Der Titel lässt zunächst einen humoristischen Beitrag erwarten – nach dem Motto: einen noch halbwüchsigen BMW transportiert man besser per Bahn, als ihn auf die Straße zu lassen. Doch der Hintergrund ist ein ernster, wie wir gleich sehen.
Besagter 3er BMW mit 900 Kubik ist der bereits präsentierte Typ 309, den BMW von 1934-36 den neuen Sechszylindermodellen 303, 315 und 319 zur Seite stellte. Mit seinem 20 PS “starken” 4-Zylinder-Motor bot er natürlich nichts von dem sportlichen Image, das BMWs 3er Reihe der Vorkriegszeit begründen sollte.
Aber es gab zunehmende Nachfrage in Deutschland in der Einsteigerklasse, bis dato das Revier von DKW, Hanomag und Opel. Mit seiner modernen Ganzstahlkarosserie und der markanten Frontpartie konnte der BMW 309 durchaus punkten.
Wie kommt nun ein solcher Kleinwagen auf einen Eisenbahnwaggon, wird man sich beim Anblick des folgenden Originalfotos fragen?
© BMW 309, Bj. 1935-36; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger
Das Foto gewährt eine ganz ungewohnte Perspektive auf das Auto. Es ist auch unter außergewöhnlichen Umständen entstanden, nämlich bei einer Truppenverlegung per Güterzug mitten im 2. Weltkrieg.
Die matte Lackierung, die Tarnabdeckungen auf den Scheinwerfern und natürlich die gesprengte Brücke sprechen für sich. Auf dem Nummernschild ist das Kürzel “WL” zu erkennen, was für “Wehrmacht Luftwaffe” stand.
Leider erlauben die dem Verfasser zugänglichen Quellen keine Identifikation des auf dem Schutzblech aufgemalten Zeichens, das für die Art der Einheit bzw. die Zugehörigkeit zu einem Großverband stehen kann.
Auch sonst fehlen direkte Hinweise auf Aufnahmeort und -zeitpunkt. Einige Rückschlüsse lassen sich aber aus der Gesamtsituation ziehen. Die Architektur im Hintergrund – speziell der spitze Kirchturm – spricht eher für die Westfront als für eine Gegend im Osten oder Süden.
Wahrscheinlich ist das Foto in Belgien oder Frankreich entstanden, wo im Sommer 1940 vielerorts Brücken gesprengt wurden, um den deutschen Vormarsch zu behindern. Bekanntlich hat das nichts genützt – der Westfeldzug endete nach nur sechs Wochen mit der französischen Kapitulation.
Der Zug fährt auf unserem Foto vermutlich über eine von Pionieren errichtete Behelfsbrücke. Auch an der zerstörten Brücke nebenan sind Aufräumarbeiten im Gange. Die entspannte Atmosphäre der Aufnahme spricht für eine Situation in bereits besetztem Gebiet, in dem keine Kämpfe mehr stattfinden.
Wer genau hinsieht, kann in dem BMW mit Tourenwagenaufbau einen vergnügten Landser erkennen, der zumindest hier nichts zu befürchten hat. Wohin die Reise ging, erfuhren die Truppen erst am Ziel. Solange genoss man den vergleichsweise bequemen Bahntransport – und sei es auf dem Güterwagen.
Die Einheit, der der kleine BMW angehörte, hatte vielleicht logistische Aufgaben und verrichtete im günstigsten Fall einen eher ruhigen Dienst. In Frankreich war man auch mit einem BMW mit 20 PS ausreichend motorisiert, hier gab es kein vergleichbar schweres Gelände wie in Russland oder in Afrika zu bewältigen.
Was aus dem Wagen – sicher war es ein eingezogenes Zivilfahrzeug – und seinen zeitweiligen militärischen Besitzern wurde, wissen wir nicht. Sicher ist nur: Die ursprünglichen Eigentümer haben den BMW nie wieder gesehen.
Der Vollständigkeit halber noch ein paar Worte zur Identifizierung des Wagens als Modell 309: Vom äußerlich sonst baugleichen 303 wurden keine Tourenwagen in nennenswerter Stückzahl produziert, und beim Modell 315 waren die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube anders angeordnet. So kommt nur der 309 in Frage, und zwar der von 1935/36, wie das aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen verrät.