Es gibt heutzutage nur wenige Gelegenheiten, originale Grand-Prix-Wagen der 1930er Jahre außerhalb von Museen zu Gesicht zu bekommen.
Zwar werden “Silberpfeile” von Mercedes und Auto Union aus der Vorkriegszeit bisweilen auf historischen Rennsportveranstaltungen spazierengefahren. Doch oft genug handelt es sich um Nachbauten oder die Fahrzeuge sind äußerlich in einen überperfekten Zustand versetzt worden.
Auch die meisten überlebenden Alfa Romeo-Rennwagen jener Zeit sind irgendwann während ihres langen Lebens mehr oder weniger restauriert worden. So auch das nachfolgende Exemplar, das 2015 beim Goodwood Revival immerhin im scharfen Renneinsatz antrat:
© Alfa Romeo P3 Tipo B, Goodwood Revival 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Zu den raren unrestaurierten Ausnahmen gehört der nachfolgend abgebildete Monoposto des Typs P3 B von 1934. Er war 2015 beim Concours d’Elegance auf Schloss Chantilly bei Paris ausgestellt.
Das Fahrzeug ist prinzipiell identisch mit dem in Goodwood eingesetzten Wagen, es wurde im selben Jahr gebaut. Und doch wirkt es merkwürdig anders, wie ein Botschafter aus einer untergegangenen Welt.
© Alfa Romeo P3 Tipo B, Schloss Chantilly, 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Rückblende: Der ab 1932 gebaute Alfa Romeo P3 Tipo B war der erste einsitzige Grand-Prix-Wagen und der erfolgreichste Rennwagen der Mailänder Marke vor dem 2. Weltkrieg. Damit errangen Rennlegenden wie Rudolf Caracciola und Tazio Nuvolari reihenweise Siege.
Konstrukteur Vittorio Jano zeigt hier sein ganzes Können: Der Reihen-8-Zylinder wurde durch zwei Kompressoren aufgeladen und leistete je nach Spezifikation bis zu 265 PS. Das Differential war direkt hinter dem Getriebe angebracht, sodass die beiden Antriebswellen seitlich am Fahrer vorbei nach hinten geführt werden konnten. Dies ermöglichte eine tiefere Sitzposition und eine verbesserte Straßenlage.
Der in Chantilly gezeigte Wagen mit der Serien-Nr. 50002 wurde 1934 gebaut und von der Scuderia Ferrari eingesetzt. Später wurde er in die USA verkauft, wo er 1939/1940 und 1946/47 am 500-Meilen-Rennen in Indianapolis teilnahm.
© Alfa Romeo P3 Tipo B, Schloss Chantilly, 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
In den 1950er Jahren war der Alfa nicht mehr einsatzfähig. Nach einem Aufenthalt in Australien kehrte er in die USA zurück. Heute (2015) befindet er sich in der Obhut des britischen Sammlers Hugh Taylor.
Das Fahrzeug verfügt zwar nicht mehr über den Originalmotor, doch das wird wettgemacht durch den äußerlich unberührten Zustand. Die Karosserie präsentiert sich genau so wie zum Zeitpunkt der Renneinsätze in den USA in den späten 1930er und 1940er Jahren. Die Aufschrift “Don Lee” verweist auf den Vater des damaligen Besitzers Tommy Lee aus Kalifornien.
© Alfa Romeo P3 Tipo B, Schloss Chantilly, 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Der verwitterte Lack, die Korrossionsspuren an den Alublechen der Karosserie und der brüchige Firnis des ledernen Fahrersitzes verleihen dem Wagen eine einzigartige Aura. Näher heran an die Zeit, in der das Fahrzeug eingesetzt wurde, und näher heran an die Menschen, die es einst bauten, fuhren und reparierten, kann man nicht gelangen.
Neben einer solchen Rarität verblassen zwangsläufig alle auf Hochglanz gebrachten Concours-Fahrzeuge. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Automobil in den Händen sachkundiger Besitzer bleibt, die sich als Bewahrer eines einzigartigen Zeitzeugen verstehen.