Hier geht mehr als ein Urlaub zuende: BMW 327/28

Mit dem sensationell gezeichneten BMW 327 von anno 1937 geht für viele Liebhaber klassischer Formen die kurze Vorkriegszeit der so berühmten Automarke zuende.

Zwar kam 1939 noch der Typ 335 heraus, der ähnliche Linien aufwies, aber er war eher eine Variation über ein Thema, welches bereits seine Vollendung gefunden hatte.

Wir waren dem aus jeder Perspektive wirklich perfekt gezeichneten BMW 327 zuletzt in Form dieses Exemplars mit Zulassung im schlesischen Breslau begegnet, welches während des 2. Weltkriegs auf der damals verwaisten Autobahn aufgenommen worden war:

BMW 327 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich hatte seinerzeit ungewöhnlich viel Geld für das Foto ausgegeben, wohl mehr als 20 EUR. Ich wollte es aber unbedingt haben, denn so etwas findet sich nicht alle Tage.

Dergleichen finanziellen Exzessen für ein Stück belichteten Papiers steht freilich gegenüber, dass ich für das Gros meiner Aufnahmen durchschnittlich nur rund einen 5er zahle. Über’s Jahr kommt auch so ein hübscher Betrag zusammen – neben den Kosten des Blogbetriebs.

Dass Sie dieses Material hier ohne Limit kostenlos genießen können, hat allerdings einen Preis: Sie müssen sich oft durch abwegige und langatmige Einleitungen durcharbeiten, bevor es zur Sache geht.

Ein Blog ist nun einmal kein Sachbuch oder eine sonstwie ernsthafte Abhandlung – es ist ein persönliches Tagebuch, in dem Dritte online mitlesen können (daher die Bezeichnung: web-log, kurz: blog).

Heute haben Sie allerdings Glück, sofern Ihnen nicht der Sinn nach komplizierten und subjektiven Präludien steht. Denn diesmal will ich gleich zum Punkt kommen – nicht zuletzt, weil der BMW 327 keiner dilettantischen Hinleitung bedarf.

Dieser Wagen war ein Kunstwerk auf Rädern und das lässt man am besten ohne viele Worte wirken. Nur auf eines sei hingewiesen: Das Auto, welches ich nun zeige, kennen manche von Ihnen bereits.

Ich hatte es vor bald drei Jahren anhand eines zauberhaften Frühlingsfotos präsentiert, welches in Verona vor dem berühmten römischen Amphitheater entstanden war:

BMW 327/28 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damals hatten wir nur die Besitzerin des herrlichen, in München zugelassenen Wagens kennengelernt, während ihr Ehemann hinter der Kamera stand.

Ich hatte seinerzeit die Gelegenheit dazu genutzt, über die Qualitäten der Klassik zu fabulieren. Beschwerden diesbezüglich sind mir keine bekannt, ich scheine also nicht völlig danebengelegen zu haben.

Nun hat mir der Zufall – eine der bemerkenswerten Kräfte, die unser Leben prägen – mit ein paar Jahren Abstand ein zweites Bild desselben Wagens beschert.

Allerdings werde ich dieses Mal weniger Anlass haben, auf dem Thema Klassik herumzureiten, denn der BMW ist nun in einer Umgebung zu sehen, die das völlige Gegenteil repräsentiert.

Immerhin befinden wir uns noch in Italien, doch die Szenerie liefert nun ein Gebäude, das für den eher weniger landestypischen Stil der Gotik steht – der Mailänder Dom – und welches dennoch den angrenzenden Bau der Neo-Renaissance in den Schatten stellt:

BMW 327/28 in Mailand; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man möchte nicht glauben, dass dieses wohlkomponierte Foto wirklich billigst zu haben war. Ich konnte mein Glück kaum fassen, zumal diesmal „sie“ auf den Auslöser drückte und wir nun auch wissen, wie „er“ aussah.

Im hellen, da staubunempfindlichen Reisemantel fuhr man einst im offenen Automobil, sofern die Temperaturen noch kein sommerliches Niveau erreicht hatten.

Ich weiß es natürlich nicht genau, aber ich stelle mir vor, dass dieses Foto nach der Aufnahme in Verona entstanden war, als unser Münchener BMW-Paar wieder auf dem Heimweg war.

Tatsächlich sieht „er“ schon wieder geschäftsmäßig aus, so als ob die im Norden wartenden Aufgaben ihre Schatten vorauswarfen:

Vermutlich ging hier der gemeinsame Urlaub in Italien zuende – von Mailand gelangte man mit dem hervorragend motorisierten BMW mühelos noch am gleichen Tag „heim ins Reich“.

Wenn Sie jetzt schlucken, dann kann ich Ihnen das nicht ersparen. Denn an der für die Völker Europas so fatalen Zeitgeschichte jener Tage kommen wir nicht vorbei.

Wie schon die Aufnahme in Verona so ist auch diese aus Mailand auf 1939 datiert. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Bilder die Dokumente des letzten Urlaubs für lange Zeit waren, welchen unser Paar genießen durfte.

Damals ging so ziemlich alles dem Ende zu – nicht nur die grandiose Geschichte der BMW-Vorkriegswagen. Ob und wie die beiden offenbar hervorragend situierten Besitzer den Krieg überstanden, wissen wir nicht.

Denkbar, dass sie den BMW behalten durften, weil er geschäftlich benötigt wurde. Ebenso möglich ist es, dass er für das Militär beschlagnahmt wurde und sie ihn nie wiedersahen.

Vielleicht waren diese Fotos alles, was dem Besitzerpaar von dem Wagen und vielleicht sogar von ihrer gesamten luxuriösen Vorkriegsexistenz blieb. 75 Jahre später erfreuen sie jedenfalls noch immer das Herz, wecken Sehnsucht, stimmen aber auch nachdenklich.

Jeder Urlaub im Leben (auch im übertragenen Sinne) geht einmal zuende – man darf sich bereits glücklich schätzen, wenn es nicht der letzte war.

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

R(h)eines Vergnügen! BMW 3-20 PS Cabriolet

Das erste „echte“ Automobil aus dem Hause BMW hatte eigentlich alles mit auf den Weg bekommen, um es zum reinen Vergnügen für seine Käufer zu machen.

Beim ab 1931 gebauten Typ 3-20 PS der Marke handelte es sich nämlich nicht mehr um einen Wiedergänger des in die Jahre gekommenen Austin Seven, wie ihn BMW im Zuge der Übernahme der in Eisenach beheimateten Marke „Dixi“ im Jahr 1928 geerbt hatte.

Die mit einer britischen Lizenz gefertigten Dixi-Wagen des Typs DA1 3/15 PS wurden unter BMW-Aufsicht zwar noch eine Weile weitergebaut und in einigen Details weiterentwickelt.

Doch die von Anfang der 1920er Jahre stammende Konstruktion war bei allen Qualitäten nicht mehr zeitgemäß – da half auch das Propeller-Emblem von BMW nicht, welches den DA2 3/15 PS von 1929 zierte:

BMW DA2 3/15 PS; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Man sieht es dem Herrn neben seinem Wagen an – das Auto war nicht immer das reine Vergnügen.

BMW behielt beim Nachfolgetyp 3/20 PS nur die Steuer-PS bei, blieb also ungefähr in derselben Hubraumklasse (knapp 800 cm).

Der Motor selbst war eine Neukonstruktion, der über eine der Effizienz und Drehfreude dienende moderne Ventilanordnung (im Zylinderkopf hängend) verfügte, außerdem endlich über eine nicht länger nur nach dem Zufallsprinzip arbeitende Motorschmierung.

Um es vorwegzunehmen: Dieses kleine, aber feine Aggregat war das reine Vergnügen und sollte eine Tradition drehfreudiger und hoch belastbarer BMW-Motoren begründen.

Erfreulich war zudem, dass man beim neuen Typ 3/20 PS den Insassen weit mehr Platz spendiert hatte. Vorerst vorbei war nun auch in Deutschland die Zeit der Kleinstwagen, die eigentlich nur für zwei Personen geeignet waren. Nach dem Krieg fing man wieder dort an…

Hier haben wir die Limousine, welche den Wagen schon fast erwachsen wirken lässt:

BMW 3-20 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Kein reines Vergügen war allerdings die ungelenke und einfallslose Gestaltung der für das Marken“gesicht“ so wichtigen Frontpartie.

Ich hatte daher in einem früheren Porträt des Modells (hier) geschrieben, dass BMW seinerzeit in dieser Hinsicht noch auf der „Suche nach sich selbst“ war.

Dieses Urteil kann ich auch heute nicht revidieren, doch bieten sich nun einige Gründe mehr, den Wagen mit reinem Vergnügen in Verbindung zu bringen.

Den fabelhaften Motor hatte ich bereits erwähnt und ich kann nur empfehlen, diesbezüglich das zeitgenössische Votum des für seine furchtlosen und süffig geschriebenen Kritiken bekannten Motorjournalisten Josef Ganz zu lesen.

Den O-Ton findet man im kürzlich erschienen Buch „BMW – 1929 bis 1945“, das Altmeister Rainer Simons sowie Hagen Nyncke und Walter Zeichner verdanken ist.

Das fast 400 Seiten starke Werk hat seinen (wohlverdienten) Preis und ist das ideale Weihnachtsgeschenk für alle Freunde von BMW, aber auch deutscher Vorkriegsautos ganz allgemein. Was die Autoren in Wort und Bild dort ausbreiten, das ist das reine Vergnügen.

Was man bei der Lektüre ganz nebenbei erfährt, ist meines Erachtens so nirgends zu lesen. Beispielsweise erfährt man zum Typ 3-20 PS, dass dieser in der Cabriolet-Version Ledersitze besaß und verchromte Zierelemente an der Tür besaß.

Da sieht man den Wagen auf einem Foto wie diesem plötzlich mit ganz anderen Augen:

BMW 3-20 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Denn jetzt fällt einem auf, dass die markante Leiste entlang der Tür nachträglich überlackiert worden sein muss. Dass dort Teile der Verchromung sichtbar sind, war mir bislang völlig entgangen.

Vielleicht war man bei der Neulackierung nach dem Krieg hier einfach großzügig verfahren, zumal dieses Element schwierig abzukleben sein dürfte.

Nebenbei war es dieses Detail, das mir überhaupt erst die Identifikation des Wagens als BMW des Typs 3-20 PS erlaubte. Schon von daher bin ich für die Akribie der Macher des neuen BMW-Buchs dankbar.

Sie sehen, auch der merkwürdig gesichtslos erscheinende BMW 3-20 PS beginnt allmählich Charakter zu entfalten.

Am ehesten tut er das aber immer noch, wenn man sich ihm aus der Perspektive seiner einstigen Besitzer nähert wie auf dieser Aufnahme:

Am Mittelrhein (bei Kamp-Bornhofen); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Keine Sorge, liebe Leser, wir haben uns nicht verlaufen – der BMW befindet sich ganz in unserer Nähe. R(h)eines Vergnügen findet sich aber hier auch so.

Denn wir gehen gerade mit unserem Hund „Nero“ Gassi entlang der westlichen Rheinuferstraße etwas südlich der alten Römerstadt Boppard. Woher ich das weiß (einschließlich des Namens des Vierbeiners)?

Gemach, wir genießen noch ein wenig die Abendstimmung mit den langen Schatten, die von Westen ins Flusstal hineinragen. R(h)eines Vergnügen ist das, auch wenn dieser Abschnitt hier nicht sonderlich spektakulär erscheint.

Doch Nero hat jezt genug Auslauf gehabt – zudem wird es an den Stellen, welche die Abendsonne nicht mehr erreicht, bereits empfindlich kühl. Also machen wir kehrt und gehen zurück zum Wagen.

Noch einmal drehen wir uns um und werden Zeuge, wie die tiefstehende Sonne das gegenüberliegende Ufer in eine hochdramatische Szenerie verwandelt.

Während die Täler bereits vom Dunkel erfüllt werden, erstrahlt der kleine Ort am Ufer in märchenhafter Pracht:

Am Mittelrhein (bei Kamp-Bornhofen); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

R(h)eines Vergnügen ist das, isn’t it? Für romantische Ansichten wie diese reisten einst vermögende Engländer in Scharen in das sonst weniger geliebte Deutschland.

Neben wilder Landschaft waren zur Ruine gewordene Burgen unverzichtbares Element in solchen Veduten, die sich erst als Stiche, später als Fotografien bestens verkauften.

Kein reines Vergnügen war es mir übrigens herauszufinden, wo diese Aufnahme entstand. Da ich einst einige Jahre in Wiesbaden gewohnt habe, bin ich dank abendlicher Touren rheinabwärts etwas mit der Gegend vertraut und mir kam die Szenerie sehr bekannt vor.

Doch wollte mir der Name des Orts beziehungsweise der beiden Burgen partout nicht mehr einfallen. So brauchte es einige Recherchen, um wieder darauf zu kommen, dass wir hier die beiden „feindlichen Brüder“ oberhalb von Kamp-Bornhofen sehen.

Nachdem wir das geklärt haben, bleibt eigentlich nur noch eines, um abschließend sagen zu können: R(h)eines Vergnügen!

Wir sind nämlich mit Nero am Wagen angelangt und bevor es weitergeht, wird ein letztes Foto geschossen, das schwindende Licht reicht gerade noch dafür:

BMW 3-20 PS Cabriolet am Mittelrhein (bei Kamp-Bornhofen); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Drei Passagiere – der stolze Nero eingeschlossen – haben es sich bereits im BMW gemütlich gemacht. Auch wenn es von nun an kühler werden dürfte, bleibt das Verdeck unten, schließlich will man noch etwas sehen, bis es Nacht wird.

R(h)eines Vergnügen wie dieses bekam und bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen. Und jetzt wissen wir auch, dass der Glanz auf der Zierleiste entlang der Tür nicht vom im Abendlicht erstrahlenden Lack stammt, sondern Chrom zu verdanken ist.

Die unvollendet wirkende Kühlerpartie kann man zwar auch hier nicht schönreden, aber sie verdeckt gnädig das Dunkel, das sich dort bereits breitmacht und bald auch den ganzen Wagen und seine Passagiere verschlucken wird, als sei das Ganze nur ein Spuk gewesen…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Verdeckter Mangel enthüllt! BMW 315 Vierfenster-Cabrio

Zwar besitze ich selbst das eine oder andere Vorkriegsgefährt mit zwei und vier Rädern, doch über Erfahrung mit BMWs jener Zeit verfüge ich bislang noch nicht.

Meine BMW-Erlebnisse beschränken sich auf den gebrauchten Sechszylinder-Wagen, den ein Studienkollege Anfang der 1990er Jahre fuhr.

Von der betörenden Laufkultur und Kraftentfaltung dieser Motoren wissen inzwischen viele Zeitgenossen nichts mehr, welche mit hubraumarmen, aufgeladenen Drei- und Vierzylindern sozialisiert wurden. Aber was man nicht kennt, vermisst man auch nicht.

Was die Sechszylinder-Modelle von BMW aus den 1930er Jahren angeht, bin ich auf die Einschätzungen in der Literatur angewiesen. In dem Zusammenhang sei auf ein 2022 neu erschienenes Buch verwiesen, das neben mir liegt, während ich diese Zeilen schreibe:

„BMW 1929 bis 1945“, von H. Nyncke, R. Simons und W. Zeichner, Verlag GeraMond

Dabei handelt es sich um das Werk, welches den lange ersehnten Anschluss an „Entwicklungsgeschichte der BMW-Automobile von 1918-32“ von R. Simons und W. Zeichner darstellt.

Wer beim aufgerufenen Preis zunächst schluckt, wird auf über 400 Seiten reich entlohnt: Die enorme Bilderfülle, die drucktechnische Qualität und die Gestaltung suchen ebenso ihresgleichen wie der gefällige und zugleich von überragender Sachkunde zeugende Text.

Einen verdeckten Mangel konnte ich nach erster Durchsicht an diesem Schwergewicht der neueren Literatur zu deutschen Vorkriegswagen beim besten Willen nicht entdecken.

Im Gegenteil legen die Verfasser die Latte sehr hoch für alle, die seit langem eine Monografie zu deutschen Vorkriegsmarken abliefern könnten, aber entweder nicht fertigwerden oder gehemmt von „German Angst“ erst gar nicht anfangen.

