Schon wieder ein Dixi? Ja, aber endlich ein echter…

Beim Stichwort „Dixi“ jubelt das Herz der Freunde deutscher Vorkriegswagen, allerdings gilt die Leidenschaft nicht immer demselben Objekt… 

Der Volksmund verbindet die – heute an eher profanen Gegenständen zu findende – Bezeichnung Dixi mit den ersten ab 1929 gebauten BMW-Automobilen.

Mit einem reizvollen Abkömmling dieses BMW 3/15 „Dixi“ haben wir uns im letzten Blogeintrag befasst, dem „Wartburg“ Roadster.

Doch dessen Basis BMW 3/15 DA2 wurde nie als Dixi verkauft. Und sein Vorgänger, der von Dixi seit 1927 gebaute 3/15 Typ DA1 trug zwar den Namen Dixi, war aber strenggenommen ebenfalls kein echter.

Denn der Dixi 3/15 DA1, den BMW nach der Übernahme der Eisenacher Fahrzeugwerke (Dezember 1928) noch bis März 1929 weiterbauen ließ, war ja bloß ein Lizenznachbau des britischen Austin Seven.

Abgesehen von der Linkslenkung und einer anderen Elektrik hatten die Eisenacher Fahrzeugwerke ihrem „Austin Seven-Klon“ lediglich ein Dixi-Emblem verpasst, wie hier zu sehen ist:

Dixi_DA1_Goodwood_2016

Dixi DA1, Goodwood Revival 2016; Bildrechte: Michael Schlenger

Doch ein Dixi im eigentlichen Sinn wurde dieser Austin Seven-Nachbau dadurch nicht, ebensowenig wie der darauf basierende BMW 3/15 DA2 durch ein paar weitere Modifikationen schon ein echter BMW wurde – konstruktiv war auch er im Wesentlichen noch ein Austin Seven-Abkömmling.

Den Freunden des BMW „Dixi“ soll damit nun keineswegs die liebgewonnene Bezeichnung genommen werden.

Aber: Es gibt auch Freunde „echter“ Dixis, die von den bereits 1898 gegründeten Eisenacher Fahrzeugwerken selbst entwickelt wurden und eine eigene Betrachtung verdienen – losgelöst von der Austin/BMW-Episode.

Der Ursprung der Marke Dixi soll hier nicht ausgebreitet werden, das haben wir ja erst gestern getan. Wir steigen stattdessen mit einer historischen Aufnahme eines Dixi ein, das zeigt, in welcher Liga die Eisenacher Wagen einst spielten:

Dixi_13-39_PS_Sammlung_Bengsch_Galerie

Dixi 13/39 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Das ist nun wirklich kein Kleinwagen, sondern ein ausgewachsener Sechssitzer.

Bevor wir uns dieses „Schiff“ näher ansehen, sei Leser Marcus Bengsch gedankt, der diese rare Aufnahme aus seiner Sammlung beigesteuert hat. Er war übrigens auch der Spender des kürzlich veröffentlichten Fotos eines Röhr 8 Typ R.

Beim Verfasser, der beileibe kein Dixi-Spezialist ist, fiel der Groschen nicht gleich. Denn auf dem Originalabzug ist ausgerechnet die Kühlerpartie beschädigt, was den Blick auf’s Wesentliche zunächst verstellte.

Für Dixi-Spezialisten ist das natürlich unverzeihlich, aber man kann nicht Tag und Nacht die thüringische Marke mit dem Kentaur als Kühlerfigur im Kopf haben…

Dixi_13-39_PS_Sammlung_Bengsch_Frontpartie

Das ist nun das Ergebnis einiger Retuschen und siehe da: Spitzkühler mit  vorwärtsstürmendem Kentauren auf dem Einfüllstutzen – ein Dixi!

Die Kühlerfigur von Dixi war übrigens eine der geistreichsten Ideen auf diesem Sektor. Das menschenköpfige Pferd aus der griechisch-römischen Mythologie – der Kentauros oder auch Zentaur – spielt auf die Verschmelzung von menschlicher Geisteskraft und körperlicher Energie aus Pferdestärken an.

Dieselbe Idee hatte einst übrigens auch die französische Marke UNIC.

Zurück zu dem mächtigen Tourenwagen. Die Identifikation des genauen Typs ist nicht einfach und der Verfasser lässt sich hier gern eines Besseren belehren.

