Eine komplizierte Geschichte: Wanderer W40-50 Limousine

Eine komplizierte Geschichte – darauf kann man sich vielleicht als Minimalkonsens einigen, wenn man den Beitrag Deutschlands zur europäischen Geschichte seit Gründung des Nationalstaats im späten 19. Jh. auf eine einfache Formel bringen will.

Dies spiegelt sich auch in der verwickelten Historie der Sechszylinder-Modelle der sächsischen Marke Wanderer in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wider.

Zuletzt hatte ich diese mit 2 bzw. 2,3 Liter Hubraum verfügbaren, zwar technisch konservativen, doch großzügigen Wagen anhand der offenen Versionen hier vorgestellt.

Bei dieser Cabriolet-Schau hatte ich eine Aufnahme ausgelassen, die ich heute nachreichen möchte, bevor wir uns den geschlossenen Varianten zuwenden:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine)

Dieses schicke Wanderer-Sechszylindercabrio gehörte zu einem unbekannten deutschen Militärverband, der sich im 2. Weltkrieg in der Stadt Stalino an der Ostfront aufhielt.

Die in der Südostukraine gelegene Stadt wurde später in Donezk umbenannt. Von 1941 bis 1943 war Stalino in deutscher Hand und war der zentrale Ort in der Region, von dem aus ein systematischer Genozid stattfand.

Zwischen 300.000 und 350.000 Menschen – Juden, russische Kriegsgefangene und ukrainische Zivilisten – sollen damals Opfer von Massenerschießungen, Zwangsarbeit und Vergeltungsaktionen durch deutsche Kräfte geworden sein.

Das repräsentative Gebäude im Hintergrund war die damalige Gestapo-Zentrale am Pracht-Boulevard der Artema-Straße. In den dortigen Kellern fand mehr oder weniger das Gleiche statt wie zuvor, als der kommunistische NKWD dort „wirkte“:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Koinzidenz kann nicht überraschen, da alle totalitären Ideologien das nicht-konforme Individuum zum Feind haben und keine Mittel scheuen, ihre absolute Herrschaft durchzusetzen.

Die fixen Ideen, mit denen das jeweils „begründet“ wird und die dabei bevorzugten Farben, Symbole und Schlagworte sind Folklore für kleine Geister, die darauf hereinfallen.

Es gab und gibt letztlich nur den Gegensatz zwischen dem kollektivistischen, Gehorsam einfordernden Untertanenstaat und der auf freiwilliger Kooperation und Abstimmung beruhenden Bürgerrepublik, in der die Politiker (idealerweise) bloß Angestellte auf Zeit sind.

Daher interessieren auch die ganzen Attribute und Verortungen in einem Links-Mitte-Rechts-Schema nicht – entscheidend ist „auf dem Platz“, wie ein Fußballer mal sagte.

Nachdem wir dieses nie endende Thema gestreift haben, kommen wir nun zum abgeschlossenen Kapitel der Geschichte.

Denn nachfolgend bringe ich nur noch Fotos von Limousinen, wenngleich uns die Zeitgeschichte auch hier unweigerlich begleiten wird, immerhin weniger schockierend.

Im Gegenteil ganz schön anzuschauen ist doch dieses Dokument, das links eine Wanderer-Limousine zeigt:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Welcher Motor hier unter der Haube arbeitete und wieviele Seitenfenster der Aufbau des Wanderer hatte – das muss offen bleiben und damit die genaue Zuschreibung als Typ 40, 45 oder 50.

Kaum einfacher ist die Sache im Fall der Wanderer-Limousine auf dem folgenden Foto. Der Wagen war im Dienst des Reichsarbeitsdienstes (RAD) – einer 1935 eingeführten Zwangsarbeitsorganisation für junge Deutsche mit militärischem Charakter – darauf deutet jedenfalls die Aufmachung des Herrn hin, der neben dem Auto posiert:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kaum überraschend war die Effektivität des RAD meist gering. Er band hunderttausende junger Männer ohne marktgerechte Bezahlung in Propagandaprojekten wie Autobahnen für ein Volk ohne Autos, während die deutsche Industrie unter Arbeitskräftemangel litt.

Zum Auto ist Folgendes zu sagen: es wurde nach Beginn des 2. Weltkriegs aufgenommen, da es die dann vorgeschriebenen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern aufweist. Der Wagen sieht schon ziemlich mitgenommen aus – aber so ist das nun mal, wenn es nicht das eigene Fahrzeug ist, für das man verantwortlich ist.

Noch vor dem Krieg entstand folgendes Foto, auf dem wir solch einen Wanderer in gepflegtem oder gar neuwertigen Zustand sehen:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch hier kommen der kleine und der „große“ Sechszylinder in Betracht – wir haben es also mit einem W40 oder einem W45 zu tun. Nur wenn so eine Limousine sechs Seitenfenster hatte, handelte es sich um einen Typ W 50, der immer den 2,3 Liter-Motor besaß.

Einige dieser geräumigen und hochwertigen Wagen überstanden den 2. Weltkrieg.

Entweder blieben sie in Hand ziviler Nutzer mit entsprechender Erlaubnis oder sie kehrten wieder in Privatbesitz zurück, wenn vom Militär genutzte Exemplare nach Kriegsende herrenlos und mit leerem Tank irgendwo herumstanden.

Hier haben wir ein Beispiel mit Zulassung in der DDR in den späten 1950er Jahren:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In diesem Fall ist nun wieder alles möglich: W 40, 45 oder 50. Eigentlich kann es uns heute auch egal sein wie den damaligen Besitzern, denn jedes Auto war nach dem Krieg wertvoll.