So muss ich mich heute – was einen verdeckten Mangel in Sachen Vorkriegs-BMW angeht – auf das folgende Foto beschränken, welches ich dieser Tage frisch erworben habe:

BMW 315 Vierfenster-Cabriolet: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die auf sechs Felder verteilten und mit einer waagerechten Zierleiste akzentuierten Luftschlitze in der Motorhaube finden sich nur an frühen Exemplaren des 1934 eingeführten BMW 315.

Dieser besaß einen gegenüber dem Vorgängermodel 303 aufgebohrten (1,5 Liter) und auf 34 PS erstarkten Sechszylinder mit kopfgesteuerten Ventilen, dem eine außergewöhnliche Drehfreude zugeschrieben wird.

In Verbindung mit dem Wagengewicht von etwas mehr als 800 kg war damit eine achtbare Beschleunigung möglich, das Spitzentempo betrug 100 km/h.

Die BMW-Freunde mögen es mir verzeihen, aber so fürchterlich spritzig erscheint das in der Papierform letztlich nicht. Der Sechszylinder-Fiat 1500 leistete ab 1935 bei identischem Hubraum satte 45 PS und war für eine Höchstgeschwindigkeit von 115 km/h gut.

Aber bleiben wir beim BMW 315, dessen Hersteller anno 1934 in Sachen PKW-Bau noch in die Lehre ging, während Fiat jahrzehntelange Erfahrung vorweisen konnte.

Formal betrachtet lässt sich an der Frontpartie des BMW nur wenig aussetzen:

Die Doppelniere am Kühler steht dem Wagen ebenso gut wie die vollverchromten tropenförmigen Scheinwerfer.

Etwas grob und fremd wirken dagegen die Luftschlitze. Die Idee, sie in Anlehnung an die Zylinderzahl auf sechs Gruppen zu verteilen, ist nicht schlecht. Doch erscheinen diese wie aufgesetzt und ihre Neigung entspricht nicht der dynamischen Ausrichtung anderer Elemente wie der Türvorderkante und der Frontscheibe.

Später wurden die Luftschlitze am BMW 315 horizontal ausgerichtet, was stimmiger wirkte.

Wirklich beanstanden muss man an dem Exemplar indessen einen ganz anderen Mangel, welcher im übertragene Sinne „verdeckt“ war. Er betraf nämlich die schlampige Handhabung des niedergelegten Verdecks:

Während die Damen sich um die Aufmerksamkeit des Fotografen bemühen, entgeht dem Beobachter nicht, dass beim Niederlegen des Verdecks etwas schiefgelaufen sein muss.

Ich weiß nicht, wie man es hinbekommt, das Verdeck so liederlich herabhängen zu lassen und gleichzeitig das Gestänge so hochaufgetürmt zu lassen, dass man nach hinten nichts sieht.

Könnte das ein „verdeckter“ Mangel gewesen sein, dass man beim Öffnen des Verdecks des BMW 315 unbeabsichtigt ein solches Ergebnis zustandebringen konnte?

Jedenfalls erscheint es nach dem Eindruck, den dieses Foto hinterlässt, keine gute Idee, die dem BMW 315 zugeschriebene sportliche Note im offenen Zustand zu erproben…

Vielleicht hat ja ein sachkundiger Leser eine Idee, wie sich im Fall eines solchen „Verdeck“ten Mangels an einem BMW 315 hätte Abhilfe schaffen lassen…

Nachtrag: Rainer Simons (Co-Autor des oben erwähnten BMW-Buchs) liefert mir noch folgenden Hinweis:

Alle Limousinen, Cabriolmousinen und Rolldach-Limousinen der BMW-ypen 303, 309, 315 und 319 wurden bei Daimler Benz in Sindelfingen karossiert, alle zwei- und viersitzigen „Werks-Cabriolets“ dagegen anfänglich bei Reutter, später aus Kapazitätsgründen in Eisenach mit Zulieferung einzelner Komponenten von Reutter. Einzige Ausnahme von dieser Trennung waren die Tourenwagen, die zwar in Sindelfingen gefertigt wurden, aber stilistisch mit vorne angeschlagenen Türen dem ursprünglichen Reutter Entwurf folgten.

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Mit Vorfahrt im Bombenkrieg: Ein BMW 327 Cabriolet

Bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautomobilen speziell deutscher Provenienz stößt man früher oder später auf das schwer begreifbare Nebeneinander einer an Sinnlichkeit kaum überbietbaren Karosseriegestaltung in den 1930er Jahren und dem Einsatz solcher Fahrzeuge in der lebensfeindlichsten Betätigung schlechthin – im Krieg.

Heute möchte ich ein Originalfoto vorstellen, dass diesen unauflösbaren Widerspruch zwischen der Feier der Schönheit und dem Regiment des Todes ohne Worte verkörpert.

An dieser Aufnahme waren naheliegenderweise auch einige andere Enthusiasten interessiert, was einen beherzten finanziellen Einsatz erforderte. Dabei war das Fahrzeug als solches gar nicht so selten – knapp 1.400 Exemplare davon wurden gebaut.

Die Rede ist vom BMW 327, welcher ab 1937 als offener bzw. geschlossener Zweisitzer gefertigt wurde und einen kopfgesteuerten Sechszylindermotor besaß, dessen 55 PS ein Spitzentempo von 125 km/h ermöglichten.

Damit war der Wagen für den Einsatz auf den Reichsautobahnen geradezu ideal geeignet. Nur sehr wenige Konkurrenten aus deutscher Produktion konnten da mithalten.

So erscheint es konsequent, ein Exemplar in der Ausführung als Cabriolet einsam auf der Autobahn abgelichtet zu finden:

BMW 327 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wenn es einen BMW gibt, der für mich diese Automarke in Vollkommenheit verkörpert, dann ist es der Typ 327.

Man darf davon ausgehen, dass diese aus jedem Blickwinkel perfekt gestaltete Skulptur auf vier Rädern im Urteil des Publikums noch heute alle Konkurrenten aus dem gleichen Hause in den Schatten stellen würde – selbst den Typ 507, der zwar ebenfalls sensationell aussah, aber formal gesehen keine deutsche Karosseriebautradition verkörpert.

Der BMW 327 dagegen repräsentierte eine zur Vollkommenheit gebrachte Linie, die sich bis auf den Typ 303 von 1933 zurückführen lässt. Wohl nie zuvor und nie wieder danach hat ein Serienhersteller binnen so kurzer Zeit eine so steile Lernkurve absolviert.

Man fragt sich, ob der Höhepunkt des gestalterischen Könnens – nicht nur in Deutschland – nur zufällig einem zivilisatorischen Absturz ohnegleichen vorausging, der sich übrigens bereits mit dem Wetterleuchten des Spanischen Bürgerkriegs ab 1936 ankündigte.

Jedenfalls fand die grandiose Automobil-Entwicklung spätestens dann ihr Ende, als mit der fast zeitgleichen Invasion Polens durch das Deutsche Reich und die Sowjetunion im September 1939 der Zweite Weltkrieg begann.

Der BMW 327 auf dem heute präsentierten Foto wurde allerdings in einer deutlich fortgeschritteneren Phase des Kriegs abgelichtet – zu einer Zeit, als die rücksichtslose Kriegführung Deutschlands und seiner Verbündeten im Osten seine Entsprechung im gnadenlosen angloamerikanischen Bombenkrieg gegen Zivilisten im Westen fand.

Von dem ausdrücklich auf Vernichtung der städtischen Bevölkerung angelegten „area bombing“ ausgenommen blieben bis kurz vor Kriegsende nur die weit östlich gelegenen Gebiete, insbesondere Nieder- und Oberschlesien.

Der Grund dafür war die mangelnde Reichweite der alliierten Bomberverbände. Erst im späteren Kriegsverlauf – etwa ab Sommer 1944 – begannen dann Angriffe auch auf die bis dato völlig verschonten schlesischen Siedlungs- und Industriegebiete.

Aus dieser Zeit dürfte diese Aufnahme stammen, wie zwei Details verraten:

Da wäre zunächst das Kennzeichen zu nennen, das auf eine Zulassung in der schlesischen Metropole Breslau verweist.

Diese besaß übrigens – wie das naheliegende Liegnitz (die Heimatstadt meiner Mutter) – einen Autobahnanschluss, was dafür spricht, dass das Foto im Raum Breslau entstand.

Entscheidend ist aber das Abzeichen unterhalb des „Notek“-Tarnscheinwerfers am Kotflügel in Fahrtrichtung links. Darauf ist eine stilisierte Fliegerbombe zu sehen – ein Abzeichen, das dem Wagenbesitzer Vorrangrechte in von Luftangriffen betroffenen Gebieten einräumte (Quelle).

Demnach dürfte es sich um den Wagen einer kriegswichtigen Privatperson gehandelt haben, die ab Sommer 1944 in Schlesien in unbekannter Mission unterwegs war. Vielleicht handelte es sich um jemand, der zu Reorganisation wichtiger von Luftangriffen betroffenen Industrien benötigt wurde.

Wie dem auch sei – als dieses Dokument entstand, hatte man es wohl nicht eilig. So hielt man in der fortgeschrittenen Phase des Kriegs einen friedlichen Moment auf der leergefegten Reichsautobahn fest. Noch einmal triumphiert hier die reine Schönheit.

Es ist bloß ein Stück belichtetes Papier, doch was darauf an Zeitgeschichte festgehalten ist, ist schwer in Worte zu fassen. Wie immer interessieren mich die Gedanken meiner Leser dazu.

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Auf der Suche nach sich selbst: BMW 3/20 PS Tourer

„Erkenne Dich selbst“, so stand einst auf dem antiken Apollon-Tempel im griechischen Delphi. So zeitlos die Forderung auch ist, so weit weg geht es heute von der Welt der alten Griechen. Nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in ästhetischer.

Denn es fällt zumindest mir äußerst schwer, den Gegenstand dieses Blog-Eintrags in irgendeiner Weise mit klassischer Schönheit in Verbindung zu bringen. Das liegt daran, dass einst jemand noch auf der Suche nach sich selbst war.

Dieser „jemand“ war eine frischgebackene Autofirma namens BMW. Nach der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach im Jahr 1929 baute man noch eine Weile den ausgereiften und bewährten Dixi 3/15 PS weiter, einen Lizenznachbau des Austin Seven.

Der war gegen Ende der 1920er Jahre nicht mehr taufrisch, hatte aber auf jeden Fall eines: Charakter und ein eigenes Gesicht – wie dieses überlebende Exemplar belegt:

Dixi 3/15 PS von 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nach der Übernahme der Dixi-Produktion bastelte BMW eine Weile am Originalentwurf, ohne diesen jedoch wesentlich hinter sich zu lassen, um es vorsichtig auszudrücken.

Einige Einfälle der BMW-Mannen scheinen auch veritable Fehlkonstruktionen gewesen zu sein, so liest man es in der Literatur. Es sollte bis 1932 dauern, bis BMW etwas zustandebrachte, was zumindest wie etwas Neues aussah.

Das gilt jedenfalls, wenn man sich die Limousinenausführung von der Seite betrachtet, mit welcher der neukonstruierte BMW 3/20 PS seinerzeit erschien:

BMW 3/20 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Besondere Mühe hatte man sich mit dem Motor gemacht, der nun 20 PS aus 800ccm herausquetschte, was für Spitze 80 km/h ausreichte. Damit konkurrierte man beispielsweise mit dem ebenfalls 1932 erschienenen Fiat 508 (20 PS aus 950ccm).

Im Unterschied zu diesem hatte man jedoch eines vergessen und das mag dazu beigetragen haben, weshalb Fiat von seinem Einstiegsmodell über 40.000 Stück binnen zwei Jahren absetzen konnte, BMW dagegen nur gut 7.000 Exemplare.

Der BMW 3/20 PS besaß nämlich praktisch kein „Gesicht“, sondern nur eine leer wirkende Kühlermaske:

BMW 3/20 PS Cabriolimousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Als ich dieses Foto fand, dachte ich zunächst, dass der eigentliche Kühlergrill hinter einem nachträglich montierten Steinschlagschutz verborgen war oder Schaden genommen hatte, weshalb man mit einem banalen Metallgitter improvisiert hatte.

Erst später ging mir auf, dass BMW hier noch auf der Suche nach sich selbst als Automarke war, weshalb man sich noch für keinen markentypischen Kühler entscheiden konnte.

Dabei hatte man in anderen Details durchaus ein glückliches Händchen, wenn es darum ging, den Eindruck eines erwachsenen Autos zu erwecken. Hier haben wir beispielsweise ein Cabriolet auf Basis des BMW 3/20 PS, das durchaus repräsentativ wirkt:

BMW 3/20 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dieser Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit hatte allerdings auch jemand ein gutes Auge für die richtige Perspektive und den passenden Bildausschnitt.

Es gab übrigens noch eine weitere Karosserieversion neben Limousine, Cabriolimousine und Cabriolet – einen Tourenwagen!

Man glaubt es kaum, dass der automobile Neuling BMW diese Anfang der 1930er Jahre kaum noch nachgefragte Ausführung anbieten zu müssen meinte.

Wer auch immer für die Gestaltung der Tourenversion verantwortlich war, kann von der Sinnhaftigkeit seines Tuns jedenfalls nicht sehr überzeugt gewesen sein – ich wüsste keinen Tourer, der so unharmonisch wirkt wie dieser:

BMW 3/20 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zum einen haben wir hier abermals die leer wirkende Kühlerfläche, die förmlich darauf wartet, irgendwie strukturiert zu werden oder zumindest einen schön geschwungenen Schriftzug zu erhalten.

Viel ungeschickter ließ sich die Frontpartie eines Vorkriegswagens kaum gestalten. Man vergleiche den BMW einmal mit einem deutschen Konkurrenten – dem ebenfalls von 1932-34 gebauten DKW F2.

Der besaß nicht nur ein modernes Frontantriebskonzept, wenngleich in Verbindung mit einem Zweizylinder-Zweitakter, sondern hatte auch ein „Gesicht“ mit hohem Wiedererkennungswert und sorgfältiger Durchgestaltung:

DKW F2 von 1934; Originalfoto aus Sammlung Jorczyk

Wer böswillig ist, könnte glatt vermuten, dass DKW der später für BMW so typischen Doppelniere am Kühler hier schon näher war als die Bajuwaren, die sich in Eisenach mit der für sie neuen Welt des Automobilbaus erst anfreunden mussten.

Vor allem aber fiel der Tourenwagenaufbau des BMW 3/20 PS vollkommen einfallslos und geradezu plump aus. Seitenansichten dieser speziellen Ausführung in der Literatur erinnern sogar an rein funktionale Linien wie bei militärischen Kübelwagen.

Doch schon aus dieser Perspektive missfällt das Fehlen jedweder die Längsachse betonender Gestaltungselemente:

Die riesig wirkende, beinahe quadratische Tür verhindert zuverlässig, dass das Auge entlang der Wagenflanke entlanggeführt wird. Außerdem hätte der Oberkante der Karosserie irgendeine Art von Profil gutgetan.

So wirkt das ganze Fahrzeug merkwürdig unfertig und uninspiriert – ganz offensichtlich war BMW hier noch auf der Suche nach sich selbst. Dass man am Ende seine Identität auch in gestalterischer Hinsicht fand, ist natürlich bekannt.

Ein hinreißendes Beispiel dafür will ich gelegentlich vorstellen…

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Triumph der Klassik: BMW 327

Der Begriff der Klassik ist vielschichtig – je nach dem, auf welche Sphäre er sich bezieht, hat er unterschiedliche Facetten.

Mal ist es das Klare, Schnörkellose, den Exzess Vermeidende – mal das Bleibende, Grundsätzliche, der Mode Entrückte – mal das Kluge, Weise, überzeitlich Wahre.

Ein jeder verbindet etwas mit klassischer Baukunst, klassischer Musik oder Dichtung, klassischer Eleganz und klassischer Schönheit. Selbst wenn man es vielleicht nicht sonderlich schätzt, weiß man: Das Klassische ist etwas Edles, dem Alltag Enthobenes.

Heute habe ich Gelegenheit, das Thema des Klassischen durch die Zeiten zu verfolgen – anhand eines BMWs. Das mag abwegig klingen, wenn man die teils monströsen Hervorbringungen der Marke in jüngster Zeit betrachtet.

