Massenphänomen vom Feinsten: Auto-Union Sonderschau

So sehr ich gelungene Auto-Exoten mag, so wenig bin ich darauf festgelegt.

Ich kann mit dem Auto als Massenware sehr gut leben, vorausgesetzt es handelt sich um ein nützliches und ansehnliches Gefährt wie etwa mein Peugeot 202 UH.

Peugeot 202 UH, aufgenommen 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Wenn man schon Städte und Straßen verstopft, sollte wenigstens das Auge nicht zu kurz kommen dabei.

Deshalb ist mir auch die Vorstellung einer reinen Radlerstadt ein Graus, sofern die Leute diese unförmigen modernen Rahmen aus Verbundstoffen fahren und mit schreiend bunten Kunstfaser-Klamotten die Umwelt erst visuell und später auf der Müllkippe verpesten.

Auf dieses Thema kam ich wie so oft auf Umwegen.

So war ich heute wieder in Oberitalien auf dem Weg nach Umbrien unterwegs. Hinter dem Grenzübergang in Chiasso führt die Schnellstraße Richtung Milano an Como vorbei.

Man erhascht dabei nur einen kurzen Blick auf die prächtige Stadt am Südende des Comersees. Von der am Hafen gelegenen Piazza Cavour aus bot sich in die Gegenrichtung (die moderne Straße fehlt hier noch) einst dieser Blick:

Ansichtskarte aus Como (Oberitalien) um 1950; Original: Sammlung Michael Schlenger

Neben den schönen Dampfern erfreuen hier die vielen Autos der 1930er bis ganz frühen 1950er Jahre das Herz des Altblechliebhabers. Ganz vorne stellvertreten ein Fiat „Topolino“ der Vorkriegszeit – ein immer noch erschwingliches Automobil für Ästheten.

Wie es der Zufall wollte, überholte ich wenig später kurz hinter Como den Nachfolger des Fiat Topolino – den 500 Nuova, der ab 1957 in gigantischen Stückzahlen entstand und bis heute in Italien oft anzutreffen ist.

Der Kleine hoppelte mit Tempo 80-90 auf der rechten Spur, während ich mit 130 Sachen vorbeizog. Ein Kontrollblick auf den aktuellen Verbrauch bei dem Tempo ergab übrigens 6,8 Liter – nicht schlecht für einen 150 PS starken Benziner-SUV, meine ich.

Wer moderne Verbrenner immer noch als gravierende Umweltbelastung wahrnimmt, dem sei empfohlen, in die Abgasschwaden der wenigen Autos von einst einzutauchen.

Anno 1914 wie hier im französischen Seebad Deauville – mag das gerade noch akzeptabel gewesen sein:

Ansichtskarte aus Deauville (Frankreich) um 1914; Original: Sammlung Michael Schlenger

Eine frische Meeresbrise löste hier unangenehme Gerüche rasch auf, die damals auch noch von den vielen Pferdegespannen produziert wurden, was gern vergessen wird.

Ebenfalls nicht reproduzieren lässt sich hier das Geräusch der damaligen Motoren – im Einzelfall heute reizvoll und tolerabel, vor über 100 Jahren dagegen von wenigen wirklich leisen Konstruktionen abgesehen innerorts nur lästig.

Delage, Renault und Citroen ab Mitte der 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beste Figur gaben noch in den 1930er Jahren massenhaft versammelte Automobile eher im Stand ab.

Auf der folgenden Aufnahme von 1934 sehen wir eine Ansammlung in Stresa am Westufer des Lago Maggiore in Oberitalien:

Ansichtskarte aus Stresa (Oberitalien) von 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte noch weitere solche Auto-Massenphänomene bringen, aber einige davon sind für andere Gelegenheiten besser geeignet.

Fast zeitgleich kam es in Deutschland zu dem Massenauflauf, auf den ich heute eigentlich hinauswill.

Dabei versammelten sich – wenn ich nicht daneben liege – ausschließlich Automobile der unter dem Dach der Auto-Union zusammengefassten sächsischen Hersteller Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Sehen Sie selbst nach, ob ich vielleicht doch ein Fremdfabrikat übersehen habe. Lassen Sie sich nicht von dem mit „Reichswehr“-Kennzeichen versehenen Horch im Vordergrund ablenken – alle übrigen Wagen scheinen zivile Nummernschilder zu tragen:

Auto Union-Sonderschau, Foto um 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Die Datierung dieses aus zwei Fotos zusammenklebten Originalabzugs lässt sich recht genau vornehmen.

Die deutsche „Reichswehr“ wurde im Frühjahr 1935 in „Wehrmacht“ umbenannt, warum auch immer, und der neben dem Horch in vorderster Reihe zu sehende Audi kann erst 1933/34 entstanden sein.

Eventuell erlauben weitere hier zu sehende Autos eine noch genauere Eingrenzung. Da ich auf Reisen keinen Zugriff auf meine Literatur habe, überlasse ich diese Recherche gern den in Sachen DKW & Co versierten Lesern.

Was mich hier nachdenklich macht, ist der militärische Kontext. Man sieht im Hintergrund einige Schirmmützenträger und die Hallen könnten zu einer Kaserne gehört haben.

Gewiss, der Krieg lag noch ein paar Jahre in der Zukunft, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass schon einmal das Thema „Zivilwagen an die Front“ geprobt wurde.

Bei besonders regimetreuen Volksgenossen sollte es bald eine Frage der Ehre sein, den eigenen Wagen zur kriegsmäßigen Verwendung abzuliefern. Skeptischere Vertreter wurden mehr oder weniger subtil mit Angeboten überredet , die man nicht ablehnen sollte.

Übrigens landeten auch Fronttriebler massenhaft bei der Truppe – man denke nur an die Adler Trumpf-Wagen oder die in Frankreich geraubten Citroens des Typs „Traction Avant“.

Citroen Traction Avant, aufgenommen bei Troyes 1940; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die schwächer motorisierten DKWs finden sich im Krieg in heimatnahen Verwendungen wie der Ausbildung weiteren Kanonenfutters dienenden Kasernen oder Flugplätzen.

Von den ebenfalls frontgetriebenen Audis finden sich nur wenige Aufnahmen bei der Truppe, was aber schlicht daran liegt, dass diese edlen Wagen ohnehin nur in sehr geringen Stückzahlen gebaut wurden.

Mehr will ich für heute gar nicht erzählen, ich meine, dass ich genügend Material aufgefahren habe, anhand dessen Sie sich vertieft mit dem Reiz des Massenphänomens Automobil befassen können – bin gespannt, was ich alles übersehen habe…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

4 Gedanken zu „Massenphänomen vom Feinsten: Auto-Union Sonderschau

  1. Danke für den interessanten Vorschlag! Also hätte die Auto-Union diese besondere Gelegenheit zu einer Präsentation ihrer Wagen genutzt? Aber wie hat man soviele zugelassene Wagen genau dieser Marken zusammenbekommen? Finde die Situation nach wie vor mysteriös…

  2. In Bezug auf den Fotoanlass tippe ich auf eine öffentliche Vereidigung, die damals gerne öffentlichwirksam in Szene gesetzt wurden. Die Hallen deuten auf eine motorisierte Einheit hin, die in den Gebäuden im Hintergrund kaserniert war.
    KD

  3. Hallo,
    der Horch bekam sein RW-Kennzeichen lt. Handbuch von Herzfeld zwischen Ende März (fünfstellige Nummer) und Ende September 1935 und wurde im Wehrkreis VII München zugelassen. Ab dem 01. 10. 1935 wurden die WH /WM / WL Kennzeichen verwendet.
    KD

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