Die Verfügbarkeit historischer Fotografien klassischer Automobile ist nicht nur eine Funktion der einstigen Verbreitung der Fahrzeuge. Entscheidend ist auch, ob eine Marke im kollektiven Bewusstsein noch präsent ist.
So genießen unter den deutschen Autoherstellern nicht mehr existierende Marken wie Adler, DKW und Horch noch einen gewissen Bekanntheitsgrad. Das liegt entweder daran, dass sie nach dem Krieg noch eine Weile weiterbestanden, wenn auch nicht immer als Autoproduzent (wie Adler). Oder es hat damit zu tun, dass die Produkte so herausragend waren, dass sie immer noch begehrt sind (Bsp. Horch).
Schlecht sieht es dagegen bei Herstellern eher unspektakulärer Fahrzeuge aus, die um 1930 untergingen. Meist wird für das Massensterben europäischer Automarken in jener Zeit die Weltwirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Doch fast immer waren eine verfehlte Modellpolitik und unwirtschaftliche Produktion die Ursache.
Ein Beispiel dafür ist die Marke Brennabor aus Brandenburg, die von 1908 bis 1933 mit wechselndem Erfolg Automobile baute. Nach dem 1. Weltkrieg war Brennabor kurze Zeit der Hersteller mit der höchsten Autoproduktion in Deutschland.
Folgendes Originalfoto zeigt einen Brennabor-Tourenwagen der späten 1920er Jahre, wahrscheinlich einen Typ P 8/32 PS:
© Brennabor Typ P Tourenwagen, ca. 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Auf ein solches Bild zu stoßen, ist reine Glückssache. Denn die Marke Brennabor kennt kaum mehr jemand, und der Tourenwagen könnte bei oberflächlicher Betrachtung alles Mögliche sein.
Im vorliegenden Fall wusste der Anbieter aber, was er da hat. Denn das Foto war von alter Hand rückseitig mit “Brennabor” beschriftet. Wir haben keinen Grund, an der Richtigkeit zu zweifeln. Das in den 1920er Jahren rund 10.000mal gebaute 4-Zylindermodell der Marke mit 2,1 Liter Hubraum und 24 bzw. 32 PS sah genau so aus.
Zum Nachvollziehen und für Vergleichszwecke zwei Detailaufnahmen:
Trotz Beschädigungen des Fotos, die einige Retuschen erforderten, lassen sich die schlichten Formen der Frontpartie gut erkennen. Interessanterweise sind keine Luftschlitze in der Motorhaube zu sehen.
Detailgenau abgebildet ist die geteilte, im Oberteil ausklappbare Windschutzscheibe. Ob sie auch komplett nach vorne umlegbar war, muss offen bleiben. Beeindruckend wirkt die Größe des Lenkrads. Schalt- und Handbremshebel liegen bei diesem Modell noch außen, was für eine Entstehung Anfang der 1920er Jahre spricht. Gebaut wurde der Typ als solcher bis 1927.
Am Heck lässt sich die Gestaltung der hinteren Rahmenausleger, des Tanks und der Holzspeichenräder samt Nabenkappe schön studieren. Modelltypisch ist der markant gestaltete Werkzeugkasten am Trittbrettende. Ihn findet man in identischer Form auf der Abbildung einer Brennabor-Limousine des Typs P in Werner Oswalds Buch “Deutsche Autos 1920-45”.
Anhand dieser Details sollten sich die sonst wenig spezifische Tourenwagen von Brennabor auch auf anderen Fotografien identifizieren lassen. Nun noch ein Blick auf die Gesellschaft auf unserer Aufnahme:
Besonders malerisch ist diese Dreiergruppe auf der Decke. Die beiden Damen lächeln versonnen, offenbar war es für sie ein glücklicher Tag. Der Herr mit den Schnürstiefeln wirkt durch den militärischen Haarschnitt etwas streng, macht aber ebenfalls einen entspannten Eindruck.
Übrigens: Zusammen mit dem Fotografen haben wir es mit insgesamt sechs Personen zu tun und darauf war der fast viereinhalb Meter lange Brennabor-Tourenwagen auch ausgelegt.
Der Zeitpunkt der Aufnahme dürfte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre anzusiedeln sein. Der Kiefernwald und der sandig erscheinende Boden sprechen für einen Aufnahmeort in Brandenburger Raum. Doch auch eine Entstehung an der Ostseeküste ist denkbar. Näheres wissen wir leider nicht.