Doch geht es heute um „den“ klassischen BMW schlechthin, für mich das ikonischste Produkt der Marke mit dem Propelleremblem auf vier Rädern:

BMW 327 in Verona; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier wirkt er fast verloren – der ab 1937 gebaute BMW 327 in der Cabrioversion – aufgenommen im Jahr 1939 vor der römischen Arena in Verona – einer Stadt voller Relikte der klassischen Antike, die zugleich voller modernen Lebens ist.

Ein Paar aus München war einst mit dem feinen BMW über die Alpen gekommen und genoss in Verona den Frühling 1939, ohne zu wissen, dass es der letzte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs sein würde.

Die überhaupt nicht teutonisch schwerfälligen Linien des Wagens fanden auch einheimische Bewunderer wie diesen Flaneur – der mit perfekt sitzendem leichten Anzug selbst eine klassische Erscheinung war:

Diese Eleganz erreichte man bei BMW nur noch einmal – mit dem legendären 507 der 1950er Jahre, der es mit den Kreationen italienischer Blechcouturiers aufnehmen konnte.

Doch dazwischen lag der Zweite Weltkrieg und ein Kulturbruch, von dem sich Europa nie wieder ganz erholt hat. Fünf Jahre, nachdem dieser BMW Verona seinen Besuch abgestattet hatte, hinterließen andere deutsche „Gäste“ in der Stadt ihre Spuren.

Auf dem Rückzug vor den unaufhaltsam nach Norden vorrückenden Truppen der Alliierten verließen deutsche Wehrmachtseinheiten im April 1945 Verona und sprengten bei der Gelegenheit die Mittelbögen der im Kern römischen „Ponte Pietra“ über die Etsch:

Ponte Pietra in Verona im Jahr 2013, Bildrechte: Michael Schlenger

Die Brücke wurde in den 1950er Jahren in der ursprünglichen Form wieder aufgebaut, wobei das Baumaterial erkennen lässt, welche Teile antik sind und welche rekonstruiert.

Das Fortleben der klassischen Schönheit dieser Steinbrücke ist der erste Beleg für den „Triumph der Klassik“, welcher der Titel meines heutigen Blog-Eintrag ist.

Wer sich mit antiken Brücken beschäftigt, weiß dass diese auch nach 2.000 Jahren oft noch modernem Verkehr gewachsen sind – ganz nach dem Motto des römischen Baumeisters Vitruv, wonach ein Bauwerk solide, funktionell und schön gestaltet sein muss.

Die Moderne beschränkt sich meist auf’s Funktionelle mit dem Ergebnis, dass Brücken der Neuzeit nur selten erbaulich sind und noch seltener dauerhaft. Das gilt speziell für den Pfusch bei öffentlichen Bauten der 1970er Jahre, der massenhaft Abrisse nach sich zieht.

Doch bis man so weit heruntergekommen war, dauerte es einige Zeit. Erst musste man das Land nach dem Krieg wiederaufbauen, bevor man es nach radikalem Bruch mit allen Traditionen – auch den positiven – erneut zugrunderichten konnte.

Noch in den frühen Nachkriegsjahren waren die alten Standards lebendig – so war es in einer gewöhnlichen Autowerkstatt möglich, einem in die Jahre gekommenen und etwas mitgenommenen BMW ein zweites Leben einzuhauchen – technisch wie blechseitig:

BMW 327/28 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier erstrahlt ein BMW in derselben Cabrioversion wie der einst in Verona aufgenommene Wagen des Typs 327 in neuem Glanz.

Das Kennzeichen aus der britischen Besatzungszone Niedersachsen verweist auf die späten 1940er bzw. frühen 1950er Jahre. Etwas Besseres als dieses Fahrzeug war am deutschen Markt neu praktisch nicht zu bekommen.

Mit nachgerüsteten Blinkern statt der bisherigen Winker ausgestattet war dieser BMW 327/28 mit seinem sportlichen Sechszylindermotor mit 80 PS immer noch konkurrenzfähig – und natürlich wunderschön. Vom sonst optisch identischen BMW 327 mit 55 PS unterscheiden ihn die zusätzlichen Luftschlitze in der Oberseite der Motorhaube.

Überspringen wir die nächsten zwanzig Jahre des Wirtschaftswunders, dann begegnen wir einem weiteren Überlebenden dieses wohl klassischsten BMW in den 1970er Jahren:

BMW 327 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht hier nun Vertreter der Nachkriegsgeneration in merkwürdigen Posen um dieses klassische Fahrzeug herumstreunen, als ahnten sie, dass es etwas Besonderes ist – doch scheinen sie damit nichts Rechtes anzufangen wissen.

Der BMW trägt dieses Defilée moderner Zeitgenossen mit der stoischen Ruhe des klassischen Philosophen, der weiß, dass man seine Lehren einst wieder schätzen wird.

Wer wie manche Geschichtsphilosophen davon überzeugt ist, dass sich das Weltgeschehen in Zyklen vollzieht, in denen es nicht immer nur vorwärtsgeht, sondern bisweilen auch retour, den überrascht nicht die Renaissance dieser klassischen Wagen in der Gegenwart.

Ein besonders schönes Beispiel für den Triumph der Klassik über den Zeitgeist habe ich vor einigen Jahren anhand eines anderen BMW dieses Typs dokumentieren dürfen. Anlass dazu gab folgende Aufnahme eines 327 in Coupé-Ausführung aus dem 2. Weltkrieg:

BMW 327 Coupé; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger (heute im Besitz von Felix Bühler)

Die Geschichte dieses sehr speziellen BMW ist hier nachzulesen – sie ist vielleicht bislang mein bester Beleg für den „Triumph der Klassik“ in automobiler Hinsicht.

Losgelöst von der Sphäre des klassischen Automobils glaube ich, dass gewisse Werte, Errungenschaften und Schöpfungen dem ewigen Anbranden des Zeitgeistes widerstehen und selbst Phasen überdauern können, in denen es wenig Anlass zur Zuversicht gibt.

In mancher Hinsicht mag eine Renaissance des Klassischen indessen länger auf sich warten lassen, als das bei Vorkriegswagen der Fall ist…

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Hübsche Inszenierung: BMW 326 Cabriolet

Heute fand im Thüringer Landtag erneut die Wahl des Ministerpräsidenten statt – diesmal fiel das Ergebnis so aus, wie von Berlin erwartet. Nostalgische Erinnerungen an den Demokratischen Zentralismus wurden wach.

Beruhigt kann sich der Bürger wieder ins Private zurückziehen. Die Beschäftigung mit Vorkriegsautos eignet sich dazu hervorragend, so zerstreut man störende Gedanken.

Regional betrachtet bleibe ich in meinem heutigen Blogeintrag in Deutschlands Osten – zumindest nehme ich das an. Anknüpfen will ich dabei an diese Aufnahme eines BMW 326 Cabriolets, die ich vor einiger Zeit hier vorgestellt habe:

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses viertürige Cabriolet auf Basis des BMW 326 – gebaut ab 1936 – wurde einst bei Jena abgelichtet. Auch das Kennzeichen verweist auf Thüringen, stelle ich gerade mit Bestürzung fest – so wird das nichts mit der Flucht vor dem Tagesgeschehen.

Offenes Verdeck geht um diese Jahreszeit auch nicht, viel zu leichtsinnig, zumal die Partei des Thüringer Ministerpräsidenten es auf Reiche abgesehen hat – ist ja zum Schießen! Außerdem wird hier ein traditionelles Frauenbild beschworen. Unverzeihlich.

Also ein neuer Versuch, diesmal muss das Ergebnis stimmen. Gewünscht wird ein BMW 326 Cabriolet mit vier Türen und geschlossenem Verdeck, ohne Hinweis auf regionale Zugehörigkeit, gern vor romantischer Kulisse, damit es auch ein schönes Bild gibt.

Anweisung verstanden, lässt sich arrangieren. Im vorliegenden Fall liegt das Arrangement zwar schon eine Weile zurück, aber man darf auch hier sagen: geliefert wie bestellt.

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diesmal gibt es keinen Grund zur Beanstandung. Spätestens auf den dritten Blick bestätigt sich: Das ist das gewünschte viertürige BMW 326 Cabriolet, die einfache Mehrheit der Details spricht dafür – das muss an dieser Stelle genügen.

Das geschlossene Verdeck macht sich äußerlich viel besser als ein offenes – man muss nicht immer gleich alles preisgeben, das müssen auch Anhänger einer liberalen Auffassung zugeben. Was die Insassen vorhaben, ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu erkennen. Der Fahrer scheint ein entferntes Ziel ins Visier genommen zu haben.

Immerhin wirkt die Geste der geöffneten Tür vertrauenerweckend, überhaupt mutet die ganze Situation bieder und freundlich an. Die Szenerie mit Burg im Hintergrund und einsamer Autobahn könnte kaum schöner sein, ganz nach deutschem Geschmack.

Viel mehr lässt sich diesem alten Stück kaum abgewinnen – man hat so etwas schließlich schon oft genug gesehen, auch wenn es eine Weile länger her sein mag.

Hübsch inszeniert wurde das Ganze aber – das muss man zugeben. Die friedlich anmutende Landschaft im Hintergrund gibt eine perfekte Kulisse ab. „Foto Hergl, Kirchberg in Sachsen“ so lautet der Stempel auf der Rückseite des Abzugs.

Kann man aus der Angabe auf den wahren Ort schließen und darauf, wohin die Reise ging? Ich habe meine Zweifel. Diese hübsche Inszenierung kann überall in deutschen Landen entstanden sein. Wer weiß, wohin die nächste Ausfahrt führt…

Weiß es jemand genau? Das hätte Charme, denn dann könnte man in dem Foto einfach ein historisches Reisefoto sehen, nicht eine Parabel auf eine Begebenheit der Gegenwart.

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„Unterwegs“! Reiselust pur mit BMW DA2 3/15 PS…

Heute kommen wieder die Freunde der ganz frühen BMW-Automobile auf ihre Kosten.  Doch es lohnt sich auch für sonstige Liebhaber historischer Mobilität bis zum Schluss dranzubleiben – denn dort lockt ein Buchtipp der besonderen Art.

BMW-Kenner werden mit der Typbezeichnung DA2 3/15 PS nicht unbedingt als erstes die pure Reiselust verbinden.

Vielmehr werden die meisten daran denken, dass der automobile Erstling mit BMW-Propelleremblem fast noch ein – nach Lizenz von Austin – gebauter braver Dixi war. Die verschuldeten Eisenacher Dixi-Werke hatte BMW 1928 übernommen.

So kam es, dass die ersten von BMW verkauften Autos im Volksmund Dixis blieben, auch wenn die Münchener Zentrale die Bezeichnung vermied.

Hier zum Vergleich ein originaler Dixi aus der Zeit vor der BMW-Übernahme:

Dixi_DA1_Goodwood_2016

Dixi Typ DA1 3/15 PS; Bildrechte: Michael Schlenger

Nachdem BMW den Dixi DA1 3/15 PS noch kurze Zeit unverändert weitergefertigt hatte, bot man ab 1929 einen vor allem äußerlich leicht überarbeiteten Typ DA2 an.

Das markanteste Merkmal waren sicher die horizontalen Luftschlitze in der Haube. Doch auch an anderer Stelle hatte sich einiges getan. So war das Trittbrett zugunsten eines breiteren Innenraums weggefallen.

Für die Limousine ließ BMW einen etwas moderner wirkenden Ganzstahlaufbau vom Ambi-Budd-Presswerk in Berlin fertigen, den wir hier sehen:

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BMW Typ DA2 3/15  PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Verbreiteter – weil billiger – blieben jedoch die offenen Versionen, von denen schon zu Dixi-Zeiten verschiedene angeboten wurden.

Neben einer Tourenwagenausführung, von der mir bislang leider noch keine vor die Flinte gekommen ist, leistete sich BMW nun den Luxus von drei Cabriolet-Aufbauten.

Die großzügigste – mit drei bis vier Sitzen – ist hier zu sehen:

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BMW Typ DA2 3/15 PS, 3/4-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese hübsche Foto erzählt von einem zweifellos angenehmen Wochenendausflug, doch von regelrechter Reiselust ist hier wenig zu verspüren.

Dasselbe gilt für die nächste Aufnahme, die das zweisitzige Cabriolet des BMW DA2 3/15 PS zeigt – aufgenommen auf der Kaiserstraße im hessischen Friedberg, wo ich einst zur Schule gegangen bin:

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BMA Typ DA2 3/15 PS- 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Besitz von Trude Bucher

Im feschen Dress neben dem BMW posieren, stand hier im Vordergrund. Auch dieser Wagen wurde nur lokal ausgefahren, möchte man angesichts des Formats meinen.

Nun, wir werden sehen, wie anders die Wahrnehmung der Besitzer dieser Autos war, die dadurch eine fast unbegrenzte Erweiterung ihres Horizonts erfuhren – im wahrsten Sinne des Wortes!

Eine erste Annäherung stellt folgende Aufnahme dar; auch sie habe ich wie alle bisher gezeigten schon einmal besprochen.

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BMW Typ DA2 5/13 PS; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Hier befinden wir uns auf einsamer Landstraße und der BMW – wiederum eine offene Version – scheint Anlass für einen unfreiwilligen Halt gegeben zu haben:

Immerhin verweist das Berliner Kennzeichen nun auf die Möglichkeit, dass sich jemand mit dem 15 PS-Wagen durchaus weiter von der „Zivilisation“ entfernt hat.

Warum auch nicht? Schließlich gehörte der BMW DA2 5/13 PS dank der bis ins Jahr 1922 zurückreichenden Austin Seven-Gene zu den ausgereiftesten Autos seiner Klasse. Und die unerschrockenen Briten gingen damit traditionell ja auch auf Reisen.

Weshalb also nicht auf große Tour gehen mit so einem Wagen und dabei noch gute Figur machen? Das mögen sich schließlich die Besitzer eines besonders hübschen BMW DA2 3/15 PS gedacht haben, den die nächste Aufnahme zeigt:

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BMW Typ DA2 3/15 PS, 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch das ist „nur“ ein BMW DA2 3/15 PS in der Ausführung als zweisitziges Cabriolet.

Doch hier wird nicht nur Reiselust spürbar, sondern beinahe ein Hauch von Luxus. Neben der adretten Dame, die vielleicht von Vorfreude erfüllt vor sich hinzuträumen scheint, hinterlässt der feine Hutkoffer einen fast mondänen Eindruck.

Dazu passend sind hier als Extra große Chromradkappen auf den Radnaben montiert, die genau die Größe der Bremstrommeln haben und diese so kaschieren.

Abgesehen davon, dass dies ein mit sehr viel Liebe festgehaltener Moment ist, der an Ausdruck manches Werksfoto in den Schatten stellt, wird spätestens hier deutlich:

Die Besitzer eines BMW DA2 5/13 PS waren keine armen Schlucker, tatsächlich wies sie im damaligen Deutschland schon der Besitz selbst des kleinsten Automobils als privilegiert aus.

Im vorliegenden Fall scheinen wir es zudem mit Zeitgenossen zu tun haben, die besonderen Sinn für schöne Nebensächlichkeiten besitzen, oder? Nein, denn so machte man sich einst selbstverständlich zurecht, wenn es auf Reisen ging.

Wohin mag es das Paar einst getrieben haben, nachdem diese Aufnahme gemacht war? Das wissen wir leider nicht. Doch im Fall anderer reiselustiger Landsleute mit BMW DA2 3/15 PS lässt sich das recht genau sagen:

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Auf den ersten Blick lässt dieses Foto sehr zu wünschen übrig, auch wenn sich Freunde des BMW „Dixi“ sicher über jede „neue“ Aufnahme freuen.

Leser und Dixi-Enthusiast René Förschner weist übrigens mit Recht darauf hin, dass wir auch einen Typ DA4 vor uns haben könnten. Er besaß eine neuentwickelte Vorderachse, die im Unterschied zum DA2 den hier erkennbaren leichten Sturz der Räder bewirkte.

Keine Sorge, es kommt noch deutlich besser, auch wenn der BMW dann nur mehr eine Randerscheinung sein wird.

