Alte Story, neu erlebt: Cyklon 9/40 PS Limousine

Es gibt Dinge, die nutzen sich nicht ab.

Die besten Werke der bildenden Kunst aus vier Jahrtausenden – die Büste der Nofretete, die Kriegerstatuen von Riace, die Uta von Naumburg, Michelangelos Pietá, die Prinzessinengruppe von Schadow, die Werke von Rodin usw.

Man kann es aber auch einfacher haben – wenn man einen Garten hat. Wie sich nach den schier endlosen Monaten des Winters das Leben im Frühling Bahn bricht, das erlebt man immer wieder hingerissen wie beim ersten Mal.

Natürlich macht die Sache Arbeit ohne Ende, aber genau dafür sind wir Menschen gemacht – nicht dafür, bei bester Gesundheit untätig vom Staat alimentiert zu werden.

Aktuell habe ich zwei Gärten zu betreuen – den eigenen und den der Eltern der entschieden besseren Hälfte. Nach der Schreibtischarbeit wird geschafft – wie man in Hessen sagt – bis die Sonne hinter den Dächern versinkt.

Bei aller Müdigkeit nach getaner Arbeit verbleibt das Gefühl, beglückt zu werden durch das Wunder des werdenden Lebens, der seit Urzeiten sich entfaltenden Kräfte der Natur, deren bloßes Objekt bei aller eingebildeten Geisteshöhe wir am Ende sind.

Leser Klaas Dierks hat mir kürzlich einen Neuzugang aus seiner Sammlung zugesandt und ich war versucht, diesen sogleich im Blog zu bringen. Doch erinnerte ich mich, dass ich selbst an etwas dran war, was direkt damit zu tun hat.

Also sind doch ein paar Tage vergangen, aber heute ist es soweit. Im Postfach fand ich die Aufnahme, auf die ich es abgesehen hatte:

Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Von dem Wagen mit klassisch proportionierten Kühler sieht man alles, was man sehen muss, um ihn umgehend als „Cyklon“ des Typs 9/40 PS ansprechen zu können, wie er ab 1927 gebaut wurde.

Denn Form und Platzierung des Kühleremblems sind so markant, dass man gar nicht lesen können muss, was darauf steht.

Lange Zeit erschien es so, als ob diese Cyklon-Wagen kaum Spuren hinterlassen haben und nur in Form einer kurzen Episode mit der Geschichte der Eisenacher Fahrzeugwerke verbunden sind, wo man praktisch das gleiche Auto als „Dixi“ 9/40 PS baute.

Doch die Sache ist komplizierter, wie bei unserer ersten Begegnung mit dieser Erscheinung hier zu erfahren war. Wer sich für die Details interessiert, mag diese dort nachlesen.

Mir geht es heute eher darum, zu illustrieren, dass diese Cyklon-Wagen der Kategorie 9/40 PS von Ende der 1920er Jahre wohl doch nicht ganz so exotisch waren.

Neben dem oben gezeigten Neuzugang mit dem offenbar von der Frühlingssonne bereits gut gebräunten und sympathisch wirkenden Herrn im hellen Anzug kann ich nun nämlich endlich auch das erwähnte Foto von Leser Klaas Dierks präsentieren.

Der Zufall will es, dass auch diese Aufnahme anno 1934 entstand, als der Cyklon mit seiner typischen Limousinenkarosserie von Ambi-Budd (siehe Adler „Favorit“) aufgenommen wurde – doch diesmal nicht in Berlin, sondern in Schlesien:

Cyklon 9/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Den Wagen werden Sie jetzt schon selbst als Cyklon 9/40 PS identifizieren können, aber der eigentliche „Star“ ist hier doch der kleine Bub, der von der stolzen Mutter auf dem ausgebauten Rücksitzpolster präsentiert wird.

Der Junge hatte noch einiges vor sich, doch die Existenz dieses Fotos spricht dafür, dass er mit seinen Eltern anno 1945 wohlbehalten aus Schlesien in den sicheren Westen gelangte.

Ich schätze, dass diese schöne Aufnahme, welche die immergleiche Geschichte vom „Circle of Life“ auf so hinreißend neue Weise erzählt, wie das jeder Frühling tut, aus dem Nachlass des abgelichteten Jungen stammt.

So schließt sich der Kreis – nach vollendetem Leben kehrt alles zu seinem Ausgangspunkt zurück – so auch wir, und diese Aufnahme, auf der wir dem Cyklon 9/40 PS so begegnen, als sei es das erste Mal, erzählt auf faszinierende Weise davon.

Es ist weit nach Mitternacht – noch vor ein paar Stunden fühlte ich mich zu müde, um einen Eintrag im Blog vorzunehmen. Doch die Zeit im Garten und das immer wieder neue Staunen ob des Wunders des erwachenden Lebens beflügelte mich zusammen mit dem Eintreffen der eingangs gezeigten weiteren Aufnahme.

Wenn so viele gute Dinge wie selbstverständlich zusammenkommmen, muss man sich fügen und den sich darin zeigenden Kräften beugen.

Am Morgen mag man sich dann wünschen, man hätte noch ein paar Stunden mehr an Schlaf bekommen. Doch ein kräftiger Kaffee und die Magie eines neuen Sonnentags tun dann ein Übriges – wie seit unausdenklichen Zeiten…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Gedanke zu „Alte Story, neu erlebt: Cyklon 9/40 PS Limousine

  1. Hallo,
    vielleicht noch zur Ergänzung, dass der Cyklon auf meinem Foto 1934 für 390 Mark ge- und 1936 für 80 Mark wieder verkauft wurde.
    KD

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