Muss(te) sich nicht verstecken: Stoewer V5 von 1932

Den Frontantrieb in Deutschland etabliert haben einst DKW (ab 1931) und Adler (ab 1932) – das dürfte unstrittig sein. Der ebenfalls in deutschen Landen gebaute Citroen „Traction Avant“, der später bei der Wehrmacht hochbegehrt sein sollte, kam erst 1934 auf den Markt.

Ein Hersteller darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: Stoewer aus Stettin.

Die Nischenmarke, die sich immer wieder neu erfand und als einzige ihrer Größe bis in die 1930er Jahre überlebte, brachte nämlich ein Kunststück zustande, das in Oldtimerkreisen gern „vergessen“ wird.

Stoewer tat sich nämlich überhaupt als erster deutscher Automobilbauer mit einem serienreifen Frontantriebswagen hervor und präsentierte diesen gegen Ende 1930, als bei DKW noch unter höchstem Zeitdruck an einem Konkurrenzentwurf gearbeitet wurde.

So beeindruckend und elegant wie die mächtigen 8-Zylinderwagen, die man von Stoewer gewöhnt war, kam der Vorderantriebstyp V5 natürlich nicht daher: Bescheiden und etwas kastig wirkte der Wagen:

Stoewer V5 von 1931; Originalfoto: Sammlung Helmut Kasimirowicz

Doch verstecken musste sich der kleine Stoewer nicht. Sein 1,2 Liter-Viertaktmotor leistete immerhin 25 PS und Spitze 80 km/h waren ohne weiteres möglich. Eine solide Blechkarosserie gab es obendrein.

Davon waren die frontgetriebenen DKW mit ihren anfänglich nur 15 PS leistenden Zweitaktern und dem kunstlederbespannten Aufbau weit entfernt – wenngleich sie ihre Stärken hatten. Sie waren vor allem um rund ein Drittel billiger als der Stoewer!

Der Preis war im Einstiegssegment des damals noch völlig unterentwickelten deutschen Automarkt der entscheidende Faktor. Und deshalb machte DKW letztlich das Rennen.

Stoewer verbesserte zwar den V4-Motor seines Modells V5 anno 1932 und lieferte den Wagen nun auch mit einer gefälligeren Karosserie aus, doch stand die dünne Kapitaldecke des chronisch klammen Herstellers einer Ausweitung der Produktion entgegen.

So wurde die Produktion des Stoewer V5 bereits nach zwei Jahren und rund 2.000 Exemplaren eingestellt. Darunter fanden sich auch einige hervorragend aussehende Wagen mit Spezialkarosserie wie dieses rasant wirkende Sport-Cabriolet:

Stoewer V5 Sport-Cabriolet von 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ausführlich besprochen habe ich diesen schicken Stoewer bereits hier.

Damit musste sich der altehrwürdige Hersteller auch in der unteren Mittelklasse wahrlich nicht verstecken und man trat trotz kleiner Stückzahlen bewusst immer wieder mit solchen Spezialversionen auf, um das Markenimage aufzupolieren.

Natürlich konnte die konventionelle Ausführung damit nicht mithalten, doch auch für deren Besitzer gab es keinen Grund sich mit ihrem Auto zu verstecken – entsprechend selbstbewusst trat man beim unvermeidlichen Fotohalt auf:

Stoewer V5 von 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man sieht sofort: Das waren keine „kleinen Leute“, auch wenn sie nur einen kompakten Stoewer ihr eigen nannten. Tatsächlich besaß in den 1930er Jahren nur ein sehr geringer Prozentanteil der Deutschen überhaupt ein Auto.

Das Auto selbst wirkt hier etwas schüchtern, dabei hat es keinen Grund, sich im Hintergrund zu verstecken. So ein Stoewer war nämlich abseits der großen Städte eine ebensolche Rarität wie jedes andere Auto auch.

Das sollte auch im nach dem 2. Weltkrieg drastisch geschrumpften Deutschland noch einige Jahre so bleiben. Pommern, wo obiger Stoewer einst zugelassen war, war ebenso verloren wie Ostpreußen und Schlesien. Das war das Ergebnis deutschen Größenwahns im Osten.

Nach 1945 wurden in jeder Hinsicht kleinere Brötchen gebacken, und für einige Jahrzehnte war die Arroganz gezähmt – die Kriegsgeneration hatte ihre Lektion gelernt. Nach deren Wegsterben werden in letzter Zeit leider wieder alte Reflexe wach, scheint mir.

Noch im Jahr 1950 sah Deutschland abseits zerbombter Städte praktisch noch genauso aus wie zwanzig Jahre zuvor. Immer noch war ein Auto eine seltene Erscheinung auf dem Lande und für einen Moment schien dort ein Stück heile Welt konserviert:

Stoewer V5 von 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wäre da nicht das Kennzeichen aus dem britisch besetzten Niedersachsen, beinahe nichts deutete dann darauf hin, dass dieser Stoewer V5 im Jahr 1950 aufgenommen wurde.