Kurios ist, dass im Moment der Aufnahme ein junger Mann auf dem Fahrrad durch’s Bild und zwischen den Besitzern des Wagens hindurch fährt. Er scheint die Situation gar nicht bemerkt zu haben, kommt nun aber ebenfalls zu spätem Ruhm…

Dem Kennzeichen nach zu urteilen, waren hier Automobilisten aus dem Raum München unterwegs. Doch woher wissen wir, dass sie nicht bloß einen Ausflug ins Umland unternahmen, sondern sich der puren Lust am Reisen im eigenen Automobil hingegeben hatten?

Die Antwort liefert das eigentliche Foto, aus dem obiger Ausschnitt stammt:

BMW_3-15_DA2_Zul_München_Axenstrasse_Galerie1

BMW Typ DA2 3/15 PS Cabriolet an der Axenstrasse (Schweiz); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei wievielen Betrachtern mag dieses gekonnt aufgebaute Bild spontan die richtigen Assoziationen auslösen?

Ich selbst rätselte jedenfalls eine ganze Weile vergebens, bis mir ein Sammlerfreund – Raoul Rainer aus Stuttgart – den Hinweis gab, dass das Foto einst an der Axenstrasse in der Schweiz entstand.

Dabei handelt es sich um einen entlang der Ostseite des Urnersees führenden wichtigen Abschnitt der zum Gotthardpass führenden Fernverbindung.

An einer der Galerien der 1865 fertiggestellten Axenstrasse hatte von 1911 bis 1939 der Fotograf Michael Aschwanden sein Freiluftatelier.

In diesem Zeitraum fertigte er dort tausende Aufnahmen von Reisenden aller Schichten an – Ortsansässige zu Fuß und auf dem Rad, Ausflügler auf dem Motorrad oder im Bus und nicht zuletzt: Urlauber im Automobil!

Viele Aufnahmen entstanden, ohne dass die Porträtierten dafür zur Kasse gebeten wurden. Ansonsten verdiente Aschwanden sein Geld mit Touristenfotos wie obigem.

Ort und Bildaufbau sprechen dafür, dass mein Foto den Abzug eines solchen von Aschwanden für Durchreisende erstellten Originals darstellt. Eine Situation wie diese ist absolut typisch für sein Schaffen:

BMW_3-15_DA2_Zul_München_Axenstrasse_Galerie0

Wer nun auch ohne BMW DA2 3/15 PS Lust auf eine Zeitreise bekommen hat, kann die anhand eines Buches stillen, das im deutschen Sprachraum unter den Bildbänden zur Mobilität der Vorkriegszeit wohl einzigartig ist.

So wurde 2003 ein großformatiger Fotoband mit über 250 Seiten publiziert, der rund 300 der über 7.000 Aufnahmen aus dem Werk von Michael Aschwanden zeigt:

Unterwegs auf der Axenstrasse 1911-1939, Fotografien von Michael Aschwanden, hrsg. von Melk Imboden, Benteli Verlag Bern, 2003 (antiquarisch z.B. bei http://www.zvab.com)

Aschwanden_Axenstrasse

Was einen beim Blättern durch dieses Werk so begeistert, sind nicht nur die zahllosen automobilen Schätze – darunter etliche absolute Raritäten.

Es sind vielmehr die Menschen, die einst auf dieser Route per pedes oder mit fahrbarem Untersatz unterwegs waren, und von deren Dasein Aschwanden einen winzigen Moment festgehalten hat.

Die Gesichter, in die wir schauen, sind oft von einem Ernst und einer Würde, die einen tief berühren. Man sieht gerade den Passanten an, dass ihr Leben nicht einfach war, aber sie wirken dennoch selbstbewusst und völlig in sich ruhend.

Dann wiederum gibt es Bilder, die vor Heiterkeit und Eleganz sprühen – meist sind dann eine schöne Frau und ein Herrenfahrer mit sportlichem Automobil im Spiel. Sie genießen es, einfach mit dem eigenen Tempo unterwegs zu sein – Reiselust pur.

In diese Kategorie scheinen einst auch unsere Münchener BMW-Fahrer gehört zu haben, die entlang der Axenstrasse nach Norden fuhren – vielleicht vom Gotthard kommend, der sich auf dem Foto hinter den wolkenverhangenen Bergen verbirgt…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Von Damen bevorzugt: BMW 326 Cabriolet

Auch wenn ich den Freunden feiner BMW-Vorkriegswagen in meinem Blog bislang wenig Neues bieten konnte (Ausnahme hier), möchte ich heute zu einem der Wagen mit der markanten Doppelniere an der Front zurückkommen, obwohl nicht mehr als solider Standard zu sehen ist, jedenfalls im Hinblick auf das abgebildete Auto…

Doch hat es seinen ganz eigenen Reiz, den fraglichen Wagen – einen BMW 326 – aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel zu betrachten, nämlich anhand der Frage, ob es so etwas wie „männliche“ und „weibliche“ Blechkleider gibt.

Mir ist bewusst, dass ich mich dabei auf dünnes Eis begebe – weniger aufgrund des mittlerweile neu erfundenen „dritten“ Geschlechts – als schlicht deshalb, weil solche ästhetischen Urteile subjektiv sein müssen.

Aber herrje, nicht umsonst habe ich für meine Besprechungen von Vorkriegswagen das Blog-Format gewählt  – also das eines Tagebuches, in dem Leser online mitlesen können. Da darf es ruhig subjektiv zugehen und davon mache ich heute Gebrauch.

Beginnen wir zur Erinnerung mit dem letzten Foto eines BMW 326, das ich hier präsentiert habe:

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BMW 326 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier kommt der von 1936-41 in knapp 7.000 Exemplaren gefertigte Wagen mit seinem 50 PS starken Zweiliter-Sechszylinder ausgesprochen maskulin daher.

Das liegt an der massiven Ausführung des Limousinenaufbaus, der auf mich robust und abweisend wirkt wie ein Ritterhelm mit heruntergelassenem Visier.

Die beiden Herren daneben scheinen sich in seiner Gesellschaft durchaus wohl zu fühlen – hier sind drei männliche Charaktertypen unter sich, könnte man meinen.

Wie vollkommen anders – leicht und elegant – wirkt dagegen das viertürige Cabriolet:

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BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man glaubt es kaum, dass wir auch hier „nur“ einen BMW 326 vor uns haben – nebenbei mit über 7.000 Reichsmark in der offenen Version ein exklusives Vergnügen.

Doch die markanten Doppelstoßstangen sprechen eine eindeutige Sprache: Sie gab es ab Werk nur beim 326 und ich finde, dass sie ihm ausgezeichnet stehen.

Dass der Wagen hier so filigran wirkt, liegt wohl zum Großteil an der raffinierten Zweifarblackierung, bei der die helle Partie den Wagenkörper optisch leicht erscheinen lässt, während Schutzbleche und Haube dunkel abgesetzt sind.

Während solche Effekte bei modernen Wagen aufgrund der heute oft chaotischen Linienführung kaum mehr möglich sind (der Opel Adam ist eine gelungene Ausnahme), profitiert fast jeder Wagen der 1930er Jahre von einer Zweifarblackierung.

Kein Wunder, dass das BMW 326 Cabriolet im vorliegenden Fall der bevorzugte Wagen von gleich vier Damen war. Dabei könnte es sich bei den im Auto stehenden Grazien um die Töchter der streng dreinschauenden Person an der Beifahrertür handeln.

So oder so passen alle vier „Fotomodelle“ ganz wunderbar zu der eleganten Erscheinung dieses BMW 326 Cabriolets:

BMW_326_Kernberge_bei_Jena_1938_Ausschnitt

Wie man sich denken kann, waren jedoch vor rund achtzig Jahren die Herren der Schöpfung nicht fern – schon gar nicht, wenn es um Wagen von erlesener Qualität wie 6-Zylinder-BMWs ging.

Tatsächlich halten sie sich nur dezent im Hintergrund und wie es der Zufall will, bringen auch sie dabei eine – wie es scheint – dem Naturell entsprechende Präferenz zum Ausdruck.

Denn gleich hinter dem so verführerisch nach heiteren Sommertagen ausschauenden Cabriolet findet sich eine Limousine desselben Typs, die deutlich herber und ernsthafter daherkommt:

BMW_326_Kernberge_bei_Jena_1938_Ausschnitt2

Immerhin scheinen die beiden Herren sich bei der Wahl ihrer Kleidung eher an ihren Begleiterinnen orientiert zu haben, als an dem dunkel dräuenden Wagen neben ihnen.

Wann genau diese Situation festgehalten wurde, wissen wir nicht. Aber der Ort lässt sich angeben, denn auf der Rückseite ist von alter Hand vermerkt „Jena, an den Kernbergen“.

Ein ortskundiger Leser kann vielleicht den genauen Aufnahmeort benennen und sagen, ob sich die Ansicht seither groß verändert hat:

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BMW 326 Linousine und Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf jeden Fall war es nicht lange nach dieser Aufnahme vorbei mit solcher Idylle.

Denn der Großteil der zivilen BMW 326 wurde ab 1939 von den Behörden für den Kriegseinsatz eingezogen – da machte man keinen Unterschied, ob die Karosserie nun eher „männlich“ oder „weiblich“ vom Charakter war.

Genommen wurde, was man kriegen konnte und so wundert es einen nicht, dass sich auch die so filigran und freundlich wirkenden Cabriolets im Dienst des Militärs wiederfanden, nunmehr ohne Chrom und Zweifarblack:

BMW_326_Luftwaffe_Ahrweiler_Frontpartie

Dieses Exemplar landete bei der Luftwaffe und wurde irgendwann während des Kriegs bei einer Instandsetzungseinheit in Ahrweiler abgelichtet.

Doch das ist ein anderes Kapitel, das ich bei Gelegenheit anhand weiterer Aufnahmen des BMW 326 beleuchten will…

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Auf zu neuen Ufern: BMW 326 Limousine

Das Foto, das ich heute vorstelle, mag auf das Auge des (auch von meinem Blog) verwöhnten Vorkriegsauto-Liebhabers unspektakulär wirken. Ein schönes Auto, gewiss – doch hat man so etwas gefühlt nicht schon hundertfach gesehen?

Wie so oft hilft es sehr, den einstigen Kontext zu rekonstruieren, in dem das Modell, um das es geht, im Jahr 1936 das Licht der Welt erblickte.

Damals war es gerade einmal vier Jahre her, dass BMW ein weitgehend selbstentwickeltes Auto vorstellte – den Typ 3/20 PS. Gegenüber dem noch auf dem Austin Seven basierenden Dixi 3/15 PS (später BMW 3/15 PS) bot der Wagen außer mehr Platz fast nur Nachteile – ein großer Wurf war das nicht gerade.

Hier haben wir ein in der frühen Nachkriegszeit entstandenes Foto dieses Typs:

BMW_3-20_PS_Nachkrieg_Galerie

BMW 3/20 PS, Zulassungsbezirk Frankfurt-Höchst; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mehr zu dem abgebildeten Wagen findet sich in einem älteren Blog-Eintrag (hier).

Schon deutlich überzeugender waren die ab 1933 entwickelten neuen Sechszylindermodelle 303, 315 und 319 mit 1,2 und 1,5 bzw. 1,9 Litern Hubraum.

Sie waren nicht nur in technischer Hinsicht attraktiv – dank im Zylinderkopf hängenden Ventilen und zwei Vergasern waren sie besonders agil – sondern boten mit der Doppelniere erstmals auch eine eigenständige Optik, die bis heute fortwirkt.

Die folgende, ebenfalls aus der frühen Nachkriegszeit stammende Aufnahme zeigt einen solchen frühen 3er BMW mit Sechszylinder – entweder einen Typ 315 oder 319:

BMW_315_oder_319_Limousine_Nachkrieg_Galerie

BMW 315 oder 319 Limousine, Zulassung: Bayern; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch so ansprechend und fortschrittlich diese Wagen daherkamen, wirkten sie auf einen Schlag überholt, als BMW ab 1936 eine neue Baureihe von Sechszylindern vorstellte.

Sie boten nicht nur spürbar mehr Leistung, sondern zugleich ein Erscheinungsbild, das sie auf Anhieb in die Liga der modernsten Wagen in Europa katapultierte.

Äußere Kennzeichen waren die strömungsgünstig gerundeten Formen von Front- und Heckpartie, die geteilte Windschutzscheibe sowie die nach innen geneigten Seitenfenster.

In Europa hatte Peugeot 1935 mit dem grandiosen Typ 402 das Vorbild geliefert:

Peugeot_402_works_photo

Peugeot 402; Reproduktion eines originalen Werksfoto; Bildrechte: Peugeot SA

Mit diesem Entwurf hatten die Franzosen geschafft, woran Chrysler mit dem Modell „Airflow“ spektakulär gescheitert war – die Symbiose aus funktioneller Stromlinie und die Sinne ansprechender Ästhetik.

Man präge sich die Linienführung  dieses Aufbaus ab der Frontscheibe ein und blende die Kühlerpartie aus, die so nur bei Peugeot zu finden war.

Anschließend werfe man einen Blick auf den BMW auf der folgenden Aufnahme und versuche auch hier, die Frontpartie zu ignorieren:

 

BMW_326_Zulassung_Saarland_Galerie

BMW 326 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Ähnlichkeit des Aufbaus ab (und einschließlich) der Windschutzscheibe ist unverkennbar. Das bedeutet nicht, dass BMW hier bei Peugeot „abgeschaut“ habe – diese Linien lagen vielmehr förmlich in der Luft, nachdem Chryslers „Airflow“ den Anstoß gegeben hatte.

Die Frontpartie war vollkommen eigenständig gezeichnet und ähnlich schwelgende Formen sollten legendäre Modelle wie BMWs 327 und 328 schmücken.

Das mag auch erklären, weshalb einem der Wagen auf dem oben vorgestellten Foto so vertraut vorzukommen scheint. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein heute weniger bekanntes Modell – den BMW 326.

Dieser besaß den überarbeiteten Motor des BMW 319 mit nunmehr 50 PS aus 1,9 Litern Hubraum, außerdem hydraulischen Vierradbremsen statt Seilzugbremsen.

Zu erkennen ist der BMW 326 in der bis 1938 gebauten Version an den zwei Paaren Doppelstoßstangen am Vorderwagen (und am Heck):

BMW_326_Zulassung_Saarland_Frontpartie

Interessant sind hier nebenbei die ungelochten Scheibenräder, wie sie auch an einer BMW 326 Limousine in Werner Oswalds Standardwerk „Alle BMW Automobile 1928-78“ (2. Auflage 1979) auf Seite 51 zu sehen sind.

Dagegen schreibt Halwart Schrader in „BMW Automobile“ (Bleicher Verlag, 1. Auflage 1978) auf S. 156: „In der Serie hatten alle BMW 336 (gemeint ist: „326“) stets Lochfelgen“.

Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass man auch bei den Altmeistern unter den deutschen Automobilhistorikern nicht alles für bare Münze nehmen muss.

Dasselbe gilt natürlich für diesen Blog, der ebenfalls nicht frei von Fehlern oder Irrtümern ist. Das Online-Format ermöglicht aber laufende Korrekturen und Ergänzungen – nicht zuletzt dank aufmerksamen und kenntnisreichen Lesern.

Zurück zum BMW 326: Die heute vorgestellte Aufnahme zeigt ihn als viertürige Limousine mit Karosserie von Ambi-Budd – nebenbei die preisgünstigste Variante.

Aus heutiger Sicht ist das damals als hoch empfundene Gewicht von 1,1 Tonnen eher das Kampfgewicht eines Kleinwagens. Mit Spitze 115 km/h gehörte der BMW 326 auf der Autobahn durchaus zur Oberliga.

Keine 7.000 Exemplare entstanden bis 1941 von diesem Wagen, der eine bedeutende Zäsur in der Geschichte der BMW-Automobile markiert. Nur wenige davon dürften überlebt haben.

Ein Großteil ging als Kommandeurswagen im 2. Weltkrieg verloren. Hier haben wir eine Aufnahme, die einen BMW 326 als Cabriolet im Dienst der Wehrmacht zeigt:

BMW_326_Nähe_Minsk_08-1941_Galerie

BMW 326 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Entstanden ist diese Aufnahme im August 1941, also wenige Wochen nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, irgendwo an der schier endlosen Landstraße zwischen Minsk (Weißrussland) und Smolensk (Russland).

