb.

Das typische April-Wetter schien sich nicht einstellen zu wollen und schon wurde davon fabuliert, dass es wieder einmal so warm wie noch nie zuvor sei. Pünktlich zu diesem haltlosen Gerede stürzte die Temperatur diese Woche regelrecht ab.

Die Wetterfrösche nahmen das zwar zur Kenntnis, vergaßen aber dabei wohl, aus dem Fenster zu schauen und statt irgendwelchen Computer-„Wettermodellen“ ihrer Erfahrung zu vertrauen. Kein Niederschlag wurde prognostiziert, während sich über dem Taunus bereits alles dunkelgrau zuzog. Ein paar Stunden später ging anhaltender kräftiger Regen nieder…

So ist von jeher der April – er macht, was er will, so der Volksmund. Allerdings ist der beschriebene Wetterabschwung zu Ostern von jeher ein verlässlicher Klassiker.

Ein ähnlich zur spontanen Verwandlung befähigter Klassiker ist der Wagen, den ich heute anhand zweier Fotos aus der Sammlung von Leser Jörg Pielmann präsentieren kann.

Die erste Aufnahme passt zum schönen Wetter, das wir bis vor kurzem genießen durften:

Darracq 6,5 CV von 1901/02; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Spontan mag mancher hier an einen frühen Renault denken – auch dieser Hersteller verwendete eine ähnlich gestaltete Motorhaube und sollte lange daran festhalten.

Doch bei Renault gab es nach meinem Eindruck nie einen „Schlangenkühler“ unterhalb des Rahmens und vor dem Motor. Vielmehr verwendete man anfänglich beiderseits der Haube angebrachte Kühlsäulen (siehe meinen Blog-Eintrag hier), bevor der Kühler hinter den Motor wanderte.

Auch das Fehlen von Luftschlitzen im Vorderteil der Motorhaube ist ein Hinweis auf ein anderes Fabrikat – das findet sich so beim ersten Erfolgsmodell der französischen Marke Darracq, dem Typ C 6,5 CV von 1901.

Die Firma gehörte zusammen mit De Dion-Bouton, Panhard und Peugeot zu den Pionieren des in größeren Serien hergestellten Gebrauchswagens. Die Fabrikate dieser Hersteller gaben das Vorbild für eine Vielzahl von Nachbauten in anderen Ländern ab – im Fall von Darracq ist vor allem der Opel 9 HP von 1902/03 ein bekanntes Beispiel.

Doch – wie gesagt – die glatte Haubenfront findet sich so nur bei ganz frühen Darracqs, die einen kompakten 6,5 PS leistenden Einzylindermotor und Kardanantrieb besaßen.

Übrigens finden sich nur wenige Vergleichsfotos, auf denen dieser Typ mit den hier zu sehenden Drahtspeichenrädern abgebildet ist. Darin deutet sich das Thema der Wandelbarkeit ein erstes Mal an. So ganz war keiner dieser Wagen identisch mit anderen Exemplaren desselben Typs – kein Wunder bei einer Produktion von über 1.000 Stück.

Die eigentliche Verwandlung war freilich die eines solchen Tourenwagens – damals auch als Tonneau bezeichnet – in ein wohlbedachtes Reiseauto, das die Insassen zumindest teilweise vor den Unbilden des Wetters schützte:

Darracq 6,5 CV von 1901/02; Originalfoto: Sammlung Jörg Pielmann

Vielleicht werden Sie jetzt sagen, dass hier doch eher eine Art Sonnensegel über den Insassen schwebt, das auf längeren Fahrten den Teint speziell der Damen schützte.

Doch bei einem unverhofften April–Schauer wird man auch für den wenigen Schutz dankbar gewesen sein, den diese Konstruktion bot. Unterdessen war dieser Aufbau bei trockenen Verhältnissen natürlich in jeder Hinsicht offen für den üblichen Straßenstaub, was übrigens die Dominanz heller Reisemäntel in jener Zeit erklärt – man sah den Schmutz so weniger.

Viel mehr kann ich zu diesen schönen Dokumenten nicht sagen, ich bin froh, dass ich sie einigermaßen einordnen konnte, was schon anspruchsvoll genug ist – ganz frühe Automobile sind eine Wissenschaft für sich.

Doch sie verdienen es, dass man sich bei aller Fremdartigkeit immer wieder einmal damit beschäftigt, denn diese Fahrzeuge markieren den eigentlichen Beginn des Autos als ernstzunehmendes Fortbewegungsmittel – nicht nur als Kuriosum oder Sportgerät.

Ich zumindest mag die abwechslungsreichen, immer wieder überraschenden Zeugen dieser Epoche – mehr als das Wetter-Durcheinander, was der April zu bieten hat. So oder so hoffe ich, dass sie die Osterfeiertage genießen können und sich ein wenig mehr, als es der Alltag sonst ermöglicht, den schönen und erfreulichen Dingen des Daseins widmen können.

Wenn Sie sich dabei auch wieder in meinem Blog oder in meine Fotogalerien verirren, bin ich der letzte, der diese Aktivität als unangemessene Störung der Feiertagsruhe betrachten würde. Irgendwie braucht doch jeder solche Momente der Sammlung und Erbauung…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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