Endlich groß rauskommen! Horch 400 Sport-Cabriolet

Wer wollte nicht einmal ganz groß rauskommen? Nun, vielleicht nicht auf einer Bühne, der man nicht gewachsen ist, weil es einem an der nötigen Ausbildung und Erfahrung mangelt.

Ein kluger Mensch wird doch keine Position anstreben, der er nicht gewachsen ist, wo man doch sonst schon für alles Mögliche einen Befähigungsnachweis benötigt – mit Ausnahme eines speziellen Bereichs, in dem jedem Banausen alles offensteht.

Das zu konkretisieren, ist hierzulande riskant geworden, aber kluge Köpfe wissen zwischen den Zeilen zu lesen. Also lassen wir es bei der Andeutung auf’s Aktuelle und wenden uns der Welt von Gestern zu, in der man sich in der Retrospektive risikolos bewegen kann – ein Privileg, das wir den Zeitgenossen von damals voraus haben.

Die bewegten sich zwar im Einzelfall mit einem exklusiven Fahrzeug fort, aber das in einem Umfeld, das in nichts Gutes mündete. Dabei wirkt hier doch alles ganz idyllisch, nicht wahr?

Horch 400 Sport-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit so einem Achtzylinder-Horch des Typs 400 – erkennbar an den nach Cadillac-Vorbild nach hinten versetzten Luftschlitze in der Motorhaube in Verbindung mit einer Doppelstoßstange – kam man im Deutschland der 1930er zunächst groß heraus.

Der 80 PS starke Motor und der zweitürige Aufbau als Sport-Cabriolet aus dem Hause Gläser (Dresden) ließen keinen Zweifel – wer darin unterwegs war, bewegte sich am oberen Ende des automobilen Spektrums und machte entsprechend Eindruck.

Doch dann bemerkt man die matte Lackierung und das Kennzeichen mit dem Kürzel „WL“, das für „Wehrmacht Luftwaffe“ stand. Deutschland rüstete damals rasant auf, man wollte das stärkste Militär in Europa werden. Ähnliches war kürzlich in der Zeitung zu lesen, auch manches Vokabular der 30er Jahre wird reaktiviert – aber sicher nur ein Zufall.

Groß rauskommen wollte man damals nach der Schmach des 1. Weltkriegs und dem desaströsen Versailler „Vertrag“, der mal als kolossale Dummheit, mal als kalkulierte Provokation der Kriegsgewinner interpretiert wird.

Egal, wir wissen, was sich aus der Melange aus alliierter Arroganz und deutscher Selbstüberschätzung später ergab. Kluge Köpfe ziehen ihre Schlüsse daraus in diesen Tagen und plädieren für wachsame und wehrhafte Selbstbeschränkung.

Dabei kann man auch auf sympathische Weise groß herauskommen, wenn man sich seiner selbst gewiss ist und den Nachbarn nur im rein touristischen Kontext begegnet:

Horch 400 Sport-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Der Oberleitung im Hintergrund nach zu urteilen, ist diese schöne Aufnahme, die wir Leser Matthias Schmidt aus Dresden verdanken, in den 1930er Jahren in der Schweiz entstanden, wo die Bahn damals bereits elektrifiziert war.

Das Auto mit Zulassung in Westfalen (Raum Bielefeld) ist leicht als ein weiteres Exemplar des Horch 400 identifiziert, der zwischen 1930 und 1932 rund 950mal gebaut wurde. Und wieder haben wir es mit dem Sport-Cabriolet von Gläser zu tun.

Mit diesem fahrbaren Untersatz war es nicht schwer, endlich einmal auch im Ausland groß herauszukommen, ohne Anstoß zu erregen – vorausgesetzt man verfügte über die Maße der freundlichen Dame an Bord.

Leider wissen wir wie so oft nichts über sie und darüber, was aus dem prächtigen Wagen wurde. Aber manches spricht eben vollkommen für sich wie dieses schöne Zeugnis…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

6 Gedanken zu „Endlich groß rauskommen! Horch 400 Sport-Cabriolet

  1. Lieber Herr Schmidt, das ist großartig, dass Sie sich ebenfalls so für’s Detail dieser alten Dokumente interessieren – vielen Dank für die Erklärung und Korrektur! Wir lernen alle gern dazu und wissen, dass sich erst aus unterschiedlichen Perspektiven ein stimmiges Gesamtbild der Dinge gibt – im echten Leben wie bei der Betrachtung solcher alten Fotos. Ich traue mich in vielen Fällen durchaus etwas, obwohl ich in den meisten Belangen nur Amateur mit gediegenem Halbwissen bin. Damit sind immer auch gewisse hypothetische Aussagen verbunden, umso mehr bin ich darauf angewiesen, dass mich ein sachkundigerer Zeitgenosse ggf. eines Besseren belehrt. Mein Anliegen ist ja nicht, hier endgültige Wahrheiten zu verkünden, sondern einen Ort zu schaffen, an dem wir diese spannenden Zeugnisse der Vergangenheit analysieren, diskutieren und bestaunen können. Von daher freue mich ich immer über jede Anmerkung zu Aspekten, die ich übersehen habe oder falsch interpretiere. Beste Grüße, Michael Schlenger