Was aus den beiden nicht mehr ganz jungen Wehrpflichtigen wurde, wissen wir nicht. Im besten Fall gehörten sie einer Versorgungseinheit an, die im Hinterland der Front operierte. Der BMW jedenfalls dürfte früher oder später irgendwo im Osten liegengeblieben sein.

Vielleicht hat er aber dort auch nach dem Krieg als Behelfsfahrzeug in der Landwirtschaft überlebt, wurde später wiederentdeckt und steht heute in Neuzustand in irgendeiner klimatisierten Garage, als wäre nichts gewesen…

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Die reine Freude: BMW 315 Zweifenster-Cabriolet

Nach langer Abstinenz steht heute endlich wieder einmal ein Vorkriegs-BMW im Mittelpunkt meines Blogs.

Natürlich gibt es jede Menge historische Aufnahmen des frühen, noch auf dem „Dixi“ basierenden Typs 3/15 PS, der bis 1932 gebaut wurde. Doch erst mit den ab 1933 angebotenen feinen Sechszylindermodellen fand BMW eine eigene Identität.

Den einen oder anderen davon habe ich bereits vorgestellt -neben dem Erstling 303 auch den äußerlich ähnlichen Vierzylindertyp 309. Das waren durchaus ansprechende Wagen, doch so richtig will der Funken dabei noch nicht überspringen.

Das wird sich mit dem heute zu besprechenden BMW-Modell ändern, das in jeder Hinsicht die reine Freude ist – ganz gleich aus welchem Winkel man ihn betrachtet.

Der Wagen, um den es geht, ist gleich in vier Ansichten überliefert, von denen eine reizvoller als die andere ist. Hinzu kommt, dass es sich um eine besonders elegante Karosserievariante handelt.

Es lohnt sich unbedingt, sich diesem schönen Fahrzeug auf Umwegen zu nähern – beginnen wir mit dieser Heckansicht:

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BMW 315 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hand auf’s Herz: Bei einer solchen Momentaufnahme ist es eigentlich vollkommen gleichgültig, was für ein Auto hier die Kulisse liefert.

Einen derartigen Schnappschuss in dieser Qualität muss man mit den technischen Mitteln der 1930er Jahre erst einmal hinbekommen. Dass das kein Zufallstreffer war, werden die noch folgenden drei Aufnahmen aus derselben Serie zeigen.

So freudig erregt wie der kleine Hund weiß man gar nicht, worauf man das Auge am ehesten ruhen lassen soll – der jungen Dame mit dem hellen Reisemantel, den dezenten Netzstrümpfen und filigranen Riemchen-Pumps oder eher der feinen Baumwollstruktur der Verdeckhülle, den verchromten Knöpfen der Sturmstange und dem profilierten Scheibenrad mit Chromradkappe und BMW-Emblem.

Nebenbei verrät das Kennzeichen, dass dieser BMW in Sachsen (Kennung „IM“) und dort im Landkreis Oschersleben zugelassen war.

Noch mehr erfahren wir über das Auto auf der nächsten Aufnahme:

BMW_315_Cabriolet_3_Galerie

BMW 315 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die sechs Felder in der Seite der Motorhaube finden sich am Sechszylindertyp 315, den BMW ab 1934 in weniger als 10.000 Exemplaren baute.

Diese markanten, auf die Zylinderzahl verweisenden Luftschlitze waren den frühen Modellen vorbehalten. Jedenfalls fehlen sie auf anderen Aufnahmen desselben Typs, ohne dass die mir vorliegende Literatur ein Wort darüber verliert.

Nachtrag: Leser Dirk Steffens bestätigt, dass die ab 1935 gebauten BMWs des Typs 315 über Luftschlitze verfügten.

Zusätzlich reizvoll wird die Sache dadurch, dass das abgebildete BMW-Cabriolet nur zwei Seitenfenster besitzt, während die meisten Abbildungen deren vier zeigen.

In seiner ganzen Schönheit zeigt sich unser BMW nun auf der folgenden Aufnahme:

BMW_315_Cabriolet_4_Galerie.jpg

BMW 315 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir nun auch die mächtige Doppelniere, die der Kühlerpartie ihr BMW-typisches „Gesicht“ verlieh.

Ins Auge fallen hier auch die mit einer Mittelrippe versehenen Stoßstange, die man an den gängigen Versionen des BMW 315 in der Literatur so nicht findet.

Aus meiner Sicht spricht die Ausführung der Vorderschutzbleche wie auch die der Luftschlitze für eine frühe Ausführung. So fehlen hier noch die seitlichen „Schürzen“, die sich bei BMW ab 1935 durchsetzten – wie übrigens bei anderen Marken ebenfalls.

Hier haben wir zum Vergleich einen BMW 315 in der herkömmlichen Ausführung als 4-Fenster-Cabriolet mit den erwähnten Kotflügelschürzen und den offenbar später zur Standardausstattung gehörenden horizontalen Luftschlitzen:

BMW_315_Vater_und_Sohn_1938_Galerie

BMW 315 4-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Aufnahme hatte ich vor längerem hier ausführlich besprochen. Hier sieht man nebenbei auch die abweichende Ausführung der Stoßstange.

War es das schon zum BMW 315 in der Ausführung als frühes 2-Fenster-Cabriolet?

Einen Pfeil habe ich noch im Köcher – der noch mehr als die erste Aufnahme direkt das Herz all derjenigen treffen sollte, die sich nicht nur an den Autos der Vorkriegszeit erfreuen können, sondern auch offen sind für die Magie jener untergegangenen Welt.

Dazu gehören nicht immer nur schöne Zeugnisse – gerade was Aufnahmen aus dem deutschsprachigen Raum der 1930er Jahre und aus dem 2. Weltkrieg angeht.

Doch hier haben wir noch einmal ein Dokument, das die reine, ungetrübte Freude am Vorkriegsautomobil und ihren einstigen Besitzern verkörpert:

BMW_315_Cabriolet_2_Galerie

BMW 315 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dank des Hinweises von Leser Dirk Steffens weiß ich nun auch, wer der Schöpfer dieser schönen Ausführung des BMW 315 als 2-Fenster-Cabriolet war: Reutter aus Stuttgart (Vergleichsabbildung).

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Ein Traum wird wahr: Im 3er BMW nach Italien

Bis Mitte der 1950er Jahre waren Vorkriegsautos in Deutschland allgegenwärtig.

Zwar hatte der Krieg den Fahrzeugbestand gewaltig dezimiert. Doch die wenigen Privatwagen und zahlreiche bei Kriegsende mit leerem Tank irgendwo gestrandeten Zivil-PKW der Wehrmacht liefen mangels Alternativen weiter.

Wer wenige Jahre nach der Kapitulation in einem von der Kriegsfurie weitgehend verheerten Land ein Automobil sein eigen nannte, konnte sich glücklich schätzen. Noch glücklicher, wer sich damals einen Urlaub im sonnigen Süden leisten konnte.

Hier haben wir ein Foto, das von einer Italienfahrt im Vorkriegs-BMW Anfang der 1950er Jahre erzählt, mit der sich wohl jemand einen alten Traum wahr machte:

BMW_Nachkrieg_Italien_Galerie

BMW der 3er Serie; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die an den markanten Doppelnieren als BMW erkennbare Limousine trägt noch ein Besatzungskennzeichen aus der amerikanischen Zone Bayern (AB). Die Kennung „68“ verrät, dass der Wagen einst im Städtchen Wolfratshausen zugelassen war.

Bevor uns mit der Identifikation des genauen Typs befassen: Woher wissen wir, dass diese Aufnahme in Italien entstand?

Nun, das verrät uns das Hinweisschild mit dem Kürzel A.C.I. hinter dem BMW:

BMW_Nachkrieg_Italien_ACI

Wer in der Schule Lateinunterricht genossen hat, mag mit A.C.I. zunächst den „Accusativus cum infinitivo“ verbinden – kurz Aci. Doch handelt es sich nicht um die von unaufmerksamen Schülern gefürchtete, sprachlich logische Konstruktion.

In entlegenen Regionen Italiens stößt man bisweilen noch auf das gleiche Schild mit dem verstellbaren Schraubenschlüssel, der hierzulande als „Engländer“ bekannt war, obwohl es ihn in gleicher Ausführung auch in Frankreich und Deutschland gab.

A.C.I. steht für „Automobile Club Italiano“ -im weitesten Sinne der italienische ADAC. Leider sind die näheren Angaben auf dem Schild nicht lesbar, sonst könnten wir den Aufnahmeort wohl recht genau bestimmen.

So wissen wir nur, dass dieser BMW einst auf einer der Nebenstraßen haltmachte, die ab den 1930er Jahren das bis dato kaum erschlossene ländliche Italien zugänglich machte.

Was lässt sich aber zu dem BMW auf diesem sommerlichen Foto sagen?

BMW_Nachkrieg_Italien_Detail

So detailreich die Aufnahme auf den ersten Blick auch erscheint, erweist sich der Fall als schwierig.

Halten wir fest: Kühlergrill mit Doppelniere wie an den Typen

  • 303 (Bj. 1933-34),
  • 309 (Bj. 1934-36),
  • 315 (Bj. 1934-37),
  • 319 (Bj. 1935-37).

Die unterschiedlich motorisierten BMWs waren äußerlich an Details auseinanderzuhalten, die aus dieser Perspektive nicht erkennbar sind.

Versuchen wir dennoch eine Annäherung. Beginnen wir mit der spätesten und stärksten in Frage kommenden Variante, dem Sechszylindertyp BMW 319:

BMW_319_Limousine_Galerie

Hier scheint alles übereinzustimmen – Kühler, Scheinwerfer, Stoßstange, Rahmen der unten ausstellbaren Frontscheibe. Nur die drei Chromleisten auf den horizontalen Luftschlitzen in der Motorhaube sind auf dem Ausgangsfoto nicht zu sehen.

Zudem verfügt der BMW 319 auf obigem Foto über zwei Scheibenwischer – nicht bloß einen wie der in Italien aufgenommene Wagen. Wie bei DKW dürfte dieses Detail jedoch nur ausstattungsabhängig gewesen zu sein.

Auf ein Detail macht jedoch Leser Andreas Moskart aufmerksam: die umlaufende Sicke an den Vorderschutzblechen – achten wir bei den nächsten Bildern darauf.

Werfen wir einen Blick auf den Vorgänger des BMW 319 – den ebenfalls mit 6-Zylinder-Motor ausgestatteten Typ 315:

BMW_315_Rallye_Galerie

Wesentliches Unterscheidungsmerkmal sind hier die auf mehrere Felder verteilten kleineren Luftschlitze mit jeweils einer waagerechten Zierleiste. Auf unserem Ausgangsfoto ist die entsprechende Partie leider verschattet.

Übrigens besitzt auch der BMW auf dem zuletzt gezeigten Foto einen verchromten Windschutzscheibenrahmen und zwei Scheibenwischer. Besagte Sicke an den Frontschutzblechen fehlt.

Dass es bei sonst identischer Karosserie auch anders ging, zeigt folgende Aufnahme:

BMW_309_Eschwege_Bengsch_Ausschnitt

BMW 309; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Hier ist nur ein Scheibenwischer auf der Fahrerseite und ein in Wagenfarbe lackierter Scheibenrahmen zu sehen.

Diesen BMW auf einem Foto von Leser Marcus Bengsch konnten wir (hier) als kleinen Vierzylindertyp 309 identifizieren, der ab 1934 gebaut wurde. Möglich war die Ansprache nur aufgrund der Anordnung der Luftschlitze in der Motorhaube. 

Auch hier ist die erwähnte umlaufende Sicke an den Vorderkotflügeln nicht zu sehen

Um die Verwirrung vollständig zu machen, zeigen wir noch eine Aufnahme des ersten BMWs, den die charakteristische Doppelniere zierte:

BMW_303_GalerieHier haben wir einen BMW des Sechszylindertyps 303 vor uns, der im Jahr 1933 vorgestellt wurde.

Er war der erste BMW, der die Doppelniere am Kühler trug und unterschied sich vom ein Jahr später eingeführten 309 äußerlich nur durch die direkt ins Blech eingestanzten und etwas weiter oben endenden Luftschlitze in der Haube.

Da wir auch hier den lackierten Frontscheibenrahmen und nur einen Scheibenwischer sehen, scheidet die Hypothese aus, dass diese Details Merkmale von Vierzylindertypen waren.

Leider ist dem Verfasser keine Literatur bekannt, die sich ähnlich akribisch mit den BMW-Vorkriegsmodellen beschäftigt, wie das beispielsweise bei den einstigen Marken des Auto-Union-Verbunds (Audi, DKW, Horch, Wanderer) der Fall ist.

Von daher muss bis auf weiteres offen bleiben, welcher BMW-Typ genau da in der frühen Nachkriegszeit irgendwo in Italien unterwegs war. Nur den Typ 319 können wir dank des Hinweises von Leser Andreas Moskart ausschließen.

Klar ist: Hier verwirklichte sich einst jemand einen Traum vom Süden, den der Verfasser sehr gut nachvollziehen kann. Im eigenen Wagen über die Alpen nach Italien zu fahren, das ist ein besonderes Erlebnis, ob mit 22, 30 oder 34 PS.

Das waren die Höchstleistungen, die die 3er BMWs in den frühen 1930er Jahren boten. So ändern sich die Zeiten – nur Italien bleibt, was es schon immer war: ein Traum…

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Einfach…schön! BMW 309 Cabriolimousine

Bis zum Fund des Monats August müssen sich die Leser dieses Blogs noch ein wenig gedulden – eine ganze Reihe von Kandidaten steht zur Wahl.

In der Zwischenzeit können wir uns aber auch an profaneren Zeugnissen aus der Welt der Vorkriegsautos erfreuen.

Zum einen beziehen oft Aufnahmen ganz alltäglicher Typen – soweit man im autoarmen Deutschland jener Zeit überhaupt davon sprechen kann – ihren Reiz aus der besonderen Situation oder einer außergewöhnlichen Perspektive.

Zum anderen sind selbst einige Vorkriegsmodelle der unteren Mittelklasse einfach so perfekt gestaltet, dass man sie immer wieder gerne sieht.

Ausgerechnet die Firma BMW, die überhaupt erst ab 1932 eigenständige Autos baute, entwickelte in unglaublich kurzer Zeit ein unverwechselbares und harmonisches Erscheinungsbild, das bis in die Gegenwart fortwirkt.

Um diesen gestalterischen Entwicklungssprung zu veranschaulichen, werfen wir zunächst einen Blick auf den BMW 3/20 PS, mit dem sich die Marke allmählich von der Austin/Dixi-Traditionslinie löste:

BMW_3-_20_PS_1952_Galerie

BMW 3/20 PS, aufgenommen 1952; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses 1932 vorgestellte Modell unterschied sich deutlich von dem auf dem Austin 7 basierenden Dixi DA1, den BMW nach Übernahme der Eisenacher Marke noch eine Weile in leicht modifizierter Form weiterbaute.

Neu waren Rahmen- und Fahrwerkskonstruktion des BMW 3/20 PS, während der noch auf der Austin-Konstruktion basierende Motor im Zylinderkopf hängende Ventile erhielt. Von der später für BMW typischen Sportlichkeit war noch nichts zu erkennen.

Doch schon 1933 gab BMW mit dem raffiniert gestalteten Sechszylindertyp 303 ordentlich Gas. Damit konnte man sich buchstäblich sehen lassen:

BMW_303_Galerie

BMW 303; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Technisch wie äußerlich war das ein großer Wurf und katapultierte BMW in die Riege der Hersteller sportlicher Wagen mit unverkennbarem Profil.

Um höhere Stückzahlen für die neue Rahmen- und Fahrgestellkonstruktion zu erreichen, bot man das Modell ab 1934 auch mit dem leistungsgesteigerten Vierzylindermotor des alten BMW 3/20 an – der BMW 309 war geboren.

Ein Exemplar davon als Cabrio-Limousine sehen wir sehr wahrscheinlich hier:

BMW_309_Eschwege_Bengsch_Galerie

BMW 309; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Diese in technischer wie formaler Hinsicht ausgezeichnete Aufnahme verdanken wir Leser Marcus Bengsch, der neben seinem Spezialgebiet „Röhr“ weitere Fotoschätze in seiner Sammlung beherbergt, die wir hier nach und nach zeigen dürfen.

