Kennen Sie schon das neue Delikt der „falschen Tatsachen-Behauptung“?
Offiziell ist es noch nicht justiziabel, aber es scheint in deutschen Landen Kräfte zu geben, die gern ein staatliches oder staatlich subventioniertes Wahrheitsamt installieren möchten.
Ob dieses künftig auch dafür zuständig sein wird, Wahlversprechen daraufhin zu überprüfen, ob sie später auch tatsächlich eingehalten werden, glaube ich weniger.
Auch wird man wohl nicht Behauptungen ins Visier nehmen, wonach man korrektes Schreiben nach Gehör lernen oder sich das Geschlecht einfach selbst aussuchen kann.
Nein, man hat es ganz gewiss nur auf eindeutige Falschaussagen abgesehen, wie ich sie heute im Titel formuliert habe: 1+1=8!
Sie werden aber sehen, dass auch grober Unfug wie dieser bei näherer Betrachtung seine Berechtigung haben kann, im literarischen Sinne jedenfalls. Man bekommt dabei eine Ahnung davon, was passieren würde, wenn man das Wieselwort „Wahrheit“ irgendwelchen Meinungsräten als Maßstab zur Verfügung stellt, die keinen Spaß verstehen.
Dass natürlich „eins“ und „eins“ zusammen „acht“ ergeben können, wenn man bildhafte Sprache versteht und um „die Ecke“ denken kann, das will ich heute zeigen.
Manche unter Ihnen erinnern sich vielleicht an dieses prächtige Foto, dass ich einst beiläufig unter dem ebenfalls kritikwürdigen Titel „Vom Ich zum Selbst“ neben anderen gezeigt habe:

Ich hatte dieses Fahrzeug anhand einiger Details wie dem geflügelten H auf dem Kühler, der einteiligen Stoßstange, den seitlichen Motorklappen und der Gestaltung der Frontscheibe als Horch des Typs 710 oder 720 von 1932/33 identifiziert.
Dabei handelte es sich um die 80 bzw. 90 PS starken Modelle der sächsischen Luxusmarke, die 1932/33 die Nachfolge der 400er Reihe antraten, die ich in meinem Blog und in der einschlägigen Marken-Galerie bereits hinreichend behandelt habe.
Leider ist dieses Foto lange das einzige in meinem Fundus geblieben, das eines dieser großartigen Autos zeigt, mit denen sich Horch damals von den bis dato als Vorbild gewählten amerikanischen Wagen loslöste und zu der eigenen Linie fand, welche den legendären Ruf der Marke untermauerte.
Doch zu „eins“ ist jüngst wieder „eins“ hinzugekommen – und erst damit wird der herrliche 8-Zylinderwagen endlich komplett. Hier haben wir das zweite Puzzleteil, welches einen solchen Horch 710 oder 720 in der besonders begehrten Version als Sport-Cabriolet zeigt:
Auf dieser Aufnahme, die Gourmets als Schrott disqualifiizieren würden, nicht nur wegen des angerempelten Trittbretts, sehen wir nun den zweiten Teil unseres Horch-Puzzles.
Ja, dieses Exemplar besitzt keine Drahtspeichenräder, sondern Scheibenräder, aber beides war verfügbar beim Horch 710/720. Entscheidend für mich sind die Luftklappen in der Motorhaube, die langgestreckten Vorderkotflügel ohne seitliche „Schürzen“ und die Feinheiten des Aufbaus als zweitüriges Cabriolet.
Markant ist insbesondere die Ausführung der Tür mit schön geschwungenem unterem Abschluss und die sonst nirgends zu sehenden beiden Türscharniere. Genau doeses Details finden sich am „Sport-Cabriolet“ wieder, welches im formidablen Standardwerk „Horch – Typen, Technik, Modelle“, von Kirchberg/Pönisch auf Seite 269 abgebildet ist.
Und natürlich waren hier 8 Zylinder unter der Haube! Sie sehen – mangels eigener Erkenntnis präsentiere ich diese Zuschreibung hier als Tatsachenbehauptung.
Jetzt stellen Sie sich vor, igrendeiner weiß es besser und kann anhand eindeutiger Quellen darlegen, dass dies falsch ist und dass es sich um einen anderen Typ handelt.
Man ahnt, auf welches dünnes Eis man gerät, wenn man den Maßstab der Wahrheit an alles anlegt, was irgendwer, irgendwo und irgendwie vom Stapel lässt. Das wäre schlicht das Ende der Meinungsfreiheit, die nach John Stuart Mill („On Liberty„) auch das Recht umfasst, Blödsinn zu erzählen oder sogar evident Kontrafaktisches zu behaupten.
Der geeignetste Maßstab für richtig oder falsch scheint der zu sein, was im Wettbewerb der Ansichten, Überzeugungen und Argumente sich am Ende (oder auch nur vorläufig) als als die beste Annäherung an „die Wahrheit“ herausstellt.
Offensichtlich Falsches lässt sich widerlegen, Ironie oder Satire lässt sich als solche erkennen, ebenso künstlerische Freiheit. Auf letztere würde ich mich zurückziehen, wenn mir einer unterstellen wollte, dass doch eins und eins unmöglich acht ergeben können.
Wäre jedenfalls schade, wenn man sich solcher Spielereien im kultivierten Umgang miteinander nicht mehr bedienen könnte, meine ich….
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Wie immer danke für den kundigen Hinweis – man sieht daran aber auch, wie raffiniert dieses Detail und die Höhe der Tür kaschiert wurde.
Vielleicht schauen wir nochmal genauer hin: der leicht lädierte
Horch auf dem zweiten Bild verfügt selbstverständlich über drei Türscharniere – pro Tür!
Man darf nicht vergessen: eine solche Tür wog soviel, daß sie nur von zwei Mann getragen werden könnte!
Dieses Exemplar scheint etwas vernachlässigt zu sein da hier auch die rechte Türklinke fehlt sowie der Winker rechts aufgeklappt ist obwohl offenbar
kein Fahrer drinsitzt, der ihn betätigt haben könnte.