Sommer vor 85 Jahren: Ausflug im Skoda 430

Zu den Automobilmarken, über die hierzulande nur selten berichtet wird, gehört neben den österreichischen Firmen Austro-Daimler, Grofri, Steyr, Gräf & Stift und W.A.F. auch Skoda aus Tschechien.

Dies ist merkwürdig, kann doch die heute zum VW-Konzern gehörende Firma auf eine bis 1895 zurückreichende Historie zurückschauen, in der sich zugleich die verwickelte Geschichte Mitteleuropas widerspiegelt.

Ganz am Anfang steht der Fahrradhersteller Laurin & Klement aus dem böhmischen Mladá Boleslav, wo Skoda übrigens bis heute seinen Sitz hat. Damals gehörte Tschechien noch zum Habsburger Reich (Österreich-Ungarn).

Ab 1905 baute die Firma mit zunehmendem Erfolg Automobile sowie Motorräder und stieg zum größten Fahrzeughersteller der Donaumonarchie auf. Im 1. Weltkrieg wurde die Produktion auf Rüstungsgüter umgestellt.

Nach Kriegsende fand sich Laurin & Klement in der 1918 neu gegründeten Tschechoslowakischen Republik wieder. Die alten Absatzmärkte waren mit dem Untergang des Habsburger-Reichs weggebrochen.

Zwar wurde in Mladà Boleslav wieder eine PKW-Produktion aufgezogen, doch erzwang die wirtschaftliche Lage 1925 den Verkauf von Laurin & Klement an den Maschinenbaukonzern Skoda aus Pilsen.

Der letzte unter der Marke Laurin & Klement gebaute Wagen wurde 1926 produziert. Das anschließende PKW-Programm von Skoda zeichnete sich durch sorgfältig konstruierte Wagen aus, die technische Experimente mieden und als Qualitätsautos galten.

Ein solches Fahrzeug sehen wir auf dem folgenden Originalfoto:

Skoda_430_bei_Tynec_Juli_1931_Galerie

© Skoda 430; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen wirkt wie viele „Artgenossen“ der späten 1920er Jahre sehr amerikanisch. Kein Wunder: Damals gaben die großen US-Hersteller in jeder Hinsicht den Ton an: technisch, stilistisch und nach Stückzahlen.

Dass wir es mit einem Skoda zu tun haben, zeigt ein näherer Blick auf den Kühlergrill. Dieser erlaubt auch die Identifikation als Typ 430, der von 1929-32 gebaut wurde.

Skoda_430_bei_Tynec_Juli_1931_Kühlergrill

Wir können hier nicht nur den „Skoda“-Schriftzug lesen, sondern sehen auch, dass die Kühlermaske sehr weit nach unten reicht und die Frontpartie des Chassis verdeckt. Beim äußerlich ähnlichen, größeren Skoda R 4 ist dies nicht der Fall. Auch verfügte der Kühler dort über senkrechte Chromstäbe.

Vom ebenfalls optisch verwandten 6-Zylindermodell Skoda 645 unterscheidet sich der Wagen auf dem Foto durch die Zahl der Luftschlitze in der Motorhaube (24 statt 27). Damit darf die Identifikation als 4-Zylindermodell 430 als gesichert angesehen werden.

Die Doppelstoßstange ist bei unterschiedlichen Modellen zu finden, vermutlich war sie beim 30 PS leistenden Skoda 430 ein aufpreispflichtiges Zubehör. Vielleicht kann ein Leser etwas zum Nummernschild sagen, sofern es eine Aussage zum Zulassungsbezirk erlaubt.

Immerhin wissen wir, wann dieses schöne Foto entstanden ist: „Juli 1931 bei Tynec“ ist in deutscher Sprache auf der Rückseite vermerkt. Das Paar neben dem Skoda ist sehr wahrscheinlich tschechisch, doch möglicherweise war der Fotograf ein Deutscher.