Auseinanderhalten kann man die Typen 303 und 309 äußerlich nur anhand der Ausführung der Luftschlitze in der Motorhaube.

In der Literatur erwähnt wird zwar bloß, dass sich der untere Abschluss der Luftschlitze der beiden Typen unterscheidet. Man erkennt aber auf Fotos weitere Unterschiede, wenn nicht alles täuscht:

  • Beim Sechszylindertyp 303 sind die Luftschlitze in die Motorhaube eingeprägt und enden unmittelbar unter der horizontalen Unterteilung der Haube.
  • Beim Vierzylindertyp 309 wurde ein Blech mit den eingeprägten Schlitzen in die Haube eingenietet und die Schlitze enden weiter unten.

Letzteres scheint auch bei dem Foto von Marcus Bengsch der Fall zu sein:

BMW_309_Eschwege_Bengsch_Ausschnitt

Wer auch immer diese schöne Aufnahme machte, wusste, wie man den BMW mit der markanten Doppelniere wirkungsvoll in Szene setzt.

Übrigens wäre auch diese Szene nicht so reizvoll ohne die beiden Damen und den Steppke auf dem Trittbrett. Ihnen scheint hier wohl im Sommer gegen Mittag die Sonne tüchtig aufs Haupt, aber wo?

Nun, das Kennzeichen lässt auf eine Zulassung im nordhessischen Landkreis Eschwege schließen. Das verrät uns das unverzichtbare „Handbuch Deutsche Kfz-Kennzeichen Deutschland bis 1945“ von Andreas Herzfeld auf S. 84.

Die Ausführung des Fachwerks entspricht ebenfalls hessischer Tradition (zwar eine Wissenschaft für sich, doch mit etwas Erfahrung erkennt man das).

Tatsächlich ist umseitig auf dem Abzug vermerkt, dass das Foto am 15. Juli 1939 im Kurpark von Bad Soden im Taunus entstand.

Für uns Liebhaber von Vorkriegsautos ist ein solches historisches Umfeld perfekt, merkwürdigerweise stören die alten Gefährte die Harmonie in keiner Weise…

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4 Räder und ein Dach über’m Kopf: BMW 3/15 Zweisitzer

Ein „Dreier“-BMW mit 15 PS – das muss ein Scherz sein! Fehlt da nicht irgendwo eine Null? Das mag sich ein von Dreier-BMWs der Neuzeit verwöhnter Enthusiast fragen.

Doch nein, liebe BMW-Freunde, so brav begann die rasante Automobilentwicklung bei dem – auf diesem Gebiet – Spätzünder aus Bayern.

Dabei liegen die Ursprünge nicht einmal im Land der Bajuwaren, sondern im thüringischen Eisenach. Dort wurde ab Ende 1927 der Dixi DA1 gebaut, der nach Übernahme der Fahrzeugwerke Eisenach die Basis für das erste BMW-Auto wurde.

Der dem Vorbild Austin „Seven“ entsprechende Dixi DA1 wurde unter BMW-Leitung zunächst unverändert weiterproduziert. Im Frühjahr 1929 verließen dann die ersten Wagen des von BMW modifizierten Typs DA2 die Werkshallen – in Berlin!

Man sieht: Die Frühzeit der BMW-Automobile war ziemlich kompliziert. Im Prachtband „Die Entwicklungsgeschichte der BMW-Automobile“ von Simons/Zeichner ist diese Phase zum Glück akribisch dokumentiert.

Nicht einfacher wird die Angelegenheit durch die Vielfalt an Aufbauten, die es auf Grundlage des ersten BMWs gab. In dieser Hinsicht lässt die Website von „Dixi“-Papst Helmut Kasimirowicz kaum Wünsche offen.

Doch tauchen immer noch Varianten auf, die möglicherweise nirgends festgehalten sind:

BMW_3-15_DA2_Nachkrieg_DDR_Galerie

BMW 3/15 Typ DA2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Naja, mag man denken – einer von vielen BMWs des Typs DA2, die nach dem Krieg noch eine Weile im Alltag bewegt wurden – hier offenbar in der „DDR“, wie das Kennzeichen aus dem Kreis Bautzen im Bezirk Dresden verrät.

Der Verfasser dachte ebenfalls, dass sich dieser BMW schnell identifizieren lasse. Doch bei näherer Betrachtung ergaben sich einige Unstimmigkeiten. Klar ist, dass wir es mit einem BMW 3/15 PS des Typs DA2 zu tun haben, der von 1929-31 gebaut wurde.

Hauptunterscheidungsmerkmale gegenüber dem Vorläufer Dixi 3/15 PS Typ DA1 sind die in drei Gruppen angeordneten seitlichen Haubenschlitze und die Vierradbremsen des BMW 3/15 Typ DA2.

Beide Details erkennt man auch auf der Ausschnittsvergrößerung:

BMW_3-15_DA2_Nachkrieg_DDR_Ausschnitt1

Doch dann beginnen die Probleme. Was für eine Karosserieausführung haben wir vor uns?

Den viersitzigen Tourer oder das Kabriolett wohl kaum, die abfallende Heckpartie bzw. die Ausführung der Seitenscheibe sprechen dagegen.

Könnte es einer der kompakten Sport-Zweisitzer sein, die nach dem Klassensieg von BMW in der knüppelharten Alpenfahrt 1929 produziert wurden?

Die Heckpartie würde dazu passen. Doch die Literatur liefert bei dieser Ausführung nur eine Steckscheibe an der Seite, die auf den ersten Blick nicht einmal über die gesamte Türlänge reicht:

BMW_3-15_DA2_Kaiserstrasse_Friedberg_Trude_Bucher_Galerie

BMW 3/15 Typ DA2; Originalfoto von Trude Bucher (Bad Nauheim)

Diese Aufnahme aus dem Besitz einer alten Bad Nauheimer Dame zeigt einen BMW 3/15 Sport-Zweisitzer auf der Kaiserstraße in Friedberg/Hessen, wo der Verfasser in den 1980er Jahren zur Schule ging.

Trotz der Unterschiede im Detail – man beachte auch die Zierleiste zwischen Haube und A-Säule des BMWs aus DDR-Zeiten sowie die Lackierung des breiten Bandes an Türoberseite und Heckpartie in Wagenfarbe – überwiegen die Übereinstimmungen.

Kenner der  frühen BMW-Automobile werden es womöglich besser wissen, doch für’s erste ist dieser Wagen als nach dem Krieg modifizierter Typ 3/15 DA2 anzusprechen.

Zu der abweichenden Gestaltung der Seitenscheibe konnte Leser Renè Förschner folgendes beitragen:

„Die auf dem Bild des BMW in Friedberg vermeintlich nur bis zur Hälfte der Tür reichenden Steckscheiben sind in dem Fall aufgeklappt.

Die Steckscheiben bei DA2 und auch schon beim Dixi DA1 sind nämlich vertikal geteilt, mit kleinen Scharnieren in der Teilung. Somit konnte man den hinteren Teil der Scheibe nach vorn klappen, um aus dem Fenster zu greifen oder sich Frischluft zu verschaffen.

Die Zelluloidscheiben lagen dann doppelt übereinander, ähnlich wie später beim Citroen 2CV (bloß dort horizontal geteilt). Das brachte bei fortgeschrittenem Alter des vormals transparenten Kunststoffs weniger und weniger Durchblick.

Dies war vermutlich der Grund, weshalb der Bautzner DA2 irgendwann ein paar neue Steck- (oder vielleicht Kurbel-)scheiben bekam, die sogar mit einem Aluprofil gefasst wurden.“

Außerdem scheint es, als habe der Besitzer seinem Wagen der Optik halber nachträglich ein Trittbrett verpasst. Merkwürdig hoch angesetzt – fast wie beim Dixi 3/15 DA1 – erscheint auch der untere Türabschluss.

BMW_3-15_DA2_Nachkrieg_DDR_Ausschnitt3

Oder befindet sich dort lediglich eine weitere nachträglich angebrachte Zierleiste?

Unterdessen gehen wir der Frage nach, wieso eigentlich so ein 15 PS-Gefährt einst überhaupt Absatz fand. Nun, ein Verkaufsschlager war das Modell gewiss nicht, trotz beachtlicher Reklamebemühungen.

Nur etwas mehr als 15.000 Käufer ließen sich davon überzeugen, dass ein Derivat des Austin „Seven“ auch fast zehn Jahre nach dessen Erscheinen noch ein gutes Auto sei.

Vergessen dürfen wir aber nicht: Die inländische Konkurrenz – ob DKW, Hanomag oder Opel – hatte im Einsteigersegment ebenfalls kaum mehr zu bieten.

Entscheidend war vor allem eines, was wir auf unserem Foto dokumentiert sehen. Der typische Käufer eines solchen BMW 3/15 PS Typ DA1 kam vom Motorrad und hatte mit zwei Rädern und ohne Dach über’m Kopf im ganzjährigen Betrieb seine Last.

BMW_3-15_DA2_Nachkrieg_DDR_Ausschnitt2

So schön das Gespann von EMW und die MZ RT 125 (vermutlich) auch scheinen – damals fuhr man Motorrad nur im Ausnahmefall zum reinen Vergnügen.

In den 1930er Jahren war das motorisierte Zweirad für viele „Volksgenossen“ im deutschen Reich ebenso ein Mittel, um zur Arbeit zu gelangen, wie das für die „Genossen“ der im Osten unseres Landes folgenden zweiten Diktatur der Fall war.

Es galt bei Wind und Wetter, ob’s stürmt oder schneit, an die Arbeits“front“ zu gelangen – so etwas Kuscheliges wie „Homeoffice“ gab’s ja noch nicht…

So gesehen war ein vierrädriger Begleiter mit einem simplen Verdeck wie der BMW 3/15 PS Typ DA2 selbst in der Ausführung als Sportzweisitzer ein großer Fortschritt.

Und ausgerechnet heute, wo das Automobil in punkto Sicherheit, Bequemlichkeit und Umweltverträglichkeit einen kaum fassbaren Grad der Vollkommenheit erlangt hat, wird mit einem Mal von Fanatikern hierzulande Krieg dagegen geführt…

Wollen wir im Alltag zurück in jene Zeiten, in denen nur eine Minderheit der Bevölkerung Zugang zu autonomer Mobilität hatten und Politiker das Privileg gepanzerter Fahrzeuge genossen?

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Vom Fronteinsatz zur Heckansicht: BMW 315 Cabrio

Heute befassen wir uns einmal wieder mit dem BMW 315 – einem Vertreter der 1933 aufgelegten Serie flotter Sechszylinder, die Urväter des legendären Dreier-BMW.

Diese attraktiven Wagen besaßen erstmals das typische BMW-Gesicht mit der charakteristischen Doppelniere – hier am Modell 303 mit dem kleinsten Sechszylinder der Baureihe zu bewundern:

BMW_303_1933_Galerie

BMW 303; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der ein Jahr später herausgebrachte BMW 315 mit 1,5 statt 1,2 Liter brachte es bereits auf 34 PS, was bei einem Wagengewicht von etwas über 800 kg damals ein ordentlicher Wert war.

Auf hydraulische Bremsen mussten die Käufer verzichten – vermutlich eine Preisfrage oder man hielt die Bremswirkung gut eingestellter Seilzugbremsen für ausreichend.

Mit dem BMW 315 haben wir uns schon ausführlich befasst, nämlich hier. In der Sache lässt sich zu einem so gut dokumentierten Fahrzeugtyp kaum Neues sagen. Doch tauchen immer wieder Fotos auf, die den Wagen in nicht ganz alltäglichen Ansichten zeigen.

Dabei führt uns heute eine Aufnahme von einem außergewöhnlichen „Fronteinsatz“ zu einer seltenen „Heckansicht“ – oder zwei davon, um genau zu sein.

Dass die agilen BMW 3er nach Kriegsbeginn auch bei der deutschen Wehrmacht eingesetzt wurden – es gab sogar eine Kübelwagenvariante – ist auf vielen zeitgenössischen Bildern dokumentiert.

Etwas aus dem Rahmen fällt aber diese Aufnahme:

BMW_315_WH_Galerie

Zu sehen ist eindeutig ein BMW 315 in der Ausführung von 1934/35, zu erkennen an den auf sechs Felder verteilten Luftschlitzen in der Motorhaube.

Es handelt sich um ein ursprünglich in München (Kennung: II A) zugelassenes Cabriolet, das spätestens nach Kriegsbeginn beschlagnahmt und einer Abteilung des Heeres (WH auf dem Schutzblech steht für „Wehrmacht Heer“) zugeordnet wurde.

Der Wagen muss schon einige Zeit bei der Truppe im Dienst gewesen sein, das verraten die Abnutzungsspuren an der überlackierten Chromstoßstange. Wieso die Radkappe unlackiert blieb, ist rätselhaft – ein Ersatzteil, das noch nicht „militarisiert“ wurde?

Die Tarnaufsätze auf den Scheinwerfern sprechen ebenfalls dafür, dass wir eine Aufnahme nach Kriegsausbruch vor uns haben.

Die beiden Unteroffiziere hinter dem BMW sind nicht mehr die jüngsten – zumindest der eine ohne Mantel scheint Fronterfahrung zu haben, wie die Abzeichen auf der Feldjacke vermuten lassen – hier sind Kenner gefragt.

Was aber war wohl der Anlass dieser Aufnahme, auf der der BMW mit Blumen und Zweigen geschmückt zu sehen ist?

Vielleicht entstand das Foto bei einer Einheit, die 1939 bzw. 1940 vom Polen- oder Frankreichfeldzug in die Heimat zurückkehrte – bei diesen Gelegenheiten wurden die Heimkehrer an den Standorten mit großem Hallo begrüßt – man findet öfters Aufnahmen solcher Situationen, für die die Fahrzeuge geschmückt wurden.

Wie es dem BMW in den darauffolgenden Kriegsjahren ergangen ist, wissen wir nicht. Dafür haben wir zwei Aufnahmen eines solchen BMW 315 Cabriolets, das das Inferno überstanden hat.

Der Reiz dieser Fotos besteht zum einen darin, dass wir hier die selten abgelichtete Heckpartie sehen, zum anderen „leben“ sie von den einstigen Besitzern darauf:

BMW_315_Nachkrieg_1_Galerie

BMW 315; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die ernst nach hinten schauende junge Dame mit Frisur und Hut im Stil der späten 1940er Jahre steht in denkbarem Kontrast zu dem mitgenommen wirkenden Wagen, der vor einer Berglandschaft aufgenommen ist.

Möglicherweise täuscht der Eindruck und das Auto ist bloß auf einer Urlaubsreise schmutzig geworden. Der gute Zustand des Verdecks spricht eher für eine gepflegte Substanz des Autos.

Außer dem Kennzeichen aus der britischen Besatzungszone Rheinland (Kennung: BR) sehen wir Radkappen im selben Stil wie auf dem Foto des Wehrmachts-Wagens.

Auch der markante Verlauf der seitlichen Zierleiste und die Form des angesetzten Kofferaums findet sich in der Literatur genau so beim viersitzigen BMW 315 Cabriolet des Baujahrs 1934/35.

Dass man den Typ aus dieser Perspektive so genau bestimmen kann, ist schon außergewöhnlich. Dabei halfen zeitaufwendige Recherchen und eine Prise Glück.

Nun aber die angekündigte zweite Aufnahme, die wohl von der feschen Dame gemacht wurde, die wir gerade kennengelernt haben:

BMW_315_Nachkrieg_2_Galerie

BMW 315; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein ausdrucksstarkes Porträt, wie man es bei Amateuraufnahmen selten findet. Der großgewachsene Herr ist hier mit versonnenem Blick festgehalten, was mag in dem Moment hinter seiner Stirn vorgegangen sein?

Wir dürfen vermuten, dass wir es hier mit einem Paar zu tun haben, das sich auf dem Rückweg von einer Urlaubsreise befindet – beide sind kräftig gebräunt. Sie scheinen gutsituiert gewesen zu sein und legten Wert auf stilvolle Erscheinung.

Damals waren die Erinnerungen an den Krieg noch frisch und man meint, auf diesen Zeugnissen zu erkennen, dass die beiden zwar frei von materiellen Sorgen waren, aber dennoch nicht ganz unbeschwert durch’s Leben gingen.

