Dezente Eleganz nach dem Krieg: Borgward Hansa

Dieser Blog widmet sich schwerpunktmäßig Automobilen der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, die sich durch eine faszinierende Vielfalt an Marken, Konzepten und Karosserien auszeichnete.

Die Wagen der Vorkriegszeit sind auch deshalb interessant, weil ihre Formen, Proportionen und Materialien uralte Traditionen weiterführten. Deshalb fügten sie sich äußerlich so harmonisch in das gewachsene Umfeld ein.

Wer heute in eine historische Altstadt mit einem Vorkriegswagen einfährt und diesen auf dem Marktplatz abstellt, kann sich daher der Sympathie seiner Zeitgenossen sicher sein – selbst wenn sie gar keine Oldtimerfans sind.

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© DKW, Adler und Opel , Mitte der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die letzten Wagen, die in der Tradition organischer und damit als natürlich empfundener Formen standen, wurden Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre entwickelt. Gemeint sind die Autos mit Pontonkarosserie.

Die Idee, auf freistehende Kotflügel zu verzichten und eine eher die Breite als die Höhe betonende Karosserie zu bauen, taucht bereits in den 1920er Jahren auf. Die Verfechter der Stromlinienform leisteten dazu maßgebliche Beiträge.

Die Pontonkarosserie ist letztlich eine Entwicklungsform der Vorkriegszeit, die sich erst nach dem 2. Weltkrieg durchsetzte.

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© Steyr-Fiat 1400 in den Dolomiten, 1955; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Daher deckt dieser Blog auch entsprechende, bis 1955 vorgestellte Autos ab. Die britische, auf Vorkriegsautos spezialisierte Zeitschrift “The Automobile” ( http://www.theautomobile.co.uk/about/) zieht interessanterweise dieselbe Grenze.

Dass die frühen Pontonkarosserien stilistisch eine Vorkriegstradition fortführten und keine Zäsur darstellten wie in der Architektur die brachiale Bauhaus-Ideologie, zeigt das folgende Originalfoto:

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© Borgward Hansa, um 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In einer bürgerlichen Wohngegend mit Häusern der 1920/30er Jahre, die noch über großzügige Grundstückgrößen und freundlich wirkende Details wie Fensterläden verfügten, sehen wir einen Borgward Hansa nebst elegant gekleideter junger Dame.

Das Nummernschild am Auto ist wahrscheinlich ein Besatzungskennzeichen – wir befinden uns also in den späten 1940er bzw. frühen 1950er Jahren. Die Gegend, in der die Aufnahme entstand, ist von den Verheerungen des Krieges verschont geblieben. Erst ab den 1970er Jahren wütete in solchen Vierteln der “Modernisierungs”wahn.

1949 hatte Borgward den Hansa vorgestellt, das erste neukonstruierte deutsche Auto nach dem verlorenen Krieg. Nicht Opel, nicht Mercedes, nicht BMW war das gelungen, was Borgward hinbekam – fast zeitgleich übrigens auch Fiat mit dem 1400.

Auch bei der Leistung war Borgward auf der Höhe: Mit anfangs 48, später 52 und dann über 60 PS boten die Bremer eine der Größe des Wagens angemessene Motorisierung. Damit konkurrierte man mit zeitgenössischen Mercedes dieser Klasse, die die Pontonform erst später und auch nur halbherzig übernahmen.

Schaut man sich zeitgenössische Fotos von Borgwards an, hat man den Eindruck, dass sie von eher jungen, zu Geld gekommenen Leuten gefahren wurden. Das waren oft Menschen mit Stilbewusstsein, wie an ihrer sportlichen Figur und lässig-eleganter Kleidung zu erkennen ist.

Auch unsere Aufnahme lässt erkennen, dass es diesen jungen Autobesitzern um mehr als nur praktische Fortbewegung ging, hier ein Ausschnitt:

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© Borgward Hansa, um 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die weitgeschnittenen Hosen und der lange Mantel der neben dem Borgward stehenden jungen Dame spiegeln noch den mondänen Stil der späten 1930er und 1940er Jahre wider.

Die Frisur und die lässige Haltung dagegen künden von einem neuen selbstbewussten Frauenbild, das eine unangestrengte Eleganz einschloss, die man in Zeiten formloser “Funktions”jacken heute oft vermisst.

Auf folgender Privataufnahme, die ein Borgward Hansa-Fahrer einst auf einem Alpenpass schoss, bekommt man noch eindrucksvoll vorgeführt, was eine Taille ist…

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© Borgward Hansa, Rückfahrt aus Italien, um 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

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