Beim Stichwort Vorkriegs-Citroen denken die meisten sicher an den legendären Traction Avant – technisch wie gestalterisch eine Ikone einstiger französischer Automobilbaukunst. Der Vorgänger der “Gangsterlimousine” dagegen ist wohl nur noch Liebhabern der Marke bekannt: das von 1932-35 gebaute Modell Rosalie.
Eigentlich galt der Spitzname nur dem kleinsten Wagen der Baureihe mit 8CV-Motor. Wie auch hierzulande beschränkten sich viele Hersteller bei der Typbezeichnung seinerzeit auf die Angabe der Steuer-PS. Noch bis zur Ente (2CV) hielt Citroen daran fest.
Deutlich mehr Platz im Innenraum als die kleine Rosalie bot die 10CV-Version, deren 4-Zylinder-Motor zudem 36 statt 32 PS leistete. Damit war die magische Grenze von 100km/h erreichbar, wenngleich der Wert auf den Landstraßen jener Zeit eher ein theoretischer war.
Insgesamt rund 88.000 Citroen 8 bzw. 10CV entstanden während der relativ kurzen Bauzeit – ein beachtlicher Erfolg. Bis in die französischen Kolonien gelangte der Wagen, wie folgendes Originalfoto belegt.
© Citroen Rosalie 8 oder 10 CV; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Die wüstenartige Landschaft und die arabische Wiederholung der Nummer auf dem Kennzeichen lassen vermuten, dass das Bild in Nordafrika entstanden ist. Der stolz posierende Besitzer im saloppen Safari-Dress hat auf der Rückseite vermerkt: “Mon Auto!”
Die heruntergefahrenen Reifen sprechen für einen herzhaften Einsatz des robusten Gefährts. Langlebigkeit und Zuverlässigkeit waren ebenso typisch für Citroen wie das markante und stilsichere Erscheinungsbild.
Die Schrägstellung der Kühlermaske weist auf eine Entstehung ab 1934 hin, vorher stand der Kühler der Rosalie senkrecht im Wind. Man ahnt in der Frontpartie bereits den eleganten Nachfolger.
Wie beim Traction Avant gab es auch von der Rosalie eine 6-Zylinder-Version, die schon damals zu den Raritäten gehörte. Nur etwas mehr als 7.000 Exemplare wurden davon gefertigt, 50 davon übrigens im Kölner Zweigwerk von Citroen.
Dieses als 15CV bezeichnete Ausführung war noch länger als der 10CV und auch technisch ein beeindruckendes Fahrzeug. Sein 2,7 Liter-Reihensechszylinder ermöglichte eine kultivierte und souveräne Fortbewegung.
Ein zeitgenössisches Foto der raren Spitzenausführung der Rosalie zu ergattern, ist reine Glückssache. Im vorliegenden Fall erschloss sich erst auf den zweiten Blick, dass es sich hier tatsächlich um die 6-Zylinder-Version handeln muss:
© Citroen 15 CV; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Kenner ahnt bereits, dass es sich um ein französisches Fahrzeug handelt, auch wenn nirgends ein Markenemblem zu erkennen ist.
Erste Vermutung: ein Peugeot 401? Die Frontpartie ist in der Tat ähnlich, doch sind die Kühlluftklappen beim Peugeot horizontal ausgerichtet. Außerdem sind die Scheinwerfer dort niedriger angebracht. Wahrscheinlichster Kandidat ist Citroens Rosalie, hier passen alle Details, auch wenn das Markenemblem nicht erkennbar ist.
Die Identifikation als großes 15CV-Modell mit Sechszylinder ermöglicht die Zahl der Kühluftklappen – bei den kleineren Versionen sind es nur vier statt fünf. Für den größeren Motor war ein 15cm längerer Vorderwagen erforderlich, was der Linie durchaus zuträglich ist.
Einige Überlegungen zur Entstehung des Bilds: Offenbar wurde der 15CV als Schlafgelegenheit genutzt, die Vordersitze sind noch flachgelegt. Die nicht mehr ganz junge Dame rechts scheint eine Hose zu tragen. Zusammen mit dem legeren Oberteil spricht dies gegen eine Entstehung in den 1930er Jahren. Die ursprünglichen Besitzer eines solchen Fahrzeugs wären kaum auf das Auto als Schlafgelegenheit angewiesen gewesen.
Denkbar wäre, dass der Wagen in der frühen Nachkriegszeit von einem weniger betuchten Zweit- oder Drittbesitzer für einen kleinen Urlaubsausflug auf’s Land genutzt wurde. Der Citroen weist deutliche Gebrauchsspuren auf und könnte mit etwas Glück der Requirierung im Krieg entgangen sein – speziell in Frankreichs Süden, der erst Ende 1942 von deutschen Truppen besetzt wurde und sich kaum kontrollieren ließ.
Auf jeden Fall ist das Bild an einem sonnigen Sommertag entstanden, ob unter entspannten Umständen oder nicht, lässt sich ebenso wenig klären wie das Schicksal des Wagens. Heute gibt es nur ganz wenige Überlebende des 6-Zylinder-Modells von Citroens Rosalie.