Mut zur Lücke: Ist das ein Dixi R5 5/14 PS?

Zwei Dinge habe ich in der Schule wirklich gründlich gelernt. Das eine war Latein, das ich von der siebten Klasse bis zum Abitur belegte.

Meine mündliche Abiturprüfung in Latein legte ich über die Liebesgedichte des römischen Dichters Catull (1. Jh. v. Chr.) ab, obwohl ich von der Materie damals in praktischer Hinsicht wenig Ahnung hatte. Das stand dem schulischen Erfolg jedoch nicht im Wege.

Das zweite Fach war Mathematik – wie beim Lateinischen war hier pure Logik gefragt – die im Unterschied zu Musik oder Kunst kein Talent erfordert, sondern „nur“ Disziplin.

Während ich den Lateinunterricht stets gemocht habe, kam mir die Mathematik immer als notwendiges Übel vor.

Nachdem ich an der Universität im Hauptstudium die gefürchtete große Statistikprüfung knapp bestanden hatte, welche Volkswirte absolvieren müssen, hatte ich genug von Mathematik.

Eine Sache aus dem Mathematikunterricht am Gymnasium ist mir aber noch gegenwärtig.

Es war der Spruch eines kreativen Lehrers, welcher seine Computerfirma auf seine Frau angemeldet hatte. Nachmittags konnte er sich ihr hingebungsvoll widmen – der Firma – denn ein Mathematiklehrer muss sich wie ein Lateinpauker nicht weiterbilden.

Mut zur Lücke“ pflegte er zu sagen, wenn sich jemand seiner Sache nicht sicher war. Das sagte mir damals nicht viel, aber hängengeblieben ist es trotzdem.

Heute komme ich darauf zurück. Denn beim folgenden Foto, welches ich Leser Matthias Schmidt (Dresden) verdanke, brauche ich Mut, um eine mutmaßliche Lücke zu füllen:

Dixi Typ R5 5/14 PS (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wer hier spontan einen Dixi der Fahrzeugwerke Eisenach erkennt, liegt schon einmal richtig.

Den vorne abgerundeten Spitzkühler in Kombination mit vier nach hinten geneigten kurzen Luftschlitzen in der Motorhaube gab es so nur bei Dixi kurz nach dem 1. Weltkrieg.

Sieht doch ganz aus wie der ab 1921 gebaute Typ G1 6/18 PS, welchen ich hier schon öfters dokumentiert habe, oder?

Aber haben Sie Mut zur enormen Lücke, die uns zeitlich von damals trennt, und schauen Sie einmal genau hin:

Dixi Typ G1 6/18 PS, Bauzeit: 1921-23; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Dixi des Typs G1 6/18 PS stimmt etliches überein mit dem eingangs gezeigten Wagen: Kühlerform, Haubenschlitze, Drahtspeichenräder und „Tulpen“-Karosserie.

Aber eines weicht deutlich ab, nämlich die Beleuchtungsanlage. Diese war beim Dixi des Typs G1 stets elektrisch, wie das Anfang der 1920er Jahre Standard war.

Das Foto von Matthias Schmidt zeigt jedoch ein Fahrzeug, dessen Scheinwerfer zumindest der Form nach noch gasbetrieben waren. Auch der Schwung der hinteren Kotflügel erinnert eher an Modelle aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg.

Zwar gab es auch elektrische Scheinwerfer, welche die Trommelform der gasbetriebenen Vorläufer aufnahmen, aber an einem Nachkriegs-Dixi habe ich diese noch nie gesehen.

Angesichts der bisher leider mangelhaften Dokumentation der Dixi-Typen jener Zeit bleibt nur zu sagen: „Mut zur Lücke“ und selbst eine vorläufige These aufzustellen. Es gab nämlich parallel zum ab 1921 gebauten Dixi-Typ G1 6/18 PS noch das kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs eingeführte Modell R5 5/14 PS.

Die Angaben dazu im bisherigen Standardwerk zu den Dixi-Wagen – H. Schraders Werk „BMW-Automobile“ von 1978, welches auch die Dixis abdeckt – sind fragwürdig. Der Typ R 5/14 PS habe eine elektrische Beleuchtung und eine innenliegende Schaltung gehabt.

Garniert wurde das Ganze mit der Abbildung eines Wagens mit außenliegender Schaltung und Gasbeleuchtung. Mut zur Lücke hatte man offenbar bei der Bebilderung nicht.

