Vielleicht der bessere Volkswagen? Hanomag 1,3 Liter

Eines vorab: Zum deutschen Volkswagen – also dem VW „Käfer“ – habe ich ein durch und durch nostalgisches Verhältnis. Ich kenne seine Schwächen, doch lasse ich nichts auf ihn kommen.

Der Grund ist einfach, denn ich bin in einem praktisch großgeworden. Bis zu meinem 18. Lebensjahr fuhr meine Mutter ihr wackeres 1963er Exportmodell mit den schicken Doppelstoßstangen und dem großzügigen Faltschiebedach.

Hier haben ein Foto aus den späten 1970er oder frühen 80er Jahren, das in meiner Geburtsstadt Bad Nauheim vor dem neoklassizistischen Kerckhoff-Institut entstand, welches hier schon einmal die beeindruckende Stafffage abgegeben hat:

VW Käfer, Exportmodell von 1963; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der jahraus, jahrein genutzte Wagen – immer schön im Kurzstreckenverkehr – war genau 25 Jahre alt und hatte noch keine 120.000 Kilometer hinter sich, als er wegen einer modelltypischen Reparatur (Schweißarbeit am Rahmen vor der Hinterachse) für 1000 Mark für einen Opel Kadett Diesel in Zahlung gegeben wurde – der sich als ein in wirklich jeder Hinsicht miserables Auto entpuppte: lahm, laut, hässlich, rostanfällig.

Gerne hätte ich damals Mutters VW – den sie liebevoll „Muli“ nannte – übernommen, doch das stand gar nicht erst zur Debatte.

So kam es wie es kommen musste: Mein erstes eigenes Auto wurde ebenfalls ein VW Käfer, wieder ein 1200er mit 34 PS, aber Baujahr 1985 und nicht mausgrau, sondern knallrot.

Knapp 10 Jahre begleitete mich der Wagen durch den Alltag, bei jedem Wetter. Eine satte Ladung Unterbodenwachs pro Jahr verhalf meinem „Mexikaner“ dennoch zu einer rostfreien Karriere. Der erste Motor gab erst bei Kilometerstand 210.000 auf, akribische Ölwechsel alle 5000 Kilometer und häufige Vollgasfahrt auf der Autobahn waren das Lebenselixier.

Hier sehen wir „Hermine“, kurz bevor ich sie mit dem Motorschaden für 1.000 EUR verkaufte, vom Balkon meiner damaligen Wohnung in der Bad Nauheimer Luisenstraße aus:

VW Käfer, Mexikomodell von 1985; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn ich am 1200er Käfer nie etwas vermisst habe, außer zuletzt vielleicht 10 km/h mehr Endgeschwindigkeit als Tempo 120, war mir stets klar, dass es schon zur Zeit seiner großen Erfolge bessere Autos in seiner Klasse gab – aber kein so Charmantes.

Tatsächlich war das Überleben des Volkswagens nach dem 2. Weltkrieg eher dem Zufall geschuldet – ohne die Initiative eines Offiziers der britischen Rheinarmee wäre auf die bis Kriegsende rein militärische Produktion in Wolfsburg keine zivile Auferstehung gefolgt.

Da ist der Gedanke reizvoll, ob nicht vielleicht ein anderer deutscher Wagen, der auf den ersten Blick ähnlich aussah, aber konzeptionell ganz anders ausfiel, anstelle des Käfers der deutsche Volkswagen hätte werden können.

Die Rede ist vom 1938 vorgestellten Hanomag 1,3 Liter, den ich hier anhand bisher noch nicht publizierter Dokumente vorstelle:

Hanomag 1,3 Liter; Originalreklame via Paul Hickney (USA)

Im Vergleich zum „Volkswagen“ fiel der Hanomag größer aus und war damit schon eher familientauglich. Auch bot er von Anfang eine auskömmliche Leistung an, wenngleich der Hubraum von 1,3 Litern damals auch bereits standfeste 40 PS statt nur etwas mehr 30 ermöglicht hätte.

Unter der optisch ähnlichen Karosserie verbarg sich ein gegenüber dem Volkswagen konventioneller Antrieb – vorne liegender Reihenverzylinder mit Wasserkühlung.

Dementsprechend brauchte der Hanomag natürlich auch einen Kühlergrill, äußerlich das Hauptunterscheidungsmerkmal gegenüber dem Volkswagen:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Ein weiteres markantes Merkmal des Hanomag 1,3 Liter war die mittig unterteilte Frontscheibe und die sich über das Dach nach hinten ziehende „Rückenfinne“.

Die Gestaltung der Seitenpartie dagegen ähnelt sehr derjenigen des Volkswagens, wobei die Heckpartie nicht dessen Eleganz erreicht.

Dafür bekommt man hier einen Eindruck von den Größenverhältnissen des Hanomag, die ihn vielleicht zum besseren Volkswagen gemacht hätten:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für den Alltagsnutzen eher nachrangig war, dass die Türen des Hanomag in traditioneller Manier noch hinten angeschlagen waren, sich also nach vorne öffneten.

Das lässt sich auf diesem Foto gut nachvollziehen, das während des 2. Weltkriegs entstand, wie an den ab Sommer 1939 vorgeschriebenen Tarnscheinwerfern zu erkennen ist:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kriegsbedingt währte die Karriere des Hanomag 1,3 Liter nur kurz. Die Produktion endete 1941 und wurde danach nicht mehr aufgenommen.

Doch etliche überlebende Exemplare liefen unverdrossen noch einige Jahre weiter im Nachkriegsdeutschland mit seiner bis in die 1950er Jahre anhaltenden Knappheit an Personenwagen.

Die nächste Aufnahme ist ein typischer Beleg dafür. Sie zeigt einen mit Blinkern nachgerüsteten Hanomag 1,3 Liter, der im frühen Nachkriegs-Berlin zugelassen war und hier eine Kühlermanschette trägt, die in der kalten Jahreszeit für schnelleres Erreichen der Betriebstemperatur des Motors sorgte:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das hätte er also werden können – der vielleicht bessere Volkswagen. Doch es sollte anders kommen – so wie auch Mutters VW nicht meiner werden sollte.

So nehmen wir für heute Abschied vom Hanomag 1,3 Liter, so wie ich einst Abschied nahm von Mutters „Muli“, den sie an einem fahlen Herbsttag abseits der Landstraße südlich von Friedberg/Hessen ablichtete – ich war dabei und weiß es noch genau…

VW Käfer, Exportmodell von 1963; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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