Das erste “echte” Automobil aus dem Hause BMW hatte eigentlich alles mit auf den Weg bekommen, um es zum reinen Vergnügen für seine Käufer zu machen.
Beim ab 1931 gebauten Typ 3-20 PS der Marke handelte es sich nämlich nicht mehr um einen Wiedergänger des in die Jahre gekommenen Austin Seven, wie ihn BMW im Zuge der Übernahme der in Eisenach beheimateten Marke “Dixi” im Jahr 1928 geerbt hatte.
Die mit einer britischen Lizenz gefertigten Dixi-Wagen des Typs DA1 3/15 PS wurden unter BMW-Aufsicht zwar noch eine Weile weitergebaut und in einigen Details weiterentwickelt.
Doch die von Anfang der 1920er Jahre stammende Konstruktion war bei allen Qualitäten nicht mehr zeitgemäß – da half auch das Propeller-Emblem von BMW nicht, welches den DA2 3/15 PS von 1929 zierte:

Man sieht es dem Herrn neben seinem Wagen an – das Auto war nicht immer das reine Vergnügen.
BMW behielt beim Nachfolgetyp 3/20 PS nur die Steuer-PS bei, blieb also ungefähr in derselben Hubraumklasse (knapp 800 cm).
Der Motor selbst war eine Neukonstruktion, der über eine der Effizienz und Drehfreude dienende moderne Ventilanordnung (im Zylinderkopf hängend) verfügte, außerdem endlich über eine nicht länger nur nach dem Zufallsprinzip arbeitende Motorschmierung.
Um es vorwegzunehmen: Dieses kleine, aber feine Aggregat war das reine Vergnügen und sollte eine Tradition drehfreudiger und hoch belastbarer BMW-Motoren begründen.
Erfreulich war zudem, dass man beim neuen Typ 3/20 PS den Insassen weit mehr Platz spendiert hatte. Vorerst vorbei war nun auch in Deutschland die Zeit der Kleinstwagen, die eigentlich nur für zwei Personen geeignet waren. Nach dem Krieg fing man wieder dort an…
Hier haben wir die Limousine, welche den Wagen schon fast erwachsen wirken lässt:

Kein reines Vergügen war allerdings die ungelenke und einfallslose Gestaltung der für das Marken”gesicht” so wichtigen Frontpartie.
Ich hatte daher in einem früheren Porträt des Modells (hier) geschrieben, dass BMW seinerzeit in dieser Hinsicht noch auf der “Suche nach sich selbst” war.
Dieses Urteil kann ich auch heute nicht revidieren, doch bieten sich nun einige Gründe mehr, den Wagen mit reinem Vergnügen in Verbindung zu bringen.
Den fabelhaften Motor hatte ich bereits erwähnt und ich kann nur empfehlen, diesbezüglich das zeitgenössische Votum des für seine furchtlosen und süffig geschriebenen Kritiken bekannten Motorjournalisten Josef Ganz zu lesen.
Den O-Ton findet man im kürzlich erschienen Buch “BMW – 1929 bis 1945”, das Altmeister Rainer Simons sowie Hagen Nyncke und Walter Zeichner verdanken ist.
Das fast 400 Seiten starke Werk hat seinen (wohlverdienten) Preis und ist das ideale Weihnachtsgeschenk für alle Freunde von BMW, aber auch deutscher Vorkriegsautos ganz allgemein. Was die Autoren in Wort und Bild dort ausbreiten, das ist das reine Vergnügen.
Was man bei der Lektüre ganz nebenbei erfährt, ist meines Erachtens so nirgends zu lesen. Beispielsweise erfährt man zum Typ 3-20 PS, dass dieser in der Cabriolet-Version Ledersitze besaß und verchromte Zierelemente an der Tür besaß.
Da sieht man den Wagen auf einem Foto wie diesem plötzlich mit ganz anderen Augen:

