Wenn ich heute geradezu verschwenderisch mit dem Material aus meinem Fotofundus sowie dem von Sammlerkollegen umgehe, hat das nur zum Teil damit zu tun, dass ich die letzten Tage jede freie Minute Sonne getankt habe.
Das notorische Schlafdefizit, welches ich meiner unstillbaren Neugier und diesem Blog „verdanke“, wird durch die Energiezufuhr seitens des Fusionsreaktors in durchschnittlich rund 150 Millionen Kilometern Entfernung locker überkompensiert.
Eine Dosis New Orleans Rhythm & Blues – als Abwechslung zum üblichen Klassikprogramm – ergänzt die Rezeptur. Aktuell läuft „Earl King“ über die Lautsprecher, die illiuminierten Leistungsanzeigen des Verstärkers tanzen inspiriert mit.
Machen wir es zur Abwechslung kurz – der Fund des Monats April 2025 ist eine hinreißende Variation über das öfter anklingende Thema NAG C4b „Monza“ in meinem Blog.
Zu Erinnerung: Dabei handelte es sich um eine sportliche Werksversion des Typs C4 der Berliner Traditionsfirma der ersten Hälfte der 1920er Jahre – damals eines der am häufigsten gebauten deutschen Autos überhaupt.
Bereits die „normale“ Tourenwagenausführung des 30 PS-Wagens sah flott aus, zumindest wenn sie so dynamisch inszeniert wurde wie auf dieser Aufnahme:

Als Hommage an einen Werksrennwagen auf dieser Basis, mit dem NAG im italienischen Monza einen vielbeachteten Erfolg erzielte, brachte man eine Straßenversion heraus, die bei gleichem Hubraum (2,5 Liter) stärker war und vor allem unglaublich rasant daherkam.
Für mich ist dieser Typ C4b mit 40 bis 45 PS eines der aufregendsten deutschen Autos der frühen 1920er Jahre überhaupt.
Kein anderer hiesiger Hersteller baute in Serie einen derartig radikal daherkommenden Sport-Tourer:
Jetzt mögen die Verwöhnten unter Ihnen denken: „Ja, schön und gut, diese Rakete auf Rädern hat uns der Blog-Wart aber schon einige Male präsentiert – was ist denn heute so aufregend anders?„
Um es vorwegzunehmen: Aufregender wird es heute nicht, aber dennoch werden Sie am Ende eine neue Perspektive auf diesen faszinierenden Straßensportler gewinnen. Bleiben Sie dran, Sie werden’s nicht bereuen.
Etliche Exemplare sind zwar bereits in meiner NAG-Galerie versammelt – mehr als irgendwo sonst in der Literatur oder im weltweiten Netz. Und einige stellen dieses Beispiel in den Schatten, das ich hier erstmals präsentiere:
Vergleichen Sie einmal diesen Sport-Tourer mit dem Standard-Tourer auf dem eingangs gezeigten Foto – außer dem markanten NAG-Kühler und den (beim Monza eher seltenen) Stahlspeichenrädern gibt es keine Gemeinsamkeiten.
Dass man auf praktisch demselben Chassis und mit kaum verändertem Antrieb so ein völlig anders daherkommendes Automobil in Serie bauen konnte, das gehört zu den vielen Reizen von Vorkriegswagen – das geht in der Moderne schon lange nicht mehr.
Und dann konnte so ein Sport-Tourer genauso als verlässlicher Reisewagen eingesetzt werden, sofern man nur Minimalgepäck mitführte und über einen gesunden Body-Mass-Index verfügte.
Wirklich sportlich fahren ließ sich so ein Fahrzeug bei voller Besetzung natürlich nicht – aber darauf kam es nicht an. Es gab vor 100 Jahren eine Klientel, für die ein Auto weit mehr war als ein Fortbewegungsmittel oder ein Wohlstandsindikator.
Ein NAG C4b „Monza“ war ein ästhetisches Statement – wer so etwas „Unvernünftiges“ fuhr, gab damit zu erkennen, dass er etwas von Lebenskunst verstand. Wie ich zu sagen pflege: Kultur beginnt dort, wo nicht mehr schnöde Notwendigkeiten das Dasein diktieren.
Dem vermeintlichen Vernunftwesen Mensch wohnt nämlich die Freude am Überfluss, am Genuss des Augenblicks und am Spiel unter der Sonne inne:
Ich bin sicher, dass Sie den NAG C4B „Monza“ so noch nie gesehen haben. Es handelt sich übrigens um dasselbe Fahrzeug wie auf dem zuvor gezeigten Foto.
Den Aufnahmeort zu ermitteln, das überlasse ich gerne einem Leser, der schneller in solchen Sachen ist als ich. VIelleicht entstand das Foto am Wolfgangssee, aber das ist nur eine unfundierte spontane Eingebung.
Letztlich steht auch heute das Auto im wahrsten Sinn im Vordergrund – als Transporter in die weite Welt, als Überwinder von Zeit und Raum, als Ermöglicher von Situationen wie dieser, in denen erwachsene Männer mit Bubenfreude Dinge tun, die in keinem Reiseführer „vorgesehen“ sind, während die Damen die Herren tun lassen, was sie tun müssen:
Na, habe ich zuviel versprochen in Sachen NAG C4b „Monza“? Wenn Sie sich jetzt fragen, wo denn verdammt nochmal alle diese umwerfend leicht daherkommenden Sport-Tourer geblieben sind, kann ich es auch nicht sagen.
Aber eines kann ich Ihnen versprechen: Von genau diesem Modell liegen mir aufgrund einer glücklichen Fügung (ok., es war auch nicht ganz kostenlos) ein phänomenaler Fundus an Originalaufnahmen vor, mit dem ich noch viele solcher Funde des Monats bestreiten kann…
Nachtrag: Gerade stelle ich fest, dass die beiden zuletzt vorgestellten Fotos denselben einst im Bezirk Wiesbaden zugelassenen NAG zeigen, den ich bereits früher anhand dieser Aufnahme von Leser Klaas Dierks präsentieren konnte – wahrlich ein Fund des Monats…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.