Mehr wissen wir nicht – unser Paar scheint keine Nachkommen gehabt zu haben oder diesen waren die Fotos von einer Urlaubsreise im BMW aus alter Zeit gleichgültig.

Jetzt erfreuen wir uns an ihnen – ein anrührender Moment aus der Zeit vor bald 70 Jahren wird der Vergessenheit entrissen und im Netz wieder lebendig. Genau das ist die Magie von Vorkriegswagen auf alten Fotos

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Aus dem Familienalbum: BMW 320 Cabriolet

Heute bringen wir eine hübsche Reihe zusammengehöriger Fotos eines BMW 320 Cabriolets, das den 2. Weltkrieg im Rheinland überlebt hatte und das von seinen Besitzern noch einige Jahre lang zu Ausflügen eingesetzt wurde.

Die Aufnahmen sind keine Meisterwerke, vermitteln aber etwas von der Wertschätzung eines treuen alten Familienmitglieds auf vier Rädern in der Nachkriegszeit.

Das darin dokumentierte BMW-Modell ist für die Geschichte der Marke von Bedeutung, spiegelt es doch die neue Linie wider, die ab 1936 mit dem Typ 326 definiert wurde:

BMW_326_Luftwaffe_Ahrweiler_Frontpartie

BMW 326 der Luftwaffe in Ahrweiler; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mit den fast schon mit der Karosserie verschmelzenden Schutzblechen, der Knickscheibe und der dynamischen Gestaltung der seitlichen Luftschlitze war der Typ 326 wohl stilprägender als jeder bis dahin erschienene BMW.

Mit dieser unverkennbaren Optik ließ BMW die Vorgängermodelle weit hinter sich, die zwar schon die Doppelniere trugen, ansonsten aber wenig eigenständig erschienen:

BMW_319_Limousine_Galerie

BMW 319; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese BMW-Limousine des Typs 319 haben wir hier vorgestellt, auch sie übrigens auch ein Überlebender des 2. Weltkriegs.

Der Nachfolger dieses brav anmutenden 6-Zylinder-Modells mit 45 PS brachte zwar technisch wenig Neues mit sich, wirkte aber mit der vom BMW 326 inspirierten Karosserie wie ein Vertreter einer neuen Generation.

Hier haben wir den ab 1937 gebauten BMW 320 als Cabriolet – das Foto ist zugleich der Auftakt zu einem reizvollen Ausflug, den uns die Fotos aus einem längst zerfledderten Familienalbum ermöglichen:

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BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer sich fragt, wie man dieses Fahrzeug vom BMW 326 oder 321 oder 329 unterscheiden soll, sei auf die Position des Türgriffs verwiesen. Nur beim BMW 320 waren die Türen wie heute üblich vorn „angeschlagen“.

Auf obiger Aufnahme fällt ansonsten auf, dass der Wagen Scheibenräder und nicht – wie an sich zu erwarten – gegossene Stahlspeichenräder besitzt. Möglicherweise stammen sie von einem anderen Fahrzeug.

Die glänzenden Radkappen verweisen zudem auf eine intakte Verchromung, was auf den folgenden Fotos anders aussieht.

Hier haben wir nun dasselbe Auto bei einem Ausflug auf ländlichen Nebenstraßen irgendwo im deutschen Mittelgebirge:

BMW_320_b_Galerie

BMW 320 Cabriolet; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wie man bei genauer Betrachtung erkennt, scheute man sich seinerzeit nicht, auf unbefestigten Wegen die Landschaft zu „erfahren“.

Der Fotograf ging für diese Aufnahme in die Hocke und hat wohl einige Gräser im Vordergrund übersehen, die die dritte Person neben dem BMW verdecken. Wer wäre bei dieser Ansicht darauf gekommen, dass man einen BMW 320 vor sich hat?

Auf folgendem Foto sieht man immerhin die vorn angeschlagene Tür wieder, sodass man zusammen mit den schemenhaft erkennbaren Luftschlitzen in der Motorhaube auf den BMW 320 kommen könnte:

BMW_320_c_Galerie

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch diese Aufnahme lässt erkennen, dass man einst beim „Autowandern“ auch vor Schotterpisten nicht zurückschreckte.

Außerdem zeichnet sich hier das Besatzungskennzeichen mit dem Kürzel „BR“ für „Britische Besatzungszone Rheinland“ ab.

Interessant ist die nächste Aufnahme aus derselben Reihe. Sie zeigt ebenfalls einen BMW aus der zweiten Hälfte der 1930er Jahre, aber mit anderer – nicht originaler – Lackierung und abweichendem (Besatzungs-)Kennzeichen:

BMW_320_d_Galerie

BMW 320 (?) Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Eventuell zeigt das Foto denselben Wagen zu einem anderen Zeitpunkt und mit (umzugsbedingt) abweichendem Nummernschild.

Von der Optik her könnte es auch ein BMW 329 oder 326 sein. Wo mag diese Aufnahme entstanden sein? Vielleicht in der Eifel?

Wie auch immer – hier haben wir wieder „unseren“ BMW 320 mit bereits dokumentierten Insassen, nun mit interessantem Einblick in den Innenraum:

BMW_320_e_Galerie

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was hat die Dame auf der Rückbank in der Hand? Ein Teil einer Kamera? Überzeugende Erklärungen werden gern in den Blog-Eintrag aufgenommen.

Auch die folgende Aufnahme zeigt den BMW 320 mit der Kennung „735 458“ auf dem Kennzeichen der britischen Besatzungszone Rheinland.

BMW_320_f_Galerie

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bemerkenswert ist hier das Fehlen des Nebelscheinwerfers auf dem gebogenen Halter oberhalb der Stoßstange. Auf dem vorletzten Foto sahen wir einen solchen Halter mit Scheinwerfer – ein Hinweis darauf, dass es ein und dasselbe Auto ist?

Nun folgt eine Aufnahme aus dieser Reihe, die für regelmäßige Leser dieses Blogs einen gewissen Wiedererkennungswert haben dürfte. Denn dieses Foto entstand wenige Jahre nach Kriegsende vor dem unversehrt geblieben Hauptportal des Kölner Doms:

BMW_320_g_Galerie

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer auch immer diese Aufnahme gemacht hat, fing gezielt den Teil der Westfassade der Kathedrale ein, die zum Glück kaum Schaden während der alliierten Bombardements der Kölner Altstadt nahm.

Nur ganz links außen sieht man einige Figuren, die ob des irrsinnigen Kriegsgeschehens den Kopf verloren hatten… Die im unbeholfenen Stil der frühen 1950er Jahre improvisierten Portale sind zum Glück später wieder korrigiert worden.

Unklar ist, wo das letzte Foto des BMW 320 Cabriolets aus dieser Reihe entstand:

BMW_320_h_Galerie

BMW 320 Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier passt der Erhaltungszustand des Abzugs sehr gut zum Motiv: ein ziemlich mitgenommener BMW 320 vor einer von Granateinschlägen oder Sprengbomben schwer gezeichneten barocken Kirchenfassade.

Weiß ein Leser, wo diese Aufnahme wenige Jahre nach Kriegsende entstanden ist?

Damit endet unser Ausflug im BMW 320 Cabriolet, der irgendwann in der frühen Nachkriegszeit begann und der Wahrscheinlichkeit nach zu urteilen auf einem Schrottplatz der 1950/60er Jahre endete.

Für uns Betrachter im 21. Jahrhundert, für die jeder Weltwinkel mühelos erreichbar ist, mögen die kleinen Fluchten aus dem Alltag, die so ein Wagen ermöglichte, bescheiden anmuten – doch damals war so etwas für die meisten Deutschen ein unerreichbarer Luxus.

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BMW 3/15 PS DA2: Ein sehr „spezieller“ Typ…

Das Schöne an der Beschäftigung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos ist, dass sich selbst gut dokumentierten Typen immer noch „neue“ Seiten abgewinnen lassen.

Kein Buch und auch keine Website vermag die unglaubliche Vielfalt an technischen Konzepten, Marken und Typen jener Zeit vollständig abzubilden.

Dennoch soll dieser Blog einen Beitrag dazu leisten, den tropisch anmutenden „Artenreichtum auf vier Rädern“ der Vorkriegszeit in einigen Bereichen besser zu dokumentieren, als dies in den teils jahrzehntealten Standardwerken der Fall ist.

Heute ist ein Fahrzeug an der Reihe, von dem man meinen sollte, dass dazu alles gesagt und alles bekannt ist – ist es aber nicht.

Die Rede ist vom ersten BMW-Automobil, dem ab 1929 gebauten Typ 3/15 PS, der auf dem von der Fahrzeugfabrik Eisenach gebauten Dixi 3/15 PS basierte – welcher wiederum ein Lizenznachbau des legendären englischen Austin „Seven“ war.

Aus dieser weitverzweigten Verwandschaft haben wir hier schon einige Exemplare  vorgestellt, darunter das Original von Austin und den Dixi 3/15 PS selbst.

Heute geht es um das unter BMW-Regie ab Mitte 1929 in Eisenach gebaute leicht überarbeitete Modell 3/15 PS (DA2) und einen davon abgeleiteten „Special“.

Fangen wir mit der serienmäßigen Limousine des BMW 3/15 PS (DA2) an:

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BMW 3/15 PS (DA2) Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses ausdrucksstarke Porträt eines BMW-Besitzers und seines „Dreier“ verdanken wir Leser Klaas Dierks, aus dessen Sammlung an hochwertigen Vintage-Fotos wir schon einige veröffentlichen durften.

Wir sehen die geschlossene, viersitzige Variante des BMW 3/15 PS, deren Rücksitz aber eher auf Kinder zugeschnitten war. So gesehen war dieser frühe „Dreier“-BMW eine Familienkutsche…

Optisch sportlicher daher kam der offene Zweisitzer, den wir hier sehen:

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BMW 3/15 PS (DA2), 2-sitziges Cabrio; Originalfoto von Trude Bucher

Bedanken dürfen wir uns für dieses rare Foto bei Beatrix van Ooyen aus Bad Nauheim, die sich in vielfältiger Hinsicht für den hessischen Kur- und Jugendstilort engagiert (unter anderem hier).

Sie stieß auf obige Aufnahme, die auf der Kaiserstraße in Friedberg/Hessen entstand, im Fotoalbum einer 1915 (!) geborenen Bad Nauheimerin namens Trude Bucher, der wir hiermit herzlich für die Genehmigung zur Veröffentlichung danken.

Daneben gab es auch eine viersitzige Cabriolet-Limousine, die wir auf folgender Aufnahme sehen:

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BMW 3/15 PS (DA2) Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Das ist ein weiteres außergewöhnliches Foto – beigesteuert von Leser Marcus Bengsch – denn hier sehen wir erstmals das BMW-Propeller-Emblem auf einem Automobil.

Frontale Aufnahmen des ersten BMW mit vier Rädern sind ausgesprochen selten, und dann haben wir hier noch eine besondere Situation:

Der BMW mit Berliner Zulassung (Kürzel „IA“) hat auf einer Schotterpiste Halt gemacht. Die Motorhaube ist hochgeklappt – wir sehen in der Windschutzscheibe die Reflektion mit den typischen drei Reihen Luftschlitzen.

Ein größerer Defekt scheint nicht vorgelegen haben, dafür schaut der Herr mit der kuriosen Kopfbedeckung und einer Hand in der Hosentasche zu entspannt.

Dixi-Kenner Helmut Kasimirowicz –  vielen sicher als „Dixi-Kasi“ bekannt – sah natürlich sofort, dass der Deckel des Sicherungskastens auf dem Tank (an der Spritzwand) liegt. Ihm ist auch der Hinweis zu verdanken, dass man sogar die offene Sicherungsdose mit den senkrechten Sicherungen unterhalb des Scheinwerfers erkennen kann.

Hut ab vor so viel Sachkenntnis und dem scharfen Auge! Helmut Kasimirowicz unterhält übrigens eine Website speziell zu den ganz frühen, noch auf dem Dixi 3/15 PS (DA1) basierenden BMW-Automobilen.

Wir wenden uns nun dem eigentlichen Höhepunkt dieser kleinen Fotoserie zum BMW 3/15 PS (DA2) zu:

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BMW 3/15 PS „Special“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was dieser kleine Renner vor dem „Restaurant zur Deutschen Flotte“ mit dem BMW 3/15 PS (DA2) zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick und auch nicht auf den zweiten.

Offen gesagt hatte der Verfasser den abgebildeten Wagen schon als zwar interessanten, aber hoffnungslosen Fall eines Eigenbaus „abgehakt“.

Doch auch hier wusste Helmut Kasimirowicz weiter. Auf seiner Website finden sich doch tatsächlich in seiner Rubrik „Spezial/Exoten“ gleich mehrere Exemplare genau dieses Fahrzeugs wieder:

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BMW 3/15 PS „Special“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Helmut Kasimirowicz ist sich sicher, dass dies einer von vielen Spezialaufbauten auf Basis des BMW 3/15 PS (DA2) ist, die von Firmen wie Ihle, aber auch von privaten Blechkünstlern fabriziert wurden.

Der rennmäßig wirkende Aufbau dürfte einige Jahre nach Produktionsende des BMW 3/15 PS (DA2) entstanden und von der Karosserie des Auto-Union C-Typs inspiriert worden sein, den wir auf folgender Abbildung von 1937 sehen:

Auto-Union_DDAC_1937_Galerie

Auto-Union C-Typ; Originalabbildung aus dem Magazin des DDAC von 1937

Die Abbildung aus dem Magazin von „Der Deutsche Automobil-Club“ zeigt einen der Rennwagen aus Zwickau, die das bis heute in der Formel 1 vorherrschende Konzept des Heckmotors definierten und legendäre Siege errangen.

Es ist gut möglich, dass sich der Erbauer „unseres“ BMW 3/15 PS (DA2) von der Frontpartie dieser Rennwagenikone begeistern ließ, auch wenn sein Gefährt nicht sonderlich von der windschnittigen Linienführung profitiert haben dürfte.

Bemerkenswert ist, dass selbst Helmut Kasimorowicz bislang nicht herausfinden konnte, wer den stilsicheren und handwerklich anspruchsvollen BMW 3/15 PS „Special“ entworfen und gebaut hatte.

Doch bei unserer vorgestrigen Leidenschaft haben wir es nicht eilig und setzen darauf, dass sich das Rätsel irgendwann lösen lässt.

Und selbst wenn nicht: Lassen wir den Vorkiegswagen ruhig einige ihre Geheimnisse – es macht sie nur noch faszinierender…

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Altes & Neues vom BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster

Dass dieser Oldtimerblog für Vorkriegsautos offenbar einen Nerv getroffen hat, verraten die sich häufenden Reaktionen von anderen Enthusiasten, die oft wertvolle Informationen oder auch eigene Fotos beisteuern.

Eine in doppelter Hinsicht erfreuliche Resonanz zeitigte die Veröffentlichung der folgenden Aufnahme aus dem Jahr 1949, die einen BMW 3/15 (Typ: DA3) „Wartburg“ Roadster gegenüber der Drachenburg am Rhein bei Bonn zeigt:

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BMW 3/15 (Typ DA3); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Geschichte dieses Giftzwergs aus Eisenach haben wir hier bereits erzählt.

Dabei verstieg sich der Verfasser zu der Bemerkung, dass die Gegend, in der die Aufnahme entstand, zwar heute noch fast genauso aussieht, dass man aber dort leider keinen BMW dieses Typs mehr antreffen wird.

Für diese These sprach, dass bloß 150 Stück von dem kleinen BMW Roadster gebaut wurden, von denen nur wenige überlebt haben.

Nicht zu rechnen war damit, dass sich ein heutiger Besitzer genau solch eines Wagens dazu veranlasst sah, das historische Foto am selben Ort nachzustellen.

Zu so einer sympathischen Verrücktheit ist vermutlich nur einer wie Helmut Kasimirowicz fähig, der sich ganz den Dixi-Wagen verschrieben hat, die einst den Grundstein für den Automobilerfolg von BMW legten.