Die elektrischen Scheinwerfer sprechen für eine Entstehung nach dem 1. Weltkrieg. Auch der gemäßigte Spitzkühler passt dazu – „um 1920“ sagt das an deutschen Veteranenwagen geschulte Bauchgefühl.

Doch die ausgeprägte „Tulpenform“ der Karosserie – eine organische Form, die erst in der Frontalansicht ihren ganzen skulpturalen Reiz entfaltet – verweist auf ein Modell, das noch aus der Vorkriegszeit stammt.

Dafür kommen bei Dixi in dieser Größenklasse nicht viele Wagen in Frage. Der Verfasser plädiert angesichts der Länge und Höhe der Motorhaube für einen der großvolumigen S16-Typen, die ab 1912 entstanden.

Der Wagen besaß einen 3,4 Liter großen Vierzylindermotor konventioneller Bauart, der in der letzten Ausbaustufe 39 PS leistete.

In Halwart Schraders Werk „BMW Automobile“, 1. Ausgabe 1978, gibt es auf Seite 127 eine Aufnahme, die einen ähnlichen Dixi 13/39 PS im Jahr 1923 in Berlin zeigt.

Könnte das hier präsentierte Foto ein solches frühes Nachkriegsmodell zeigen? Laut der spärlichen Literatur zu Dixi wurde jedenfalls das 13/39 PS-Modell nach dem 1. Weltkrieg weitergebaut.

Genaueres hätten die Insassen zu sagen gewusst, die hier in der ersten Reihe saßen:

Dixi_13-39_PS_Sammlung_Bengsch_Insassen

Man sieht hier, wie der Verdeckkasten die Gestaltung der gesamten, farblich abgesetzten Gürtellinie des Wagens beeinflusst und dadurch praktisch verschwindet – sehr schön gedacht und eindrucksvoll im Blech umgesetzt!

Eine Sache wäre da aber noch, die mit der Marke Dixi gar nichts zu tun hat. Wer am Anfang aufgepasst hat, wird eine zigarrenförmige Stoßstange vorn an dem Tourenwagen bemerkt haben.

Solch ein Teil war auch an diesem Kompressor-Mercedes Typ 15/70/100 PS verbaut, den wir vor längerer Zeit präsentiert haben (Bildbericht):

mercedes_Stoßstange

Mercedes 15/70/100 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Weiß jemand, wer der Hersteller dieses Zubehörs war? Es dürfte aus den frühen 1920er Jahren stammen, bevor sich die US-Doppelstoßstangen durchsetzten.

Jedenfalls gibt uns dieses Anbauteil einen weiteren Hinweis darauf, dass das Dixi-Foto wohl Anfang der 1920er Jahre entstand.

Wenn die vorgeschlagene Zuschreibung Typ S16 stimmt, hätten wir es dem Grundsatz nach mit einem der am häufigsten gebauten Dixi in der Ära vor der Austin-Lizenz zu tun – rund 700 Exemplare wurden davon gebaut.

Wieviele, oder besser: wie wenige, davon diesen schönen Aufbau erhielten und über die Spitzenmotorisierung 13/39 PS verfügten, ist wohl kaum noch ermittelbar.

Zumindest in der Hinsicht haben die Freunde der späteren als Dixi bzw. BMW Dixi gebauten Austin Sevens die Nase vorn, sie sind vergleichsweise gut dokumentiert – obwohl: selbst da hapert es, wenn man richtig ins Detail geht…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Schon wieder ein Dixi? Ja, aber endlich ein echter…

  1. Hallo Herr Schlenger !
    Die Stoßstange an dem Dixi wurde in den 1920er Jahren unter dem Namen „Cascopuffer“ verkauft . Sie sollte die Kräfte eines Frontalaufpralls , bis 40 Km/h , absorbieren .
    Zu Konstruktion und Wirkungsweise findet man sogar im Internet einige Informationen .
    Die Kraftfahrzeug-Zubehör-Großhandlung H.Hennings aus Hamburg bot in ihrem 1931er
    Katalog „Gummi – Casco – Puffer“ für 75,- bis 190,- RM an .( Gewicht : 25 bis 31 kg !! ) Eine verchromte Doppelstoßstange wurde für 25,- bis 43,- RM angeboten .
    Da der “ Casco-Puffer “ ja hauptsächlich aus der dicken Gummistange bestand , bot er natürlich
    kaum Chromglanz für das viele Geld . Das war möglicherweise auch ein Grund für die geringe
    Verbreitung des ansonsten sinnvollen Gerätes .

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Reichl

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