Die heute kaum noch bekannten Qualitätsautos des Maschinenbauers Hanomag sind auf diesem Oldtimerblog in erstaunlicher Zahl präsent (Bildergalerie).
Nicht, dass der Verfasser eine besondere Schwäche für diese grundsoliden, aber nie sonderlich avancierten Klein- und Mittelklassewagen aus Hannover hätte. Es ist einfach so, dass man bei der Suche nach alten Fotos von Vorkriegswagen ständig über Aufnahmen mit Hanomag-PKWs stolpert.
Natürlich sind Fotos von Adler, DKW und Opel im deutschsprachigen Raum weit häufiger anzutreffen. Aber gemessen an einer Stückzahl von nur rund 80.000 bis 1941 gebauten Fahrzeugen – das kuriose Kommissbrot lassen wir dabei außen vor – überrascht doch die Häufigkeit an verfügbaren Aufnahmen von Hanomag-PKW.
Das mag damit zu tun haben, dass die Wagen möglicherweise eine längere Lebensdauer als andere Typen in ihrer Klasse hatten. Denkbar ist auch, dass sie als repräsentativer empfunden wurden als etwa die sachlich daherkommenden Modelle von Opel und entsprechend gern in Szene gesetzt wurden.
Ein schönes Beispiel dafür sehen wir auf folgendem Originalabzug – der zudem einen seltenen Hanomag-Typ zeigt, der auf diesem Blog noch nicht behandelt wurde:
© Hanomag 3/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei dieser Kleinbildaufnahme scheint zwar links etwas Licht ins Kameragehäuse eingetreten zu sein und hat zu einer teilweisen Überbelichtung geführt. Die entscheidende Partie mit dem Hanomag ist aber perfekt belichtet, kontrastreich und sehr detailreich, wie wir noch sehen werden.
Die annähernd frontale Perspektive ist ungewöhnlich und man findet in der Literatur kaum ein vergleichbares Bild, bei dem sich die Details dieses Typs so gut studieren lassen. Der Fotograf hat zielsicher die attraktivste Seite des Wagens ins Visier genommen.
Die Front ist für Hanomag-Verhältnisse geradezu raffiniert durchgestaltet. Der einstige Besitzer war offenbar von der repräsentativen Erscheinung des Wagens so angetan, dass er noch ein Stander mit Hakenkreuzfahne angebracht hat…
Wir schauen über diesen Hinweis auf die Zeitumstände hinweg und nehmen die Bugpartie näher unter die Lupe:
Der markante Chromkühlergrill, der oben flach beginnt und nach unten hin spitz zuläuft, findet sich an diversen Hanomag-Modellen der frühen 1930er Jahre. Die Kühlerpartie allein erlaubt noch keine Identifikation des genauen Typs auf unserem Foto. Das ermöglicht erst ein weiteres Detail, zu dem wir noch kommen.
Man beachte, dass man auf diesem hervorragenden Privatfoto sogar die Waben des Kühlernetzes erkennen kann. Auch das Hanomag-Flügelemblem ist auf alten Aufnahmen selten so detailreich zu sehen.
Heutige Besitzer eines solchen Hanomags können sich hier einiger Details vergewissern, die über die Zeit oft verändert wurden oder verlorengingen. Dazu gehören der Typ der verbauten Hupe und der flexible Chromschlauch, in dem die Scheinwerferkabel verlaufen.
Hervorragend zu sehen sind auch die im Art-Deco-Stil gehaltenen Gummielemente in der Mitte und an den Enden der Stoßstange. Sie dürften heute kaum noch beschaffbar sein – man wird sie wohl “nachschnitzen” müssen. Verwiesen sei nicht zuletzt auf den Chromverschluss der Öffnung für die Anlasserkurbel.
Um den genauen Typ zu identifizieren, müssen wir genau hinsehen. Der Schlüssel findet sich neben der linken Hand der großgewachsenen Dame neben dem Hanomag ( von der Dachhöhe ausgehend muss sie an die 1,80 m groß gewesen sein):
Wie man sieht, verläuft die Türvorderkante nicht senkrecht, sondern schräg. Die Motorhaube dagegen schließt hinten senkrecht ab. Ausweislich verfügbarer Fotos in der Literatur gab es diese Anordnung nur beim ab 1932 gebauten Modell 3/18 PS.
Zu den davon abgesehen sehr ähnlichen Hanomag-Modellen der frühen 1930er Jahre an dieser Stelle nur soviel:
Hanomag stellte 1931 als Nachfolger der noch recht kompakten Limousinen des Typs 3/16 PS und 4/20 PS erwachsener wirkende neue Wagen vor. Sie besaßen nun hydraulische Bremsen und eine Ganzstahlkarosserie.
Bezeichnet wurden diese neuen Typen nach ihren Motorisierungen 3/18 PS, 4/23 PS und 6/32 PS bzw. ab 1934 als Hanomag “Garant” und “Kurier”, die bis 1938 neben dem Hanomag “Rekord” weiterverkauft wurden.
Demnach war ausgerechnet dieser auf unserem Foto so geschickt in Szene gesetzte Wagen das schwächste Modell in der Palette! Es sprach Kunden an, die partout in der 3 PS-Steuerklasse bleiben wollten – viele waren das übrigens nicht.
Den Daten zufolge reichten die 18 PS des 900ccm kleinen Vierzylinders für 80 km/h Spitze – schneller war auch das 4/23 PS-Modell nicht. Für den Betrieb auf dem flachen Land – unser Hanomag war in Pommern zugelassen – reichte das durchaus.
Man lernt daraus, dass heutige Maßstäbe bei der Beurteilung von Vorkriegsautos in vielerlei Hinsicht ein falsches Bild vom einstigen Nutzen dieser Wagen ergeben. Gerade in dünn besiedelten ländlichen Gebieten bot auch ein recht schwachbrüstiger Hanomag 3/18 PS einen Mobilitätsgewinn, den wir heute kaum ermessen können.
Und – seien wir ehrlich – diese Kühlerpartie macht schon was her…