  2. „…Der Oberleitung im Hintergrund nach zu urteilen…“ – Lieber Herr Schlenger, ich lese viele Ihrer Artikel mit großer Freude, seit ich zufällig auf Ihren Blog gestoßen bin.
    Oftmals bin ich fasziniert, mit welcher Sachkunde Sie den Kontext der Bilder beschreiben.
    Beim Foto des Horch 400 Sport-Cabriolet jedoch neige ich zum Widerspruch, was die vermeintliche Oberleitung angeht.
    Dass neben der Straße eine Bahnlinie verläuft, da sind wir uns sicher einig; die Masten mit unzähligen Telegrafendrähten waren dafür typisch.
    Ebenso meine ich links im Bild eine senkrecht stehende Bahnschranke zu erkennen.
    In Bezug auf die Oberleitung wage ich aber einzuwenden, dass der untere Draht, der ja der Fahrdraht wäre, in ziemlich auffälligen Bögen am oberen Haltedraht zu hängen scheint.
    Das wäre mit dem angestrebten, möglichst steng waagerechten Verlauf kaum zu vereinbaren und nur dieser erlaubt das problemlose Gleiten des Stromabnehmers auf dem Fahrdraht.
    Nein, ich meine da eher die oft angewandte Methode zu erkennen, ein Kabel an einem Tragseil von einem Befestigungspunkt zum nächsten zu führen, während es in kurzen Abständen mit Blechstreifen, Drähten oder Halteklammern am Tragseil fixiert ist.
    So kann man übermäßige Zugspannung vom Kabel fernhalten – es ist ja dafür auch nicht ausgelegt.
    Die geographische Einordnung des Fotos stünde damit in Frage, was dem Reiz des Motivs aber keinesfalls abträglich ist!
    Ich grüße Sie freundlich, Ihr

    Hhartmut Schmidt.

  3. Es handelt sich um einen in den späten 30er Jahren privat genutzten Wagen der Luftwaffe mit angehängtem Segelflugzeug. Das Komplettfoto hatte ich schon einmal vorgestellt und es findet sich auch in meiner Horch-Galerie.

  4. Korrekt, es handelt sich um einen privat genutzten Wagen der Luftwaffe mit angehängtem Segelflugzeug. Das Komplettfoto hatte ich schon einmal vorgestellt und es findet sich auch in meiner Horch-Galerie.

  5. Hallo,
    der Horch auf dem 1. Foto scheint trotz des WL-Kennzeichens im Moment der Aufnahme privat genutzt worden zu sein. Ansonsten würde die Dame und der Hund wohl nicht in die Kamera lächeln. Ich glaube, der Wagen war auf dem Weg zu einem Segelflugplatz (oder auf dem Rückweg davon). Denn der im Anschnitt sichtbare Anhänger hat die damals übliche Form eines Segelflugzeuganhängers.
    Gruß,
    KD

  6. Das vorgestellte Foto des Horch- Kabrios in (ehemaliger?) Kriegsbemalung gibt gewisse Rätsel auf:
    Eine junge Dame mit ihrem Foxl am Steuer eines Luftwaffen- Komandeurswagens? Mit Anhänger?
    Meine Frage ist: war es möglich, als Besitzer eines nach Kriegsende zurückgegebenen Wehrmachts- PKWs Privatfahrten (etwa zum Segelflugplatz) mit der alten (noch gültigen?) WL- Zulassung durchzuführen?
    Das könnte m. A. nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit der Fall gewesen sein, als deutsche Zulassungsbhörden noch nicht wieder Amtsgwalt ausübten!
    Hatte denn ein Privatmann (oder, in diesem Fall, Frau)
    überhaupt Kraftstoff- Gutscheine für solche Luxus- Unternehmungen?
    Meine These: das Foto ist ein sicher sehr seltenes Dokument
    dafür, was in der chaotischen Phase nach dem Waffenstillstand alles möglich war – wenn man die Mittel (hier Schwarzbestände an Benzin), Beziehungen (sein eingezogen Auto so schnell – oder überhaupt – zurückzube- kommen) und über ein so exklusives Hobby wie Segelfliegen (der Hänger kann eigentlich nur ein an Exklusivität kaum zu überbietender geschlossener Segelflugzeug- Transporter sein) verfügte.
    Nebenbei: das Foto ist ein deutlicher Beleg dafür, warum sich die modischen Kotflügel- „schürzen“ als Sichtschutz auf die verkotete Innenseite ab den frühen Dreißigern so rasch einführten.
    Das Verdeck des unter Kriegsbedingungen jahrelang vernachlässigten Horch zeigt deutliche Alterserscheinungen die verdeutlichen, warum man – unter fachlichen Gesichtspunkten – damals je nach Nutzungsbedingungen der Verdeckhaut ein Lebensdauer von 5 Jahren gab !

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