Langjährige Leser wissen das natürlich: Die besten Momente im Leben sind für mich die ungeplanten, wenn sich alles so fügt, wie es sein soll. Das ist nicht alleine eine Frage des Zufalls, für solche Situationen muss alles vorbereitet sein – aber eben nicht geplant.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, im rechten Moment der entscheidenden Person begegnen, die passenden Worte finden. Oder auch: Alles wohlgeordnet haben, um schnell handeln zu können, wenn das letzte noch fehlende Puzzlestück auftaucht.
Das Foto, das ich Ihnen heute vorstellen darf, illustriert das in vollkommener Weise. Es ergänzt perfekt das Bild eines heute nur noch wenigen Kennern geläufigen deutschen Frontantriebswagens von Mitte der 1930er Jahre.
Neben den Fronttrieblern von Adler und DKW gab es noch einen weiteren Vertreter dieser fortschrittlichen Kategorie – hergestellt von einer der faszinierendsten und langlebigsten deutschen Nischenmarken: Stoewer aus Stettin.
Tatsächlich war es der Stoewer V5, mit dem 1931 erstmals in Deutschland ein frontgetriebener Serienwagen vorgestellt worden war, also noch vor DKW.
Was der einzigartig anpassungsfähige Hersteller an der Ostsee aus dem anfänglich unscheinbar wirkenden Modell binnen ein, zwei Jahren machte, ist phänomenal.
Schon 1932 erschien der Nachfolger R-140, der wie verwandelt war: Der 1,2 Liter-Motor war einem leistungsfähigeren 1,4 Liter-Aggregat gewichen; vor allem aber hatte man dem Fronttriebler ein völlig neue, unverwechselbare Vorderpartie verpasst:

Mit der eindrucksvollen Kühlermaske wirkte das immer noch recht kompakte Auto weit eindrucksvoller. Aber: So rechte Begeisterung will sich hier noch nicht einstellen.
Einer der Gründe dafür ist der, dass Automobile bei Aufnahmen direkt von vorne nur in Ausnahmefällen ihre ganze Wirkung entfalten können. Dasselbe gilt für die rein seitliche Perspektive, die bis in die 1920er Jahre hinein in Hersteller-Prospekten vorherrschte.
Versierte Fotografen erkannten aber früh, dass die Idealperspektive eine ist, die den Wagen aus spitzem Winkel von schräg von vorne ins Visier nimmt.
Die folgende Aufnahme geht in die Richtung, auch wenn sie noch nicht perfekt ist:
Der Wagen wirkt hier schon wesentlich attraktiver, dennoch lässt auch diese Aufnahme, die einst bei einer Reise durch die Schweiz entstand, noch Wünsche offen.
Die wenig gelungene Inszenierung der Herren lassen wir mal unkommentiert. Am Auto selbst gibt es nämlich genug zu „beanstanden“, vor allem eines: Irgendwie erscheint der Kühlergrill auch hier etwas bräsig, er könnte dynamischer wirken.
Was ich damit meine, werden Sie gleich sehen. So erkannte man auch bei Stoewer, dass die Frontpartie irgendwie rasanter daherkommmt, wenn man die die Kühlerlamellen noch ein wenig stärker nach oben anwinkelt.
Genau das machte man bei der nächsten Ausbaustufe nur ein Jahr später anno 1934 in Form des R-150. Der besaß nun mit 35 PS aus 1,5 Litern Hubraum eine in der Kompaktklasse achtbare Motorisierung.
Vor allem aber hatte man die Karosserie nun perfektioniert. Das galt zum einen nur für die leicht überarbeitete Kühlerpartie (man vergleiche diese mit der des R-140):
Zum anderen hatte man den Türen mit einer Chromleiste optisch gesehen die Höhe genommen. Wir kommen gleich noch darauf zurück.
Aber: „Puh“, mögen Sie jetzt wie der Herr neben dem Auto sagen, „das Foto selbst ist aber noch weit davon entfernt, perfekt genannt zu werden.“
Irgendwie springt der Funke auch hier noch nicht über und das liegt nicht bloß an dem Herrn mit den aufgeblasenen Backen. Vielmehr wird die an sich fast ideale Perspektive durch die geöffnete Tür wieder ruiniert.
Wenn man schon die Tür mit der erwähnten neuen Gestaltung studieren möchte, dann doch eher anhand einer solchen Aufnahme, nicht wahr?
An sich eine unmögliche Aufnahme, wenn man es nur auf das Auto abgesehen hätte. Aber hier war jemandem die Insassin wichtiger und so ist dieses Foto in ästhetischer Hinsicht eine sehr gelungene Komposition.
Damit lässt sich auch trefflich übergehen zum eigentlichen Star des heutigen Blog-Eintrags, denn wie ich zu sagen pflege: Es gibt kein Auto, dessen Wirkung nicht durch die Anwesenheit einer Frau mit Stil profitieren würde.
Das bringt mich zum eingangs Gesagten zurück und zum Titel „Perfekt, wenn plötzlich alles passt“.
Dass sich heute alles in Sachen Stoewer R-150 Cabriolet ganz wunderbar zusammenfügt, sodass am Ende kein Wunsch offenbleibt, das verdanke ich Jörg W. Hitz aus Chemnitz.
Er bat mich nämlich um Identifikation des Autos, mit dem seine Großmutter in den späten 1930er Jahren aufgenommen wurde.
Das war mir nicht nur ein Leichtes, sondern auch ein Vergnügen, denn das ist genau das Foto, welches den Reiz des Stoewer R-150 Cabrios für mich vollkommen vermittelt:
Für mich ist bereits der Bildausschnitt genial – es sind alle Vorzüge des Autos einbezogen, ohne den gesamten Wagen zu zeigen. Auch der Aufnahmewinkel ist ideal zu nennen.
Und dann diese wunderbar gedankenverlorene Pose der jungen Dame, die den Wagen mit ihrer Präsenz und ihrer Berührung zu einem Teil der menschlichen Sphäre macht.
Ich wage zu behaupten, dass es schwer sein dürfte, das zu übertreffen – jedenfalls, was das „normale“ Cabriolet des Stoewer R-150 betrifft. Denn daneben gab es ja noch das sensationell gezeichnete Sport-Cabriolet, das ich ebenfalls bereits gewürdigt habe (hier).
Bei einer Gesamtstückzahl von wenig mehr als 1.000 Wagen dieses Typs ist aus heutiger Sicht jedes Exemplar bemerkenswert. Nur wie man sieht: Um es wirklich perfekt präsentieren zu können, dazu muss alles zusammenkommen – so wie hier und heute.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Gut beobachtet – war mir gar nicht aufgefallen. So ergänzen sich die Perspektiven!
… aber man hätte ja wenigstens den verbogenen rechten Hauben – flügel geradebiegen können für die perfekte Perspektive !
Mit der sachgemäßen Handhabung der Haube beim Öffnen und Schließen zum Tanken hatte sie es wohl nicht so, die versonnene Dame.
Aber ich möchte den Blick noch auf die aufwändigen Details der Lackierung lenken:
Die Randsicke der Kotflügel farblich abgesetzt – zwei Zierlinien unterschiedlicher Farbe auf den Radschüsseln – das war doch schon was!
Und zeugte davon, daß man auf sich hielt – oder von mangelndem Kostenbewußtsein!