Meine Vermutung ist dennoch die, dass das Foto von Matthias Schmidt einen Dixi des Vorkriegstyps R 5/14 PS zeigt, welcher nach dem 1. Weltkrieg noch kurze Zeit weitergebaut wurde. Dass dies bis 1925 der Fall gewesen sein, wie Schrader behauptet, ist abwegig.

Gewissheit in der Frage erwarte ich mir eher von Zeitgenossen, welche sich in unseren Tagen mit der Dokumentation der Dixi-Wagen vor der Übernahme durch BMW befassen.

Ich weiß von einem Buchprojekt in der Hinsicht und fiebere seiner Fertigstellung entgegen. Da man mit Vorkriegsautos letztlich nie fertig wird, auch wenn deren Historie naiven Zeitgenossen „abgeschlossen“ erscheint, möchte ich zu „Mut zur Lücke“ aufrufen.

Reifen soll so ein Projekt schon und aus der Hüfte schießen, wie ich das hier gern tue, kann ein ernsthafter Automobilhistoriker nicht. Aber man sollte das Ziel auch nicht ewig nur anvisieren, irgendwann muss man auch abdrücken.

Nachladen kann man dann immer noch, wenn man ausreichend munitioniert ist, und dann kann man korrigieren oder präziser werden – insofern Mut zur Lücke!

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4 Gedanken zu „Mut zur Lücke: Ist das ein Dixi R5 5/14 PS?

  1. Also das gezeigte Foto ist tatsächlich ein Dixi R5, allerdings erst nach der „Modellpflege“ nach 1919. Deutlich ist die Handschrift des ab dieser Zeit tätigen Chefkonstrukteurs Leo Grass zu erkennen, der der Vater des Dixi 6/18 PS bzw. 6/24 PS war und bis in die späten 1930er Jahre die Eisenacher Fahrzeugfabrik maßgeblich prägte. Das Ursprungsmodell Dixi R5 aus dem Jahr 1914 stammt aus der Feder seines Vorgängers Desmond, der als Verfechter des Blockmotors in Eisenach galt. Da Desmond französischer Staatsbürger war, wurde über ihn in der deutschnationalen Zeit des 1. Weltkriegs der Mantel des Schweigens gelegt. Als preisgünstiger dreisitziger Kleinwagen war der Dixi R5 aber erst in der Nachkriegszeit ein Erfolgsmodell und blieb nach meiner Meinung nur bis 1923 in der Fertigung. So „modernisierte“ Grass dann den Wagen nach 1919 mit Spitzkühler und gab ihm die äußeren Erkennungszeichen des größeren Dixi 6/18 PS. Aus Kostengründen wurde offensichtlich auch die billige Karbidbeleuchtung beibehalten.
    Im Übrigen ist nach meiner Meinung auch das Foto in „BMW-Automobile“ von 1978 auf Seite 156 mit der erwähnten Außenschaltung, kein Dixi R5. Man sollte Altmeister Halwart Schrader aber nicht zu sehr kritisieren, denn 1978 war die Datenlage und Zugriffsmöglichkeiten noch sehr beschränkt und auch heute sind sowohl im Eisenacher Archiv, als auch bei BMW in München viel Vorkriegsbilder falsch oder gar nicht beschriftet. Die Datenlage dazu ist auch heute noch sehr dünn.

  2. Besten Dank – ich hatte das Foto bei mir als noch unveröffentlicht markiert, da ich es seinerzeit nur als eines unter mehreren Aufnahmen früher Nachkriegs-Dixis vorgestellt hatte. Immerhin bin ich wieder zum selben Ergebnis gelangt wie damals, also R5!

  3. Nanu, als ich den heutigen Artikel gelesen hab, hatte ich irgendwie ein Déjà-vu. Ich dachte mir, Wagen kennste doch irgendwo her. Ich hatte doch „neulich“ erst einen Kommentar zum Dixi R5 geschrieben gehabt. Und siehe da, als ich in der Dixi Galerie zurückging fiel mir auf, dass uns der Autor diesen Wagen schonmal am 17.07.24 präsentiert hatte.
    Damals hatte ich auch schon geschrieben, dass der R5 als Erkennungsmerkmal im Gegensatz zum G1 keine Rudge-Verschlüsse hatte und sich die Speichenräder vorn zu hinten unterschieden.
    Das Modell wurde er jedoch wie richtig angemerkt wohl nur bis 1923 gebaut, im letzten Jahr mit 77 Stück und einer Gesamtzahl von 404. Quelle: „Alle BMW Automobile seit 1928“ von Werner Oswald und Eberhard Kittler

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