Denn jetzt fällt einem auf, dass die markante Leiste entlang der Tür nachträglich überlackiert worden sein muss. Dass dort Teile der Verchromung sichtbar sind, war mir bislang völlig entgangen.
Vielleicht war man bei der Neulackierung nach dem Krieg hier einfach großzügig verfahren, zumal dieses Element schwierig abzukleben sein dürfte.
Nebenbei war es dieses Detail, das mir überhaupt erst die Identifikation des Wagens als BMW des Typs 3-20 PS erlaubte. Schon von daher bin ich für die Akribie der Macher des neuen BMW-Buchs dankbar.
Sie sehen, auch der merkwürdig gesichtslos erscheinende BMW 3-20 PS beginnt allmählich Charakter zu entfalten.
Am ehesten tut er das aber immer noch, wenn man sich ihm aus der Perspektive seiner einstigen Besitzer nähert wie auf dieser Aufnahme:

Keine Sorge, liebe Leser, wir haben uns nicht verlaufen – der BMW befindet sich ganz in unserer Nähe. R(h)eines Vergnügen findet sich aber hier auch so.
Denn wir gehen gerade mit unserem Hund “Nero” Gassi entlang der westlichen Rheinuferstraße etwas südlich der alten Römerstadt Boppard. Woher ich das weiß (einschließlich des Namens des Vierbeiners)?
Gemach, wir genießen noch ein wenig die Abendstimmung mit den langen Schatten, die von Westen ins Flusstal hineinragen. R(h)eines Vergnügen ist das, auch wenn dieser Abschnitt hier nicht sonderlich spektakulär erscheint.
Doch Nero hat jezt genug Auslauf gehabt – zudem wird es an den Stellen, welche die Abendsonne nicht mehr erreicht, bereits empfindlich kühl. Also machen wir kehrt und gehen zurück zum Wagen.
Noch einmal drehen wir uns um und werden Zeuge, wie die tiefstehende Sonne das gegenüberliegende Ufer in eine hochdramatische Szenerie verwandelt.
Während die Täler bereits vom Dunkel erfüllt werden, erstrahlt der kleine Ort am Ufer in märchenhafter Pracht:

R(h)eines Vergnügen ist das, isn’t it? Für romantische Ansichten wie diese reisten einst vermögende Engländer in Scharen in das sonst weniger geliebte Deutschland.
Neben wilder Landschaft waren zur Ruine gewordene Burgen unverzichtbares Element in solchen Veduten, die sich erst als Stiche, später als Fotografien bestens verkauften.
Kein reines Vergnügen war es mir übrigens herauszufinden, wo diese Aufnahme entstand. Da ich einst einige Jahre in Wiesbaden gewohnt habe, bin ich dank abendlicher Touren rheinabwärts etwas mit der Gegend vertraut und mir kam die Szenerie sehr bekannt vor.
Doch wollte mir der Name des Orts beziehungsweise der beiden Burgen partout nicht mehr einfallen. So brauchte es einige Recherchen, um wieder darauf zu kommen, dass wir hier die beiden “feindlichen Brüder” oberhalb von Kamp-Bornhofen sehen.
Nachdem wir das geklärt haben, bleibt eigentlich nur noch eines, um abschließend sagen zu können: R(h)eines Vergnügen!
Wir sind nämlich mit Nero am Wagen angelangt und bevor es weitergeht, wird ein letztes Foto geschossen, das schwindende Licht reicht gerade noch dafür:

Drei Passagiere – der stolze Nero eingeschlossen – haben es sich bereits im BMW gemütlich gemacht. Auch wenn es von nun an kühler werden dürfte, bleibt das Verdeck unten, schließlich will man noch etwas sehen, bis es Nacht wird.
R(h)eines Vergnügen wie dieses bekam und bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen. Und jetzt wissen wir auch, dass der Glanz auf der Zierleiste entlang der Tür nicht vom im Abendlicht erstrahlenden Lack stammt, sondern Chrom zu verdanken ist.
Die unvollendet wirkende Kühlerpartie kann man zwar auch hier nicht schönreden, aber sie verdeckt gnädig das Dunkel, das sich dort bereits breitmacht und bald auch den ganzen Wagen und seine Passagiere verschlucken wird, als sei das Ganze nur ein Spuk gewesen…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.