Skoda_430_bei_Tynec_Juli_1931_Passagiere

Auch Freunde von Vintage-Kleidung dürfte diese Aufnahme ansprechen, denn die beiden sind modisch ganz auf der Höhe der Zeit.

Er trägt eine sportliche Kombination aus Knickerbocker-Hosen und Polohemd. Letzteres war damals ein Novum und wirkte vorteilhaft, wenn man eine athletische Figur hatte wie der Herr auf unserem Bild. Selbstverständlich sind die Männerbeine bedeckt, was man sich bei sommerlichen Temperaturen heute meist vergeblich wünscht.

Sie trägt ein hauchdünnes bedrucktes Sommerkleid, das im Unterschied zu den Schnitten der 1920er Jahre tailliert ist. Die Kopfbedeckung wird ein seidenes Tuch sein – damals ein Accessoire ohne aggressiv auf Abgrenzung abzielende weltanschauliche Motivation.

Ein letztes Wort noch zum Skoda 430. Er gilt zwar als erster am Fließband gebauter Wagen der tschechischen Marke, doch wurde er in fast vier Jahren  nur 3.600mal produziert. Nach amerikanischen Maßstäben ist dies praktisch nichts. Dementsprechend selten ist dieser eindrucksvolle Mittelklassewagen heute.

Besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang an Dr. G. W. Pollak vom Skoda Oldtimerclub sowie die Herren Karel Pelak und Peter Sudeck – allesamt hervorragende Kenner der tschechischen Automobilhistorie. Eine so prompte und kompetente Hilfe hat der Verfasser bisher bei nur wenigen anderen Automodellen der Vorkriegszeit erfahren.

4 Gedanken zu „Sommer vor 85 Jahren: Ausflug im Skoda 430

  1. Herzlichen Dank! Mit Herrn Pollak hatte ich oft Kontakt, wenn es um die vielen interessanten tschechischen Autos ging. Ich vermisse ihn ebenfalls. Gratulation zu „Dolinka“ – gut, dass das Auto nicht restauriert wurde (ich besitze selbst unrestaurierte Vorkriegsautos – originaler geht es nicht). Viel Freude damit und schauen Sie wieder einmal in meinen Blog – ich bringe immer wieder gern etwas zu tschechischen Marken!

  2. Ich freue mich über diesen Artikel. Dank Herrn Pollak kamen einige ähnliche Berichte über die CS Fahrzeuge auch in den Westen, leider ist mein Freund Georg nicht mehr am Leben. Er hat so viel gewusst…
    Ich habe auch ein Skoda 430 von 1930. Interessant ist, dass ich erst der 3. Besitzer bin und das Auto ist noch in dem Zustand wie früher, wurde nie restauriert, nur repariert.
    Der erste Besitzer hat es 1930 in Prag neu gekauft und damit das Fahrzeug im Krieg nicht beschlagnahmt wird, hat er die Räder abgebaut und hat gesagt, das Auto ist kaputt. So überlebte das Ding bis 1974. In diesem Jahr hat ein Landsmann von mir, der aber in Deutschland gelebt hat, eine Anzeige gelesen, es gibt eine Skoda 430 zu verkaufen. Er hat dann durch seine Mutter die in Prag gelebt hat, das Auto gekauft und ein Freund von ihm, ein BMW-Mitarbeiter hat das Auto geholt. Milan Menhart, so hiess der 2. Besitzer hat das Auto geliebt und hat es Dolly (auf tschechisch Dolinka) getauft. Bis 2015, da hat er sich entschlossen das Auto zu verkaufen. Er hatte eine Bedingung, dass Dolly nicht restauriert wird. Ich halte seine Bitte in Ehren und so bleibt es hoffe ich. Milan Menhart war 1 Jahr älter als Dolly und hat uns auch verlassen, 2021.

  3. Das Vergnügen war ganz meinerseits. Die Skoda-Gemeinde hat mich bei diese Artikel vorbildlich unterstützt.

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