Der in der Szene als Dixi-Kasi bekannte Enthusiast und BMW-Typspezialist betreibt eine eigene Website zu seiner Leidenschaft. Angeregt vom Foto des BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster scheute er keine Mühen, das Foto 2017 zu wiederholen:

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BMW 3/15 (Typ DA3); mit freundlicher Genehmigung von Helmut Kasimirowicz

Dass ein über 80 Jahre altes Auto mit gerade einmal 18 PS heute noch soviel Leidenschaft weckt, straft alle Lügen, die hierzulande von langweiligen und lahmen Vorkriegsautos fabulieren.

Gratulation an Helmut Kasimirowicz für diese Aktion, bei der er den Wagen zuletzt über einen Radweg schieben musste, um ganz in die Nähe des ursprünglichen Aufnahmeorts zu gelangen.

Doch sollte das nicht die einzige Reaktion auf das ursprüngliche Foto bleiben.

Auch BMW-Spezialist Rainer Simons – vielen bekannt durch sein breit angelegtes, prächtig bebildertes und faktengesättigtes Buch „Die Entwicklungsgeschichte der BMW-Automobile“ – ließ sich nicht lumpen.

Ihm verdanken wir eine weitere, prachtvolle Originalaufnahme eines BMW 3/15 (Typ DA3) „Wartburg“ Roadster:

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BMW 3/15 Typ DA3; Originalfoto aus Sammlung Rainer Simons

Hier sieht der kleine BMW schon im Stand ganz schön flink aus. Dazu mag der entschlossene Blick eines der ganz großen deutschen Motorsportler beitragen, der hinterm Lenkrad sitzt und die nächste Kurve anzupeilen scheint.

Es ist niemand geringerer als Ernst Henne (1904-2005), der ab 1926 BMW-Werksrennfahrer war, erst auf Motorrädern, später auch auf vier Rädern.

Seine Karriere beendete Henne 1937 mit dem Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder – 280 km/h erreichte er damals auf einer aufgeladenen stromlinienförmig verkleideten BMW-Kompressormaschine – eine unglaubliche Leistung, wenn man die Fahrwerke jener Zeit kennt.

Ob ein Rennfahrer wie Ernst Henne sich wirklich mit einem BMW 3/15 (Typ DA3) zufriedengegeben hätte, darf bezweifelt werden. Vermutlich ist das Foto einst für Werbezwecke geschossen worden.

Es gibt im Fotoarchiv der sog. „BMW Group“ eine Reihe ähnlicher Fotos mit ihm am Steuer desselben Modells, die möglicherweise aus einer Serie stammen.

Wer Genaueres dazu sagen kann, ist eingeladen, die Kommentarfunktion unter dieser Blog-Eintrag zu nutzen. Weitere Originalfotos sind ebenfalls willkommen.

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1949: Ein BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster am Rhein

Wie kommt ein „Wartburg“ nach dem 2. Weltkrieg an den Rhein? Und wie gelangt ein BMW Roadster an diese Bezeichnung?

Das sind Fragen, die wir auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos gern anhand originaler Fotos aus der Sammlung des Verfassers beantworten.

Beginnen wir beim ältesten Baustein – im wahrsten Sinne des Wortes – der Wartburg bei Eisenach in Thüringen.

Die Wartburg verbindet man mit dem Aufenthalt von Martin Luther 1521/22, der dort das Neue Testament ins Deutsche übersetzte.

Der große Bekannheitsgrad der Wartburg brachte die 1896 gegründete Fahrzeugfabrik Eisenach auf die Idee, ihre ab 1898 nach Decauville-Lizenz gebauten Automobile danach zu benennen.

Hier haben wir einen solchen „5 PS Wartburgwagen“:

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Wartburgwagen von 1899; Aufnahme des Verkehrsmuseums Dresden

Nach Anfangserfolgen geriet der Mutterkonzern in Schwierigkeiten und die Fahrzeugwerke Eisenach kamen 1903 unter neue Kontrolle. Damit endete vorerst die Tradition der „Wartburg“-Wagen.

Die ab 1904 in den Fahrzeugwerken Eisenach gefertigten, selbstentwickelten Autos wurden dann unter der neugeschaffenen Marke Dixi verkauft.

Betrachtet man die Modellvielfalt der Dixi-Wagen, fällt es schwer, ein Konzept zu erkennen. Gewiss, in Eisenach entstanden solide konstruierte, gut verarbeitete Fahrzeuge – doch kaum eines brachte es auf nennenswerte Stückzahlen.

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Dixi Typ 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung René Försch

Auch nach dem 1. Weltkrieg gelang es Dixi nicht, von der Kleinserien-Manufaktur wegzukommen – auf Dauer konnte das nicht gutgehen.

Dass die Rettung nur in rationeller Serienfertigung eigens dafür konstruierter Modelle liegen konnte, erkannte man in Eisenach – wie auch bei anderen deutschen Automobilherstellern – zu spät.

Erst 1927 begann Dixi mit der Lizenzfertigung des damals nicht mehr ganz taufrischen, aber massenmarkttauglichen Austin „Seven“.

Mit dem als Dixi 3/15 bezeichneten Typ DA1 erreichte man im Schatten der Wartburg erstmals Stückzahlen im vierstelligen Bereich.

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Dixi 3/15 PS Typ DA1; Bildrechte Michael Schlenger

Dennoch kam es 1928 zur Übernahme von Dixi durch BMW.

Die Bayern, deren Versuche im Automobilbau bis dato im Experimentierstadium steckengeblieben waren, führten die Fertigung des Dixi 3/15 bis Mitte 1929 kaum verändert weiter.

Hier haben wir einen der nach der Übernahme durch BMW gebauten Dixis:

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BMW 3/15 „Dixi“ Typ DA1; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

1929 begann BMW, das von Dixi übernommene Austin-Modell behutsam weiterzuentwickeln. Den daraus resultierenden BMW 3/15 Typ DA2 baute man in Eisenach bis 1931 – die Bezeichnung „Dixi“ trug er nicht mehr.

Der noch auf die Austin-Konstruktion zurückgehende 750ccm-Vierzylinder-Motor mit 15 PS wurde vorerst beibehalten. Die Modellpflege betraf hauptsächlich das äußere Erscheinungsbild – zugleich waren mehr Karosserievarianten verfügbar:

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BMW 3/15 Typ DA2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bis hierhin ist nichts zu erkennen, was auf die bis heute legendäre Sportlichkeit der Dreier-BMWs hinweist.

Doch gelang es BMW in der Folge rasch, sich von dem Anfang der 1930er Jahre arg rückständigen Vorbild Dixi bzw. Austin Seven zu lösen.

Den Anfang machte man in Eisenach noch 1930 und zwar mit einem sportlichen Ableger des BMW 3/15, dem „Wartburg Roadster“.

Durch klassisches Frisieren wurde bei diesem Modell die Leistung auf 18 PS gesteigert. Dank seiner Aluminiumkarosserie geriet der „Wartburg“ so leicht, dass er durchaus agil bewegt werden konnte.

Das Spitzentempo von knapp 100 km/h klingt heute bescheiden, doch auf den damaligen Landstraßen war das genug, um Fahrvergnügen zu haben.

Mit solch einer offenen Krawallschachtel auf kaum befestigten Pisten um die Kurven zu räubern, davon wissen viele Insassen moderner Gefährte nichts mehr…

Wie glücklich dagegen ein BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster noch nach dem Krieg machen konnte, verrät uns diese außergewöhnliche Aufnahme:

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BMW 3/15 Typ DA3 „Wartburg“ Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zur Identifikation des Wagens ist nicht allzuviel zu sagen. Die Reihe waagerechter Luftschlitze ließ bereits vermuten, dass es ein früher BMW ist.

Die markante rechtwinklige Leiste oberhalb des hinteren Schutzblechs am Übergang zwischen Seiten- und Heckpartie, bestätigt den Verdacht:

Das ist einer von nur 150 gebauten BMW 3/15 „Wartburg“ Roadstern! Wer skeptisch ist, findet auf Seite 143 von Halwart Schraders Standardwerk „BMW Automobile“, 1. Auflage 1978, eine Abbildung des Typs aus identischem Blickwinkel.

Restlos glücklich macht – neben der ästhetischen Qualität der Aufnahme – die Tatsache, dass wir auch den Aufnahmeort genau bestimmen können.

Auf der Rückseite des Abzugs ist nämlich neben dem Entstehungsdatum „Mai 1949“ vermerkt „Nähe Remagen“. Wer sich am Rhein ein wenig auskennt, wird es aber noch genauer sagen können.

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Auf den Höhen oberhalb des gegenüberliegenden Ufers zeichnet sich nämlich die Silhouette von Schloss Drachenburg bei Königswinter ab.

Nebenbei handelte es sich bei diesem „Schloss“ um eine im historisierenden Stil gebaute Privatvilla der Gründerzeit, die nach nur drei Jahren – 1884 – fertiggestellt war – das verlange man bei einem derartigen Bau mal heute…

Am Fahrer vorbei geht der Blick über die damals angelegte Sichtachse hoch zur „Drachenburg“. Demnach muss dieses Foto etwas außerhalb des Bad Godesberger Stadtteils Mehlem direkt am Rheinufer entstanden sein.

Dort sieht es heute noch fast genauso aus. Bloß die Chancen, einen BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster anzutreffen, stehen schlecht – es haben nur wenige überlebt.

Kann vielleicht jemand sagen, wer der Fahrer dieses Wagens war und ob das Auto noch existiert? Der Verfasser würde dieses Foto dem heutigen Besitzer des BMW mit Freuden überlassen…

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Varianten des BMW 315 in Krieg und Frieden

Der heutige Eintrag auf diesem Oldtimerblog befasst sich mit der Chronologie der Varianten eines alten Bekannten – des BMW 315.

Natürlich geht es hier nicht um einen der Dreier-BMW der 1970er Jahre, die lediglich mit Vierzylindermotoren ausgestattet waren. Nein, gemeint ist ein kleiner, aber feiner Sechszylinder, der 1934-37 gebaut wurde.  

Wir sind dem rund 9.500mal gebauten Modell, das mit seinen 34 PS für 100 km/h Spitze gut war, bereits begegnet. Das erste Mal haben wir ein Exemplar dingfest gemacht, das sich auf einem Vorkriegsfoto aus Berlin versteckte:

BMW_315_früh Berlin

BMW 315; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem Ausschnitt sieht man ganz rechts den BMW 315 mit der markanten Doppelniere und zwar in der frühen Ausführung von 1934/35.

Diese war an den in sechs Gruppen auf zwei Ebenen zusammengefassten Luftschlitzen zu erkennen.

So wusste der Betrachter auf Anhieb, dass im Unterschied zum Schwestermodell BMW 309 unter der Haube ein Sechszylindermotor steckte. Ein Originalfoto, auf dem man dieses markante Detail besser erkennt, folgt weiter unten.

Vorher werfen wir aber einen Blick auf die spätere – ab 1936 gebaute Ausführung – des BMW 315.

Regelmäßigen Lesern dieses Oldtimerblogs wird diese ebenfalls in Berlin entstandene Aufnahme von 1938 bekannt vorkommen (Bildbericht):

BMW_315_Vater_und_Sohn_1938_Galerie

BMW 315; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sind zwei Unterschiede zum eingangs gezeigten BMW 315 zu erkennen:

Zum einen verfügen die Vorderschutzbleche nun über seitliche Schürzen, die die wenig attraktive Rahmenpartie für den Betrachter verdecken. Zum anderen sind die Luftschlitze nun in einem großen Feld zusammengefasst.

Beide Details wurden vom ab 1935 gebauten stärkeren Modell BMW 319 übernommen, das hier in einer ebenfalls bereits vorgestellten Aufnahme der frühen Nachkriegszeit zu sehen ist – übrigens wieder in Berlin:

BMW_319_Limousine_Galerie

BMW 319; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Nur die drei Chrom-Zierleisten auf den Haubenschlitzen wurden nicht für die späte Ausführung des schwächeren BMW 315 übernommen. Die großen Radkappen mit konzentrischer Prägung finden sich ab 1936 an beiden Modellen.

Nun mag man sich fragen: Wozu das Ganze? Die BMW-Vorkriegskenner können das sicher alles im Schlaf herunterbeten.

Aber dem durchschnittlichen Liebhaber von Vorkriegswagen, der ohne Kopfkissen mit weiß-blauen Rauten schläft, erschließen sich solche Details erst auf Umwegen.

Die einschlägige Literatur – „BMW Automobile“ von Halwart Schrader und „Deutsche Autos von 1920-45“ von Werner Oswald verliert jedenfalls wenig Worte über die äußerliche Modellpflege des BMW 315.

Das wäre vermutlich auch egal, wäre der Verfasser nicht auf folgende Aufnahme aus dem 2. Weltkrieg gestoßen, die eingehendere Recherchen nach sich zog:

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BMW 315 Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Hier ist eine Heeres-Einheit der deutschen Wehrmacht irgendwo am A… der Welt damit beschäftigt, ihre Fahrzeuge wieder vorzeigbar zu machen.

Derartige Aufnahmen, die eine Wagenwäsche in einem Fluß zeigen, gehören zu den Klassikern in den Fotoalben der deutschen „Landser“. Denn wenn man Zeit und Gelegenheit hat, seine Autos zu putzen, befand man sich weit hinter der Front.

Da zog oft ein Kamerad seine Voigtländer oder Zeiss-Ikon hervor, um den friedlichen Moment inmitten eines für den Einzelnen unüberschaubaren gigantischen Geschehens festzuhalten.

BMW_315_Kübelwagen_Ausschnitt

Dass wir es hier mit keiner Kampfeinheit zu tun haben, ist offensichtlich. Das sind nicht mehr ganz junge Soldaten, die wie Millionen andere zum Kriegsdienst eingezogen wurden, ohne eine Wahl zu haben.

Der barfuß auf der Stoßstange seines Rotkreuz-Lasters balancierende einfache Soldat ganz rechts schaut entspannt und vergnügt ins Objektiv – sein Kamerad im Vordergrund, der einen hellen Arbeitsanzug trägt, ist ebenfalls bester Dinge.

Doch uns interessiert an dieser Stelle etwas anderes, nämlich der Zweisitzer, der bis zu den Achsen im Fluß steht. Klar ist, dass es ein deutscher Kübelwagen auf Basis eines zivilen Fahrgestells ist.

Die gängigen Kübelwagenmodelle jener Zeit von Adler, Horch, Mercedes-Benz, Stoewer und Wanderer haben wir auf diesem Blog bereits ausführlich besprochen. Der legendäre VW Kübel wird übrigens gelegentlich ebenfalls gewürdigt.

Zur Identifikation muss man das passende Zivilmodell kennen, dessen meist unveränderte Vorderpartie mit einem militärischen Aufbau kombiniert wurde.

Im vorliegenden Fall geben das Fehlen von Kotflügelschürzen und die großen Radkappen mit konzentrischer Prägung die entscheidenden Hinweise: Das muss ein BMW 315 Kübelwagen mit Heckaufbau nach Wehrmachtsspezifikation sein.

Das wäre ohne Holger Erdmanns WebsiteKfz der Wehrmacht“ kaum herauszufinden gewesen. Von dort stammt auch der entscheidende Hinweis, dass an den späteren BMW 315 bestimmte Details des Modells 319 wiederzufinden sind – hier die Radkappen und (schwer erkennbar) die Art der Haubenschlitze.

Zum Schluss wie versprochen noch ein schönes Dokument, das den BMW 315 in der frühen Ausführung mit der auffallenden Anordnung der Luftschlitze zeigt:

BMW_315_1949_Galerie

BMW 315 Cabriolet; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist eine Aufnahme, die nichts zu wünschen übrig lässt – kontrastreich, scharf und mit idealem Bildaufbau. Niemand schaut gezwungen, keiner hat die Augen geschlossen oder wackelt im entscheidenden Moment herum.

Jede der vier Personen, die hier 1949 in der amerikanischen Besatzungszone Bayern (Kennnung: AB) mit dem treuen BMW abgelichtet wurden, scheint in diesem Augenblick vollkommen bei sich zu sein.

Eine so perfekte Situation hätte sich die Werbung kaum besser ausdenken können.

Der BMW war zum Entstehungszeitpunkt schon an die 15 Jahre alt. Von der fehlenden Radkappe und der wohl „fremden“ Stoßstange abgesehen sieht man ihm das kaum an.

Was die Personen auf dem Foto in den Jahren davor erlebt haben, können wir uns nicht ansatzweise vorstellen…

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