Allenfalls die wohl von einem DKW stammenden Stoßstangenhälften könnten einen darauf bringen, dass dieser Wagen in der frühen Nachkriegszeit unterwegs war (in Moosheim).

In diesem Umfeld braucht sich so ein Stoewer nicht zu verstecken, er ist sogar ein veritables Schmuckstück.

Nebenbei bin ich der Auffassung, dass nur Vorkriegsautos die Eigenheit haben, in einem über Jahrhunderte gewachsenen historischen Stadtbild nicht zu stören, sondern geradezu dazu zu passen. Warum das so ist, wäre eine eigene Betrachtung wert.

Für heute will ich es bei der Feststellung bewenden lassen, dass sich der frontgetriebene Stoewer V5 nicht verstecken musste und auch heute nicht müsste.

Es gibt aber wohl bloß nur eine handvoll Überlebende, das einst in Pommern aufgenommene Exemplar gehört wohl nicht dazu – oder doch, wer weiß?

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

3 Gedanken zu „Muss(te) sich nicht verstecken: Stoewer V5 von 1932

  1. Auch der kleine Stoewer litt wohl – wie fast alle „volkstümlichen“ Kleinwagen deutscher Provinienz – unter einer den Möglichkeiten des Erzeuger- Werkes in produktionstechnischer und finanzieller Hinsicht unangemessen unwirtschaftlichen Fertigung!
    Das Verdienst des „alten“ Rasmussen liegt in der Einführung der den Ford- schen Maximen der Großserien- tauglichen Fließfertigung VOR der Zielvorgabe, endlich dem deutschen Schmalhans ein alltagsfestes und dennoch bezahlbares Kleinauto vor die Tür zu stellen.
    Unsere Familienkutsche aus dem abgebrannten Pommernland
    hielt offenbar an einem damals (1924) ungewöhnlich neuen Brückenbauwerk, und wurde, wenn auch nicht der Standort so doch die Reisegesellschaft in professioneller Schärfe und Lebendigkeit festgehalten.
    Man beachte den drolligen gehäkelten Schlips des Jungen, mit den dieser beizeiten auf sein
    bevorstehenden Dasein als Bürger vorbereitet „(oder eher doch: dressiert?) wurde.
    Hoffen wir, daß das bemehlte Kleidchen seiner Schwester nicht auf eine Dressur auf ihr bevorstehendes Dasein als „Nur- Hausfrau“ hindeutet!
    Ansonsten ist zu hoffen, daß der
    Gesellschaft ( immerhin fünf Erwachsene und zwei Kinder)
    noch ein zweiter Wagen zur Verfügung stand….. und daß der
    (Im letzten Moment auf den Kofferkasten des kleinen Stoewer gehechtete) Fotograf seine auf dem Rolldach abgelegte Brille nicht dort liegengelassen hat!

  2. Nun, was die meisten nicht wissen: in Deutschland waren bis in die 60er Jahre Bundesstrassen noch im „Natur-Zustand“, weniger wichtige Strassen noch weit länger. Einer der Gründe, warum lange die Konstrukteure von Nachkriegs-Fahrzeugen an großen Rädern un Bodenfreiheit festhielten.
    Ich persönlich finde, ein von DKW (F91, F93) belebter Burgplatz in Nürnberg sieht so „unpassend“ auch wieder nicht aus, genausowenig wie frühe Skoda und Tatra in Eger, passt halt nicht zum Thema. Bei den Mercedes mußte man schon genau hingucken, um Vor- und Nachkriegstypen zu differenzieren. Aber richtig: ab „selbsttragender Schachtelbauweise“ ändert sich das Bild.

  3. Daß Vorkriegswagen besonders gut mit historischen Stadtansichten harmonieren, würde ich deren Proportionen zuschreiben : Eher schmal und zugleich hochbauend auf ebensolchen Reifendimensionen, dazu mit Motorhauben und Kühlergrills, deren Proportionen ebenfalls oft einer giebelseitigen Fachwerkhausfassade entsprachen. Dazu die Luftschlitze und Grillstreben, die zusätzlich unterteilend wirkten – wie Fensterstöcke, Balkone und Portale.
    Großflächig unstrukturierte Fassaden – dem folgten nicht mal die Stromlinienwagen, denn auch die Zweifarbenlackierung trotzte dem nüchterneren Alulook. Auch die Ponton- und umso stärker die Heckflossenära steht für das Filigrane – erst die Badewannenform sowie glattflächig zierratbefreit entchromte Custom Cars fielen dann auch in die Zeit der Betonwüstenarchitektur.

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