Speziell im Vergleich zu den automobilen Hervorbringungen des Sozialismus in Ostdeutschland darf man sagen, dass ein Vorkriegswagen das Beste war, was man kriegen konnte, solange sich die Fuhre noch mit verbliebenen Ersatzteilbeständen am Laufen halten ließ und der Kraftstoffverbrauch nicht exorbitant war.

So konnte die junge Generation auch unter den zunehmend totalitären Verhältnissen der Deutschen Demokratischen Republik – merke: was auffallend betont wird, ist selten gegeben – durchaus ihren Spaß im Privaten haben.

Viele damalige Oldie-Besitzer hatten den Westdeutschen voraus, dass sie wussten, wo es in Zukunft lang gehen würde – jedenfalls in punkto Vorkriegsauto:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Da wir es hier mit einer Vierfenster-Limousine zu tun haben, können wir den Wanderer Typ W50 ausschließen.

Das hilft uns aber nicht viel, da wir immer noch nicht sagen können, ob unter der Haube der 2-Liter-Motor (W40) oder die 2,3 Liter-Variante (W45) arbeitete.

Oberflächlich zusätzlich kompliziert wird die Geschichte durch die nicht mehr originalen Stoßstangen (sie könnten von einem DKW stammen) und die nachgerüsteten Blinker.

Aber das passt zur verwickelten Geschichte unseres Landes, die einen begleitet, wenn man sich mit dem Fortleben dieser Vorkriegswagen über die Jahre und Jahrzehnte beschäftigt…

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8 Gedanken zu „Eine komplizierte Geschichte: Wanderer W40-50 Limousine

  1. Stimmt, der Manta A hatte eher Exotenstatus – erst der B erhielt das schlechte Image. Ich mag beide – wobei die schrillen Farben beim A noch besser wirkten. Den Jaguar E-Pace kannte ich gar nicht – muss unterwegs mal drauf achten. Allzeit gute Fahrt damit!

  2. Mein erstes Auto war ein Opel Kadett A, Baujahr 1962. Mit dem habe ich mich bei Glatteis überschlagen (Totalschaden). Danach kam der Manta A. Mit dem habe ich bei Glatteis einen Baum gerammt (Totalschaden). Bin dann auf BMW umgestiegen und 51 Jahre unfallfrei gefahren. Seit 2 Jahren bin ich sehr zufrieden mit einem Jaguar E-Pace unterwegs. Den „schlechten“ Ruf hatte der Manta B.

  3. Das ist ja großartig, danke! Lange keinen Manta mehr gesehen – ich fand die Dinger immer gut trotz ihres Rufs in bürgerlichen Kreisen. Großserientechnik und sportliche Optik, viele Möglichkeiten zum Basteln und Individualisieren auch bei normalem Geldbeutel.

  4. Der Wanderer mit dem Kennzeichen IIIY – 2855 war in Münsingen/Alb zugelassen. Das erste Foto Ihrer Homepage wurde in Blaubeureren am Blautopf aufgenommen, nur ca. 20 km von Münsingen entfernt. Die abgebildeten Autos waren alle in Ulm/Donau zugelassen. Der Herr im dunklen Anzug, neben dem Chevloret, ist Fritz Hanser, er hatte seinerzeit die Werksvertretung dafür. Nach dem Krieg gründete er mit Anton Leiber die Firma Hanser & Leiber. Die gibt es heute noch. Anfang der 70er Jahre habe ich dort meinen ersten Neuwagen gekauft, einen Opel Manta 1,6 S. Anton Leiber war ein erfolgreicher Rennfahrer mit Bugatti und RABAG-Bugatti.

  5. Guten Abend,
    Die Stoßstangen des Fahrzeuges auf dem letzten Bild, mit Zulassung im damaligen Bezirk Karl Marx Stadt/Sachsen dürften sicherlich wie auch angemerkt von einem DKW stammen. Die Blinkleuchten stammen von Framo 901und Granit-, später Garant-Zweieinhalbtonnern. Alles Fabrikate aus Sachsen. Der Außenspiegel fand sich so als Serie an dem Trabant P 50 (ab 1958), weshalb sich das Aufnahmejahr gut eingrenzen lässt.
    Elektrische Blinker wurden ab 1956 in der DDR für alle NEUzulassungen Pflicht. Für Bestandsfahrzeuge galt ein Jahr Karenzzeit zur Nachrüstung. Ab 1957 gab es sonst keine Zulassung mehr.

    Gruß aus dem Brandenburger Land,
    M. Grunwald

  6. Hallo Herr Schlenger,
    wieder ein interessanter Beitrag, der mich zu einem Kommentar motiviert:
    In wie weit der Wanderer neben dem RAD Mann tatsächlich „im Dienst des Reichsarbeitsdienstes (RAD)“ stand, muss mMn offen bleiben. Sicher sagen könnte man es, wenn der Wagen die für den RAD am 04. 12. 1941 eingeführten Kennzeichen mit dem Unterscheidungszeichen RAD führen würde. So sieht man nur, das es ein in Königsberg, Ostpreußen, zugelassenes Fahrzeug ist, das nach Kriegsausbruch aufgenommen wurde. Es trägt den am 20. 09. 1939 eingeführten roten Winkel, für private bzw. zivile Fahrzeuge, die die Voraussetzung dafür waren, dass das KFZ nach diesem Datum weiter eingesetzt werden durfte.
    Darunter fielen auch RAD-Fahrzeuge – bis diese ab dem 04. 12. 1941 ein eigenes Unterscheidungszeichen bekamen – aber eben nicht nur.
    Schöne Grüße,
    KD

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