Nach dem 2. Weltkrieg versuchten etliche Konstrukteure hierzulande mit Kleinstwagen ihr Glück. An unkonventionellen Ideen fehlte es nicht, doch formal kamen dabei mitunter Gefährte an der Grenze zur Lächerlichkeit heraus. Ingenieure sind eben nur selten begnadete Gestalter, das musste schon Chrysler mit dem Airflow lernen.
Da in der Nachkriegszeit Mobilität nicht viel kosten durfte, musste zudem der Aufwand für Karosseriepresswerkzeuge gering gehalten werden. Auch das hatte meist fatale Folgen für die Formgebung. Dass es auch anders ging, zeigte der Champion 400, der sich auf folgender Originalaufnahme der 1950er Jahre versteckt hat.
© Straßenszene der 1950er Jahre in Friedberg/Hessen; Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger
Das Bild zeigt das Südtor der Burg in Friedberg/Hessen, davor Fahrzeuge, die in Richtung Bad Nauheim abbiegen. Der Brezelkäfer und der Mercedes 170 V sollen hier nicht weiter interessieren. Angemerkt sei lediglich, dass beim Mercedes der Winker an der A-Säule montiert ist, also nachgerüstet wurde – das spricht für ein frühes Exemplar.
Aufregender wird’s am linken Bildrand, wo man zunächst die Front eines Porsche 356 vermutet. Doch schon die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen, dass sich ein solcher Sportwagen ins Herz der armen Wetterau verirrt haben sollte. Sieht man genauer hin, erkennt man die Heckpartie eines Autos mit massiver C-Säule – was könnte das sein?
Formal handelt es sich um ein seinerzeit modernes Fahrzeug mit Pontonkarosserie. Der Dachaufbau verweist allerdings in die Vorkriegszeit – der Wagen ist ein Vertreter der in den 1930er Jahren in Deutschland beliebten Cabriolimousine. Kennzeichen sind die starren Fensterseiten und das bis ans untere Ende des Dachs reichende Verdeck.
Einen solchen Aufbau gab es in den 1950er Jahren nur noch selten – als erstes denkt man an die Gutbrod Superior Cabriolimousine. Doch zwei Details sprechen dagegen: Beim Gutbrod umschloss die Stoßstange nicht die Heckpartie bis zum Radausschnitt. Der hintere Abschluss des Superior war auch nicht so elegant, er fiel steiler ab als beim abgebildeten Wagen.
Beim Studium des Hecks fallen – wenn auch verschwommen – einige parallel verlaufende Linien quer zur Längsachse auf. Könnten das Luftansaugschlitze sein? Dann kommt der Gutbrod erst recht nicht in Frage, er hatte den Motor vorne. Es bleibt nur noch ein Kandidat übrig: der Champion 400, der über einen Heckmotor verfügte und als Cabriolimousine gebaut wurde. Er trug auch die markanten Blinker auf der C-Säule, die auf dem Foto zu erkennen sind.
Der Champion 400 war ein formal besonders gelungener Kleinstwagen. Er wurde zwischen 1951 und 1956 von wechselnden Herstellern ohne große Änderungen gebaut, rund 5.000 Exemplare sind entstanden. Seine Motorisierung erscheint bescheiden: Nur 14 bzw. 15 PS leisteten die wassergekühlten Zweizylinder-Zweitakter von ILO und Heinkel, die verbaut wurden. Doch zusammen mit einem Wagengewicht von 500 kg waren damit 80 bis 90 km/h drin. Auf Landstraßen reichte das allemal – und seien wir ehrlich: heute zockeln auch genügend Leute mit 60 bis 70 Sachen auf freier Strecke umher.
Der Champion bot genügend Platz für zwei Personen, er war äußerst sparsam und dabei noch hübsch anzuschauen. Bei schönem Wetter mit offenem Verdeck unterwegs zu sein, das hatte etwas Luxuriöses in den kargen Jahren nach dem gründlich verlorenen Krieg.
Es ist kein Zufall, dass der flott wirkende Champion sich recht lange halten konnte. Die Konstruktion war modern – die Verarbeitung solide. Man merkt in vielen Details, das hier Könner am Werk waren. Einer davon war Hermann Holbein, einst bei BMW beschäftigt.
Holbein gehörte zu den Rennbegeisterten, die gleich nach dem Krieg wieder Sportwagen konstruieren und fahren wollten. Er war an der Entwicklung der Veritas-Rennautos beteiligt, die basierend auf BMW-Vorkriegstechnik einige Jahre sehr erfolgreich waren.
© Veritas-Rennwagen, Schloss Dyck Classic Days 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Holbein baute nach der Veritas-Episode den Stromlinien-Roadster HH47, der ebenfalls auf BMW-Technik basierte. Später entwickelte er zusammen mit anderen fähigen Ingenieuren den Champion 400.
Hydraulische Bremsen von ATE, ein raffiniertes Fahrwerk und die gefällige Karosserie aus dem Hause Drauz legten die Grundlage für den Erfolg des Champion. Einziges Manko war der Preis, doch das exklusive Erscheinungsbild des Wagens überzeugte offenbar genügend Käufer.
Es soll nur zwei Dutzend Überlebende dieses hochinteressanten und attraktiven Autos geben; dagegen ist ein Porsche 356 Massenware. Wer auf den Geschmack gekommen ist, findet hier weitere Bilder und Informationen zum Champion 400.